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23.05.2012

Adiós, Bildungskapitalismus!

Chiles Jugend fordert staatliche, kostenfreie und gute Bildung – für alle

Allende 2.0 – Chiles Jugend besinnt sich auf ihr Erbe jenseits der Diktatur. / Foto: David von Blohn

Gut ein Jahr halten chilenische Schüler und Studenten das Land in Atem. Derzeit verhandeln sie mit dem dritten Bildungsminister und wissen die Bevölkerung hinter sich. Mit Reformen geben sie sich nicht mehr zufrieden. Ihr Ziel ist der soziale und kulturelle Wandel.

Am 26. April stellte Präsident Piñera seine Pläne für die Steuer- und die Bildungsreform vor. Den Studierendensprecher Gabriel Boric überzeugen sie nicht, „Schönheitskorrekturen“ seien es. Durch höhere Steuereinnahmen sollen 770 Millionen Euro mehr in die Bildung fließen, Stipendien öfter vergeben und Kredite günstiger werden.

Doch die grundlegenden Probleme löse das nicht. Die Studierenden lehnen die Profitorientierung in der Bildung weiterhin ab und fordern eine radikale Demokratisierung des Bildungssystems und der Politik. Wie unter Salvador Allende, Anfang der 70er Jahre, müsse die Bildung wieder als Menschenrecht geachtet werden und allen kostenfrei zugänglich sein. Nur so könne Chile die extreme soziale Ungleichheit überwinden, meinen die Studierenden. 

Unter den Mitgliedern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gehört Chile mit einem Gini-Index von 0,55 zu den Ländern mit der krassesten Ungleichverteilung. Der OECD-Durchschnitt liegt bei 0,31. Grund dafür ist Chiles neoliberale Wirtschaftspolitik, ein Relikt der Pinochet-Diktatur. 

Das Hochschulwesen wird zu 16 Prozent aus öffentlichen Geldern finanziert, 80 Prozent müssen die Familien selbst tragen. Um die Gebühren von monatlich mindestens 300 Euro bezahlen zu können, nehmen Studenten teure Kredite auf und beginnen ihr Berufsleben mit rund 48.000 Euro Schulden. Die Einkommen der meisten Chilenen liegen zwischen 500 und 700 Euro im Monat. Viele fühlen sich dem Markt ausgeliefert, da sie nicht wissen, ob sie je schuldenfrei leben werden. Bei einer Protestaktion verkleideten sich daher mehrere Tausend Studenten humorvoll als Zombies und inszenierten vor dem Präsidentenpalast in Santiago Michael Jacksons „Thriller“. 

Die Proteste sind längst zu einer sozialen Bewegung herangereift. Zusammen mit Gewerkschaften riefen die Studierenden im August zu einem zweitägigen Generalstreik auf, an dem über eine halbe Million teilnahmen. Jedoch wurde dabei ein 16-jähriger Student von einem Polizisten erschossen. 

„La hora sonó“ – „deine letzte Stunde hat geschlagen, die Schock-Strategie lassen wir nicht mehr zu“, singt Ana Tijoux in dem Song „Shock“ in Anlehnung an Naomi Kleins Bestseller. 

Die chilenische Jugend sammelt ihre politische Erfahrung bereits seit den Protesten von 2006 und 2008. Inzwischen sind sie organisiert und nach einem Jahr nervenaufreibender Straßenkämpfe und langwieriger Verhandlungen noch lange nicht müde. Für den 16. Mai sind erneut landesweit Demonstrationen angekündigt.

von Anne-Kathrin Glaser
   

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