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 StudiLeben
15.11.2012

Gendern: Muss das sein? Ja.

Zwei Redakteure über das Für und Wider geschlechtsneutraler Sprache

Ziad-Emanuel Farag / Foto: privat

Oft wird behauptet, dass man sexistisch sei, wenn man mit der männlichen Form, die weibliche mit einschließt. Werden Kinder, die die deutsche Sprache lernen, so zu Sexisten? Kai Gräf und Ziad-Emanuel Farag diskutieren, ob es geboten ist, sich geschlechtsneutral auszudrücken.

JA

Ziad-Emanuel Farag: "Wer nicht gendert, ist, ob gewollt oder nicht, sexistisch"

Das entlarvende Hauptargument gegen Gendern in Texten schlechthin ist, dass die männliche Form als kürzere besser lesbar sei. Auf den ersten Blick leuchtet dies mehr als ein, doch ist es zugleich Ausdruck des traditionellen Sexismus: Wieso haben wir uns daran gewöhnt, dass die maskuline Form als kürzere Form die Grundform ist? Warum ist sie außerdem repräsentativ für alle? Die Antwort ist offensichtlich: In der europäischen patriarchalen Tradition ist die Geltung und Macht des männlichen Geschlechts noch heute in vielen Bereichen, Branchen und Regionen nahezu allumfassend, dementsprechend sind Frauen bedeutungslos. Dies schlägt sich nieder im generischen Maskulinum! Hier ist die deutsche Sprache besonders sexistisch. Zwar gibt es im Englischen auch ursprünglich männliche Formen wie teacher, die die Frauen miteinschließen. Doch sind diese inzwischen geschlechtsneutral geworden, eine weibliche Nebenform gibt es nicht mehr.

Wie sexistisch unsere Sprache ist, zeigt sich an einigen Berufsbezeichnungen, die wenig angesehen sind. Solche wären: Putzfrau, Krankenschwester und Sekretärin. Alle drei Fälle sind besonders verräterisch: Die Analogieformen Krankenbruder und Putzmann gibt es nicht, man spricht dann hochtrabend von einem Raum- oder Krankenpfleger. Im Falle der Sekretärin gibt es sogar die männliche Form Sekretär. Doch Sekretär heißt etwas völlig anderes, wie der Blick auf Parteien zeigt, wenn von einem Generalsekretär die Rede ist. 

An diese sexistische Gesellschaftsstruktur knüpft das zweite Hauptargument gegen das Gendern an: Das Gendern ist nur ein Symptom; nicht das Symptom ist zu bekämpfen, sondern die Ursache. Das Bewusstsein und das Denken des Menschen wird jedoch wesentlich geprägt von der Sprache in seiner Umgebung. Mit dem Erlernen einer Sprache geht auch einher, dass man besonders im Falle der Muttersprache ihre Kategorien übernimmt. Der Mann und eben nicht die Frau ist wie ein Familienoberhaupt stellvertretend für die Gesamtheit. 

Der Blick auf Mädchenschulen zeigt, dass man solche sexistischen Konzepte und Stereotype hinsichtlich ihrer Wirkung nicht unterschätzen darf: Gelten gemeinhin Mädchen als generell schwächer in mathematischen und naturwissenschaftlichen Fächern, so zeigt sich an Mädchenschulen ein scheinbar unerwartetes Bild: Dort gibt es dasselbe Leistungsniveau und dieselbe Notenverteilung wie an gemischten Schulen, obwohl es dort keine männlichen Schüler gibt. Das heißt im Umkehrschluss: Wird den Schülerinnen nicht andauernd vorgehalten, dass ihnen Mathematik weniger läge, liegt es ihnen auf einmal genauso wie Jungen. Dies beweist: Rollenzuschreibungen prägen die Individuen einer Gesellsschaft zumeist – und das ist das Entscheidende – unbewusst. Die Rechnung, die sexistische Sprache wäre als bloßes Symptom vernachlässigbar, ist eine Milchmädchen – und eben keine Milchjungenrechnung.

Dass diese Ansicht nicht völlig verkehrt ist, weiß inzwischen auch der Deutsche Bundestag, der nun auch Wert auf eine geschlechtsneutrale Sprache legt. Gendern ist aber immer nur der Anfang, Das veränderte Sprachbewusstsein muss sich über kurz oder lang in sichtbaren Ergebnissen niederschlagen! Wer glaubt, durch Gendern Sexismus zu bekämpfen, der irrt. Wer jedoch nicht gendert, ist, ob gewollt oder nicht, sexistisch.

   

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