ruprecht 24 - Juni '93
Aus dem Inhalt
Gruener Totengraeber?
Heidelberg ringt mit der Gelben Tonne - S. 2&3.
Auf der Couch
Fuer manchen Studenten ist das Studium der Anfang vom 
Ende - S. 7.
Kleine graue Maenner
Eine Studentin erlebt das Land des Laechelns, ganz privat - S. 
8.
Streifen des Monats
ruprecht goes to the movies - 
S. 13.
Sandkastenspiele 
Heidelbergs Studierende duerfen wieder Alibi-Vertret waehlen
Bei den am 15. Juni stattfindenden Wahlen zum Grossen und 
Kleinen Senat und zu den Fakultaetsraeten geht es wieder um 
einen kleinen Studierendenanteil in grossen Gremien. Um die 
wenigen studentischen Sitze bewerben sich die gleichen vier 
Gruppen wie im letzten Jahr: Die  Fachschaftskonferenz 
(FSK), die Juso-Hochschulgruppe, die Liberale Hochschulg
ruppe (LHG) und der Ring Christlich Demokratischer 
Studenten (RCDS). 
Eigentlich muesste die Abstimmung eine spannende Sache 
sein - entscheiden doch diese Gremien ueber Dinge, die alle 
Studierenden unmittelbar angehen: 
Der grosse Senat kann ueber AEnderungen der 
Grundordnung der Universitaet Einfluss ueben; in ihm traegt 
der Rektor seinen jaehrlichen Rechenschaftsbericht vor. Der 
noch wichtigere Kleine Senat beschliesst z.B. die Einfuehrung 
oder AEnderung von neuen Studiengaengen, hat die Gewalt 
ueber die Studien- und Pruefungsordnungen der Fakultaeten; 
er hat d
as letzte Wort bei der Berufung von neuen Professoren und 
Professorinnen. Die Fakultaetsraete schlagen immerhin die 
Pruefungsordnungen vor, die der kleine Senat absegnen soll. 
Der Haken: Die Studierenden duerfen nur ueber etwa 9-10% 
der Sitze abstimmen. Die Professoren haben in allen Gremien 
eine solide, per Gesetz festgelegte Mehrheit. Nicht einmal alle 
anderen Gruppen zusammengenommen - also Studierende, 
wisschenschaftliche und nicht-wissenschaftliche Mitarbeiter - 
haben so viele Stimmen wie ihre Pruefer oder Vorgeset
zten. 
Trotzdem sind die Wahlen spannend: In Heidelberg 
entscheiden die Studierenden naemlich nicht nur darueber, 
welche Leute sie vertreten, sondern wie die Vertretung 
ueberhaupt organisiert ist: Eigentlich bilden die 17 
studentischen Mitglieder des Kleinen und Grossen Senates als 
AStA die Studierendenvertretung - die im Prinzip nur soziale, 
musische un
d sportliche Themen anruehren duerfte. Seit 4 Jahren aber hat 
die FSK diesen AStA praktisch abgeschafft: Mit ihrer 
absoluten Mehrheit laesst sie nur eine formelle Sitzung des 
AStA am Anfang der Wahlperiode abhalten, um ihn dann nie 
wieder zusammentreten zu lassen. Alle weiteren 
Abstimmungen werden Vertretern aus den einzelnen 
Fachschaften in woech
entlichen Konferenzen  abgehalten. Die FSK haelt die 
Vorgehensweise fuer basisnaeher; die politischen Hochschul-
gruppen fuehlen sich ausgesperrt.
Waehlen wird einem in Heidelberg so schwer wie moeglich 
gemacht: Nur ein Wahltag, nur zwei Stimmlokale. Wer sich 
vom Waehlen abhalten laesst, hilft genau den Leuten, die 
ueberhaupt keine studentische Stoerenfriede in den Hohen 
Raeten sehen wollen.                      (hn)
ruprecht hat die vier Kontestanten zu ihren Versprechungen 
befragt: S. 4/5
LHG
Die Liberale Hochschulgruppe tritt nur im Kleinen Senat an. 
"Volkswirte und Juristen bilden die Mehrheit bei unsoe, sagen 
Justina Fischer und Jens Darre, die ruprecht interviewte.
 ruprecht: Koennt Ihr die Hauptpunkte Eures 
Wahlprogrammes nennen?
Justina: Was wir betreiben, ist eigentlich eine reine 
Persoenlichkeitswahl. Wir wollen in bestimmte Strukturen 
ver-trauenswuerdige Leute bringen. Die Studierenden sollen 
sich mit uns identifizieren und glauben, dass wir ihre 
Interessen vertreten. Deswegen haben wir kein Programm 
aufgestellt; jeder von uns hat seine persoenlichen 
Vorstellungen. Ein
 Anliegen von mir ist z.B., dass bei der Berufung von 
Professoren didaktische Faehigkeiten eine groessere Rolle 
spielen. Bei weiteren Sachen haengt alles davon ab, was 
gerade anfaellt.
Jens: Wir sollten auch das Thema Studienzeitverkuerzung, 
dass nun einmal auf dem Tisch ist, selbst aktiv angehen, so 
dass wir - und auch die Universitaet - nicht irgendetwas an 
uns vorbeimachen lassen. Die Mitsprache der Frauen an den 
Universitaeten muss in allen Gremien und Bereichen Thema 
sein.
ruprecht: Warum tretet Ihr nur im Kleinen Senat an? Als 
kleine Hochschul-gruppe waeren doch Eure Chancen, in den 
AStA zu bekommen, bei einem Antreten im Grossen Senat 
besser.
Jens: Der Grosse Senat hat wenige Befugnisse. Deshalb 
konzentrieren wir uns auf den Kleinen Senat. Sitze im 
Grossen Senat dienen nur der Mehrheitsbeschaffung im AStA. 
Wir sagen aber gar nicht "Knackt den Astaoe, sondern 
meinen, dass die FSK inhaltlich eine recht gute Politik macht, 
wobei man ueber die Ausrichtung diskutieren kann. Bei uns 
gibt es
 auch keine 17 Aktive, um die Liste fuer den Grossen Senat 
aufzufuellen, und mit Phantomkandidaten wollen wir nicht 
antreten.Wir koennen den Asta nicht allein schmeissen, aber 
diesen Anspruch haben wir ja auch nicht. Wir wollen uns in 
dem Bereich, wo wir kandidieren, einbringen und mit anderen 
zusammenarbeiten.
ruprecht: Welche Reformen sollten am dringendsten an den 
Hochschulen durchgesetzt werden?
Jens: Ein sehr langfristiges Problem ist die Staerkung der 
Lehre. Ausserdem wollen wir den Einfluss der Studierenden, 
auch den Einfluss der landesweiten Gremien wie die 
Landesastenkonferenz, staerken. Sie muessen 
Anhoerungsrechte wie andere oeffentliche Verbaende auch 
erhalten. Aber die Moeglichkeiten der Studierenden sind sehr 
begrenzt. Man kann 
nur die Stimme erheben, man kann nie entscheiden.
ruprecht: Welche bisher veroeffentlichten Reformvorschlaege 
sollten am ehesten verhindert werden?
Jens: Eine Zwangsexmatrikulation nach einer festgelegten 
Studienzeit lehnen wir strikt ab. An der Universitaet muss 
jeder selbst wissen, ob er eine reine Berufsbildung oder auch 
persoenliche Bildung will. Langzeitstudenten belasten die Uni 
nicht, denn sie bevoelkern ja kaum die Seminare. Sie erhoehen 
aber auf dem Papier die Studierendenzahl einer 
Uni und somit die Geldbetraege, die aus Stuttgart dorthin 
kommen.
ruprecht: Wie steht ihr zur Verfassten Studierendenschaft?
Justina: Wir waere auf jeden Fall fuer die Verfasste 
Studierendenschaft ohne Austrittsrecht gewesen, aber wir 
haetten eine solche Einrichtung mit Austrittsrecht als ersten 
Schritt akzeptiert. Wichtig waere  eine Ausweitung des 
Mandates der Studierendenvertreter von sozialen und 
musischen Belangen auf ein allgemeinpolitisches Mandat 
gewesen. Ein so
genanntes hochschulpolitisches Mandat bringt nur eine 
Zementierung des derzeitigen Zustandes.
ruprecht: Was fuer Aktivitaeten habt Ihr im letzten Jahr 
entfaltet?
Jens: Wir haben vor den Mensen eine Umfrage zur 
Fahrradwegesituation gemacht und dann den 
Fahrradbeauftragen der Stadt dazu eingeladen. Da wir nicht 
im AStA vertreten waren, fiel andere Arbeit auch schwer. 
ruprecht: Ist es nicht auch fuer Euch frustrierend, zu sehen, 
wie die FSK regelmaessig jedes Jahr den Asta abschafft und 
die anderen Hochschulgruppen in den einstweiligen Ruhestand 
versetzt?
Jens: Wenn die Mehrheit der Waehler diese Praxis 
unterstuetzt, muessen wir das akzeptieren. Es aergert uns 
allerdings, dass die FSK sich durch ihren 
Alleinvertretungsanspruch selbst daran hindert, mit den 
anderen Hochschulgruppen zumindest inhaltlich 
zusammenzuarbeiten.
ruprecht: Was haltet ihr ueberhaupt vom  FSK-Modell, 
verglichen mit einem Studierendenparlament?
Justina: Schlecht ist, dass auch kleinste Fachschaften 
Entscheidungen der Mehrheit in der FSK blockieren koennen. 
Ausserdem haben wir den Eindruck, dass in den Fachschaften 
gelegentlich Leute ausgegrenzt werden, die nicht in das 
Konzept der FSK passen. Auch fuer uns ist es nicht moeglich, 
mitzuarbeiten, weil wir oft nicht erfahren koennen, was in 
der FSK passiert. Hier foerdert die FSK ein Lagerdenken, das 
man auch in den anderen Hochschulgruppen findet und das 
konstruktive Zusammenarbeit einfach unterbindet. Trotzdem 
muss man sagen, dass die Arbeit der FSK zu teilweise guten 
Ergebnissen fuehrt, weil die Fachschaften halt sehr nahe an 
den Studenten dran sind. 
Im Ergebnis sind wir fuer eine Art Zwei-Kammer-Modell: Es 
soll ein Studierendenparlament und eine Fachschaftskonferenz 
geben, die sich gegenseitig kontrollieren. Die Funktion  des 
Studie-rendenparlamentes koennte in Heidelberg der jetzt 17-
koepfige AStA uebernehmen.
ruprecht: Mit wem koenntet Ihr Euch vorstellen zu koalieren?
Jens: Wir koennten gut mit der FSK zusammenarbeiten. Mit 
den beiden anderen Gruppen, die ihre inhaltlichen Positionen 
zu sehr mit der jeweiligen Mutterpartei abstimmen, haetten 
wir Schwierigkeiten - wenngleich wir das nicht kategorisch 
ausschliessen wollen. ruprecht: Gibt es Sachen bei der 
Ausgabenpolitik der FSK, die Euch nicht gefallen?
Justina: Sie ist vor allem nicht durchschaubar.  
Jens: Es muss immer jemand verantwortlich fuer ein Referat 
sein.  Dafuer sollten diese Leute auch bezahlt werden, auch 
auf Kosten der Aufwendungen fuer Projekte und Sachmittel; 
die Anzahl der Referate muesste verringert werden: z.B. den 
Unimut koennte man sich dann schenken.
ruprecht: Ist es nicht traurig, wenn man keinen Sitz im Asta 
hat, den man fuer eine Karriere in der einem nahestehenden 
Partei benutzen kann?
Jens: Karrieristen sollten lieber zu den Jungen Liberalen 
gehen. Wir sind voellig unabhaengig von F.D.P. und auch von 
der Bundes-LHG und bekommen auch kein Geld von dort. 
Wir finanzieren uns nur aus Feten. Es gibt zwar F.D.P.-
Mitglieder bei uns, aber auch SPD-Mitglieder.  Wer zur LHG 
kommt, um in der F.D.P Karriere zu machen, muss krank sein.
RCDS
Der RCDS tritt in beiden Senaten sowie in der juristischen 
und historischen-philosphischen Fakultaet an. Der Gruppe 
gehoeren viele Juristen an ("relative Mehrheitoe), ausserdem 
ziemlich viele Mediziner, Geschichtler, Politikstudenten. 
ruprecht sprach mit dem Vorsitzenden Gerhard Ries.
ruprecht: Welches sind die Hauptpunkte Eures Programmes 
fuer dieses Jahr und fuer die naechsten Jahre?
Gerhard: Wir wollen die Aktion "Pruef den Profoe aus dem 
letzten Semester, die auf breite Resonanz gestossen ist, 
weiterfuehren. Wir wollen uns der Europapolitik widmen und 
an der Universitaet fuer Europa Werbung machen. Geplant ist 
z.B. eine Podiumsdiskussion mit Abgeordneten des Europa-
Parlaments und Beate Weber.
Natuerlich wollen wir die Mehrheit der FSK brechen. So 
koennten wir auch den Verantwortlichen in Stuttgart 
beweisen, dass, wenn die FSK nicht alles blockiert, Studenten 
in der Lage sind, sich selbst zu verwalten. 
Ausserdem streben wir ein direkt gewaehltes 
Studentenparlament an, das neben den bisherigen 
eingeschraenkten Aufgaben des AStA auch ein 
hochschulpolitisches - allerdings kein allgemeinpolitisches - 
Mandat hat. ruprecht: Was wuerdet ihr auf universitaerer 
Ebene im naechsten Jahr durchsetzen wollen?
Gerhard: Wir sind einfach ziemlich offen, was da auf uns 
zukommt. Wir konzentrieren uns im Moment darauf, diesen 
Wahlkampf zu machen.
Wir wuerden aber versuchen, die Beteiligung  bei den 
Gremienwahlen zu erhoehen: Jeder Student sollte eine 
Wahlbenachrichtigung bekommen, damit er weiss, wann 
Wahlen sind.
ruprecht: Was sind die Vorteile eines 
Studierendenparlamentes gegenueber dem Modell der FSK?
Gerhard: Im Parlament koennten studentische Interessen von 
Vertretern, die nur dort arbeiten, besser wahrgenommen 
werden. Ausserdem ist das Raetemodell der FSK fuer 
hochschulpolitische Gruppen aeusserst prekaer: Wir koennen 
nicht in allen Fachschaften mit eigenen Listen antreten. 
Hochschulpolitische Gruppen wie der RCDS wollen vor allem 
Universit dtspolitik machen. In vielen Fakultaeten gibt es ja 
Fachschaften, die gute Arbeit leisten. Das sind aber 
unterschiedliche Bereiche.
ruprecht: Sind aber die FSK-Leute als Fachschafter nicht 
besser in der Basis verankert?
Gerhard: Viele vom RCDS arbeiten in Fachbereichen mit: 
Jura, Theologie, Medizin. Wir muessen uns aber aus 
organisatorischen Gruenden auf die Universitaetspolitik 
konzentrieren. In den Fachschaften, in denen wir mitmachen, 
wissen wir aber, was los ist. ruprecht: Eine Rueckmeldung 
bekommt ihr aber nur einmal im Jahr.. Die FSK-Teilnehmer 
koennen sich jede Woche in ihren Fachschaften 
Abstimmungen abhalten.
Gerhard: Die Anzahl der Leute, die zu diesen Abstimmungen 
kommen, steht in krassem Missverhaeltnis zur der Anzahl 
derjenigen, die kommen sollten. Demokratischer ist es, wenn 
man einmal im Jahr jemanden waehlt und ihm einen 
Vertrauensvorschuss gibt dem er dann gerecht werden muss.
ruprecht: Ist es nicht frustrierend, jedes Jahr anzutreten, um 
dann von einer knappen Mehrheit der FSK an den Rand 
gedraengt zu werden?
Gerhard: Frustrierend ist nicht diese Tatsache, sondern, dass 
die Wahlbeteiligung so gering ist. Viele Leute wollen an der 
Universitaet einfach ihren Abschluss machen und dann ins 
Berufsleben - Universitaet als Dienstleistungsunternehmen 
fuer die Ausbildung. In diesem Zusammenhang ist auch 
wichtig, was der Rektor im letzten Jahr mit seiner Initiat
ive "Wir-Gefuehl an der Universitaetoe anregt hat: Man muss 
eine Identitaet an unserer Hochschule schaffen, dann wird das 
Interesse der Studenten fuer universitaere Belange auch 
groesser. 
ruprecht: Die Einfuehrung der Verfassten Studierendenschaft 
ist vorerst gekippt: Die SPD will lieber keine solche 
Einrichtung als eine, bei der die Studenten Austrittsrecht 
haben. Wuerdet ihr solch eine VS als ersten Schritt 
akzeptieren? Gerhard: Nein. Es kann nicht sein, dass ein 
Student aus der Studentenschaft austritt und das 
Studentenparlament wieder nur einen Teil der Studenten 
vertitt.
ruprecht: Mit wem wuerdet Ihr koalieren?
Gerhard: Mit der LHG koennten wir sicherlich, mit den Jusos 
enventuell, mit der FSK wohl nicht koalieren.
ruprecht: Habt Ihr eigentlich - gerade im Vergleich zur FSK - 
genuegend Leute, um die Arbeit im AStA zu bewaeltigen?
Gerhard: Ja. Auf unseren Listen stehen nur engagierte Leute.
ruprecht: Mit welchen  Aktionen ist der RCDS im letzten Jahr 
hervorgetreten?
Gerhard: Mit der "Pruef den Profoe-Aktion und auch mit der 
Kampagne mit dem Europamobil des RCDS-
Landesvorstandes. Ausserdem haben wir die "Wir-Gefuehloe-
Aktion  des Rektors unterstuetzt. Auch wenn man ueber 
einiges an dieser Diskussion streiten kann, so ist doch deutlich 
geworden: Der RCDS will, dass wir von den Professoren 
angehoert werden, da
ss sie nicht ueber die studentischen Belange hinwegschauen. 
Der Grund, warum viele Professoren nicht offen fuer 
studentische Interessen sind, ist, dass diese mit der 
Betonkopfmentalitaet der FSK vorgetragen werden. Man 
braucht sich ja nur mal die FSK-Rundbriefe durchzulesen und 
es wird einem uebel: schon allein was die Diktion, den 
Sprachstil dies
er Informationen anbetrifft. Konstruktive Arbeit aber kann 
auch auf Professorenseite zu Entgegenkommen fuehren. Der 
RCDS leistet das bundesweit: In Bundestagsausschuessen 
z.B. werden zu studentischen Belangen stets Vertreter des 
RCDS angehoert. Ein Beispiel fuer konstruktive Politik ist die 
Freischussregelung , zu der wir die Idee hatten. Zumindes
t in Jura konnte sie durchgesetzt werden.
ruprecht: In anderen Laendern gelten Hochschulgruppen als 
Sprungbrett fuer eine Karriere in Partei und Politik. Wie geht 
das denn hier, wenn man nicht an der Macht ist? 
Gerhard: Der RCDS ist ein unabhaengiger Verband. 
Sicherlich vertreten wir viele Positionen, die auch die CDU 
vertritt, aber wir stehen  finanziell auf eigenen Fuessen. Wir 
bekommen zwar auch Unterstuetzung von der CDU, aber wir 
sind kein Teil der CDU. Parteikarriere macht man besser bei 
der Jungen Union.
ruprecht: Wie gefaellt Euch die Art, wie die FSK das Geld des 
AStA im Moment verteilt? 
Gerhard: Das Ausgabesystem der FSK aeusserst 
undurchsichtig. Das Autonome Frauen- und Lesebenreferat 
z.B. geht an studentischen Interessen vorbei: Es sind 
ideologische Positionen, die damit finanziert werden. Auch 
ueber den Sinn des Antifaschismus-Referates kann man 
streiten. Natuerlich ist Aufklaerung zu diesem Thema absolut 
notwendig, aber das k
ann man nicht mit Referaten tun, deren Namen allein schon 
ihre Ideologisierung verraet. Ein anderes Beispiel: Das 
Studentenwerk hat eine Veranstaltung von Leuten, die dem 
"Leuchtenden Pfadoe aus Peru nahestehen, verboten. In der 
FSK wurde darueber diskutiert. Allein schon die Idee, 
darueber zu diskutieren, ob das ein moeglicher 
Gespraechspartner 
ist, zeigt ein Stueck weit die Mentalitaet der FSK.
JUSOS
Die Juso-Hochschulgruppe tritt in beiden Senaten sowie bei 
den Soziologen an. Stark vertreten sind in der Gruppe  die 
VWL'er, daneben gaebe es auch Theologen, Juristen, 
Physiker, Soziologen, Politiologen sagt  Michael Luckhaus, 
der sich den Fragen von ruprecht stellte.
ruprecht: Was sind die Hauptpunkte Eures Programmes fuer 
dieses Jahr?
Michael: Wir wuerden versuchen, ueber die Grundordnung 
erheblich mehr Mitbestimmungsrecht auf Fakultaets- und 
Universitaetseben zu verankern. 
ruprecht: Wie wollt Ihr das tun?
Michael: Innerhalb der universitaeren Gremien ist das schwer 
zu erreichen. Mehr Mitbestimmung in den Gremien ist 
Laendersache, genau wie die Einfuehrung einer Verfassten 
Studierendschaft. Die aber ist ja in Baden-Wuerttemberg an 
der CDU gescheitert, die den Studierenden ein Austrittsrecht 
zugestehen wollte. Unter  solchen Umstaenden wollen auch 
wi
r lieber gar keine Verfasste Studierendenschaft, denn wenn zu 
viele austreten, ist der Vertretungsanspruch dieser 
Organisation wieder fragwuerdig. Hier in den universitaeren 
Gremien ist es zumindest wichtig, auf die Informationspflicht 
der Organe zu bestehen. Fakultaeten duerfen z.B. einen 
Berufungsvorschlag fuer einen neuen Professor nicht nur da
mit begruenden, dass "es sich herausgestellt hat, das er fuer 
den Lehrstuhl am besten geeignet istoe.
ruprecht: Was gibt es fuer weitere Punkte in Eurem 
Programm?
Michael: Wenn der Bundeskanzler im Herbst zum 
Bildungsgipfel ohne Studierende laedt, werden wir uns dazu 
aeussern. Zu den herumgeisternden Positionspapieren - 
Studienzeitverkuerzung, Bildungsgutscheine, mehr Leute auf 
die Fachhochschulen - muessen wir Position beziehen. Wir 
muessen auch klarstellen, dass vor allen Massnahmen den 
Universitaeten meh
r Geld zur Verfuegung gestellt werden muss. Die 
Hochschulen erhalten heute einen kleineren Anteil vom 
Sozialprodukt als noch vor 10 Jahren. Bildung und 
qualifizierte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sind aber 
so notwenig, dass man an dieser Stelle nicht sparen sollte.
Unser Hauptziel aber ist es, den freien Zugang zur 
Universitaet zu erhalten bzw. wiederherzustellen - es gibt jetzt 
schon Einschraenkungen durch NC's und 
Aufnahmepruefungen. Alle, die sich durch Abitur oder 
Fachhochschulreife qualifiziert haben, sollen auch studieren 
koennen.
ruprecht: Was plant Ihr auf universitaerer Ebene?
Michael: Wir wollen vor allem das Modell der FSK abschaffen 
und zu einem von allen Studierenden gewaehlten 
Studierendenparlament kommen.
ruprecht: Ihr sagt, das Modell der FSK sei 
"pseudodemokratisch. Warum?
Michael: Jede Fachschaft erhaelt das gleiche Gewicht, die 
grossen Fachbereiche genauso viel wie die kleinen. Fuer die 
FSK werden meist werden keine Vertreter gewaehlt, sondern 
eher delegiert - von den Leuten, die gerade auf die 
Fachschaftssitzung gekommen sind. Die Basis aller 
Studierenden hat keinen Einfluss darauf, wer letzlich auf der 
FSK-Liste
 steht. Das Konzept sah wohl urspruenglich ein Feedback 
ueber Vollversammlungen vor. Aber die Bereitschaft der 
Studierenden, auf diesen Vollversammlung auch in grosser 
Zahl zu erscheinen, fehlt. Haeufig geht auch die 
Ankuendigung unter, VV's werden abgesagt: Es ist kein 
konsistentes Instrument der Entscheidungsfindung. In einem 
Studierendenparlame
nt kann der Wille der Studierenden besser artikuliert werden.
ruprecht: Bei einem Studierendenparlament werden die 
Vertreter aber nur einmal jaehrlich zur Rechenschaft gezogen. 
Die Vertreter in der FSK aber werden zumindest von ihrer 
Fachschaft einmal woechentlich kontrolliert. Michael:  In 
einem Studierendenparlament wird mit Mehrheit entschieden. 
Bei der FSK aber gibt es dieses Vetorecht aller Fachschaften.
ruprecht: Ist die FSK durch ihre Fachschaften nicht trotzdem 
besser in der Basis verankert?
Michael: Es gibt auch fuer viele Leute eine Hemmschwelle, 
sozusagen in diesen "linken Haufen FSKoe zu gehen und dort 
mitzuarbeiten. Die kann bei Wahlen geringer sein: Man waehlt 
eine Gruppierung, deren Thesen man unterstuetzt: Es ist eine 
geheime Wahl, waehrend beim anderen Modell tatsaechlich 
aktiv in Erscheinung treten muss, wer mittun will. Da
 dies nicht jedem liegt, ist das Parlament die fairere Loesung; 
damit sind unter Umstaenden auch mehr Studierende zu 
erreichen. Bei einem Studierendenparlament hat der Einzelne 
einen direkteren Einfluss; das  koennte auch ein groesserer 
Anreiz sein, ueberhaupt waehlen zu gehen. 
ruprecht: Ist es eigentlich nur aergerlich, oder auch 
frustrierend, jedes Jahr mit der gleichen Prozedur von der 
FSK ins Abseits gedraengt zu werden?
Michael: Man kommt sich schon irgendwo verarscht vor, 
wenn der Asta nur zur Wahl und fuer einen 
Rechenschaftsbericht tagt, der erkennbar nur der Form halber 
geschrieben wurde. Das Bisschen Demokratie, das wir haben, 
wird so auch nicht ernstgenommen. 
ruprecht: In anderen Bundlaendern gelten Hochschulgruppen 
als Sprungbretter fuer eine Karriere in Politik und Partei. Wie 
macht man das denn hier, wo die FSK doch seit Jahren alle 
Hochschul-gruppen daran hindert, den Asta zu uebernehmen? 
Michael: Die Juso-Hochschulgruppe erhaelt kein Geld von der 
SPD. Die, die zu uns kommen, sind nicht zum 
ueberwiegenden Teil in der SPD. Ich wuerde ausserdem nicht 
jedem Parteimitglied unterstellen, dass es Karriere machen 
will. Es ist aber sicherlich schwer, hier nur als Juso-
Hochschulmitglied Bekanntheit zu erlangen, weil die FSK 
eben den Asta h dlt.
ruprecht: Habt Ihr genuegend Leute fuer die AStA-Arbeit?
Michael: Die Kandidaten auf den vorderen Plaetzen sind sehr 
wohl in der Lage, engagiert zu arbeiten. Einige unserer Leute 
sind auch im Juso-Kreisverband; dort sind auch  
Organisationsstrukturen vorhanden, die man nutzen kann. 
ruprecht: Mit wem wuerdet Ihr koalieren, wenn die FSK die 
absolute Mehrheit im Asta verliert?
Michael: Mit der FSK. Der Asta muesste dann allerdings als 
Gremium  wieder auferstehen. Die Entscheidungen muessten 
transparenter werden. Einzelne Fachschaften duerften in der 
FSK kein Vetorecht mehr haben. Es sind viele Jusos in der 
FSK dabei und ich habe den Eindruck, dass sich innerhalb der 
FSK mehr bewegt als noch vor zwei Jahren. 
Nur mit dem RCDS koennen wir uns keine Koalition 
vorstellen.
ruprecht: Die FSK kann sagen: Unsere Leute treten in allen 
Fakultaeten an, die HG's nicht.
Michael: Die Fachschaften leisten ja auch gute Arbeit. Es geht 
uns lediglich um die Dachorganisation, gegen die wir 
Einwendungen haben. 
ruprecht: Gibt Kritik von Eurer Seite an den Dingen, fuer die 
die FSK Geld des AStA und der Fachschaften ausgibt?
Michael: Der Rechenschaftsbericht ist nicht besonders 
aufschlussreich. Ich habe aber nicht das Gefuehl, dass hier 
kostspieligen Prestigeobjekt laufen und glaube, dass das, was 
passiert, auch einen wuenschenswerten Beitrag an der Uni 
liefert.
FSK
Die Fachschaftskonferenz ist der Zusammenschluss der 
Fachschaften der Universitaet. Die einzelnen 
Fachschaftsvertreter sind an die Beschluesse ihrer jeweiligen 
Fachschaft gebunden; jede Fachschaft hat ein Vetorecht, das 
nur mit einer Zweidrittelmehrheit ueberstimmt werden kann. 
Die ruprecht-Fragen beantwortete Kirsten Pistel..
ruprecht: Was wollt Ihr im naechsten Jahr im Angriff nehmen, 
was wollt Ihr erreichen und was wollt Ihr im naechsten Jahr 
verhindern? 
Kirsten: Das Hauptziel war und ist die Wiedereinfuehrung der 
Verfassten Studierendenschaften. Die Strukturen, die der 
Gesetzgeber vorsieht, erlauben keine Vertretung studentischer 
Interessen - und sollen es wohl auch nicht. Deshalb ersetzen 
wir sie jetzt schon durch unsere effektivere und 
demokratischere Organisationsform. Wir nehmen unser Ziel al
so schon vorweg und traeumen nicht nur davon, wie die 
anderen Gruppen von ihren Programmen. 
Mit Hilfe des in den Fachschaften, der FSK und der LAK 
(Zusammenschluss der unabhaengigen Studierendenvertrung 
des Landes) geleisteten Informationsaustausches koennen wir 
in den Gremien  konstruktiv mitarbeiten. Dies und den 
allgemeinen Informationsfluss aus den Uni-Gremien an die 
Studierenden wollen wir weiter ausbauen.
Wir wollen die Lehre staerken, nicht nur ueber 
Vorlesungsumfragen. Es muss auch  in entsprechenden 
Veranstaltungen  die Moeglichkeit fuer Lehrende geben, sich  
didaktisch fortzubilden: Wir haben zum Beispiel in der 
Senatskommission "Lehre" ein "Hochschuldidaktisches  
Zentrumoe fuer deratiges gefordert.
Auf kultureller Ebene arbeiten wir an einem Kulturcafe - 
voraussichtlich im Karlstorbahnhof -, das die Moeglichkeiten 
gerade von Studierenden, kulturelle Veranstaltungen zu 
organisieren, entscheidend verbessern soll. ruprecht: Was sind 
Eurer Meinung nach die am dringendsten notwendigen 
Veraenderungen an den Hochschulen?
Kirsten: Das wichtigste ist es, alle Gruppen an der Hochschule 
gleichberechtigt mitbestimmen zu lassen. Im Moment arbeitet 
die staerkste Gruppe Positionen aus und setzt sie gegen die 
anderen durch. Das ist undemokratisch. Sobald sich dies 
geaendert hat, koennen wir ueber Lehrinhalte, Strukturen 
usw. reden.
ruprecht: Was sind diejenigen bisher veroeffentlichten 
Reformansaetze, die man am dringstenden verhindern sollte?
Kirsten: Eine Zweiteilung des Studiums, bei dem nur eine 
kleine Gruppen zum wissenschaftlichen Studium zugelassen 
wird. Ich habe nichts gegen berufsbefaehigende Ausbildung, 
aber zur berufsqualifizierenden Ausbildung sollte das Studium 
nicht degenerieren. 
Verhindern muessen wir auch einen sozialen Numerus Clausus 
an den Universitaeten, vor allem Sanktionen gegen die, die 
laenger studieren. Sie belasten die Uni nachweislich nicht. Es 
ist auch noch kaum in die Koepfe der PolitikerInnen 
gedrungen, dass es jetzt verstaerkt den Typus des oder der 
Teilzeitstudierenden gibt. Bestraft man die dann dafuer, 
dass sie nebenher noch arbeiten (muessen)?
Die Durchlaessigkeit der Studiengaenge muss erhalten 
bleiben: Plaene, den Fachwechsel nach 3 Semestern 
unmoeglich zu machen oder Leuten, die in einem Fach 
durchfallen, das Studium eines verwandten Faches zu 
verwehren, sind  einfach absurd. Die Entruempelung der 
Lehrplaene darf nicht die Begruendung fuer die 
"Abwicklungoe von Lehrstuehlen mit 
"Orchideenschwerpunktenoe liefern. 
Kennwerte wie Zahl der Studierenden oder abgelegte 
Pruefungen duerfen nicht zur Grundlage fuer die Verteilung 
von Geldern werden. Diese letzten 3 Aspekte favorisiert aber 
das baden-wuerttembergische Ministerium fuer Wissenschaft 
und Forschung ruprecht: Was habt Ihr im letzten Jahr alles 
gemacht?
Kirsten:Mit dem UNiMUT haben wir regelmaessig und 
ausfuehrlich informiert. Wir haben das FSK-Sozialhandbuch 
und zwei Erstsemester-Infos herausgebracht. Das 
OEkoreferat hat sich fuer Umweltschutz in den Mensen und 
Cafeterien eingesetzt. Den Verhandlungen um das Studi-
Ticket haben wir mit zum Abschluss verholfen. In den 
einzelnen Fachschaften liefen
 viele eigene Veranstaltungen. Unserem vehementen 
Einschreiten schreiben wir es auch zu, dass die 
Familientherapie in Heidelberg nicht aufgeloest wurde. 
Insgesamt werden die Studierenden etwas staerker 
beruecksichtigt, wenn sie schon nicht wirklich mitentscheiden. 
Viele ProfessorInnen merken langsam, dass wir wirklich 
konstruktiv mitgestalten koennen.
ruprecht: Andere Hochulgruppen fuehren durch die 
regelmaessige Abschaffung des offiziellen AStA durch die 
FSK ziemlich ausgegrenzt. Wie rechtfertigt Ihr die Tatsache, 
dass doch immerhin fast die Haelfte der Stimmen bei den 
Gremienwahlen unter den Tisch fallen? Kirsten: Die Stimmen 
fallen insoweit nicht unter den Tisch, weil alle in die 
Fachschaften kommen  und sagen koennen: Mich stoert dies 
oder stoert das. Das koennen sie in keinem anderen Modell. 
Alle Sitzungen der FSK oeffentlich und jedeR kann sich 
einbringen. ruprecht:  Warum haltet Ihr Euer 
Fachschaftsmodell fuer besser als ein Studierendenparlament?
Kirsten: Bei einem Studierendparlament gibt man sein Stimme 
im wahrsten Sinne des Wortes am Anfang des Jahres ab und 
bekommt sie erst 12 Monate spaeter wieder. Bei uns kann 
man jede Woche mitmischen. Ein "Parlamentarieroe, der sich 
fuer den ganzen Uni-Bereich verantwortlich fuehlen muss, 
schwebt ziemlich weit ueber den Dingen. Dass auch kleine Fa
chbereiche in der FSK gleichberechtigt vertreten sind, traegt 
der Tatsache Rechnung, dass jeder Fachbereich ganz 
spezifische Probleme und Interessen hat, und dass die Arbeit 
dort beginnt. 
ruprecht: Haettet Ihr, vor die Wahl gestellt, eine Verfasste 
Studierendenschaft mit Austrittsrecht akzeptiert?
Kirsten: Nein, das waere verheerend gewesen. Dann wollen 
wir lieber gar keine. ruprecht: Mit wem wuerdet koalieren, 
wenn es noetig waere?
Kirsten: Ich glaube nicht, dass es absolut notwendig ist, zu 
koalieren, sollten wir die Mehrheit verlieren. Die Mehrheit 
erleichtert uns die Arbeit, aber angewiesen sind wir darauf 
nicht. 
ruprecht: Die anderen Gruppen beschweren sich darueber, 
dass die Verwendung der Geldmittel unduchsichtig ist. Wem 
legt Ihr wann und in welcher Form den Rechenschaftsbericht 
vor?
Kirsten: Der Rechenschaftsbericht wird der FSK gegeben.  
Eine UEbersicht veroeffentlichen wir im UNiMUT. 
Ausserdem gehen sowieso alle Antraege durch die FSK. 
Deren Protokolle kann man bei uns im Buero, bei den 
Fachschaften und bei allen Hochschulgruppen einsehen. Da 
der Rektor die Rechtsaufsicht fuehrt, sind saemtliche Belege 
nur in der Univerwalt
ung einzusehen. 
Interview: (hn)     
Die 25 Buecher der Weisheit, 2. Lieferung
ruprecht bittet noch mehr Heidelberger Dozenten zur 
Buchempfehlung
In der Epoche der "Postmoderneoe, so lehren uns die 
Beobachter gesellschaftlichen Wandels, regiert die 
"Unuebersichtlichkeitoe. Tatsaechlich: Wer vermoechte heute 
auch nur im Groben anzugeben, wohin die Reise unserer 
Geschichte geht? Oder: Wer vermoechte - selbst nach Jahren 
des Studiums - von sich zu behaupten, er habe sein Fach in 
dessen ganze
r Breite wie Tiefe erfahren? Und wenn schon die Fachleute 
ueberfordert sind - wie ueberfordert muss erst ein Laie sein, 
der sich fragt, womit sich eigentlich Volkswirte beschaeftigen, 
was Anglisten umtreibt, welcher Probleme sich Geographen 
annehmen, an welchen Phaenomenen sich Chemiker 
abmuehen?
Vor dem Hintergrund dieser "Unuebersichtlichkeitoe, die auch 
die Beziehungen der wissenschaftlichen Disziplinen 
untereinander auszeichnet, startete ruprecht in der letzten 
Ausgabe sein Projekt der "25 Buecher der Weisheitoe. Das 
Konzept: Per Anschreiben bitten wir Dozenten aus 
verschiedenen Heidelberger Fachbereichen zur Buchanzeige. 
"Ziel Ihre
r Empfehlungoe, so schreiben wir den Hochschullehrern, "soll 
es sein, Studierenden, die das jeweilige Fach nicht selbst 
studieren, sich aber dafuer interessieren, ein Buch 
vorzustellen, das ihnen - in einer moeglichst auch fuer den 
aufgeschlossenen Laien verstaendlichen Weise - einen ersten 
Eindruck von diesem Fach, von seinen wesentlichen Frages
tellungen und Methoden, verschafft. Und das ihnen vielleicht 
auch Lust macht, sich noch eingehender mit Ihrem Fach zu 
beschaeftigen.oe
In der letzten ruprecht-Ausgabe veroeffentlichten wir die 
ersten vier Antworten auf unsere Anfrage (siehe "Die 1. 
Lieferungoe im Kasten unten). Hier nun folgt die zweite 
Lieferung der "25 Buecheroe, mit Empfehlungen von einem 
Medizinhistoriker, einem Geographen, einem Romanisten und 
einem Psychologen; weitere Lieferungen werden in den 
naechsten 
Ausgaben des ruprecht erscheinen. (Red.: bpe)
Geschichte der Medizin
Rezensent: Prof. em. Dr. Dr. Heinrich SCHIPPERGES
Seine Empfehlung: PARACELSUS, Vom gesunden und 
seligen Leben. Ausgewaehlte Texte, Reclam, Leipzig 1991, 
DM12.
Es ist ein Spruch von altersher: dass Wissen vergeht, Weisheit 
aber bleibt. Fuer kein Gebiet gilt dies mehr als fuer die 
Medizin, wo so vieles Wissen gewachsen, so viel an Weisheit 
verkuemmert ist. Wissen und Weisheit aber miteinander 
verbunden, ineinander verkettet zu haben, gilt in beispielhafter 
Weise fuer Theophrastus von Hohenheim (1493-1541)
, den grossen Arzt und Naturforscher Paracelsus, dessen 500. 
Geburtstag in diesem Jahre in ganz Europa gefeiert wird. Und 
ist doch immer noch der grosse Unbekannte geblieben, trotz 
aller Paracelsus-Kliniken, -Baeder, -Apotheken und -
Gesellschaften. Wer wollte das alles auch lesen: 14 wuchtige 
Baende der Sudhoff-Ausgabe (1922-1933), sieben 
volumin vse Waelzer der theologischen und sozialkritischen 
Schriften! Hier nun kommt eine moderne Auswahl hilfreich 
zur Hand: eines der schoensten und auch billigsten - die erste 
Auflage (1973) kostete noch zwei Mark - Buecher aus der 
Geschichte der Medizin. 
Die Texte des Paracelsus sind in der Tat hochaktuell - und 
nicht nur fuer den Historiker der Medizin, dem nach der 
Approbationsordnung die kulturelle und soziale Verwurzelung 
des aerztlichen Denkens, Wissens und Handelns zu 
erforschen, zu lehren und leider auch zu pruefen aufgegeben 
ist -, sondern aktuell und wichtig vor allem in diesem 
Paracelsus
-Jubeljahr, wo immer die Gelehrten - wenige Experten, allzu 
viele Schwaermer - sich tummeln werden. Die empfohlene 
Auswahl bietet - mit Nachwort, Anmerkungen und Register - 
einige der wenigen Texte, die man als "echtoe bezeichnen 
kann, Texte, die man eigentlich sprechen und hoeren muss, 
um sie wirklich zu verstehen. In diesen wenigen Texten zeigt
sich, was die Medizin einmal war, was sie wieder werden 
sollte, was sie eigentlich sein muesste, naemlich: Physiologie, 
die Lehre vom Gesunden, Pathologie, das Wissen vom 
Kranksein, und Therapeutik, die Lehre vom Heilmachen, 
Heilwerden, Heilsein.
Gewusst hat er manches, aber war er ein Weiser? "Doch nun 
urteilet selbstoe, schrieb er, "ob ich ein Doktor der Heilkunst 
sei oder ob ich ein Ketzer hierin sei oder ein Zerbrecher der 
Wahrheit oder ein toller Stierskopf!oe - Nehmet also, und 
leset! - Heinrich Schipperges
Rezensent: Prof. Dr. Norbert GROEBEN
Seine Empfehlung: Dietrich DOERNER - Herbert SELG 
(Hrsg.), Psychologie. Eine Einfuehrung in ihre Grundlagen 
und Anwendungsfelder, Kohlhammer, Stuttgart 1985.
Die Psychologie laesst sich - eher studiumsorientiert - von 
ihren Teilfaechern her oder - eher theorienorientiert - von 
ihren Richtungen aus darstellen. Am schoensten waere 
selbstverstaendlich ein UEberblickswerk, das beide 
Blickrichtungen verbindet; aber das gibt es - natuerlich - nicht! 
Bei der notwendigen Entscheidung ist fuer LeserInnen einer 
Student(inn)en-Zeitung vermutlich eine Darstellung, die von 
den Teilfaechern des akademischen Studiums ausgeht, von 
unmittelbarerem Interesse. Dabei bietet das empfohlene Werk 
den Vorteil, dass es nicht nur die Faecherinhalte der 
Grundlagenforschung, die im Grundstudium gelehrt werden, 
skizziert, sondern auch die wichtigsten Anwendungsfelder, die 
im Hauptstudium angeboten werden. Bei den 
Grundlagenfaechern sind das die Methodenlehre, 
Biopsychologie, Allgemeine Psychologie (mit den 
Teilgebieten Verhalten, Handeln, Emotion, Motivation, 
Wahrnehmung, Gedaechtnis, Lernen, Denken und Sprache) 
sowie die Persoenlichkeits-, Entwicklungs- und 
Sozialpsychologie. Von den anwendungsorientierten Faecher
n werden die drei klassischen Bereiche der Klinischen, 
Paedagogischen sowie Organisations-Psychologie 
abgehandelt; ausserdem die Diagnostik, die 
Verhaltenstherapie und die OEko-Psychologie als 
Neuentwicklung. 
Dabei steht das empirisch-experimentelle Paradigma im 
Vordergrund, sowohl in der traditionellen Behaviorismus-
Form als auch in der modernen Variante des 
Informationsverarbeitungsansatzes, der Wahrnehmungs-, 
Denk-, Entscheidungsprozesse beim Menschen etc. in 
Analogie zum Computer erklaert. Die Psychoanalyse wird 
deutlich weniger beruecksichtigt - w
as aber ihrem (minimalen) Gewicht in der universitaeren 
Ausbildung (der Psychologie) entspricht. So gut wie gar nicht 
kommt bei Doerner/Selg allerdings die "dritte Kraftoe der 
(wie sie sich selber nennt) Humanistischen Psychologie vor, 
die vor allem von der Selbstverwirklichung des Menschen als 
anthropologischem Ziel ausgeht; deshalb sei zum Schl
uss dann doch noch eine Ergaenzung aus eben jener Richtung 
vorgeschlagen: Helmut Quitmann, Humanistische 
Psychologie. - Norbert Groeben
Rezensent: Prof. Dr. Bodo MUELLER
Seine Empfehlung: Hadumod BUSSMANN, Lexikon der 
Sprachwissenschaft, 2., voellig neu bearb. Auflage, Alfred 
Kroener Verlag, Stuttgart 1993.
Kann man denn ein Lexikon, ein Woerterbuch, empfehlen? Es 
ist wahr: Dieser Buchtyp steht in den Regalen aller 
Buchhandlungen, ist aber, wie es heisst, "nicht das Richtige 
zum Lesenoe. Da will man kaum glauben, dass jemand vom 
Nachschlagen von Artikeln im Woertberbuch fasziniert, ja 
stimuliert sein kann, wie wir das von franzoesischen 
Romanciers u
nd Lyrikern wissen. In der modernen hispanoamerikanischen 
Literatur hat Pablo Neruda, Nobelpreistraeger von 1971, 
sogar eine ganze "Ode auf das Woerterbuchoe geschrieben, 
und bei dem noch bekannteren Jorge Luis Borges steht gar zu 
lesen, das Woerterbuch und die Enzyklopaedien seien die 
vergnueglichsten aller literarischen Gattungen.
Uns geht es hier nicht um poetische Impulse, Klangrausch und 
Wortmagie, die moderne Autoren aus Woerterbuechern 
schoepfen, sondern es geht um die praezise, wissenschaftlich 
aktuelle Sachinformation, die wir, wenn sie gut gemacht sind, 
als interessierte Leser wie als Spezialisten aus ihnen beziehen 
koennen. Ein solches gut gemachtes Woerterbuch ist
 Hadumod Bussmanns "Lexikon der Sprachwissenschaftoe in 
der 2., voellig neu bearbeiteten Auflage, in die Linguisten der 
verschiedensten Fachrichtungen und Schulen den 
Erkenntnisstand ihrer Gebiete eingebracht haben. Mit etwa 
3.500 Stichwoertern von "Abbildungoe bis "Zyklusprinzipoe, 
die alle wesentlichen Fachtermini und Fragestellungen der diac
hronen und der synchronen, der allgemeinen wie der 
einzelsprachlichen Sprachwissenschaft ueberlegt und 
ausgewogen behandeln, ausserdem mit weiterfuehrenden 
Literaturhinweisen und mit Karten zur Verteilung der 
Sprachen in der heutigen Welt, ist dieses Buch das zur Zeit 
beste Nachschlagewerk zur Sprachwissenschaft - bei einem 
Preis von (nur) DM 42,-
. Wer mit Sprache und Texten zu tun hat, nimmt es gern in die 
Hand, sei es nur zum "Schmoekernoe des einen oder anderen 
Artikels, oder um sich anregen zu lassen, ueber das 
einzigartige Phaenomen der Kommunikation von Mensch zu 
Mensch nachzudenken. Da wir mit Sprache denken und uns 
mitteilen koennen, brauchen wir ein gutes Woerterbuch, das 
unsere 
sprachlichen Begriffe erklaert; bemerkte doch schon Karl 
Kraus: "In keiner Sprache kann man sich so schwer 
verstaendigen wie in der Sprache.oe - Bodo Mueller
Rezensent: Dr. Horst EICHLER
Seine Empfehlung: Mieczyslaw TAUBE, Materie, Energie 
und die Zukunft des Menschen.  S. Hirzel Verlag, Stuttgart 
1988, DM 48.
Information bedeutet in der Kybernetik eine Mitteilung, die 
beim Empfaenger ein bestimmtes (Denk-) Verhalten bewirkt. 
So gesehen sind die mehr als 300.000 jaehrlich auf den 
Weltmarkt geworfenen Buchtitel groesstenteils wie 
Informationsmuell, der sich vor uns auftuermt, uns zu 
ersticken droht, der uns hilflos macht und unfaehig auch, 
Belangloses vo
n noch Verwertbarem zu unterscheiden. Rein rechnerisch 
erscheint jeden Tag eine Publikation zum Thema 
"Bodenerosionoe, einem der Kardinalprobleme unserer vom 
Menschen geschundenen Erde. Vier Millionen Literaturtitel 
gibt es allein zur Regenwaldproblematik - unueberschaubar 
fuer einen Regenwald-OEkologen -, und 600.000 publizierte 
Laborberichte, D
oktorarbeiten und Zeitschriftenartikel sollten das jaehrliche 
Pensum eines Chemikers sein, der von sich behaupten will, in 
der "Umweltchemieoe auf dem Laufenden zu sein. Nein, in 
dieser Masse ist Information nicht zu verarbeiten. Wo 
Vernetzung des Denkens angesagt ist, wird Punktuelles, 
Spezielles, wird in anderer Verpackung Gleiches angeboten. A
rme Studentin, bedauernswerter Student der Geographie und 
der oekologisch orientierten Geowissenschaften, die Ihr Euch 
in den ersten Semestern das feste Fundament zu mauern habt, 
auf dem das Haus Eures Fachwissens langsam wachsen soll! 
Doch da liegt fuer Euch - funkelnd wie ein Diamant im Muell 
- das sich aeusserlich unscheinbar und bescheiden gebende 
Buch dieses Mieczylaw Taube, von dem der Titel nur verraet, 
dass Grosses zu erwarten ist. Und tatsaechlich: Da 
unternimmt es ein Naturwissenschaftler, das darzustellen - und 
zwar didaktisch so perfekt -, was eigentlich darzustellen
 fuer einen heutigen Wissenschaftler als Alleinautor kaum 
mehr moeglich scheint. Vom Urknall spannt sich der Rahmen 
des Buches ueber den Ursprung und die Evolution der 
Materie, von der Entstehung des Lebens bis hin zu den 
grossen Kreislaeufen der Materie und den Energiefluessen, die 
sie treiben. Wir lernen den Aufbau der Geosphaere kennen als 
das 
verletzliche OEkosystem und all die vielen vom Menschen 
selbst induzierten Probleme seines UEberdauerns auf diesem 
seinem Heimatplaneten Erde. Treibhauseffekt und Ozonloch, 
Luft- und Wasserverschmutzung und die Ergiebigkeit solarer 
und nichtsolarer Energiequellen werden diskutiert; der 
Energiebedarf des Menschen in vielen seiner Taetigkeiten und 
T
riebbefriedigungen wird errechnet und in Kosten umgesetzt: 
15 US-Dollar pro Stunde kostet der Gebrauch menschlicher 
Intelligenz, menschliche Arbeit hingegen nur 2,50 Dollar, das 
Autofahren allerdings schon 50 Dollar die Stunde! Und wenn 
die explodierende Menschheit mit Hilfe ihrer kostbaren 
Intelligenz die Erde zugrunde gerichtet hat oder der Lebe
nsraum nicht ausreicht? Die Option, in die kosmischen Weiten 
des Alls aufzubrechen, wird ernsthaft eroertert und ein 
Szenario der kosmischen Expansion des Menschen entworfen 
- aber auch die Moeglichkeit der biogenetischen Erweiterung 
der menschlichen Intelligenz zur "Superintelligenzoeals 
Ausweg aus der oekologischen Krise diskutiert.
Faszinierend die geistige Spanne dieses Autors und die 
Schaerfe seiner Analysen. Alle, die sich fuer die Erde als ihren 
materiell und geistig hochvernetzten Lebensraum interessieren 
(oder sich vom Studienplan her interessieren muessten!), kann 
dieses Buch ein Schluessel zu neuen Welten des Denkens sein. 
Tabellen, Skizzen, Diagramme und die glaskla
re Gliederung machen den Zugang sehr einfach. Die 
notwendigerweise textbegleitenden chemischen und 
physikalischen Formeln sollten die in dieser Hinsicht 
schwaecher geruesteten Benutzer beim UEberfliegen dieses 
Buches nicht davon abhalten, sich trotzdem vom Stoff 
gefangen nehmen zu lassen. Alle sind sie leicht durchschaubar, 
nachvollziehbar und auc
h fuer eigenes Weiterdenken nutzbar zu machen.
Dieses einmalige Buch, Produkt einer 30jaehrigen 
akademischen Taetigkeit, umreisst in grandioser Weise das die 
naturwissenschaftliche Seite unseres Planeten Erde 
umfassende Wissen unserer Zeit und vermag als 
Informationsstoss das (Denk-) Verhalten derer, die sich ins 
Abenteuer seiner Durchdringung begeben, tiefgreifend und 
dauerhaft zu beeinflusse
n. Und als "Studium-generale-Literaturoe ist es geradezu ein 
Muss fuer Hoerer/innen aller Fakultaeten! - Horst Eichler
DIE 1. LIEFERUNG
 (siehe ruprecht 23)
ALTE GESCHICHTE 
Prof. Dr. Dr. h.c. Geza ALFOELDY empfiehlt: Karl 
CHRIST, Geschichte der roemischen Kaiserzeit von Augustus 
bis Konstantin, C.H. Beck, 2. Aufl., Muenchen 1992. 
VOLKSWIRTSCHAFTSLEHRE
Prof. Dr. Juergen SIEBKE / Dipl.-Volkswirt Ulrich ROLF 
empfehlen: Maurice LEVI, Thinking Economically - How 
Economic Principles Can Contribute to Clear Thinking, Basic 
Books, Inc. Publishers, New York 1985; dt.: 
Volkswirtschaftlich denken: vom alltaeglichen Nutzen der 
Wirtschaftswissenschaften, Basel - Boston - Stuttgart 1987.
ANGLISTIK
Prof. em. Dr. Kurt OTTEN empfiehlt: William 
SHAKESPEARE, King Lear; dt.: Koenig Lear; u.a. 
zweisprachig bei Reclam.
POLITISCHE WISSENSCHAFT
Prof. Dr. Frank R. PFETSCH empfiehlt: Dolf 
STERNBERGER, Drei Wurzeln der Politik, Suhrkamp 
Taschenbuch, Frankfurt 1984.
Ich hab mein' Muell in Heidelberg verloren
Auch hierzulande ist die Zeit der einfachen Abfall-Loesungen 
vorbei 
Lang, lang ist´s her, dass eine Stadt ihren Muell - wie noch 
heute jeder Buerger - einfach vor ihre Tore stellen konnte. 
Heute muss sie sich auf das Muellproblem einstellen. 100.000 
Tonnen Siedlungsabfall fielen 1992 in Heidelberg an. 29.000 
Tonnen davon sind Hausmuell, 25.000 Tonnen nehmen Bio- 
und Gruenabfaelle zusammen mit anderen verwertbaren
 Stoffen ein. Der Rest entfaellt im wesentlichen auf Gewerbe- 
und Industrieabfaelle, auf den Muell der amerikanischen 
Streitkraefte, Klaerschlaemme und den Sperrmuell. An 
Restmuell, also solcher Muell, der nicht verwertet werden 
kann, bleiben von den gesamten Siedlungsabfaellen 60.000 
Tonnen uebrig. 
Vermeidung - Verwertung - Entsorgung
Um die Menge des zu entsorgenden Muells gering zu halten, 
verhaelt sich Heidelberg nach dem Grundsatz, dass eine 
Deponierung ohne jegliche Vorbehandlung auszuschliessen 
sei. Deshalb verbrennt sie in ihrer eigenen 
Muellverbrennungsanlage mit einer Kapazitaet von 40.000 
Tonnen pro Jahr ihren Restmuell. Die Mengen, die sie nicht 
verbrennen kann, gehe
n in die Muellverbrennunganlagen nach Mannheim. Zu einer 
Grundsatzdiskussion ueber Muellverbrennung oder alternative 
Verfahren der Muellentsorgung kam es wegen fehlender 
Alternativ-Verfahren zur Verbrennung im Rhein-Neckar-
Raum erst gar nicht. Fuer die uebriggebliebenen 2.000-3.000 
Tonnen Deponie-Muell geht die Stadt Heidelberg dauernd auf 
Suche. 
Denn ueber eigene Lagerflaechen verfuegt die Stadt nicht.
Da Verbrennung und Deponierung nicht zu den 
zukunftsweisenden Loesungsansaetzen der Muellproblematik 
gehoeren, rangiert die Entsorgung von Muell in der Stadt 
Heidelberg auf der untersten Stufe der Prioritaetenliste des 
Abfallwirtschaftkonzeptes. An allererster Stelle steht die 
Vermeidung von Muell. Deshalb hat die Stadt den Bund fuer 
Umwelt- und N
aturschutz Deutschland (BUND) mit einem "Minimuell"- 
Projekt beauftragt, bei dem solche Geschaefte eine 
Auszeichnung erhalten sollen, die in ihrem Warensortiment 
konsequent auf dessen Umweltvertraeglichkeit achten. Um die 
Prioritaet der Muellvermeidung auch an den einzelnen 
Buerger heranzutragen, werden im wesentlichen zwei Wege 
begangen. Beim er
sten Weg sollen die Einwohner Heidelbergs durch 
OEffentlichkeitsarbeit und Beratung durch insgesamt neun 
Fachkraefte zur Mitarbeit angehalten werden. "Erfolgreiche 
Vermeidung von Muell ist nur durch die Mitwirkung der 
Buergerinnen und Buerger moeglichoe, so Herr Zimmermann, 
Leiter des Abfallwirtschaftamtes Heidelberg. Wie 
Werbemassnahmen, denen h
ohe Bedeutung beigemessen wird, ueberhaupt wirken, will die 
Stadt in Zusammenarbeit mit dem ifeu und dem Institut fuer 
Psychologie der Universitaet Heidelberg durch das sogenannte 
"1.000-Haushalte-Projektoe herausfinden. 
Um das Muellaufkommen zu steuern, gibt es ferner, als 
zweiten Weg, fuer die Stadt zwei moegliche Grundhaltungen: 
Steuerung des Muellaufkommens ueber Gebuehren - also 
ueber die Abfallabgabe - oder durch Gebote und Verbote - 
also auf ordnungsrechtlichem Wege -, wobei sich letzterer 
lediglich auf den Bereich beschraenkt, der der Stadt direkt 
unterste
ht. Einfluss auf die  Abfallgebuehr kann der Einzelne durch die 
Bedarfsabholung nehmen. So kann der Buerger bestimmen, 
wie oft seine (Rest-)Muelltonne geleert werden soll. Dieses 
Banderolensystem, das, dem Verursacherprinzip folgend, dem 
Buerger einen finanziellen Anreiz zur Muellvermeidung bietet, 
hat denn auch zu einem Rueckgang des Hausmuellvol
umens gefuehrt. Daneben ist in Heidelberg die 
Eigenkompostierung voll ausgebaut. Dem Ziel des 
Gemeinderates, bis Ende 1993 50% des gesamten 
Siedlungsabfalles entweder vermieden oder verwertet zu 
haben, ist man damit in den Augen von Herrn Zimmermann 
"ein gutes Stueck naeher gekommenoe.
Mit "einer der fortschrittlichsten Satzungen in der 
Bundesrepublikoe, so Herr Zimmermann, kann auch die Stadt 
selbst direkt zur Vermeidung von Muell beitragen und 
umweltfreundliche Systeme foerdern. Beispielsweise duerfen 
auf allen oeffentlichen Flaechen und in allen oeffentlichen 
Gebaeuden bei Veranstaltungen nur Mehrwegsysteme 
verwendet werden.
Nicht aller Muell muss als Restmuell auf die Halde, aber auch 
nicht aller Muell ist zu vermeiden. Es bleibt die grosse Menge 
jenes Muells, der wiederverwertet werden kann. Das hat auch 
Bundesumweltminister Toepfer erkannt und mit seiner 
Verpackungsverordnung Richtlinien zum Umgang mit dem 
Muell gegeben. Seit dem 1. Januar dieses Jahres muss der Ha
ndel alle Verpackungen im Laden zuruecknehmen und sie 
einer Wiederverwertung oder einer Wiederverwendung 
zufuehren. Nun kann der Handel von dieser Verpflichtung 
freigestellt werden, wenn er gewaehrleisten kann, dass 
flaechendeckend die Verpackungen gesammelt und recycelt 
werden. 
Dieses flaechendeckende Sammelsystem wurde 1991 unter 
dem Namen "Duales System Deutschland GmbHoe (DSD) 
gegruendet und wird vom Handel, der Konsumgueterindustrie 
und der Verpackungsindustrie getragen. Finanziert wird dieses 
System ueber den "Gruenen Punktoe (pro Artikel etwa 20 
Pfennig), den das DSD an solche Firmen vergibt, die eine 
Lizenzgebue
hr an das DSD gezahlt haben. Das DSD verpflichtet sich, als 
Gegenleistung vor Ort Entsorgungsunternehmen zu 
engagieren, die den "Gruene-Punkt-Muelloe sammeln und an 
Verwertungsunternehmen, die Garantiegeber, weitergeben. Ist 
diese Garantie flaechendeckend gegeben, koennen die 
Laenderregierungen den Handel von der Ruecknahmepflicht 
freistellen.
Seit Anfang dieses Jahres ist Heidelberg an das DSD 
angeschlossen. Der Vertragspartner ist nicht ein privater 
Entsorger, sondern die Stadt Heidelberg. "Gewiss haette die 
Stadtoe, so Herr Zimmermann, "auch direkt mit 
Verwertungsunternehmen Vertraege abschliessen koennen 
(wobei hier das Problem, solche Entsorger zu finden, 
geblieben waere). Doch h
aette dies nur der Stadt alleine geholfen, das Muellproblem 
waere nicht geloest worden, und ueber kurz oder lang haette 
die Stadt wieder vor riesigen Muellmengen gestanden. Das 
Muellproblem kann nur auf ueberregionaler Ebene geloest 
werden, indem durch politischen Druck ein wirklich 
funktionierendes Abfallverwertungs- und Vermeidungssystem 
aufgeba
ut wird. Dies laesst sich als Leitgedanke im Umgang mit dem 
DSD herausstellenoe. Indem die Stadt Heidelberg die 
Entsorgung nicht, wie es das DSD am liebsten gesehen haette, 
an einen Privaten abgegeben hat, hat sie noch immer den 
UEberblick darueber, wieviel und was gesammelt wird. Auch 
sorgt sie dafuer, dass sich die Sammlung des "Gruene-Punkt-
M |llsoe (also die gelbe Tonne bzw. der gelbe Sack) in das 
schon bestehende System von Abfallvermeidung und -
verwertung nahtlos einfuegt und nicht wie vielerorts zur 
Verdraengung von sinnvollen Sammelsystemen fuehrt, so dass 
die Einfuehrung des DSD nicht zum Totengraeber fuer die 
etablierte Wertstoffsammlung wird.
Mit dem DSD ins Dilemma
In der Verpackungsverordnung des 
Bundesumweltministeriums findet sich keine Vorschrift 
darueber, was unter "Verwertung" zu verstehen ist. Den 
entstehenden Interpretationsspielraum aber, so meinen 
Kritiker, koenne sich das DSD leicht zunutze machen, indem 
es Verwerter angibt, die keine sind. Deswegen draengt die 
Stadt das DSD auf Offenlegung ihrer 
Verwertungsmethoden und auf die Ausgabe von 
glaubwuerdigen Nachweisen. "Hier sind wir zur Zeit im 
Clinch mit dem DSDoe, kommentiert Herr Zimmermann die 
Lage. Dieser Mangel an Kontrollmoeglichkeiten hat seinen 
Ursprung im Abfallgesetz, in welchem keine 
Kontrollbefugnisse festgelegt wurden. "Allerdings hat das 
DSD Kooperationsbereitschaft signalis
iert. Wenn wir einen Recyclingbetrieb unseres Vetrauens 
gefunden haben, den wir auch kontrollieren koennen, so ist 
das DSD durchaus bereit, mit diesem Betrieb 
zusammenzuarbeitenoe, raeumt Herr Zimmermann ein. 
Die Situation ist widerspruechlich. Einerseits propagiert die 
Stadt die Muellvermeidung und umweltschonende 
Muellkonzepte, andererseits arbeitet sie mit der stark unter 
Beschuss geratenen DSD zusammen. Die Verantwortlichen in 
der Stadt spueren diese Zwiespaeltigkeit durchaus. Allerdings 
sieht man sich im Kontext einer grundsaetzlich schwierigen Si
tuation, in der allein schon die Frage, was denn nun eigentlich 
umweltfreundlich sei, schon zu heftigen Kontroversen fuehrt. 
"Die Zeit der einfachen Antworten ist vorbeioe, so Herr 
Zimmermann. Umso mehr komme es nun darauf an, 
praktikable Loesungen zu finden. Das Abfallgesamtkonzept 
der Stadt Heidelberg sei eine solche. 
Diese Loesung, die wohl als die beste unter den schlechten 
bezeichnet werden muss, hat ganz ohne Zweifel zu einer 
starken Abnahme des Restmuellanteils gefuehrt. Wesentliche 
Grundlage dieses Konzeptes ist, was der Leiter des 
Abfallwirtschaftamtes so formuliert: "Aus rein 
abfallwirtschaftlichen Erwaegungen ist das Mehrwegsystem 
viel besser als das 
Einwegsystem.oe Diesen Gedanken durchzusetzen, ist dann 
wohl auch das Dilemma der Stadt Heidelberg.
	(Henning Banthien)
"Dann schaufeln wir unser eigenes Grab"
Der Umweltexperte Florian Heinstein ueber 
Muellvermeidung, Muellexporte und das Duale System
Jenseits von Heidelberg
Florian Heinstein ist Geschaeftsfuehrer des unabhaengigen 
Instituts fuer Energie- und Umweltforschung Heidelberg, ifeu. 
In den Bereichen Abfallwirtschaft, OEkobilanzen, 
Umweltvertraeglichkeitspruefung, Verkehr und Umwelt, 
Energie und Umwelt und Luftreinhaltung fuehrt es auf 
nationaler und internationaler Ebene beratende und 
gutachtliche Taetig-kei
ten durch.
ruprecht: Beginnen wir mit der Muellentsorgung. Wo sehen 
Sie, Herr Heinstein, die zukunftsweisenden 
Entsorgungstechniken?
Heinstein: In angepassten Entsorgungstechniken, d.h. man 
benutzt fuer jeden Abfalltyp eine angepasste Technik. Also 
kein "Dinosaurieroe, keine Anlage, die alles auf einmal 
vermischt verarbeitet. Das wirkt natuerlich auch politisch wie 
ein Trichter: "Da kann ich alles reintun, und ich brauch´ mir 
keine Gedanken mehr ueber Vermeidung und Verwertu
ng zu machen.oe Der politische Druck zur angepassten 
Loesung wird hierdurch zu stark vermindert. Deshalb sollte 
nur noch das verbrannt werden, was einen hohen Heizwert hat 
und wirklich nicht anders zu verwerten ist. In keinem Fall also 
Muellverbrennung im herkoemmlichen Sinne, wo alles 
zusammenkommt. Angepasst heisst auch: die Organik in die 
Kompo
stierung, Altpapier in die Altpapier-Verwertung, und die 
Kunstoff-Bestandteile muessen getrennt gesammelt werden 
oder moeglichst schon im Gewerbe getrennt abgegriffen 
werden koennen, damit in den entsprechenden Anlagen aus 
Polyethylen auch wieder Polyethylen werden kann. Allerdings 
werden die gemischten Kunststoffe, wie sie vor allem in den 
Hausha
lten anfallen, immer ein Problem bleiben.
ruprecht: Sie stellen Werbemassnahmen und Aufklaerung als 
wichtige Massnahmen zur Abfallverringerung heraus. Muss 
man nicht angesichts der Bequemlichkeit und 
Gleichgueltigkeit in weiten Teilen der Bevoelkerung skeptisch 
sein, dass Werbemassnahmen, die letztlich an den guten 
Willen appellieren, zu nennenswerten Erfolgen fuehren?
Heinstein: Ich bin da eher zuversichtlich. Wenn wir das 
Interview vor zehn Jahren gefuehrt haetten und ich Ihnen 
erzaehlt haette, die getrennte Erfassung von Muell an 
Haushalten sei ueberhaupt denkbar, dann haetten Sie mich 
fuer verrueckt erklaert und waeren damit mit 99% der 
Bundesbuerger einer Meinung gewesen. In der Zwischen-zeit 
wagt nicht 1% 
der Fachleute mehr zu behaupten, die getrennte Erfassung an 
den Haushalten sei illusorisch, und die Bevoelkerung macht 
mit. Also hat sich hier innerhalb von zehn Jahren die Meinung 
total geaendert. Ich glaube auch, dass der 
Vermeidungsgedanke noch weiter in die Bevoelkerung 
hineingetragen werden kann. Das sind immer Prozesse von 10 
bis 20 Jahren. 
Da darf man nicht denken, diese Sache sei in einem Jahr zu 
erledigen. Dann geht es natuerlich schief, und in drei Jahren ist 
der alte Zustand wieder erreicht.
"Es gibt ploetzlich weniger Muell, weil er einfach exportiert 
werden kann."
Hier liegt auch ein Problem der Abfallwirtschaft an sich. Sie 
muss naemlich jedes Jahr erneut um die finanziellen Mittel  
fuer die OEffentlichkeitsarbeit kaempfen - und es ist sehr viel 
leichter, 100 Mio. DM im Vermoegenshaushalt locker zu 
machen, weil das ueber Banken usw. finanziert werden kann, 
als 2 Mio. DM im Verwaltungshaushalt, weil das jed
es Jahr wieder im Gemeinderat beantragt werden muss. Das 
ist politisch sehr viel schwerer durchzusetzen, als einmal die 
Entscheidung zu treffen, eine Anlage zu bauen. Die wird dann 
gebaut, und die Zinsen und die Tilgung sind zwangslaeufige 
Folgen, an denen nichts mehr geaendert werden kann. 
ruprecht: Kommen wir zum naechsten Punkt: der 
Verwertung. Eine grund-saetzliche Frage vorab: Es wird ja in 
letzter Zeit  des oefteren vor einem "Recycling-
Dogmatismusoe gewarnt, d.h. einem Recycling um jeden 
Preis. Wann ist Recycling sinnvoll, wann nicht? 
Heinstein: Das ist eine gute Frage - und eine sehr schwierige 
Frage. Ganz genau beantworten kann Ihnen die heute noch 
keiner. Es kommt darauf an, dass die Summe der 
Umweltauswirkungen aus der Verwertung geringer sein muss 
als die Summe der Umweltauswirkungen, wenn ich 
anderweitig behandele und ablagere - zu deutsch: verbrenne 
und deponiere. Das ge
nau festzustellen, ist ganz schwierig. Und zwar auf verschie-
denen Ebenen schwierig: Erstens muss man die 
Umweltauswirkungen erst einmal quantifizieren, wozu ich 
zunaechst wissen muss, welche Umweltaus-wirkungen ich 
betrachten will. Nachdem das geschehen ist, weiss ich immer 
noch nicht, wie ich die verschiedenen Umweltauswirkungen 
gleichnamig mach
e und bewerte - da kommt meine persoenliche oder 
gesellschaftliche Werthaltung herein. Und erst jetzt komme 
ich zu einer abschliessenden Beurteilung. Es ist theoretisch 
schon sehr klar, aber praktisch ganz schwierig, gerade weil die 
Werthaltung von Mensch zu Mensch verschieden ist.
ruprecht: Vor einiger Zeit kam in der Presse die 
Verlautbarung, dass Einweg-Milchverpackungen besser seien 
als die Mehrweg-Milchverpackungen ...
Heinstein: ... diese Informationen beruhten auf irgendwelchen 
Indiskretionen aus einem Projekt, das wir und zwei andere 
Institute in Zusammenarbeit mit dem 
Bundesumweltministerium durchfuehren; ich weiss nicht, von 
woher der Umweltausschuss des Bundestages diese 
Information bekommen hat, aus unserem Institut jedenfalls 
nicht. Die durchgesickerten 
Berechnungen, auf denen das beruhte, wiesen ja ganz 
gravierende Fehler auf. Die sind zwischenzeitlich auch 
bemerkt worden, nur sind die Berechnungen noch nicht neu 
gemacht worden. Aber diese Meldung war eine echte 
Falschmeldung! 
ruprecht: Die Verpackungsverordnung haben Sie ja schon 
genannt, und im Ansatz ist sie durchaus zu begruessen. Wo 
liegen aber die zentralen Maengel dieser Verordnung, die den 
erwuenschten Erfolg - eine spuerbare Senkung des 
Muellaufkommens - nicht haben eintreten lassen?
Heinstein: Nun, da ist ja ein "Trick 17oe dabei. Es gibt 
ploetzlich viel weniger Abfall und Muell. Die Sachen sind aber 
immer noch da, nur heissen sie jetzt anders, naemlich 
Wirtschaftsgueter - und hier liegt der Hauptkritikpunkt an der 
Verordnung: die Exportseite. All diese Wirtschaftsgueter 
koennen einfach exportiert werden, in Gegenden, in den
en natuerlich  diese Verpackungsverordnung mit ihrem 
Vorrang der stofflichen Verwertung nicht gilt. Das heisst, ich 
kann diese Sachen als Wirtschaftsgut exportieren und sie 
irgendwo als Brennstoffe einsetzen. Oder ich sage, ich mache 
Kunststoff-Recycling aus diesen gemischten Kunststoffen. 
Aber was ist der Effekt? Die Sachen liegen auf Halde, weil
 es diese umweltvertraeglichen Anlagen nicht gibt. 
Hier kommen wir zu einem zentralen Kritikpunkt, der von 
seiten unseres Instituts an der Verpackungsverordnung, aber 
auch an dem neuen Kreislaufwirtschaftsgesetz, das zur Zeit in 
der Beratung ist, geaeussert wird. Selbst wenn diese Gueter in 
Anlagen recycelt werden, die sehr gut ausgestattet sind und 
umweltvertraeglich laufen, beeinflussen sie die 
Sekundaerrohstoffmaerkte in den Laendern, in denen recycelt 
wird. Es gibt dann ploetzlich in diesen Laendern sehr viele 
Leute, die ihren Job verlieren, weil es sich fuer sie nicht mehr 
lohnt,  Kunststoff aus dem Muell herauszuklauben. Viele 
Menschen in den Entwicklungslaendern leben naemlich vom 
Kunststoffrecycling (zum Beispiel in Kairo und in Fe
rnost), indem sie den Muell der wohlhabenderen Stadtteile 
durchwuehlen und die Teile, die man noch irgendwie 
verwerten kann, heraussuchen. Das Abfallaufkommen wird 
dadurch stark reduziert. Nun kommen ploetzlich 
containerweise grosse Mengen von Kunststoffen oder sonst 
irgendwelchen Wertstoffen auf die Maerkte dort, und da klebt 
vielleicht immer noc
h ein 100-Mark-Schein drauf. Dann wird natuerlich kein 
Recycler in den Laendern dort den armen Schluckern noch 
ihre kleinen Mengen abnehmen, sondern wird lieber den 
schoen sortierten deutschen Kunststoffmuell nehmen. Also hat 
das ganze System auch einen sozialen Aspekt. Wir plaedieren 
deshalb auch ganz stark dafuer, diesen Export, wenn man sich 
sc
hon nicht ganz abschotten kann, so doch zumindest auf die 
EG-Laender zu beschraenken. ruprecht: Das DSD sieht in 
seinem Vorgehen eine moderne und angemessene Loesung 
des Muellproblems. Was ist Ihrer Meinung nach die 
wesentliche Kritik am DSD?
Heinstein: Mit der Gruendung des DSD haben sich die 
Betriebe und Hersteller von der Verpflichtung freigekauft,  die 
Verpackungen "ruecknehmenoe zu muessen. Sie zahlen Geld 
an das DSD, das fuer sie diese Pflicht uebernimmt. Die Kritik 
ist, dass jemand, indem er sich freikauft, auch den politischen 
und wirtschaftlichen Druck nicht mehr so verspuert.
 Es waere sicherlich ein groesserer Druck da, wenn er wirklich 
seine Zahnpastatuben zurueckbekommt und sich selbst 
ueberlegen muss, wie er sie weiterbehandelt, damit sie 
wiederverwertbar werden. Die Kreativitaet in der Produkt-
Entwicklung wird durch dieses Freikaufen - das wird ja auch 
als Ablasshandel bezeichnet - sicherlich gebremst.
ruprecht: Das DSD behauptet, es verfuege ueber ausreichende 
Recycling-Kapazitaeten. Kritiker bestreiten das. Wie 
beurteilen Sie die Lage?
Heinstein: Hier haben die Kritiker auf jeden Fall recht. Die 
Verfahren gibt es teilweise noch nicht oder nur in kleinen 
Pilotanlagen. Die werden zur Zeit mit den anfallenden Mengen 
schlicht und einfach nicht fertig. Daher ist die Lage sehr 
skeptisch zu beurteilen. Wenn die Kapazitaeten vorhanden 
waeren - wie es die Befuerworter behaupten -, dann f
rage ich mich, warum denn dann der Kunststoff nach Singapur 
verkauft oder abgegeben wird. Damit widerlegen sich die 
Befuerworter doch selbst. 
ruprecht: Ein wichtiger Ansatz zur Muellvermeidung liegt 
gewiss bei der Industrie. Kann man dem DSD vorwerfen, es 
verschleiere das Verursacherprinzip zu sehr, indem es nicht in 
ausreichendem Masse die Industrie angeht, damit diese ihre 
Produkte aendert?
Heinstein: Wenn das DSD die Verwertungskosten realistisch 
auf die Lizenzgebuehr, die es kassiert, umlegt, dann wird die 
Marktwirtschaft das schon in die richtige Richtung steuern. 
Das dauert eine Zeitlang, aber ueber 
Kostenminimierungsversuche der Industrie werden dann 
umweltvertraeglichere und billiger zu entsorgende 
Verpackungen die Oberhand gew
innen, und das Verpackungsvolumen insgesamt wird 
abnehmen. Allerdings ist es notwendig und eine wichtige 
Forderung zugleich, dass der Betrag, mit dem die Verpackung 
belastet ist, auf die Verpackung aufgedruckt wird. So weiss 
der Verbraucher, dass er einmal 10 Pfennige, ein anderes Mal 
50 Pfennige an Entsorgungskosten fuer die Verpackung zahlt, 
bei
 gleicher Funktion des verpackten Produktes. Dann wird er 
doch die Verpackung mit 10 Pfennigen nehmen. Dieser 
Aspekt wird bislang ueber Mischkalkulationen zu sehr 
verschleiert. Deshalb kommen die Verpackungskosten nicht 
zum Ausdruck. Das ist schade an dem Punkt. 
ruprecht: Wo liegt Ihrer Meinung nach der wichtigste 
Ansatzpunkt, um den Muellberg zu verringern?
Heinstein: (ueberlegt lange) Hier wird zu kurz gegriffen. 
Abfall ist nur eine Umweltauswirkung. Der Ansatzpunkt, um 
die Probleme wirklich zu loesen, waere viel globaler zu sehen. 
Da ist nicht nur das Abfallproblem, sondern da ist das 
Umweltproblem insgesamt, und da spielen soziale Probleme 
ganz stark mit hinein. Der Ansatzpunkt, um Muell zu vermei
den, ist derselbe wie bei der Vermeidung von 
Umweltbelastungen oder der Vermeidung von Transporten -  
und auch bei der Vermeidung von Arbeitslosigkeit. Deshalb 
muessen wir langfristig einen weniger materialistischen 
Lebensstil entwickeln und propagieren. Wir muessen einfach 
erkennen, dass "weniger oft mehr istoe - ein schoenes altes 
Sprichwort -,
 erkennen, dass man mit weniger Konsum, mit weniger 
oeDurch-die-Gegend-Rasereioe und mit weniger Wegwerfen 
automatisch weniger Emmissionen in Luft, Wasser und Boden 
hat und dadurch die Lebensqualitaet erhoeht und vermutlich 
sogar noch Zeit gewinnt. Wenn man mit der Zeit etwas 
Vernuenftigeres anzufangen weiss, als alle 27 Fernsehkanaele 
durchzuscha
lten, dann bringt dies mehr Lebensfreude. Das Problem ist, 
dass wir zwischenzeitlich oft verlernt haben, etwas 
Gescheiteres mit unserer Freizeit anzufangen, als einkaufen zu 
gehen oder fernzusehen. Beispielsweise gab es in Japan eine 
grosse Diskussion gegen den schulfreien Samstag, weil alle 
Familien sagten: "Dann geben wir ja noch mehr Geld aus,
denn was sollen wir mit dem freien Samstag tun, ausser 
einkaufen zu gehen.oe Sonst fiel den Leuten nichts mehr ein. 
Wenn eine Gesellschaft soweit ist, dann schaufelt sie sich, 
dann schaufeln wir uns unser eigenes Grab, in das wir uns 
dann hineinlegen.
(H.B.)
"Nur so viel Verpackung wie noetig"
Im Gespraech mit Dr. Manfred Wirl, Sprecher des DSD
ruprecht: Herr Wirl, am 22. Juni sprechen Sie in Heidelberg. 
Was wird die zentrale Aussage sein, die Sie, als Sprecher des 
DSD, uebermitteln wollen?
Wirl: Ich moechte erst einmal die Entwicklung des Dualen 
Systems aufzeigen, aber auch auf Probleme hinweisen. Das 
Problem ist nach wie vor der Bereich Kunststoff und zwar die 
Verwertungskapazitaeten. Die Verpackungsverordnung legt 
fest, wieviel von den einzelnen Materialien mindestens 
verwertet werden muss. Bei Kunststoff macht das fuer die 
erste 
Zeitstufe, die die Verpackungsverordnung vorgibt, ungefaehr 
110.000 Tonnen pro Jahr aus. Diese Menge koennen wir ohne 
weiteres mit den bestehenden Kapazitaeten verwerten. Wir 
sammeln allerdings in diesem Jahr voraussichtlich  mehr als 
370.000 Tonnen Kunststoff. Die momentanen Kapazitaeten 
im In- und Ausland belaufen sich zur Zeit auf ueber 260.000
 Tonnen. Sie sehen also, dass hier ein Defizit von ca. 100.000 
Tonnen besteht. Auch werde ich auf den Punkt 
Abfallvermeidung eingehen. Gerade dieser Aspekt wird ja oft 
mit dem Dualen System nicht in Verbindung gebracht, und ich 
moechte Beispiele zeigen, wie Abfallvermeidung praktikabel 
ist.
ruprecht: Ist denn die neue Verpak-kungsgebuehrenordnung 
spezifischer auf das jeweilige Produkt gemuenzt?
Wirl: Die neue Gebuehr wird material- und gewichtsabhaengig 
sein, sich aber nicht mehr auf das Fuellvolumen beziehen, wie 
das jetzt noch der Fall ist. Wir werden die tatsaechlichen 
Entsorgungskosten als Grundlage nehmen, und die sind 
beispielsweise bei Kunststoffen viel hoeher als etwa bei Glas.
ruprecht: Wo sehen Sie die Innovationen des DSD in der 
Muellproblematik?
Wirl: Die eine sehe ich hinsichtlich der Muell-vermeidung, da 
das Duale System versucht, Abfall-vermeidung ueber den 
Markt zu erzielen. Entsorgungs-kosten, die frueher externe 
Kosten waren, werden jetzt internalisiert, d.h. sie gehen in den 
Produktpreis ein. Nun gibt es zwei Moeglichkeiten: Entwe-
der gibt der Konsumgueterhersteller bzw. der Abfuel
ler diese Kosten an den Verbraucher weiter, oder - und das ist 
meines Erachtens fuer den Absatz sicherer - er versucht, an 
der Verpackung zu sparen bzw. eine Verpackung zu 
verwenden, die billiger ist. So kostet beispielsweise die 
Gebuehr fuer ein Kilogramm Kunststoff nach der neuen 
Gebuehrenstaffel DM 2,61, fuer Papier nur DM 0,33. Hier ist 
also f
uer den Abfueller ein Anreiz geschaffen, weniger Verpak-
kung zu verwenden oder auf Verpak-kungen auszuweichen, 
die billiger zu entsorgen sind. 
ruprecht: Ist also die Reduktion des Muellvolumens auf 
diesem Wege als der Leitgedanke des DSD zu fassen?
Wirl: Wir gehen davon aus, dass sich in vielen Bereichen 
Verpackungen ein-sparen und reduzieren lassen. Aber wir 
gehen auch davon aus, dass es in unserer Gesellschaft, mit 
unserer Handels- und Verkaufsstruktur, immer Verpackungen 
geben wird. Das Ziel ist, dass nur so viel Verpackung 
eingesetzt wird, wie unbedingt noetig ist.
ruprecht: In Ihren Werbeprospekten erfreuen Sie sich an der 
Tatsache, dass Mehrwegsysteme zunehmen. Kritiker meinen, 
es sei gerade der "Gruene Punktoe, der die Mehrwegsysteme 
ver-draenge. Wie stehen Sie zu dieser Kritik? 
Wirl: Die Zahlen sprechen gegen solche Argumente. 
Momentan liegt die Quote im Mehrwegbereich bei ueber 74 
% und ist weiter im Steigen begriffen. Nehmen wir doch 
einmal das Beispiel Kunststoff: Nach der neuen 
Gebuehrenordnung gehoert er mit DM 2,61 zum teuersten 
Material. Auch hier besteht im Getraenkebereich die 
Moeglichkeit, statt Einweg Mehrweg 
zu nehmen. Wem also Einweg zu teuer ist, der kann ja auf 
Mehrweg umsteigen. Dabei muss man allerdings berueck-
sichtigen, dass Mehrweg zwar in manchen Bereichen 
sinnvoller ist als Einweg - aber eben nicht in allen.
Dr. Wirl spricht am 22.6. um 19:30 Uhr in Hoersaal 1 der 
Heuscheuer ueber "Das Duale System: ein Beitrag zur 
Loesung des Abfallproblems".
Rezensent: Dr. Horst EICHLER
Seine Empfehlung: Mieczyslaw TAUBE, Materie, Energie 
und die Zukunft des Menschen.  S. Hirzel Verlag, Stuttgart 
1988, DM 48.
"... die spinnen, die Japaner!"
Eindruecke von einem Studienaufenthalt in Tokyo
"...und ich hoffe, Sie haben den Kulturschock gut 
ueberstanden.oe Der Herr da vorne im dunklen Anzug, der 
ordentlich aufgereiht zwischen all den anderen Anzuegen und 
schmucken Kostuemen steht, erntet teils Gelaechter, teils 
gequaelte Gesichter in seiner Zuhoererschaft. Diese 
Zuhoererschaft, das sind Studenten und Studentinnen aus den 
unterschiedl
ichsten Laendern dieser Erde, die - aus welchem zwanghaften 
Trieb auch immer - es sich auferlegt haben, ein Jahr lang ihren 
Koerper an diesen verdammt niedrigen Tischen und Stuehlen, 
die auf die Groesse einer 1,50 m grossen Japanerin 
zugeschnitten sind, bis zur Reha-Klinik-Reife zu maltraetieren. 
Noch ahnen sie davon allerdings nichts und lauschen
 interessiert dem, was ihre zukuenftigen Lehrer ihnen bei der 
Antrittsfeier in einer der renommiertesten Unis Tokyos zu 
sagen haben - doch auch das wird sich noch aendern.
Ich jedenfalls hatte es erst einmal geschafft. Nein, nicht, dass 
mir die Ehre zuteil wurde, an der Keio-Universitaet, deren 
Klang noch immer ein anerkennendes "Aaah...!oe bei den 
Japanern hervorruft, zu studieren; nein, auch nicht, dass ich 
nach monatelangen Behoerdenschlachten mit Konsulaten, 
Botschaften, Einwanderungsbehoerden und sonstigen jap
anischen Bollwerken nun endlich doch mit einem 
Touristenvisum statt des beantragten Studentenvisums 
einreisen durfte; und auch nicht, dass ich durch die 
Hilfsbereitschaft einer japanischen Bekannten zumindest fuer 
die Anfangszeit eine Bleibe in Tokyo gefunden hatte.
Nein, ich hatte es tatsaechlich mal wieder geschafft, die 
eineinhalbstuendige Fahrt zur Uni in einer der Tokyoer 
Sardinenbuechsen - auch S-Bahn genannt - mit nur ein paar 
blauen Flecken und einem Krampf im linken Oberschenkel zu 
ueberstehen. Und wenn an der vorletzten Haltestelle diese 
unmoegliche Dame beim Aussteigen  nicht unbedingt darauf 
besta
nden haette, dass nicht nur sie, sondern auch noch ihre 
Handtasche diese zusammengequetschte Menschenmenge  in 
der mobilen Sauna verlaesst, haette ich diesmal wahrscheinlich 
sogar noch alle Knoepfe vollstaendig an meiner Jacke gehabt, 
als ich die Uni erreichte. 
Der Weg zu der besagten Universitaet im Herzen Japans war 
natuerlich im ganzen etwas laenger  - und oft auch 
anstrengender - gewesen als die beschriebene 
eineinhalbstuendige Bahnfahrt. Angetreten habe ich ihn im 
Oktober 1988, als ich nach Heidelberg kam, um hier meinen 
Wissensdurst ueber das ferne, mich so faszinierende Land in 
Form eines Japanolo
gie-Studiums zu stillen. Nachdem ich dann sechs Semester 
lang genug Theorie gebueffelt hatte, besass ich die noetige 
Grundlage, das Erlernte endlich selbst im Lande anzuwenden 
und zu ueberpruefen  und startete im September 1990 
schliesslich mit der Zulassung einer Tokyoer Uni im Gepaeck 
zu meinem einjaehrigen Japanaufenthalt.
Da hatte er mich also, dieser Grossstadtmoloch Tokyo. Fuer 
die einen ist er die haesslichste Stadt der Welt, fuer die 
anderen eine pulsierende Metropole, die einen nie wieder 
loslaesst. Zugegeben, schoen ist diese Stadt nicht, zumindest 
auf den ersten Blick betrachtet: Graessliche, monotone 
Hochhauslandschaften, Heerscharen von Maennern in einheit
lich mausgrauen Anzuegen mit Aktentasche, die hektisch von 
einem Geschaeftstermin zum anderen hetzen und an die 
"grauen Herren" aus "Momo" erinnern,  und unendliche 
Massen von Menschen, die jeden Morgen im Laufschritt ins 
Buero hasten, als renne ihnen die Arbeit davon. Doch wenn 
man von der vielbefahrenen Strasse nur ein paar Meter um die 
Ecke bie
gt, steht man ploetzlich schon in einer schmalen Gasse, in der 
ein Strassenverkaeufer laut seiner Kundschaft  frischen Fisch 
zu einem selbstverstaendlich konkurrenzlosen Preis feilbietet - 
und  noch einen obendrauflegt, nachdem ihm die kleine, alte 
Frau schon einen Tausend-Yen-Schein entgegengestreckt hat. 
In der Hafengegend entdeckt man unter ein
er kleinen Bruecke einige Angler in ruhig daliegenden Booten 
auf idyllisch spiegelndem Wasser, und man kann sich des 
Eindrucks nicht verwehren, als sei das japanische 
Wirtschaftswunder mit seiner Hektik spendenden Kraft 
einfach an ihnen vorbeigezogen. Hat man dann genug der 
Romantik, stuerzt man sich abends in das Getuemmel der 
beruechtigsten Gege
nd der Stadt, die sich von den anderen Vergnuegungsvierteln 
darin unterscheidet, dass hier nicht  mit der letzten U-Bahn 
um zwoelf die Buergersteige hochgeklappt werden, sondern 
die ganze Nacht hindurch das Leben pulsiert und es von 
Auslaendern aller Couleur - im wahrsten Sinne des Wortes - 
nur so wimmelt. Auf der morgendlichen Heimfahrt in der Ba
hn kann es einem dann allerdings passieren, dass man bei 
seinem Nickerchen von den schmetternden Klaengen aus dem 
Walkman seines Banknachbarn gestoert wird - der ueber 
90jaehrige scheint eben doch nicht mehr das beste Gehoer zu 
haben. All dies ist es, was diese verhasste Stadt schliesslich 
doch so liebenswert macht; diese einzigartige Symbiose aus
 wirtschaftlichem Erfolg und traditionellen Werten, aus 
rastloser Hektik und verborgener idyllischer Gelassenheit 
verleihen dieser Weltmetropole ihren besonderen Reiz.
Dass auch das Volk dieses "Lands des Laechelnsoe ein in 
vieler Hinsicht besonderes, fuer den Durchschnittseuropaeer 
oft schwer verstaendliches ist, wird demjenigen, der sich als 
Auslaender durch den japanischen Alltag zu schlagen 
versucht, immer wieder an Kleinigkeiten deutlich. Eine der 
ersten Huerden, die sich nach der Ankunft in Tokyo stellen,
 ist die Wohnungssuche. Nachdem ich bei der Vermittlung an 
der Uni erfolglos war, mache ich mich nun auf eigene Faust 
auf die Suche, was sich ziemlich schnell als teils 
zermuerbende, aber in gewisser Weise manchmal auch 
belustigende Aktion erweist. Die nette Dame im Maklerbuero 
blaettert dann auch ganz eifrig in ihrem Katalog, sieht hier und 
dort 
nach und kann mir schliesslich doch nur ein bedauerndes "In 
dieser Preislage haben wir leider im Augenblick nichtsoe 
entgegnen. Auf meine Frage nach dem Angebot am Fenster, 
das meinen Vorstellungen entspraeche, bekomme ich nur ein 
honigsuesses "Tut mir wirklich ausserordentlich leid, aber das 
ist gerade vergeben wordenoe zur Antwort. Das daneben
 natuerlich auch, welch ein Pech... Der Herr im naechsten 
Buero ist da schon wesentlich aufgeschlossener; kaum dass 
ich seinen Laden betreten habe, vernehme ich von ihm, 
nachdem er fluechtig von seiner Arbeit aufgeblickt hat, ein 
kurzes und knappes oeKeine Auslaenderoe. Das ist 
wenigstens eindeutig. Natuerlich moechte ich hier die dritte 
Gruppe de
r Makler, die mir sehr freundlich begegnen und sich wirklich 
um die Vermittlung einer Wohnung bemuehen, nicht ausser 
acht lassen, doch leider sind die ersten beiden keine 
Ausnahme, sondern so ziemlich jedem Auslaender, der sich 
einmal in dieser Situation befand, wohl bekannt. Dass hier fuer 
die Japaner Auslaender nicht gleich Auslaender ist, erfae
hrt man auch gleich bei der Gelegenheit. Betritt man als 
"westerneroe eines der besagten Maklerbueros, bekommt man 
nicht selten mit sichtbarer Zurueckhaltung die Frage gestellt, 
ob man aus Amerika sei, waehrend sich sofort nach der 
Erwiderung, man sei Deutsche, das Gesicht des Gegenuebers 
deutlich erhellt und ploetzlich bereitwillig Hilfe angebot
en wird. 
Die Zwei-Klassen-Gesellschaft ist also nicht nur in 
Deutschland ein durch die aktuellen Ereignisse besonders 
hervorgetretenes Faktum, sondern auch das Bewusstsein 
vieler Japaner ist noch weit von dem Gedanken der Gleichheit 
aller Menschen entfernt. Welches Volk dieser beiden in 
Wahrheit "auslaenderfeindlicheroe sei, kann und will ich hier 
gar nic
ht beurteilen, doch ein entscheidender Unterschied liegt in der 
wesentlich subtileren Art der Behandlung auslaendischer 
Mitbuerger in Japan. Von dem genannten Beispiel einmal 
abgesehen, das in seiner krassen Art doch eher zu den 
Ausnahmen zaehlt, zeigt ein Japaner seinem Gegenueber nie 
offen eine ablehnende oder feindliche Gesinnung. Die 
sprichwoe
rtliche Hoeflichkeit kommt hier zum Tragen und hat damit 
durchaus auch ihre positiven Seiten, denn man wird es in 
Japan nie erleben, dass ein Auslaender auf der Strasse 
angepoebelt, geschweige denn taetlich angegriffen wird. Zu 
solchen gewalttaetigen Ausschreitungen, mit denen 
Deutschland auch in die japanischen Negativschlagzeilen 
geraten ist, wi
rd es in Japan aufgrund des voellig anderen mentalen und 
gesellschaftlichen Rahmens nicht kommen; jedenfalls hoffe 
ich, dass dies auch in Zukunft so sein wird.
Eine besondere Spezies des "Homo japanicusoe trifft man 
mitunter z.B. auch in Geschaeften oder anderen oeffentlichen 
Gebaeuden an. Als ich eines Tages in einem kleineren 
Kaufhaus eine Verkaeuferin - natuerlich wie immer auf 
Japanisch - nach einem Duschschlauch fragte, starrte sie mit 
offenem Mund  auf mich, stiess hektisch ihre Kollegin an und 
li
ef dann nach einigen stotternden Sprechversuchen  wie von 
Panik gepackt davon. Kurz darauf erschien sie mit einem 
anderen Mitarbeiter, der mir zu verstehen zu geben versuchte, 
er spreche Englisch. Unbeirrt wiederholte ich in genau 
denselbem Wortlaut meine Bitte; und der Verkaeufer sah nach 
dem Gesuchten im Lager, kehrte zurueck und erklaerte mir, 
dass sie dies im Moment leider nicht haetten, aber beschrieb 
mir - wie jeder normale Japaner, eben auf Japanisch -, wo ich 
eventuell mehr Erfolg haben wuerde. Ein aehnliches Exemplar 
dieser Gattung der des Japanischen nicht maechtigen Japaner 
begegnete uns, als wir eine Freundin im Krankenhaus 
besuchen wollten. Auf unsere Frage, in welchem Zimmer 
sie denn liege, ruderte der Mann an der Rezeption hilflos mit 
den Armen, suchte stotternd nach Worten, bis er schliesslich 
nach rechts zeigte und erleichtert ein "leftoe herausbrachte. " 
Die spinnen, die Japaner!oe war alles, was uns dazu - frei nach 
Asterix - noch einfiel, und wir wurden den Eindruck nicht los, 
dass wir irgendwie wohl doch so e
twas wie Marsmenschen seien. 
Aber natuerlich gibt es da auch noch die "ganz normalenoe 
Japaner, deren Hoeflichkeit und Hilfsbereitschaft nicht nur 
Gerede ist. Der Polizist an der Ecke z.B., der 
bewundernswerterweise bei meinem Anblick immer noch nicht 
die Flucht ergreift, obwohl ich ihn schon durch Hunderte von 
Fragen nach deutschen Baeckern, Fahrradhaendlern und 
dergleichen
 zu meinem persoenlichen Branchenbuch degradiert habe, und 
der mir auch beim hundertundersten Male ausdauernd 
freundlich den Weg zum naechsten Waschsalon erklaert. Dann 
ist da dieses aeltere Ehepaar im Schlafwagenabteil nach 
Hokkaido, das sich so ruehrend um unser Wohl sorgt, dass es 
uns nicht nur mit scheinbar unerschoepflichen Proviantpaketen 
ve
rsorgt, sondern auch erst aus den Augen laesst, als wir im 
richtigen Anschlusszug sitzen.  Und nur zu gut erinnern kann 
ich mich an die beiden Damen waehrend unserer Reise, die 
sich nicht geschlagen geben, bis sie nach ungelogen einer 
dreiviertel Stunde Odyssee durch die Stadt ein geeignetes 
Hotelzimmer fuer uns gefunden haben. Wann ist mir so etw
as das letzte Mal in Deutschland passiert, frage ich mich da 
unwillkuerlich.
Als ich dann schliesslich nach einem ueberaus erlebnisreichen 
Jahr im Flugzeug nach Frankfurt sitze, wird es Zeit fuer ein 
Resuemee. Sicher, mein Japanisch ist besser als ein Jahr 
zuvor, und im Reisegepaeck habe ich als Bestaetigung ein 
huebsches Abschlusszeugnis der Uni, das ich mir zu Hause 
ueber den Schreibtisch haengen kann. Doch was nicht im 
Koffer zu verstauen war, ist der erweiterte Horizont, mit dem 
ich jetzt viele Dinge sehe. Wenn man ein Jahr lang als 
Auslaenderin in einem so fremden Volk wie dem Japans gelebt 
hat, versteht man nicht nur die Auslaender in Deutschland 
besser und fuehlt sich irgendwie mit ihnen solidarisch. 
Sondern man betrachtet auch jedes andere Volk mit einem ve
raenderten Bewusstsein, das nicht Deutschland oder Europa 
als Nabel der Welt ansieht, sondern jede Kultur in ihrer 
Eigenart aus sich selbst heraus zu verstehen versucht. Auch 
wenn ich Japan schon nicht mehr als "Deutscheoe betreten 
habe, so habe ich es auf jeden Fall als "Menschoe wieder 
verlassen.
Dass es von der Sorte "Homo sapiensoe allerdings sehr 
unterschiedliche Exemplare gibt, wird mir immer wieder vor 
Augen gefuehrt. Kaum in Frankfurt angekommen, stolpere ich 
ueber achtlos weggeworfene Bierdosen, ein Betrunkener teilt 
seiner Umwelt laut seine Meinung ueber die deutsche 
Regierung mit, die Bahnbeamtin muffelt mir unhoeflich ihre 
Ausku
nft ins Gesicht, und ein Passant schreit einen anderen an, ob er 
denn nicht besser aufpassen koenne. Da mag man ueber die 
immer laechelnden, uniformierten Damen in Tokyos 
Kaufhaeusern, die fuer die Kunden mit einem freundlichen 
"Danke schoen!oe an der Ausgangstuer Spalier stehen, 
denken, was man will, aber Hoeflichkeit und gegenseitige 
Achtung, s
tatt den Mitmenschen bei jeder Kleinigkeit gleich lautstark 
anzugreifen, hat - zumindest meiner Meinung nach - auch 
seine Vorteile. 
Wie oft haben wir geschimpft: oeDie spinnen, die Japaner!oe - 
aber lieb sind sie doch. Mein naechster Flug nach Tokyo ist 
jedenfalls schon wieder geplant. (gz)
100 Meilen im halben Auto
Lebensqualitaet wird oft ueber materielle Gueter definiert. 
Doch schmaelert der Zusammenhang zwischen Konsumrausch 
und Naturzerstoerung gepaart mit Kosten zum Erhalt des 
erreichten Standards die Freude am Kaufen und Besitzen. 
Deutlich wird dies am Beispiel  teuer erstandener  Mobilitaet 
durch das eigene Auto.  Statistisch gesehen wird dieses durch
schnittlich 30 Minuten am Tag genutzt. Die restliche Zeit  
versperrt es rare Parkflaechen, waehrend Versicherung, 
Steuern und Altersverschleiss am Geldbeutel zehren.
Unter dem Motto "Gemeinsam nutzen statt einsam besitzen" 
stellt der Verein OEkostadt eine Handlungsalternative vor: 
Das Autoteilen. 
Die Idee ist simpel. Schliessen sich mehrere Personen 
zusammen, koennen vorhandene Kapazitaeten sinnvoller 
genutzt und finanzielle Belastungen aufgeteilt werden. Zwei 
unterschiedliche Modelle stehen zur Auswahl.  Beim 
nachbarschaftlichen Car-Sharing fungiert der Verein  lediglich 
als Vermittler, um Interessenten gleicher Wohngegenden  zu 
Teilergem
einschaften zusammenzuschliessen. Diese nutzen Privatautos 
und regeln die finanzielle Seite selbstaendig. Anders beim 
organisierten Autoteilen, das im September 1992 ins Leben 
gerufen wurde. Hier stellt OEkostadt derzeit jeweils fuer 
Heidelberg und Mannheim einen Kleinwagen. Reserviert 
werden kann das Auto rund um die Uhr bei einer 
Buchungszentral
e; Schluessel und Papiere finden sich  dann fuer jedes Mitglied 
zugaenglich in einem kleinen Tresor beim festen Stellplatz .
Vorausetzung fuer die Teilnahme ist lediglich Mitgliedschaft 
bei OEkostadt (Jahresbeitrag 48 DM) und Hinterlegung einer 
Kaution von 1000 DM, die bei Austritt vollstaendig 
rueckerstattet wird.  Eine Stunde freie Fahrt  kostet je nach 
Tageszeit zwischen 1,50 DM un 2,50 DM. Dazu werden pro 
Kilometer inklusive Benzin und Vollkaskoversicherung 0,40 
DM 
berechnet. Da  keine Fixkosten anfallen, wird Car-Sharing 
nach internen Berechnungen des Vereins fuer alle finanziell 
interessant, die weniger als 10000 km pro Jahr fahren. 
Ungeeignet scheint das Modell jedoch fuer Langstrecken und 
zeitaufwendige  Unternehmungen zu sein. Nicht nur die Bahn 
wirkt dann im Vergleich attraktiver, sogar der Mietwagen k
ann ab c.a. 400  km/Tag  in die Diskussion einbezogen 
werden.   Ganz bewusst ist das Teilauto jedoch als Stadt-Auto 
angelegt worden. Nicht die Schaffung neuer Bequemlichkeit, 
sondern UEberdenken des eigenen Fahrverhaltens und 
Umstieg auf umweltfreundlichere Alternativen, wann immer 
moeglich, ist  erklaertes Ziel des Unternehmens. Dazu traegt 
auch 
schon  staendige Selbstkontrolledurch 
Fahrtenbucheintragungen, monatliche Abrechnungen und der 
generell im Vergleich zum eigenen Fahrzeug  etwas 
umstaendlichere Umgang mit dem Teilauto bei.
Bedeutet Car-Sharing also Verabschiedung von jeglicher 
Spontaneitaet - Einkaufsfahrten nach Terminkalender und 
minutioes ausgearbeitete Wochen-endplanung? Nach Ansicht 
der Traeger besteht fuer diese Befuerchtungen kein Anlass. 
Der Buchungserfolg liegt bei 95% und laesst sich.weiter durch 
Zusammenarbeit auch mit den nachbarschaftlichen Teilern 
erh vhen. 
Bis jetzt steckt das Projekt noch in den Anfaengen  und bietet  
Ansatzpunkte fuer zahlreiche Erweiterungen. Bereits konkrete 
Formen angenommen hat  die nach der Idee des Car-Sharing 
konzipierte Initiative Konsumgueter-Sharing, die den regen 
Austausch von Zelten, Naehmaschinen, Rucksaecken, 
Schlittschuhen  e.t.c. foerdern und vielleicht das Bewusst
sein dafuer schaerfen kann, dass mit dem braven Gang zur 
gelben Tonne noch nicht allzu viel bewegt ist.                       
(sf) Informationen erteilt der Verein OEkostadt Rhein-Neckar 
e.V. Hauptstr. 42 (VCD-Buero) Tel. :06221-160843  
Halbgoetterdaemmerung
Geisteswissenschaftler sind, wie jeder weiss, hart im Nehmen. 
Jeder einzelne ist eben ein Idealist, als solcher abgehaertet 
und, selbstverstaendlich, ein Ausbund an 
Minderwertigkeitskom-plexen. Zum Beispiel 
Medizinstudenten  gegenueber. Genug damit, dass diese von 
der Frage nach dem  Sinn und Zweck ihres Studiums nicht 
ewig wolkenhaft umgeben werd
en wie der Alkoholiker vom Geruch nach Bauernrotwein. 
Aber, meine Damen und Herren Pejottler, jetzt langt´s: Die 
Diskussionswissenschafler weigern sich, in ihren 
Heiligenkalender nach den Tagen der unbefleckten 
Empfaengnis Mariens und dem Gedenken an die unschuldigen 
Kinder auch noch eine Gebetswoche fuer die armen Mediziner 
aufzunehmen. 
Immer haeufiger in letzter Zeit stimmt naemlich bei  dem, was 
man gemeinhin "gesellige Zusammenkuenfteoe nennt, eine 
oder einer aus dem Kreise der zukuenftigen Kassen-, Zahn- 
oder Oberaerzte das Klagelied auf die Unbillen des 
Medizinertums an: Zuviele Mitstudenten, zu schlechte 
Studienbedingungen, ein exorbitantes Lernpensum, ewig lange 
Ausbildun
gsdauer, A-i-Pe und Pejott, Seehofer, Unterbezahlung, 
UEberbeschaeftigung, Gesundheitsreform, Kurzarbeit Null, 
Hypotheken, Impotenz, Scheidung und Selbstmord. Der 
gesellige Kreis wischt sich verstohlen einige Traenen aus den 
Augenwinkeln wie Olympiasieger, die beim Abspielen der 
Nationalhymne von einer Nahaufnahme ertappt werden: 
Welch hartes Schi
cksal, und sie sind noch so jung! Damit mich hier keiner 
missversteht: Einer wie ich, der fuer jede laeppische 
Bibliographie den ersten-Hilfe-Koffer und den geistigen 
Beistand des gesamten Freundeskreises benoetigt, waere der 
letzte, der hier gegen weinerliches Selbstmitleid zu Felde 
ziehen wollte. 
So hielt bisher auch alles, was in der Altstadt studiert, bei 
solchen Gelegenheiten vernuenftigerweise den Mund. Nur hat 
das Kollektivschweigen anscheinend die Fremdwortakrobaten 
aus der Klinik ("von euch weiss doch keiner, was ein 
Proktologe ist, oder?!oe) dazu verfuehrt, dieses Schweigen 
mit einem alten lateinischen Sprichwort als Zustimmung zu
 interpretieren und selbst an ihr medizinisches Inferno zu 
glauben. Ausschliesslich so ist es zu erklaeren, dass sich 
neulich unter den oben bereits beschriebenen 
Versuchsbedingungen mehrere Dr.med. in spe auf die These 
einigten, AErzte gehoerten in Deutschland zu den "schlecht 
verdienenden Berufsgruppenoe, anzusiedeln irgendwo 
zwischen Muellfahr
ern ("was die an Schichtzulage einschieben!oe)  und dem 
verknitterten Zieharmonikaspieler in der Heidelberger 
Hauptstrasse. 
Also, liebe Speerspitzen der aerztlichen Gebuehrenordnung, 
jetzt macht aber bitte einmal einen Punkt! Nicht, dass ich den 
eitlen Ringkampf der Geisteswissenschaftler nach der Krone 
fuer die schlechtesten Berufsaussicht jetzt bis ins Neuenheimer 
Feld ausdehnen wollte, aber der einzige Arzt, den ich in 
diesem unseren Lande je am Hungertuch habe nage
n sehen, war Der Landarzt in der Folge "Die Diaetoe. (Oder 
sollte die Serie, an den Gegebenheiten korrigiert, etwa  Der 
Landmuellmann heissen  muessen? Die 
Schwarzwaldhauptschule?) Auch faellt es mir schwer, 
angesichts der Moeglichkeit freier Berufswahl an einen 
Massenmasochismus von Ausmassen zu glauben, der 
hoffnungsvolle Jungabiturienten ausge
rechnet ein Studienfach mit numerus clausus und 
psychologischem Eingangstest waehlen laesst, um nach der 
Approbation Heidelberger Buerger vor dem Nanz nach 
Kleingeld bitten zu muessen. Es gibt, zugegeben, ein paar 
Widerlinge, die unverschaemt gut verdienen. Aber 
ausgezeichnet zu verdienen muesste in einem Land wie 
Deutschland eigentlich genuegen, 
meint ihr nicht, Kollegen Proktologen?                                 
step
OUO oder: Aerosol in Heidelberg
Abtauchen in die Graffiti-Szene
Ganz hinten, wo der Neckar noch einmal die Trabantenstadt 
INF streift, ehe er sich Wieblingen anschmiegt, dort unter der 
Ernst-Walz-Bruecke, ist Heidelberg schoen. Wie ein Tatoo 
auf der Haut einer alternden Frau  ueberdeckt eine Haut aus 
Graffiti die Pfeiler der Bruecke, verdammt  zu aller 
Schoenheit. Hier ist Graffiti Kunst.
Kunst  mit Skizze, Talent und  Technik gegen den Ruf des 
Mauerschmierers. Kunst, die nichts mit der Definition des 
"Graffitooe im Fremdwoerterlexikon gemein hat: "Graffito - 
auf Waende, Mauern, Fassaden ... gespruehte, gespritzte od. 
gemalte Parole od. Figur mit kaempferischem  od. witzigem 
Charakter.oe "Graffiti - der Name interessiert eigentl
ich ´nen Toten.oe, erklaert Sprueher Hannes. Das erinnere viel 
zu sehr an Toilettenspruch. Er verstehe sich als Aerosol-Artist 
mit zwei ideologischen Vorbildern: Beuys und Phase-2. 
Beuys` erweiterter Kunstbegriff fordere ja geradezu, Graffiti  
endlich, endlich als Kunst anzuerkennen oder  besser  durch 
Aerosol-Kunst zu ersetzten.  Raus aus dem Gh
etto! Graffiti ist kein Geschmiere! Rein in die Gallerien! 
Phase-2, die Edelspruehdose aus New York, hat das so 
ausgedrueckt: "Fuck the G-word.oe
Anerkennung will muehsam erkaempft sein. Immerhin: Als 
Hannes zur Strafe fuer illegales Schulebespruehen sein 
Kunstwerk vollenden musste, nannte ihn die Rhein-Neckar-
Zeitung einen "Kuenst-leroe in Anfuehrungsstrichen. Damit ist 
er aber noch weit von seiner Utopie aus Spray entfernt: 
Heidelberg, die Welt, vollgespritzt bis oben. Buerger und 
Buerge
rin lustwandeln im Graffiti-Garten. Sie bleibt stehen, tippt ihn 
sanft am Arm und deutet auf ein besonders gelungenes Stueck 
Aerosol-Art: "Scheeen, das ist soo scheeen, das!oe
Graffiti ist zuallererst einmal Tech-nik. Klar, der Anfang ist 
einfach: "Spruehdose kaufen, Namen ausdenken und 
malen.oe, sagt Graffiti-Sprayer Jan. Der Rest ist ueben, ueben, 
ueben. "Das muss man alles selber herausfinden. Dass es 
verschiedene Abstaende zur Wand gibt, mit denen man 
verschiedene Abstriche machen kann: kleiner, groesser, 
dicker, 
duenner. Dass man damit wieder ganz verschiedene Effekte 
erzielen kann. Das kann man nirgendwo nachlesen, das muss 
man alles selber gemacht haben.oe Drei Jahre dauere es schon 
bis man was koenne.
"Zuerst machst du eine First-Outline auf der Wand,oe erklaert 
der Sprueher David, "das heisst du ziehst die Buchstaben vor. 
Fill-Ins sind wie der Buchstabe ausgefuellt ist, im Inneren. Der 
Mantel ist die Farbe, die direkte Umgebung eben, um die 
Buchstaben. Die Second-outline kommt ganz zuletzt. Das ist 
die Outline, die die Buchstaben an sich noc
h einmal umrandet, jeden einzelnen Buchstaben noch einmal 
hervorhebt. Und der Hintergrund, der Background, ist die 
Wolke, die ich aussenherum mach´.oe Die "Termini graffiti" 
sind feinstes Kuenstlerenglisch und grauenvolles Neudeutsch: 
High-lights, Glanzlichter, werfen alle Wetter Licht und 
Schatten, Tags sind die Namen der Dosen des Spruehers, de
r sich selber Writer nennt, und spruehen ist bomben. Gebombt 
wird einfach alles, was dem Writer so unter die Dose kommt - 
Autos, Muelltonnen, Flugzeuge. "Das Extremste, was ich 
bisher gesehen habe war in Frankreich eine Concorde. Da 
geb` ich Meeegarespekt fuer. Das muss saumaessig schwer 
sein, das zu machen ohne dass es jemand merkt.oe, schwaermt
 David. Denn Graffiti  lebt auch vom Kitzel des Illegalen, 
Spruehen ist dann ein Stueck Anarchie, die totale Freiheit wo 
und was. Mit dem Schwierigkeitsgrad waechst die 
Herausforderung. In Deutschland heisst das: einen ICE 
bemalen - "Deeer Traum eines jeden illegalen Spruehers!oe. 
Davids Augen glaenzen unter der Brille.
Jan gehoert nicht mehr so zur Szene wie frueher. Er will sich 
seine Zukunft nicht verbauen, lernt gerade sein Handwerk an 
einer Kunstschule in Mannheim. Auftauchen aus dem Unter-
grund. Legales Bomben. Das tut weh. Das sei schon etwas 
anderes gewesen da-mals, wenn abends jemand zu ihm kam: 
"Gehen wir spruehen!oe 
Die Szene lebt auch ohne ihn. "Es gibt hier so 
untergrundmaessig einige, die Heidelberg am Leben haltenoe, 
meint Jan, "wie der Pore oder so. Der laesst`s hier im Moment 
so ziemlich laufen. Der macht auch die bunten Zuege.oe 
Und es gebe ja noch die Jams, wo man seinen Szene-hunger 
befriedigen koenne. Da treffen sich die Sprueher und die 
Breaker. Die Sprueher zeigen Photos ihrer Werke, die 
Breaker breaken, dann treten Gruppen auf - "Ah, die Leute 
machen gute Musik!oe, sagt David. Breakdance lebt! Die 
Szene sei ohne die Breaker undenkbar, die haetten schliesslich 
die J
ams ins Leben gerufen. Im "Harlemoe, dem Jugendclub oben 
im Emmerts-grund, sei auch Heidelberg Breakerstadt, dort 
treten die PBB auf, die Point Blanc Breaker.
"Heute ist alles Hiphopoe, erklaert David, "Breaken, rappen, 
Spruehen. Jedem wird fuer das applaudiert, was er kann, oder 
was er macht.oe Aber immer haeufiger mischten sich auf den 
Jams auch Leute unter, die nur `rumstuenden, sich den Chef 
gaeben, Stress machten. Hipster ja, aber absolute 
Nichtskoenner, Rumsteher eben. "Die Typen kleiden sich d
ann so, wie sie denken `ahja das ist also` in 
Anfuehrungsstrichen `Hiphop-Kleidung`. Die kaufen sich 
irgendwie Turnschuhe die in sind, irgendwelche weiten 
Hiphop-Hosen, was sie sich aus Ami-Videos abgucken, von 
irgendwelchen Hiphop-Gruppen aus Amerika und natuerlich 
die obligatorsiche Baseball-Kappe und die Raidersjacke.oe 
Und die "machen dann St
ress, hauen die Schlaegereien aboe. Allgemein sei im 
Augenblick alles ziemlich agressiv, beklagt Jan, das sei einfach 
traurig. "Im Hiphop ist es eben so, dass die Leute ihr Agressiv 
dadurch rauslassen, indem sie was machen. Dass sie Hiphop-
Musik machen, rappen, breaken oder malen.oe, sagt David. 
Da braeuchte man keine andere Droge oder Schlaegere
ien.  Ganz gross, aber doch fast unsichtbar, schlaengelt sich 
ein Name aus dem Aerosol-Dschungel: DAPHNE. DAPHNE 
ist die Freundin von Jan, ihr Name sein inspiriertestes 
Spruehwerk, die Buchstaben sind Fensterloecher - Fill-Ins in 
eine Welt mit Hochsitz, Bergen, Tannenwald. Am Horizont 
der letzte Streifen des Sonnenuntergangs.
Unter DAPHNE steht KREME,     das R ist ein Spiegel, im 
braunen Rah-men reflektiert eine Schleierwelt, am 
Buchstabensockel haengt ein Vorhang mit roten Lilien. Der 
Vorhang ist zur Haelfte aufgezogen, die OEffnung gibt den 
Blick auf Berge frei, die Berg-landschaft kehrt wieder. 
"Ich wuerde mich auch gern mal mit etwas anderem 
auseinandersetzenoe,sagt Jan, "mit dem was mich so stoert, 
also politisch oder so. Das einfach mal in Bildern 
ausdruecken.oe Das koenne er aber bisher nur illegal. 
Was er im Augenblick malt, ist eine Auftragsarbeit der Stadt 
Heidelberg, gedacht als Rahmen fuer den Skateboard-Park, 
den Pipes, unter der Ernst- Walz-Bruecke. Und das setze 
Grenzen meint Jan: "Also, wenn ich da was zu Hartes mach`, 
dann wird das ausgecrosst. Die wollten halt das es bunt wird, 
zu den Skatern passt und das war`s schon irgendwie. N
ichts Politisches rein-bringen. Nichts Brutales reinbringen. 
Kein` Sex und so was.oe 
"jugend ist freiheit. GRAFFITI ist ein ausdruck von jugend 
von leben und freiheit.oe - der Druck auf Hannes' T-Shirt 
schreit vor Idealismus. Aber die Jugend des Aerosol-Artisten 
ist auch Konkurrenz, nur wer gut ist, wird anerkannt, nur wer 
gut ist, kann seinen eigenen Stil kreieren. Der Jungwriter 
verehrt seine Vorbilder, erkennt sofort, wo seine
 Kollegen ko-pieren, klauen, mopsen, kopiert, klaut, mopst 
selber - doch es gibt eindeutige Kriterien, was im concrete 
jungle gut und schlecht ist.
Vogt, seines Zeichens Seniorsprueher, erklaert, warum die 
Skizze eines Neulings nicht taugt. Hier sei die Baseline zu 
dick, dort, der Buchstabe, duerfe nicht so duenn auslaufen, 
ueberhaupt seien die Letters nicht aufeinander abgestimmt, 
Stilbruch zwischen den Zeilen. Eine andere Zeichnung haelt er 
fuer ein Plagiat bei den ABC-Warriors. Und das Loc
h im O als 1 darzustellen, das habe man ja nun schon zum 
Umfallen oft gesehen.  "Aus New York klauen ist legal!oe, 
schreit David. "Nur Nicht-Klauen ist legal!oe, kontert Vogt.
Klauen oder Nicht-Klauen - Hannes will professionell sein. 
Und Profes-sionalitaet  braucht einen Namen. "Ouooe nennt 
er sich und seine Clique: "of unknown originoe. "Ouooe - das 
ist das "Keine Ahnung, woher das kommtoe der breiten 
Masse, die beim im staunenden Anbblick von bemalten 
Waenden,  Graffiti immer noch mit Gekrakel gleichsetzt. Die 
ni
cht weiss, dass Graffiti in den siebziger Jahren in New York 
entstanden ist, in den Achtzigern - laengst den Kinderschuhen 
entwachsen, reif und grossartig - nach Deutschland exportiert 
wurde, hier weiterreifte, zu Aerosol-Art wurde, gerade jetzt 
ganz gross am Bluehen ist. Aber "Ouooe ist auch der grosse 
Unbekannte hinter dem Spruehwerk. Der Urheb
er muss sich tarnen. Sonst "kriegt er Stressoe und muss am 
Ende die Reinigungsarbeiten zahlen. Wer weiss, wessen 
Freundin "LISAoe ist? Gegenueber von LISA steht     
KOBALT 60 an der Bruecke: rotes Outline, braune Tupfer, 
darunter "Ready to killoe, daneben "Peace to Pam, Vogt, 
Weberoe. Was nun? Krieg oder Frieden? UEber dem Kobalt-
T schwebt ein
"Zulu-Nationoe. Also Frieden. Denn Zulu steht fuer 
Gewaltfreiheit: Im New York der Siebziger blieben die 
Graffiti-Kuenstler von der allgemeinen Gewalt verschont, die 
Gangs respektierten ihre Kreativitaet und liessen die Writer in 
Ruhe. 
Dieses "Kreativitaet schafft Respekt schafft Friedenoe-
Phaenomen inspirierte den Rapper Africa Bambaata aus dem 
Gangwesen auszusteigen und Zulu-Nation zu gruenden: das 
waren Konzerte mit Graffiti, Breakdance und Rap. "Leute, die 
was eigenes machenoe - und das ohne Drogen, Alkohol, 
Gewalt. David fuehlt sich der Zulu-Legacy verpflichtet: 
"Wenn ic
h ein Bild male, dann male ich das in erster Linie fuer mich, 
irgendwas Kreatives eben. Andere hauen das anders raus. 
Geben sich die Drogen. Geben sich Techno und werfen sich 
die Teile dabei ein, die Trips und so. Ich male eben.oe Zulu 
international sei gerade am boomen, schwaermt er. In 
Deutschland werde es aufgebaut, in Frankreich habe es sich v
oellig monarchistisch entwickelt, mit Zulu-Queen und Zulu-
King und so.
UEber KOBALT 60 schwebt ein quadratisches Riesenbonbon. 
Das Riesenbonbon hat blaue Augen, streckt die Zunge heraus 
und fuchtelt ganz wild mit den Extremitaeten. Vogt steht auf 
einen schwarzen VW-Bus, im Radio droehnt die Bundesliga. 
Liebevoll zieht er dem Riesenbonbon eine gruene Zacke in 
den Hintergrund. "Tor!oe, bruellt es aus den Boxen. "Tor!
oe, bruellt Vogt, springt vom VW und umarmt seine Freundin 
auf der Pipe.  
David zitiert Futura 2000, den rappenden Graffitiist der New 
Yorker Szene: "Graffiti is rockin`, it`s on the go, and there`s a 
rock more to it if you check `em to it... .oe Hannes sagt es auf 
Deutsch: "Wenn du Graffiti machst, musst du echt besessen 
sein!oe.                         
 (tb)     
Sandkastenspiele Heidelbergs Studierende duerfen wieder 
Alibi-Vertreter waehlen
Die im Dunkeln... Studenten ohne Ausweg sind keine 
Seltenheit an der Uni Heidelberg
Der Wecker auf dem verstaubten Nachttisch hat seit langem 
niemanden mehr geweckt. Es ist 12:18 Uhr. Mittwoch. 
Wolfram Roesner dreht sich auf die andere Seite. Gegen 14 
Uhr kriecht er dann doch aus seinem Bett, sucht seine 
Klamotten in der aeusserst verwahrlosten Wohnung 
zusammen, nimmt eine Prise Wasser aus der verkalkten 
Dusche. Wolfram trottet v
on seiner Wohnung im Stadtteil Neuenheim in die 
Heidelberger Altstadt, schaut mal im Studihaus, dem 
Studenten-Cafe, vorbei, und springt schliesslich ab 11 Uhr 
abends auf den Zug durch die Gemeinde, dessen 
Bedarfshaltestellen Pinte, Reichsapfel, Cave und Tangente 
heissen. Ein Mittwoch wie jeder andere im Leben des 
Wolfram Roesner. Wolfram ist Stud
ent, und dies nun schon seit 25 Semestern. Nach dem Abi 
hatte er angefangen, Humanmedizin zu studieren, war 
durchgeknallt. "Nach 85% meines Studiums ha, ha, habe ich 
nie me-, me-, mehr Tritt gefasstoe, zieht der leicht stotternde 
Student die Bilanz seiner verlorenen Illusionen. Heute 
schlaegt er sich durch, sein Vater steckt ihm ab und zu ´nen H
underter zu, manchmal verdient er sich auch bei 
Gelegenheitsjobs was. Ist Geld greifbar, wird es sowieso im 
Nullkommanix in Bier und Sex umgesetzt. "Hab mal 600 
Piepen an einem Tag als Packer in Frankfurt verdient, abends 
uff der Kaiserstrasse war gleich alles weg, hab's in'n paar 
Nutten angelegt.oe
Ein Einzelfall ? Keineswegs. Es sind die Siegertypen, die 
Geschichte schreiben, und wir in unserem Erfolgswahn neigen 
dazu, die Schwachen, Auf-der-Strecke-Gebliebenen zu 
uebersehen, um uns selbst vor der Moeglichkeit zu schuetzen, 
zu den Gescheiterten zu gehoeren.  
Ein weiteres Beispiel. Wie Wolfram Roesner kommt auch Kai 
Binder aus buergerlichen Verhaeltnissen. Vor vielen Jahren 
verliess er sein Dorf in Norddeutschland und zog nach 
Heidelberg. Richtig angekommen ist er allerdings nie. Bereits 
im ersten Semester besuchte er weniger als die Haelfte der 
Pflichtseminare. Wer Schuld an seinem Schicksal hat, wei _ 
er nicht. Vielleicht seine damalige Freundin Anke Hoering. 
"Die hat mich damals verlassen, und seitdem suche ich wieder 
sowas wie die Anke.oe Als ihm gar nichts mehr einfiel, schrieb 
er sich um, von Germanistik auf Jura und zurueck, ohne 
erkennbares Motiv. 
Oder Andreas Scholz. Mit verteufeltem Ehrgeiz hatte er sich 
1985 in das VWL-Studium gestuerzt, Schein um Schein mit 
ausgezeichneten Noten abgeliefert. Doch dann ging es 
ploetzlich bergab. Andreas wurde bewusst, dass er ein 
selbstverantwortliches Leben als Erwachsener nicht fuehren 
konnte, dass er sich nach den behueteten Tagen der Kindheit 
zurueck
sehnte. Er wurde schwer depressiv. Hoehepunkt war, als er 
sich selbst in die psychiatrische Klinik einlieferte, dort gab es 
wenigstens Menschen, die mit ihm sprechen und zu ihm halten 
mussten. Hauptverantwortlich fuer seine Misere seien seine 
Eltern. Vor kurzem ist Andreas nach Freiburg gezogen, will 
einen Neuanfang versuchen. Aber es wird schwer,
 das weiss er.
Einzelschicksale, gewiss. Doch sie zeigen auffaellige 
Gemeinsamkeiten. Zwar machen alle unterschiedliche Krisen 
fuer ihr Scheitern verantwortlich, die geplatzte Beziehung, 
eine verpatzte Pruefung - doch alle eint die geringe 
Faehigkeit, Krisen durchzustehen und am naechsten Morgen 
wieder weiterzumachen. In einem Artikel in "Psychologie 
heuteoe be
schrieben die Psychoanalytiker Karin und Klaus Grossmann 
die verkorkste Kindheit als die Wurzel allen UEbels. Ihre 
"Bindungstheorieoe besagt, dass eine negative Beziehung zur 
Mutter in der fruehkindlichen Phase fehlendes Selbstvertrauen  
der spaeteren Lebensjahre erzeugen kann. "Wenn das Kind im 
ersten Jahr oft erfahren hat, dass die Mutter aerg
erlich oder abweisend reagiert, dann traut es sich nicht, 
Emotionen in einer fremden Umgebung zu zeigen.oe Bei 
unseren Studenten zeigt sich dies in der Angst, Gefuehle zu 
zeigen, auf Menschen zuzugehen - ein Abtauchen in die 
eigenen Neurosen. "Selbstmitleid ist im Grund ein Baden in 
negativen Gefuehlen, die sich losgeloest haben von 
zielorientier
tem Verhalten.oe
Im Fall unseres VWL-Studenten Andreas ist das genauso. Er 
kultiviert sein Leiden, den Mythos des Geschlagenen, der 
nichts mehr im Leben erreichen kann, weil der Zug laengst 
abgefahren sei. Wenn man ganz unten ist, dann muss man sich 
eben noch an dem Gefuehl weiden duerfen, ein armes Schwein 
zu sein - dies seine Minimalistenloesung. Seine Beziehung
en zu anderen sprechen die gleiche Sprache; er umgibt sich 
nur mit Leuten, denen es auch dreckig geht, zu Frauen hat er 
aehnliche Kontakte wie Wolfram, ab und zu reisst er sich 
irgendeine Bekannte auf, die mit ihm in einen Sex-Club nach 
Ludwigshafen faehrt, wo er mal wieder seine koerperlichen 
Beduerfnisse befriedigen kann. "Dort zahl' ich fuer u
ns zwei insgesamt 200 Mark und darf mal wieder ran, mehr ist 
nicht drin, wenn man so ein Elternhaus hatteoe, sagt er 
resigniert und selbstgefaellig zugleich.
Wolfram hat eine aehnliche Geschichte: Kaputte Familie, 
mangelndes Selbstbewusstsein, weil seine "Leuteoe ihn nie 
aufgebaut haetten, das "Eitschoe (engl. fuer "Hoe - Heroin) 
habe ihm den Rest gegeben. Von seinen Eltern erwartet er 
heute nichts mehr, Aussprachen finden nicht statt. Nur mehr 
Geld sollten sie ihm schon geben, meint Wolfram, dann k
oennte er vielleicht wieder "durchstartenoe, einen Anfang 
machen. Insgeheim weiss er wahrscheinlich, dass es das Geld 
nicht bringt, dass er mehr Geld von seinem Vater auch in mehr 
Bier umsetzen, oefters im Frankfurter Rotlichtviertel 
auftauchen wuerde. Hilfe von aussen sieht er nicht fuer sich. 
"Wenn's dir ganz dreckig geht, dann haelt keiner zu
 Dir,oe sagt Wolfram. Er hat in den vergangenen Jahren 
erfahren, wie's ist, wenn man bis zum Hals in Schwierigkeiten 
steckt. "Die Leute wenden sich von Dir ab, haben selbst 
genug eigenen Schlamassel.oe Was dann fuer's Herz bleibt, 
sind meistens Leute, die den gleichen Frust erleben, bei denen 
man ein offenes Ohr finden kann, weil sie ebenso tief 
drin stecken. Andere Ventile heissen Alkohol oder Drogen. 
"Manchmal haut man auch mal einem eine reinoe, die 
Beruehrung der Gewalt als letzte empfangbare Form von 
Liebe.
Zu den wenigen Strohhalmen, an die sich mancher klammert, 
gehoert die psychologische Beratungsstelle in Heidelberg, eine 
Initiative des Studentenwerks. "Jedes Semester kommen etwa 
250 neue Studenten bei uns anoe, so Frau Selling, eine 
Mitarbeiterin der Stelle. Die Uni-Seelsorge vermittelt in der 
Regel weiter, soll lediglich Anlaufstelle sein, ers
te Kontakte fuer Hilfesuchende bieten. Auffaellig an den 
Studenten, die sich an die Beratungsstelle (Neue Schlossstr. 
42, Tel.: 10026) wenden, ist, dass eher Politologen und 
Germanisten als VWLer und Mathematiker den Weg zu den 
Psychologen der Uni finden. "Auch ist der Frauenanteil 
inzwischen auf 2/3 gestiegenoe - moeglicherweise ein Effekt 
der E
manzipation, weil Frauen jetzt offener ueber ihre Probleme 
spraechen. In den meisten Faellen bringe eine Psychotherapie 
etwas, nach Jahren treffe sie, so Frau Selling, Studenten, die 
sich um 180 Grad gedreht haetten, glueckliche, befreite 
Menschen geworden seien.
Zurueck zu Wolfram Roesner. Gute dreizehn Stunden spaeter. 
Es ist 3:15 Uhr. Zusammen mit den letzten 
Nachtschwaermern hat Wolfram das Cave verlassen. "Jetzt 
nur noch schnell zur Nacht-Tanke und ein Six-Pack 
einwerfen, dann ist der Tag geritzt.oe Wie an so vielen 
Abenden wird er jetzt mit den Bierflaschen unter dem Arm 
nach Hause torkeln und sie v
or dem Einpennen oder morgen nachmittag zum Fruehstueck 
leeren. 
Ein Donnerstag wie jeder andere im Leben des Wolfram R. 
beginnt, eines Studenten an der Ruprecht-Karls-Universitaet 
zu Heidelberg. Andreas Scholz sagt dazu nur: "Was soll's, 
eines Tages werden wir sowieso alle zu Staub zerfallen.oe Ein 
schoener Trost ? (ah)
Auftakt
Der Student misstraut Sonderangeboten, insbesondere solchen 
finanzieller Art.  Bei Sonderangeboten ideologischer Art faellt 
das Misstrauen schon schwerer. Aber auch hier hat sich noch 
jedesmal irgendwo eine Schublade aufgetan, in die man nun 
wirklich nicht gesteckt werden wollte. Ausserdem seien die 
Gruenen auch dagegen, heisst es. Das Umweltfesti
val "Auftaktoe, das vom 28. 7. bis zum 1. 8. auf der Elbinsel 
bei Magdeburg stattfindet, hat es doppelt schwer: Es ist ein 
finanzielles und ideologisches Supersonderangebot. Kein 
Wunder also, dass sich von den erwarteten 10 000 
Teilnehmern bundesweit noch keine 700 angemeldet haben. 
"Das wirft ein schlechtes Licht auf unsoe, meint Thilo, 
Organis
ator der Heidelberger Auftakt-gruppe. 
Nein, lieber Thilo, das wirft ganz und gar kein schlechtes 
Licht auf Euch! Das faellt auf den Leser dieser Worte, der 
sich noch immer nicht angemeldet hat, weil er verzweifelt 
nach dem Haken bei der Sache sucht. Ja, Du! Es gibt keinen 
Haken! Fuer den Preis von 15 Mark pro Tag nimmst Du an 
den Sternradtouren teil, die Dich nach Magdeburg bringen. F
uer 15 laecherliche Mark bekommst Du 
Vollwertvollverpflegung, Unterkunft und Beate Weber auf 
dem Buergermeisterrad. Du willst fuer 80 Mark zum U2 
Konzert? Mit 60 Mark bist Du beim Auftaktfestival dabei. 
Da hast Du schon am Morgen das erste Highlight: Zum ersten 
mal in deinem Leben scheisst Du oekologisch, denn "selbst die 
Klos sind umweltfreundlich!oe, erklaert Elisa vom Auftakt-
Organisatonskomitee. Der Mittag: Willst Du  zu 
"Solarkochkisten im Eigenbauoe oder zu  "Goethes 
Bedeutung als Naturwissenschaftleroe? (Wie kommt das denn 
hierher, frag
st Du? Ganz richtig! Es war Goethe, der wusste: "Die wahre 
Bildung findet ein gescheiter Mensch auf Reisen.oe) Oder 
doch lieber "Bumerang bauen und werfen" & "Kornkreise-
was ist das?oe? Der Abend: Jetzt wirst Du auch mal aktiv! Du 
packst die Baelle aus und zeigst den suessen OEkobabes, dass 
auch Du jonglieren kannst. Der spaete Abend: Du fragst 
Jutta Ditfurth nach ihrem Vortrag "Die Radikalisierung der 
Umweltbewegungoe, warum sie so oft abtreiben muss und 
dann, wer weiss...Vergiss' Dein Misstrauen gegenueber 
Sonderangeboten! "Auftaktoe ist kein Neppchen, sondern ein 
echtes Schnaeppchen.Also: Auf jetzt! Anmelden! Auftakt! 
Abtreten!         (tb)
Sommer, Sommer, Sommer-Uni
Wer noch Enzensbergers "Kleine Pfingstpredigt ueber das 
Entbehrlicheoe im Kopf hat (FAZ vom 29.Mai), wird sie 
sicherlich mit Skepsis sehen: die Fuelle von Podien, 
Workshops und Diskussionen, die anlaesslich der 
diesjaehrigen SOMMER-UNI vom 23. bis 27. Juni stattfinden. 
Doch allen Kulturkritikern zum Trotz ("jenes prominente 
Blabla ..., das wir a
us Talk-Shows kennen...oe) werden bestimmt auch diesmal 
anregende und gewinnbringende Veranstaltungen dabei sein. 
Grosse Aktualitaet haben natuerlich die Workshops zum 
Thema
 Asyl und Menschenrechte
- Neues Asylrecht: Abschied vom Schutz fuer politisch 
Verfolgte? Mitarbeiter/-innen des Asylarbeitskreises 
Heidelberg berichten ueber die aktuelle asylpolitische Lage, 
Do., 24. Juni, 11.00, Raum 3 Studihaus. 
- Menschenrechtsverletzungen in der Tuerkei - die Ortsgruppe 
von Amnesty International uebernimmt den Workshop, bei 
dem es um Folter in der Tuerkei und die nach wie vor 
ungeloesten Probleme der Kurden geht - Fr., 25. Juni, 16.00, 
Turmzimmer Studihaus.
Maenner und Frauen
Ist Feminismus out? Und wenn ja - wie steht es mit der 
tatsaechlichen Gleichberechtigung von Frauen etwa im Beruf 
oder auch im akademischen Alltag?  Haben Frauen es 
inzwischen leichter bei der Karriereplanung? Frauen, die es 
wirklich geschafft haben, wie Heide Simonis ("Wenn ´ne 
Milliarde weg ist, ist die weg; da hilft´s Ihnen auch nicht, 
wenn 
Sie ´n nettes Maedel sindoe), zeigen oft wenig Sinn fuer 
Frauenbewegung. Die SOMMER-UNI fragt, ob wir noch 
Emanzen brauchen und bietet Workshops zum Thema 
"Geschlechterweltoe.
- "Wir brauchen keine Emanzen mehr!??oe - 
Podiumsdiskussion mit Priv.-Doz. Dr. Gabriele Pfitzer 
(Universitaetsfrauenbeauftragte), Dr. Angelika Koester-
Lossak (Soziologin, Ethnologin), Kyra Schweickhardt 
(Studentin, Frauenkommission Physik), Sylvia Machein 
(Studentin, Romanistik, Anglistik).
- Indianer kennen keinen Schmerz. Praeventive Arbeit mit 
Jungen zum Thema "Sexuelle Gewaltoe - der Verein 
"Maenner gegen Maennergewaltoe hat ein 
Praeventionskonzept gegen sexuelle Gewalt entwickelt und 
stellt dies vor, Mi, 23. Juni, 14.00, Kaminzimmer. 
Tilly und die Palmolives
Wer abends von den SOMMER-UNI - Diskussionen muede 
geredet ist, kann sich bei Musik von Independent bis "Kur-
Kapelleoe (Vorsicht!) entspannen:
- Gegen Antriebsschwaeche und Spuelhaende hilft nur eins: 
Ein Abend mit der Frauen-Band "Miss Tilly & the 
Palmolivesoe; ausserdem dabei: "Okaioe, zwei gnadenlos-
poetische Musikerinnen (voc. + sax.). Do., 24.Juni, 21.00, 
Triplex-Mensa, 5,- DM. 
- Frankfurter Kurorchester. Das Kurorchester der Stadt 
Frankfurt ist genauso ein Kurorchester, wie die Stadt 
Frankfurt eine Kurstadt ist. Fr 25. Juni, 20.30 Uhr, Aula Neue 
Uni, 13,-/15,- DM.       (As)
Das "Spiegel"-Ranking unter der ruprecht-Lupe
Wenn an Behoerden und oeffentlichen Einrichtungen von 
vermeintlich Aussenstehenden  innovative Ideen 
herangetragen werden, kommt ein Mechanismus in Gang. Er 
besteht aus zwei wesentlichen Elementen: pauschale 
Ablehnung und beharrliche Kritik. 
Juengstes Opfer dieser Abwehrautomatik wurde die 
"Spiegel"-Umfrage "Welche Uni ist die beste?", in der 11.828 
Studierende an 69 bundesdeutschen Universitaeten nach den 
Studienbedingungen in ihrem Fachbereich befragt wurden. 
"Subjektiv" und "zufaellig" wurden die Ergebnisse genannt. 
Und die Frage, welche Konsequenzen  aus dem "Spiegel"-
Ranking zu z
iehen seinen, beantwortete Hessens Wirtschaftsministerin 
Evelies Meier so: "Ich ziehe die Konsequenz, dass ich den 
Hochschulen vertraue, dass sie ihre Probleme am besten selbst 
meistern, um die Frage der Bewertung in die eigene Hand zu 
nehmen, und die Selbstkritik - die Grundlage fuer 
wissenschaftliche Entwicklung ist - auch auf ihre 
Einrichtungen
 und Lehrbemuehungen anwenden." Die "Spiegel"-Umfrage 
ist also eine Art Einmischung  in Angelegenheiten, die bitte 
nur die Universitaet selbst etwas angeht. Aber wer ist  das: 
"die Universitaet"? Alle? Dann duerfen aber auch alle 
evaluieren und evaluiert werden: Professoren, akademische 
Raete, Assistenten, Angestellte, Studenten. Das Spiegel-Ranki
ng ist aber doch nichts anderes als eine studentische 
Evaluation.
Mit Sicherheit sind einige Daten von den individuellen 
Faehigkeiten des Befragten abhaengig. Heisst es im 
Fragebogen zum Beispiel "Koennen sehr viele oder nur 
wenige Dozenten die fachlichen Zusammenhaenge so 
einleuchtend und verstaendlich erklaeren, dass sie von den 
Studierenden gut verstanden werden?", dann haengt die 
Beantwortung vom Auffassungs
vermoegen des einzelnen ab. Hingegen die Frage "Gelingt es 
in ihrem Fachbereich den Studenten sehr haeufig oder nur 
selten, die fuer das Studium gerade benoetigten Buecher in 
der Uni-, Fachbereichs- oder Institutsbibliothek  sofort 
auszuleihen?", kann aus der Anschauung beantwortet werden 
und laesst individuellen Interpretationen wenig Raum. Das P
auschalurteil "subjektiv" ist nicht gerechtfertigt. Dass die 
befragten Studierenden repraesentativ sind, laesst sich im 
Vergleich zu anderen Untersuchungen belegen; so enthaelt die 
Sozialerhebung des Studentenwerkes zum Beispiel nahezu 
identische Werte bezueglich der studentischen 
Wohnverhaeltnisse.
Lassen wir uns von den Noerglern nicht verfuehren und 
werfen selbst einen Blick auf die Umfrage. Man wird dann 
zugeben, dass die Ranggruppen mit ihren einzelnen Positionen 
wenig Aussagekraft haben, was die Studienbedingungen an 
den einzelnen Fachbereichen betrifft. Was besagt der 21. Platz 
der Heidelberger Juristen-Fakultaet (Note: 3,31) mehr, als
 dass es sich gleich neben "Da Elio" ein bisschen besser als in 
Freiburg (Note: 3,32)  und ein bisschen schlechter als in Mar-
burg (Note: 3,31) studieren laesst? Erst die Aufschluesse-lung 
in ein differenziertes Profil (siehe Grafik) zeigt, wo die 
Staerken und Schwaechen liegen. Der Abiturient,  der sich 
aufgrund des guten zweiten Platzes des Erzi
ehungs-wissenschaftlichen Seminars  fuer ein Studium in 
Heidelberg entscheidet, wuerde verschreckt seine 
Immatrikulationsunterlagen zurueckgeben, wenn er wuesste, 
dass er sich ein "freundliches Studienumfeld" (Note: 2,8) mit 
einer mehr als unbefriedigenden Examensvorbereitung durch 
seine Dozenten (Note: 4,25) erkauft.
Leider sind die Fachbereichs-Profile weder im "Spiegel" noch 
im Spiegel-Spezial "Welche Uni ist die beste?"  
veroeffentlicht, sondern muessen eigens beim 
wissenschaftlichen Beirat angefordert werden. Die Heidelberg 
am naechsten liegende Adresse lautet: Hans-Dieter Daniel, 
Universitaet Mannheim, Postfach 10 34 62, 6800 Mannheim 
1. UEbrigens: Daniel
, Privatdozent fuer Psychologie und Mitarbeiter am Projekt 
"Evaluation der Lehre", teilte mit, von seiten der  
Heidelberger Universitaet seien die Fachbereichs-Profile noch 
nicht angefordert worden. Nur vom ruprecht.          (Markus 
Collalti)
CDU laesst Studierende unorganisiert -
Streit um Verfasste Studentenschaft
Was immer Gegenteiliges in den Koalitionsvereinbarungen 
von CDU und SPD auch gestanden haben mag: In Baden-
Wuerttemberg wird es auch in den naechsten  Jahren keine 
Verfassten Studierendenschaft geben. Eine Wiedereinfuehrung 
ist Mitte Mai daran gescheitert, dass die CDU den so 
organisierten Studierenden ein Austrittsrecht zugestehen 
wollte, waehren
d die SPD lieber alle Plaene platzen liess, als einer Verfassten 
Studierendenschaft mit Austrittsrecht zuzustimmen.
Eine Verfasste Studierendenschaft (VS) ist die Organisation 
der Studierenden an einer Hochschule, in der sie automatisch 
mit ihrer Immatrikulation Mitglied werden. Die Studierenden 
bezahlen einen Semesterbeitrag, aus dem die von Ihnen 
gewaehlten Vertreter die jeweiligen Aufgaben des AStA 
finanzieren. Verfasste Studierendschaften gibt es in allen B
undeslaendern bis auf Bayern und Baden-Wuerrtemberg. Dort 
wurde sie 1977 abgeschafft. Damals galten sie den 
Regierungsparteien in diesen Laendern als zu linkslastig und 
wurden mit der Begruendung getilgt, dass die Leute, die sich 
damals bei Wahlen durchsetzten, angeblich nur eine 
Minderheit der Studierenden repraesentieren. Seitdem sind die 
Befugn
isse der ASten in Baden-Wuerttemberg eher 
vernachlaessigbarer Natur. 
Obwohl die in den Koalitionspapieren angekuendigten 
Verfassten Studentenschaften auch nicht den grossen 
Demokratiesprung verhiessen, freuten sich doch einige 
Studentenfunktionaere darauf, waere es doch zumindest ein 
Schritt nach vorne gewesen. Dann bestand die CDU aber in 
den Detailverhandlung darauf, dass jeder Studierende jederzeit 
aus der Studi
erendenschaft austreten koennen soll. 
Das haette die Verfassten Studierendenschaften allerdings 
sehr schnell in eine Legitimationskrise gebracht und ihren 
eigentlichen Anspruch unterhoehlt: das Jungakademikervolk 
als Gruppe an der Universitaet zu repraesentieren. 
Studierende waeren ausgetreten, und sei es auch nur, um sich 
den Semesterbeitrag zu ersparen. Der Vertretungsanspruch 
der V
erfassten Studierendenschaften waere zumindest teilweise 
dahin gewesen. Die Organisation waere zu dem 
Dienstleistungsbetrieb fuer soziale und musische 
Angelegenheiten verkommen, der die heutigen ASten nach 
den Vorstellungen des Wissenschaftsministeriums auch sein 
sollen. 
Fuer die SPD-Landtagsfraktion war dieses von der Union 
beharrlich verteidigte Recht auf Austritt Grund genug, um 
ganz auf die Einfuehrung der Verfassten Studierendschaften 
zu verzichten. 
Minister Klaus von Trotha freut sich. Fuer ihn waere diese 
Einrichtung ohnehin nur ein zaehneknirschend gewaehrtes 
Zugestaendnis an den Regierunspartner gewesen.                                                               
(hn)
"Der Gipfel war nicht das Ende"
- Gastkommentar von FSK-Sprecherin Kirsten Pistel
Vom 2. bis 6. Juni fand in Bonn der studentische 
Bildungsgipfel statt. Obwohl dpa am zweiten Tag von 
"Happening" sprach, lief offenbar doch mehr: 
 Besonders interessant ist hierbei, dass auch RCDS, LHG und 
JuSos mitgemacht haben - wenn sie natuerlich teilweise ihre 
ueblichen Sticheleien in der Presse losgelassen haben.
Zum ersten Mal seit langem haben sich Studierende aus dem 
ganzen Bundesgebiet in Bonn getroffen, um fuenf Tage lang 
gemeinsam kontrovers und inhaltlich studentische Posititonen 
zu diskutieren. Ziel des Ganzen war die Verabschiedung eines 
Grundsatzpapiers. Leider haben wir den Anspruch inhaltlicher 
Arbeit nur in den Arbeitsgruppen einloesen koennen
. Die Plena, an denen sich die Kritik der Presse hauptsaechlich 
aufhaengt, sind wirklich nicht gut gelaufen. Zehnstuendige 
Abstimmungsmarathone haben mit Inhalten nichts mehr zu 
tun. Dies liegt meiner Ansicht nach daran, dass die ganze 
Veranstaltung zu stark auf "das Grundsatzpapieroe und die 
Presse orientiert war. Dies fuehrte dazu, dass das Ple
num zur Verabschiedung des Papiers pressegerecht bereits auf 
den zweiten Tag (!) gelegt wurde, obwohl an den anderen 
Tagen noch inhaltliche Arbeit angesetzt war und auch 
geleistet wurde. Probleme hiermit und die Probleme, die ein 
Plenum von ueber 200 Leuten verursacht (die 
Profilierungssucht einzelner will ich mal ausser acht lassen), 
machten die 
erste Abstimmungsnacht (20.00 - 5.30) zum Desaster. Auch 
das zweite Plenum tags drauf, in dem Nachtraege der 
Arbeitsgruppen des Tages verabschiedet wurden, endete 
aehnlich.
Doch alles dies ist nicht ausschlaggebend. Ich habe seit Januar 
an der inhaltlichen Vorbereitung dieses Gipfels mitgewirkt 
und habe bis zum Ende nicht geglaubt, dass die 
Organisationsgruppe es schaffen wuerde, eine derartige 
Grossveranstaltung mit ueber 300 TeilnehmerInnen 
durchzufuehren. Die Qualitaet des verabschiedeten 
Grundlagenpapiers, von de
m Begriff Grundsatzpapier, der einen ueberzogenene 
Anspruch impliziert, kam das Plenum gluecklicherweise ab, ist 
hoeher als ich erwartet hatte. Verbessert und ergaenzt werden 
muss es noch. Aber die Studierenden haben gezeigt, dass sie 
sich aeussern koennen und angesichts der drohenden 
Reformen zusammenfinden koennen. Und: der Gipfel war 
nicht das 
Ende, die Ausarbeitung von Positionen muss weitergehen: im 
Herbst ist der Gipfel des Bundeskanzlers. (Kirsten Pistel, 
FSK)
Thesen des Bildungsgipfels
1. Frauen werden (auch) an Hochschulen diskriminiert. Dem 
muss endlich mit wirkungsvollen Sanktionen entgegengetreten 
werden. Die tatsaechliche  Gleichstellung der Frauen an 
Hochschulen ist unter anderem durch (...) die konsequente 
Einstellung von Frauen auf allen Hierarchiestufen im 
Hochschulbreich (...) zu verwirklichen. (...)
2. Die Diskriminierung von Minderheiten auch an den 
Hochschulen ist zu bekaempfen. Insbesondere auslaendische 
Studenten leiden unter Rassismus und Fremdenhass (...).
3. Hochschule und Gesellschaft muessen oekologisiert 
werden. Dies umfasst einerseits ein Verstaendnis der 
Hochschule als oekologisch-soziales System und andererseits 
die Integration der Umweltproblematik in Forschung und 
Lehre. 
4. Bildung ist mehr als Ausbildung. Sie soll zu einem 
selbstbestimmten Leben befaehigen. Dadurch ermoeglichen sie 
Kritikfaehigkeit und Verantwortungsbewusstsein. Die 
Hochschulen erfuellen diesen Anspruch derzeit nicht. 
5. Deshalb sehen auch die Studierenden die Notwendigkeit 
einer Hochschulreform, beurteilen aber die offiziellen 
Reformvorhaben als Schritte in die falsche Richtung. Die 
Studierenden muessen an der Entwicklung von 
Hochschulreformplaenen und an der Entscheidung ueber diese 
Vorschlaege auf allen Ebenen paritaetisch beteiligt werden. 
6. Der Hochschulzugang darf nicht von den Erfordernissen 
des Arbeitsmarktes abhaengig gemacht werden. Bildung ist 
ein Recht fuer alle, das gewaehrleistet werden muss. Der 
"OEffnungsbeschluss" von 1977 muss daher  konsequent 
umgesetzt werden.  Eine notwendige Voraussetzung dafuer 
ist der verstaerkte Ausbau der Hochschulen und eine deutliche 
Erhoehu
ng der Mittelzuwendung.
7. Wir lehnen eine Zweiteilung des Studiums in ein 
berufsqualifizierendes Massenstudium
Deswegen sucht die ruprecht-Redaktion 
Sommer in Madrid, oder die Tage im Schatten

Am Morgen ist der Himmel ueber Madrid blau gekachelt, 
glaenzend und klar. Dann draengt sich die Blechschlange 
durch die Strassen, haeutet sich und hinterlaesst einen Schleier 
aus Abgas und Staub. Mittags klebt der Himmel nur noch in 
den Schaechten der Metro, auf diesem oder jenem Plakat.
Weder Juli noch August sind die richtigen Monate fuer einen 
Besuch von Madrid. Wer es sich leisten kann, verlaesst fuer 
diese Zeitraum die Stadt.
Der Name Madrid soll arabisch gewesen sein und "gesunder 
Huegeloe bedeuten. Waehrend der Rueckeroberung durch die 
Christen - der Zeit der Epen und Helden -  war die Anhoehe 
lediglich ein Vorposten von Toledo, eine Frontstadt, bis 
Philipp II. per Zirkel die Mitte seines Landes hier lokalisierte 
und damit die 3000-Seelengemeinde zur Hauptstadt best
immte. Eine Stadt ohne richtigen Fluss, ohne Kathedrale, 500 
Kilometer vom Meer entfernt.
 Anfangs blieb Madrid - ohne Bodenschaetze und Industrie - 
eine Verwaltungsstadt. Ein Magnet fuer Abenteurer und 
Diener, Bettler und Gauner. In Spaniens goldener Zeit gab es 
in Madrid die modernste Buehne Europas. Lope de Vega 
schrieb fuer Buehne und Koenig etwa 1800 Stuecke, bzw. 
liess schreiben.Gleichzeitig soll den Zeitgenossen die Welt wie 
ein
 grosses Theaterstueck vorgekommen sein. (AEhnlichkeiten 
mit aktuelleren Zeitaltern sind nicht beabsichtigt, aber auch 
nicht zufaellig). Im 18. Jahrhundert ereilte Spanien das 
Schicksal aller Kolonial-maechte: Der Reichtum beruhte allein 
auf der Ausbeutung der auslaendischen "Besitztuemeroe, 
waehrend die einheimische Wirtschaft nicht entwickelt w
urde. Spanien verlor seine Vormachtstellung an England und 
Frankreich.  
Die schachbrettartigen Wohn-viertel noerdlich der Altstadt 
entstanden Ende des 19. Jahrhunderts. Erst mit der Eisenbahn 
kam die Industrie nach Madrid. In den fuenfziger und 
sechziger Jahren fand Spaniens erstes Wirtschaftswunder 
statt. Die Einwohnerzahl explodierte von 1,5 auf 3 Millionen. 
Ein Entwick-lungsprozess, dessen Konsequenzen Martin-
Santo
s in seinem Roman "Tiempo de Silenciooe (dt.: Schweigen 
ueber Madrid) eindruecklich beschreibt. Spanien fand damit 
ein zweites Mal den Anschluss an die Moderne. Nach Francos 
Tod folgte ein zweites Wirtschaftswunder, das jetzt in die 
allgemeine europaeische Rezession uebergegangen ist.
Madrid ist durch seine zentrale Lage die Drehscheibe fuer 
Spanien geworden: Kultur, Wirtschaft, Finanzen und 
Touristen. In den Sommermonaten waere in der Stadt das 
groesste Ereignis vielleicht der Sommerschlussverkauf. 
Taeglich sinkende Preise bei staendig kletternden 
Temperaturen. Oder das Konzert von Julio Iglesias, ein 
drittklassiger Stier-kamp
f, ein Kino mit Klimaanlage, ein frisches T-Shirt oder der Duft 
der Frauen; haetten nicht Madrids Sozialisten (als sie dieses 
Praedikat noch verdienten) die "Veranos de la Villa " 
erfunden. Ein Kulturprogramm fuer die, die trotz der Hitze 
kommen, und fuer die, die aus den verschiedensten Gruenden 
bleiben.
 Es ist sinnlos, die Naechte im Bett zu verschwitzen. Man 
besorgt sich im naechsten Touribuero das Stadtprogramm 
oder am naechsten Kiosk den "Guía del Ociooe. Spaetestens 
dann weiss man, wo die "Toreros Muertosoe oder 
"Manolosoe den Ibero-Punk liefern, wo der Flamenco mit den 
Hacken auf die Buehne geknallt wird und so weiter.
Im Parque del Buen Retiro jedenfalls findet das Festival der 
Puppenspieler statt. Nicht nur fuer Kinder. Auf der nur 
tischgrossen Buehne ereignen sich echte Tragoedien, 
Komoedien oder eine komische Melancholie. Nach der 
Vorstellung, die uebrigens kostenlos ist, ist es immer noch viel 
zu heiss, um ans Schlafen zu denken. 
Man  durchquert den Retiro Richtung Atocha. Am suedlichen 
Ausgang des Parks findet tagsueber die "Buchmesseoe statt. 
Hier, oder in den Antiquariaten in der Calle de los Libreros, 
einer Seitenstrasse der Gran Via, kauft man verbilligt die 
spanische Klassik.  Hinter  dem Centro de Arte Reina Sofia 
biegt man ein, in eine der entspanntesten Strassen 
der Stadt,  der Calle Argumosa, und liebkost unter den 
Baeumen die trockene Kehle mit einem eisklimpernden Gin 
Tonic. Den Sala del Mirador, ein Hinterhoftheater in der Calle 
Doctor Fourquet, merken wir uns fuer einen anderen Abend. 
Ganz in der Naehe - Metrostation Antón Martín - befindet 
sich die Filmoteca Española, wo klimatisiert oder im Freien 
Leckerbissen der Filmge-schichte projeziert werden. 
Spaetestens danach  ist es Zeit fuer eine Bar wie "La 
Soledadoe, in der Naehe der Plaza Major, wo Aficionados zur 
Gitarre Gesang improvisieren, der einem die lang vermisste 
Gae
nsehaut ueber den Koerper jagen kann. Wer es noch heisser 
mag, geht in die Disco. 
Dann senkt sich langsam die Stille ueber Madrid. Die 
trockenen Blaetter der Baeume machen im Wind ein 
Regengeraeusch. Vielleicht kann man noch etwas schlafen. 
Inzwischen wird  der Himmel frisch  mit transparentem Blau 
gestrichen. 
Trotz Touristenkulturprogramm muss man nach ein paar 
Wochen raus aus der Stadt. Der Chlorgeschmack des 
Leitungswassers nimmt taeglich zu. Vor Dieselruss kriegt man 
den Finger nicht mehr aus der Nase. Alle Duschen sind zu 
weit entfernt. Also ab in die Berge, nach Norden zum 
Escorial.
Fuer den Besuch dieser tausend Meter hoch gelegenen 
granitgewordenen Depression eines Koenigs empfehle ich 
einen Pullover. In den Mauern des Escorial ist das 
mittelmeerische Denken schon immer abwesend gewesen. Der 
Palast Philipps, in dessen Reich die Sonne niemals unterging, 
ist eher finster. Nichts ist hier heiter. Die Leichtigkeit des 
Seins wir
d  schon auf dem Vorplatz ausgeschlossen, bricht sich an der 
geometrischen Erscheinung, verebbt auf dem Granitplateau.
	Goya
Der Escorial ist als Klosterpalast um eine Kirche 
herumgebaut, deren graue Saeulen ihren Innenraum optisch 
und emotional erdruecken. In den Wohnfluegeln zieren 
Kreuzabnahmen verrueckte und gespickte Heilige im 
tenebristischen Einheitston die Waende. Jedes Stilleben wird 
zur Erholung fuer die Augen. Es geht das Geruecht, "Der 
Garten der Luesteoe h
ing gegenueber von Philipps Bett (jetzt Prado). Davon 
traeumte also die Gegenre-formation. Allein die Bibliothek ist 
ein Juwel.
Beim Aufwaermen im Park erinnert man sich an  Goya in  
Feuchtwangers Roman. Dieser versuchte sich, von den 
Daemonen des Mittags verfolgt, halb taub und alles 
durchschauend, dem Koenig treu und auf die Aufklaerung 
hoffend, halb Gast, halb Gefangener, immer in der Gefahr, bei 
seinem Seiltanz zu stuerzen, in diesem Park vom Palast zu 
erholen.
Zurueck in Madrid: Die verstaubten Voegel singen nicht 
mehr. UEber das Gelaender der Aussichtsterrasse des "Torre 
de Españaoe lallt ein Betrunkener. Von hier springt man gerne 
ins Grau.
Raus aus der Stadt. Nach Toledo. Hier ist es noch heisser. 
Hier bettelte Lazarillo vor allen Kirchen, Museen, Moscheen 
und Synagogen. Gegen diese Stadt ist Heidelberg 
touristisches Entwicklungsgebiet. Schaut man von der 
mittelalterlichen Kulisse nach Sueden, ahnt man nichts mehr 
von den ehemaligen Waeldern, die in Form der Armada 1588 
vor Calais a
uf den Meeresgrund sanken. Man denkt eher an den Ritter mit 
der Barbierschuessel auf dem Kopf und weiss, dass man da 
unten auf die Dauer einer UEberhitzung der Nerven nicht 
entgeht. Spaniens Zentrum kennt keine Milde, weder im 
Sommer noch im Winter. Also zurueck nach Madrid. Von 
Atocha mit dem Zug nach Aranjuez. Am Rand der Metropole 
liegen die M |llberge, von denen schon Moses das gelobte 
Land sehen durfte.
In Aranjuez ist selbst der Bahnhof ein kleines Schloss. Auf 
dem Weg in den Ort geht einem dieses Konzert von Rodrigo 
nicht aus dem Kopf. Dieser schreitende Rhythmus, der sanfte 
Stolz. Eine unendliche Annaeherung ohne Ziel. In Aranjuez 
wurde die Strenge und Disziplin des Escorial einfach verspielt, 
zu einer Oase aus absolutisti-schem Prunk auf Pump. In den 
Saelen aus Porzellan herrscht das Barock. 
Der Huegel suedlich der Stadt soll in der Bronzezeit eine 
Siedlung gewesen sein. Von ihm ist der Ausblick in alle 
Richtungen moeglich. Aranjuez ist tausend Jahre entfernt. Die 
Hitze schluckt alle Geraeusche. Madrid existiert nicht. Ein 
Vogel faengt Insekten aus der stillstehenden Luft. Am Mittag 
zerschneidet die Sonne die Farben. Die Welt gehoert 
den Ameisen. Die Pinien erwarten den Winter. Die Zukunft 
setzt Rost an.
Im Park unten am Fluss gibt es richtigen Rasen. In ihm 
koennen sich die asphaltgewoehnten Fuesse erholen. Das 
Gruen ist die erste richtige Farbe seit langem. In der Naehe 
das glucksende Wasser des Tajo, der als Rio Tejo bei 
Lissabon in den Atlantik muendet. Aus der Lautsprecherbox 
neben dem Eisstand schmilzt die Musik, loest sich  im 
kuehlenden Wi
nd auf. Dann aber sind die schoenen Stunden von Aranjuez zu 
Ende. Wir verlassen es ganz heiter.
Die Stadtlandschaft von Madrid empfaengt uns am Abend mit 
seiner verbrauchten Luft. Der Himmel sieht aus, als haette er 
zu lange in der Sonne gehangen wie ein vergilbtes 
Polaroidfoto. Eben war das Leben noch Traum, jetzt hat uns 
der grosse Jahrmarkt der Welt wieder. In der zweitmiesesten 
Bocadillo-Bar Madrids hat man die Wahl zwischen 
Hamburger un
d Bocadillo. Auf jeden Fall alkoholfreies Bier.
Sofort suchen die Augen auf den Plakatwaenden wieder nach 
Erholung, nach Stillstand oder Entspannung. Ein Plakatfoto 
zeigt unscharf einen  nackten Menschen, der durch einen 
Vorhang aus Wassertropfen springt. Die Zarzuela kuendigt 
das "Ballet Lírico Nacionaloe mit dem Stueck 
"Mediterraniaoe an. Da wird die Sehnsucht geschuert nach 
rot-gelb-blau.
 Nach Sonnenuntergang am Meer, nach Horizont. Und das 
Ensemble haelt, was das Plakat verspricht.
Nach der Vorstellung setze ich mich in der Metro neben eine 
Frau, die fleissig mit ihrem Faecher wedelt. Bei 40 Grad wird 
man zum Parasiten. "Tribunaloe. Um die Ecke zur Plaza del 
Dos de Mayo. Hier fuehlt man sich sofort wieder zu Hause. 
Am Freitagabend nach zwoelf fallen die Masken.
Mit der Zeit bekommt man das Gefuehl, dass sich Madrid 
einem nicht aufdraengt, dass einem die Stadt die eigene 
Freiheit laesst. So nimmt sie einen doch noch gefangen. Auch 
im August.      (fb)
Hare Hare
George Harrison wusste es schon 1976: Nur ein gluecklicher 
Hare Krischna, ist  eben ein Hare Krischna - "Hallejulia!oe, 
sagte George unpassenderweise - warum aber ist er so 
gluecklich?
Der Krischna verdankt seine Existenz His Divine Grace A. C. 
Bhak-tivedanta Swami Prabhupada. Und das unterscheidet ihn 
auch schon gewaltig vom Rest der Menschheit. His Divine 
Grace hat sie naemlich gefunden, die Formel zum Glueck. 
Genaugenommen hat er sie geklaut. Und zwar in einem Buch, 
in dem schon Hegel und Hesse klauten, was einiges erklaert, 
das nicht Thema dieser Glosse ist. Die Antwort auf die Frage 
nach dem Glueck und den  anderen letzten Dingen ist eher 
einfach und reimt sich nicht. Vier Zeilen. Drei Worte. Klar in 
der Aussage; beinahe spielerisch elegant im Ausdruck: Hare 
Krischna Hare Krischna
Krischna Krischna Hare Hare
Hare Rama Hare Rama
Rama Rama Hare Hare
Wer bisher dachte jene kahlen Moenche in Hellorange 
wuerden den Verlust ihrer Haartracht beklagen, etwa so: 
"Haare, Haare kriech` mer nich`.
 Haare, Haare ham' mer nich'.oe,
der sei mit einem Originalzitat aus einer Krischna-Schrift ein 
fuer alle mal aufgeklaert: 
Das Singen und sprechen dieser Heiligen Namen Gottes ist die 
erhabenste Form der Meditation und kann von jedem 
praktiziert werden, entweder allein oder gemeinsam mit 
anderen. Es ist ein erprobter und anerkannter Vorgang zur 
Verwirklichung der Weltfriedens. 
Ja, ja der Weltfriede. Der ist nun wirklich nicht zu uebersehen. 
Wenn da einige Genaraele noch immer lieber Schiessbefehle 
erteilen als "Rama  Ramaoe zu murmeln, dann sind das 
bedauerliche Ausnahmen.
Gluecklich also, wer so viel, so erfolgreich fuer den 
Weltfrieden leistet wie die Hare Krischnas. Nur die Nicht-
Krischnas scheinen die Anstrengungen der Moenche fuer den 
Weltfrieden nicht so recht zu honorieren. Das ist 
unverstaendlich. Genug doch eigentlich, dass die Krischnas 
den ganzen Tag auf Bio-bauernhoefen schuften, ohne je einen 
mueden Hel
ler dafuer zu sehen. Und genug, dass sie sich von dem 
selbstgepflanzten Biofrass auch noch vegetarisch ernaehren. 
Genug schliesslich, dass sie trotz allem gluecklich sein 
muessen.
Nein, die Krischnas haetten es wirklich nicht noetig. Aber sie 
fragen nicht lange. Ihre wenigen freien Minuten verwenden 
sie, fuer den harelosen Rest der Menschheit den Weltfrieden 
herbeizubrummeln (beachte noch einmal: unsereins hat keinen 
Hare - den Gott - mit einem A; die Krischnas haben keine 
Haare - auf dem Kopf - mit zwei A). Wie waere es wo
hl um den Weltfrieden bestellt, wenn alle Krischnas ploetzlich 
aufhoerten "Hare, Hareoe zu sagen?
Die Vorstellung macht Angst.
Dabei kostet es so wenig einem Krischna einmal zu sagen: 
"Wir brauchen dich!oe. Denk`doch daran, wenn dich das 
naechste mal auf der Hauptsrasse ein gluecklicher, junger 
Mann mit Glatze (und der ist nicht rechtsradikal!) anlaechelt  
und fragt: "Darf ich dir ein Buch schenken?oe Greif zu! Auch 
wenn dich die suesslichen Indermaedchen abschrecken, d
ie auf dem Einband bauchtanzen oder so was. Fuer fuenfzehn 
bis zwanzig Mark ist dieses Buch eine fast genauso 
geschenkte Erleuchtung wie ruprecht lesen.
Aber "Hare, Hareoe ist mehr als nur der Weltfriede! 
Dieser Vorgang wurde vor 500 Jahren von dem grossen 
Heiligen Sri Caitanya in Indien eingefuehrt (also doch: 
geklaut, geklaut, geklaut! Und das gleich zweimal. Da muss 
man aber ueber das "Divineoe und das "Graceoe wirklich 
noch einmal nachdenken, Herr A.C. Bhakti-vedanta Swami 
Prabhupada! Meint: der Verf.),und immer mehr Menschen in 
allen Teilen 
der Welt nutzen ihn und tragen so dazu bei, eine 
gluecksverheissende Atmosphaere auf der Erde zu schaffen.  
Auch wenn die Erfoge mit der Atmosphaere nicht so 
unmittelbar einleuchten wie jene mit dem Weltfrieden: 
Manche der ganz grossen Mysterien finden im Licht der 
krischnaschen Gluecks-verheisser neue Antworten: Warum z. 
B. hat sich ABBA noch nicht wiedervereinigt? Na? Na?
Danken wir den Krischnas! Und sag' beim Abschied leise 
Hare. Wie damals George. Der war fortan auch gluecklicher. 
Hare.     
(tb)
It doesn't seem to work- Steffi und ich gegen Indiana Jones 
Der letzte Bericht eines eigentlich nur simulierten Autors
Warum wird an deutschen Universitaeten so lange studiert? 
Der Autor dieses Artikels glaubt, die Antwort gefunden zu 
haben. 
Kann es sich ein Intellektueller leisten,  nach Rambo1 Rambo2 
und Rambo3 auch noch Rambo4 im Kino anzusehen? Nein, 
auch die Filmindustrie weiss inzwischen, dass mit den ewigen 
Fortsetzungen auf der Grossleinwand kein Hund mehr hinter 
dem Ofen hervorzulocken ist. Aber sie hat nicht aufgegeben, 
sondern nur zu subtileren Mitteln gegriffen: Statt halb
jaehrlich die Zahlen hinter ihren Namen zu wechseln, 
schleichen sich die Helden der Neuzeit unter unverfaenglichen 
Bezeichnungen wie rmb.exe auf den Festplatten studentischer 
Computer ein. Juengstes Opfer wurde meine langjaehrige 
Freundin Steffi, deren urspruenglich nur zu 
Textverarbeitungszwecken angeschaffter PC aus 
unerklaerlichen Gruenden ploe
tzlich eine Kopie von Indiana Jones and the mystery of 
Atlantis aufwies. Der gutaussehende Abenteuerer hatte sich 
wahrscheinlich in einem unbeobachteten Moment selbst in den 
Computer geladen, sass nun fett zwischen den rachitischen 
Hausarbeitsdateien und wartete darauf, fortgesetzt zu werden. 
"Es ist sausuper,oe sagte Steffi um halb acht Uhr jenes 
verhaengnisvollen Mittwochs zu mir und obwohl ich gar nicht 
wusste, wovon sie eigentlich sprach, schuetzte ich mich 
instinktiv mit dem studentischen Allerweltsvorwand, ich 
muesse arbeiten (eine dreiviertel Stunde spaeter begann das 
Spiel Borussia Dortmund-Juventus Turin). Wenn Steffi von 
ein
er Sache sagt, sie sei "sausuperoe, entspricht das allerdings 
einer ex catedra-Verkuendigung des Papstes und bevor ich 
noch mit rhetorischen Rueckzugsgefechten den rettenden 
Ausgang erreichen konnte, hatte ich bereits eine 
Computermaus in der Hand und einen bunten Schriftzug auf 
dem Farbmonitor vor mir
Und da kam sie auch schon: Jaemmerlich piepsend intonierte 
der graue Kasten die Erkennungsmelodie der Indiana-Jones-
Filme (dadada-i, dadado...), der bunte Schriftzug verschwand 
und eine seltsame Figur mit seltsamen Hut sprang vom oberen 
Bildschirmrand in einen seltsam gestalteten Raum mit 
seltsamen Statuen. Fuer den Fall, dass jemand eine zwei Zen
timeter grosse Gestalt mit Schlapphut und Peitsche fuer den 
Bundesaussenminister halten koennte, blendete der Computer 
auch gleich folgenden Text ein: "Hi,Jones!oe Ha,ha,ha. Gut, 
die Simulation des seltsamen Raums war vielleicht nicht 
schlecht, das Ganze wirkte sehr plastisch, aber ansonsten: 
laecherlich. 
Halt, jetzt geht es los! Wieso halte ich eigentlich noch die 
Maus in der Rechten, wenn Steffi mir aus Angst, ich koennte 
einen unbedachten Klick machen, schon das Blut aus dem 
Handgelenk drueckt? Ruhe, das Spiel ist sausuper und da 
kannst du die Sachen anklicken, die dir  prinzipiell zur 
Verfuegung stehen (darunter so allgemeingebraeuchliche 
Gegen
staende wie etwa ein Klumpen Gummi und einen Kanister 
Kerosin) und da drueben, was du mit ihnen machen willst. 
Peitschen, zum Beispiel: Also, hier, use und dort whip und 
dann with und schon schlaegst du mit der Peitsche auf das ein, 
was nach whip kommt. Moment, warum ich? Bewegt sich da 
nicht dieser Indianer, dieser Jones, oder was? Wo ist der den
n gerade? Ach so, in New York, das sieht nach Grossstadt 
aus, mit diesen vorbeizischenden Autos da im Hintergrund. 
Wie die Programmierer das wohl hinbekommen haben mit 
diesen Scheinwerfern, dass da das Bild heller wird, wenn ein 
Auto vorbeikommt?... Halt, jetzt waere er fast irgendwo 
angerannt, der Jones. Was ist das? Aha, also hier look at und 
da
nn klick, eine Kiste ist das, da schau her, haha, push klick 
crate klick, da fliegt sie, die Kiste, so leicht sind wir nicht zu 
stoppen. 
Muessen wir da in diesen NewYorker Nachtklub hinein oder 
nicht? Steffi weiss es schon, sie kennt das Spiel, sie sagt aber 
nichts. Finger weg, das mache ich alleine! Jetzt will sich der 
Tuerwaechter mit mir unterhalten, mal sehen..was fuer eine 
aus den vorgegebenen Antworten waehle ich? You are a 
Darwinian nightmare klick, so dem haetten wir's gege
ben und nichts wie hinein in den Nachtklub, die Hintertreppe 
hinauf. Das Bild schaltet unter Fanfarenklaengen in den 
Innenraum. 
Wenn ich mich jetzt noch auf mein vorsintflutliches Fahrrad 
schwinge, komme ich gerade noch zur zweiten Halbzeit der 
Dortmunder, andererseits, wenn ich in der 
Buehnenmaschinerie  des Nachtklubs alle Hebel richtig 
umschalte, kriege ich vielleicht heraus, was das mit Atlantis 
auf sich hat. Das ist ganz schoen kniffelig, von wegen, 
Computerspiele ver
dummen, also hier haben wir eine Kombination aus drei 
Schaltern, alle drei mit drei verschiedenen Positionen, das gibt 
insgesamt, wie war das, drei Fakultaet mal drei oder eher 
durch drei, im Quadrat minus eins, minus eins, minus eins, die 
Zeit laeuft gegen mich, minus eins, aber da komme ich auf die 
rettende Idee, den Buehnenaufseher mit einer Ze
itung zu bestechen und lerne unter orgiastischem Gepiepse 
des Computers meine Partnerin Sofia kennen. 
Das waere ja noch schoener, sich nach neun Semestern 
Studium von so einem Elektronikdings blamieren zu lassen! 
Und nun fliegen wir nach Mexiko, Sofia und ich, es wird 
heiss, vor mir alles gruen und Steffi serviert Orangensaft. Was 
macht Steffi hier eigentlich noch? Ach so, der gehoeren das 
Zimmer und der Computer, fast vergessen. Use Orangensaft, 
haha. "Hier, guck mal,oe sagt Steffi und deutet zitternd auf 
eine nicht enden wollende Kette von Zahlen in ihrem 
raubfotokopierten (oder sagt man fotoraubkopierten?) 
Handbuch zum Spiel: "wenn du ueberhaupt nicht mehr weiter 
weisst, gibt's da eine Indiana-Jones-Computer-Hot-Line in 
Amerika. Das ist doch sauunglaublich.oe Ich stelle wieder 
einmal 
fest, dass die Amerikaner doch alles uebertreiben; das kommt 
wahrscheinlich vom uebertriebenen Fast-Food-Konsum. 
Anzurufen, weil  man mit so ein paar Farbpixel auf dem 
Bildschirm nicht mehr weiterkommt... 
Apropos weiterkommen: Weiter! Komm! Der Papagei im 
mexikanischen Urwald fragt mich nach dem Titel des 
verlorenen Dialogs von Platon. Das muss das Buch gewesen 
sein, das ich letztens im Seminar nicht gelesen habe, Moment 
mal, "Die Voegeloe, "Die Rattenoe, "Die Froescheoe, "Die 
Fliegenoe, "Die Schmeissfliegenoe, wie uebersetze ich dem 
Computer 
"Schmeissfliegenoe auf Englisch, throwfly oder was? Moment 
mal, Moment....Steffi verraet mir, dass der hektische gruene 
Papagei nicht throwfly sondern Hermokrates hoeren will (ask 
klick Steffi klick), einen Titel, der im Seminar garantiert nicht 
vorgekommen ist. Und dann sind wir drin in der 
mexikanischen Azteken-Pyramide, aber jetzt wird es wirk
lich kompliziert, nichts geht mehr, weder mit Peitsche (whip) 
noch mit Gummi (gum) oder Kerosin (kerosine) laesst sich die 
Elefantenstatue von der Wand entfernen: it doesn't seem to 
work, it doesn't seem to work hoehnt lautet die hoehnische 
Antwort des Schicksals. Also zurueck durch den Urwald, die 
Loesung muss in einem anderen Erdteil liegen. Nac
h Island. Wir koennten aber auch mit Jones auf die Azoren 
oder nach Nordamerika fliegen.....Genau an diesem Punkt, 
sagt Steffi, wisse sie auch nicht mehr weiter.
Ich versuche gerade, meine Partnerin Sofia fuer eine 
Landkarte von Atlantis einem alten unsympathischen Knacker 
in Ponta Delgada, Azoren, zu opfern (use Sofia with Mister 
Costa), als es an der Hautuer, Heidelberg, klingelt. Nachbar 
Jochen, sein Toechterchen Elisabeth auf dem Arm, bittet uns, 
wegen der Kleinen doch nicht so zu bruellen, im ganzen H
aus hoere man das. Auch wenn er Verstaendnis dafuer habe, 
dass zwischenmenschliche Konflikte manchmal ausgetragen 
werden muessten, so sei es immerhin doch schon nach halb 
zwei Uhr nachts. Wir erklaeren ihm unsere prekaere Lage. 
Jochen empfiehlt, nach Nordamerika zurueckzufliegen, 
vielleicht habe man dort mehr Glueck. Halt mal schnell das 
Kind, bit
te! It doesn't seem to work. This will be a mess. It doesn't 
seem to work, ganz klar, Jochen kommt auch nicht weiter. Ich 
nutze die Gelegenheit, als klein Elisabeth nass zu werden 
beginnt, um wieder in den Besitz von Maus, Peitsche und 
Gummi zu gelangen. Die telephonische Vorwahl der USA ist 
01, das weiss ich, allerdings waere es besser, erst wied
er nach Mexiko zurueckzufliegen und von dort aus anzurufen, 
das kaeme wahrscheinlich billiger. 
Steffi ruft doch tatsaechlich an! Allerdings ihren Cousin, der 
seit einem halben Jahr ebenfalls eine Kopie von Indiana Jones 
and the mystery of Atlantis besitzt. Der Cousin meldet sich 
zwar erst nach fuenfzehnmal durchlaeuten lassen, klingt 
dafuer aber sehr belegt. Und jetzt erkundigt sich Steffi auch 
noch nach seiner Familie. Was habe ich mit sei
nen Baelgern zu schaffen? Kann ich dafuer, dass der Kerl 
heiraten muss? Wie kommt man auf den Azoren weiter, wie 
kommt man ueberhaupt weiter? Elisabeth schreit auch schon 
wie am Spiess. Da, jetzt, strategisch vorbereitet faellt am 
Telephon die entscheidende Frage nach Jones Komma Indiana 
und und und.....oeEr sagt, er bleibt immer am Papagei in Mex
iko haengen,oe bruellt uns Steffi mit hochrotem Gesicht zu. 
"Hermokrates,oe bruellt der Chor entruestet zurueck und 
dann verfluchen wir alle nocheinmal zusammen den 
mangelnden Spieltrieb von Berufstaetigen. Also da haette 
sogar Steffis Cousin draufkommen koennen, ich meine, da 
haette er doch gleich weiterschlafen koennen, anstatt uns mit 
so Pippi
fax zu aergern. Darwinian nightmare! 
An der Tuer klingelt jetzt Patrizia, die nur einmal zufaellig hier 
vorbeigekommen ist, auf einen Kaffee oder so. Nachts um vier 
ueberkomme sie immer das unwiderstehliche Verlangen nach 
einem Kaffee. Sie ist gerade auf den Azoren und kommt 
ueberhaupt nicht weiter....NEIN! Aber hier: use whip with 
statue, sagt sie, das muesste doch gehen. It doesn't
 seem to work kraeht Elisabeth vom Arm ihres Vaters herab. 
Die Stimme der Unschuld, auch die Kleine ist schon zur 
Indianischen Erkenntnis durchgedrungen, dass wir nur wissen, 
dass wir nichts wissen. Oder ist das vielleicht der Sinn des 
Spiels, das Durchdringen zu philosophischer Selbsterkenntnis 
mittels eingebauten Frusts? 
Bei Sonnenaufgang wird es in Steffis Zimmer bereits etwas 
eng: Steffis Freundinnen Christiane (Mexiko), Vera (Azoren) 
mit Freund (Amerika) haetten vielleicht gerade noch mit 
Jochen und mir vor dem Bildschirm Platz, aber bereits der 
Cousin (Papagei) mit Frau (Island) und Kindern (drei und 
fuenf Jahre) sprengen den Rahmen. Besonders stoerend sind 
di
e beiden Telekom-Techniker, die das Spielen so gut wie 
unmoeglich gestalten, da sie mit aller Gewalt versuchen, Steffi 
wiederzubeleben, oder wenigstens ihre verkrampfte Hand vom 
Telephonhoerer zu loesen, aus dem seit Stunden eine 
Amerikanerin quaekt: line busy, line busy, besetzt, besetzt, 
tuet, tueueuet,..
Der Rest ist schnell erzaehlt: Um zehn Uhr morgens 
komprimierten sich ploetzlich die gesamten Azoren (auf der 
Hauptinsel sind genau 102 Haeuser zu sehen, Jochen 
behauptet 103) auf einen einzigen Punkt und als auch der 
verschwunden war, erschien statt Mister Costa die Anzeige 
hard-ware error. System gestoppt, welche auch nicht mehr auf 
irgendwelche
 Mausbefehle reagierte. It doesn't  seem to work. Wir hatten 
gewonnen, der Computer hatte eher aufgegeben als wir! 
Hurrah!
Unsere Nervenklinik hier ist wirklich sehr ruhig und 
empfehlenswert. Nur manchmal geht allen doch etwas dieser 
leise Klickton ab, mit dem der schlapphuetige Abenteuerer-
Jones immer vergeblich Peitsche, Gummi und Kerosin 
hervorholte. Die Moral? Kinder, bleibt fuer Hausarbeiten bei 
euren alten Schreibmaschinen und schaut euch Indiana8 im 
Kino an, wo
 der einzige Hardwarefehler aus Harrison Ford besteht. And it 
works! Sauunglaublich!
	step
"Wie sonst nur beim Papst"
Die Sprachwissenschaftlerin Ingrid Kuehn ueber Stasi-
Decknamen
"IM Argus, IM Goethe, IM Sekretaer - Decknamen der 
Staatssicherheitoe sind das Thema, ueber das die in Halle 
lehrende Sprachwissenschaftlerin Prof. Dr. Ingrid Kuehn am 
kommenden Mittwoch, dem 16. Juni, in Heidelberg sprechen 
wird. Die Veranstaltung im Rahmen der Vorlesungsreihe 
"Nichts als Namenoe findet um 19.00 Uhr im Germanistischen 
Seminar, 
Palais Boisseree, Hauptstr. 207/209, Raum 038 statt. Frau 
Prof. Kuehn ist Professorin fuer deutsche Sprache der 
Gegenwart am Germanistischen Institut der Martin-Luther-
Universitaet Halle-Wittenberg (Sachsen-Anhalt); ruprecht 
sprach am Telephon mit ihr.
ruprecht: Wie sind Sie denn ausgerechnet auf  das Thema - die 
Decknamen fuer Inoffizielle Mitarbeiter (IMs) der 
Staatssicherheit - gekommen?
Kuehn: Ich habe viel zu sprachlichen Strukturen in 
literarischen Texten geforscht und darueber auch meine 
Habilitationsarbeit geschrieben. Nach der Wende bestand 
erstmalig die Moeglich-keit, ueber die festgelegten Lehr- und 
Forschungsgegenstaende hinauszugehen, und da habe ich 
angefangen, mich mit Studenten in einem Oberseminar mit 
Strassennamen n
ach der Wende zu be-schaeftigen. Das war ja ganz akut, 
mussten doch viele Strassen neu benannt werden; es gab eine 
Strasse der Solidaritaet, Strasse des 30. Jahrestages der DDR, 
Strasse der Waffenbrueder-schaft, und die Bevoelkerung 
wollte nicht mehr mit diesen Strassen-namen leben. Da haben 
wir dem Ma-gistrat der Stadt Halle, bei dem es eine Arbe
itsgruppe zu den Umbenen-nungen gab, sprach-
wissenschaftlich ein bisschen Hilfestel-lung geleistet. Die 
Studenten konnten - das ist wohl ziemlich einmalig - 
Vorschlae-ge fuer ganze Wohn-gebiete erarbeiten; diese 
Vorschlaege haben wir dann dort vorgestellt, und in-zwischen 
sind drei Wohngebiete nach den Vorstellungen der Studenten 
umbenannt worden.
 Wir haben zum Beispiel Sagen, die im Gebiet um Halle 
existierten, oder alte Bezeichnungen fuer Zahlungsmittel 
aufgegriffen, und so ist aus der Strasse der 
Waffenbruederschaft die Amtmannstrasse geworden, nach 
dem Amtmann, der in der Sage einen dort vergrabenen 
Silberschatz ausgrub. AEhnlich lassen sich ganze 
Motivgruppen entwickeln. 
Dadurch bin ich auch an die Namenforschung gekommen; in 
der DDR war das kein Gegenstand, den man in der Lehre 
anbieten konnte, obwohl er von grossem Interesse ist, auch 
fuer Studenten der Sprachwissenschaft. Zur Funktion von 
Namen im literarischen Text hatte ich schon frueher 
gearbeitet, dann habe ich mich mit der Funktion von Namen 
generell besch
aeftigt. Als die Liste der 4.500 Stasi-Decknamen - zunaechst 
vom Neuen Forum, dann von der BILD-Zeitung - 
veroeffentlicht wurde,  ergab es sich aus meiner 
Beschaeftigung mit dem Thema "Namenoe, dass ich mich mit 
den Decknamen weiterbeschaeftigt habe, denn es war auf den 
ersten Blick erkennbar, dass sich da eine ganze Reihe von 
Motivgruppen zusamm
enstellen lassen wuerden.
ruprecht: Was war fuer Sie an dieser Liste, die ja wohl den 
Klarnamen, Decknamen, den Beruf und die Funktion der IMs 
umfasste, besonders interessant?
Kuehn: Interessant war fuer mich weniger der Klarname; ich 
wollte die Beziehungen zwischen den Decknamen der IMs 
und etwa der Berufsgruppe, aus der sie kommen, untersuchen. 
Die IMs konnten sich ja - was man sonst nie kann - selber 
einen Namen und damit eigentlich eine neue Identitaet geben. 
Also implizierte der Namenswechsel auch einen Identitaets
wechsel; das kennen Sie sonst nur beim Papst oder bei Frauen 
bei der Heirat, wo das ja auch - etwa in der Form der 
Doppelnamen - diskutiert wird. Dieser Identitaetswechsel war 
zwar nur in der Konspiration moeglich, aber trotzdem ist es 
doch schon verwunderlich, wenn sich ein Orient- und 
Altertums-wissenschaftler - ich kenne die Leute, die zur Univ
ersitaet gehoeren, dann natuerlich auch persoenlich - 
"Ramsesoe und ein Mediziner sich "Robert Kochoe nennt.
ruprecht: Worum wird es bei Ihrem Vortrag in Heidelberg 
gehen?
Kuehn: Bisher konnte man ueber Decknamen aus 
sprachwissenschaftlicher Sicht, aus der Perspektive der 
Namen-forschung, nichts sagen. Jetzt aber liegt hier so ein 
grosses Korpus vor, auf dessen Grundlage man mal 
zusammenstellen kann, welche Motivgruppen von den-
jenigen, die sich einen Decknamen gegeben haben bzw. den 
Decknamen mit dem verantwortlich
en Offizier im Gespraech ausgehandelt haben, bevorzugt 
wurden. Verschiedene dieser Gruppen moechte ich auch in 
Heidelberg vorstellen. Zum Beispiel spielte bei vielen Deck-
namen, etwa bei den vorhin genannten "Ramsesoe oder 
"Faustoe, die Vorbild-wirkung - im Sinne einer Nach-
Benennung - eine Rolle. Ausserdem tauchen Decknamen wie 
"Haseoe, "Falk
eoe, "Bieneoe oder "Luchsoe sehr haeufig auf, bei denen man 
die Tier-metaphorik erkennt. Auch die Beziehung zum Beruf 
wird in den Decknamen vielfach noch erhalten, etwa wenn 
eine Friseuse unter dem Decknamen "Fi-garooe lief. Man 
hatte zwar konspirative Bedingungen, doch wollte die Staats-
sicherheit gleichzeitig mit Hilfe des Namens jemanden sch
nell zuordnen koennen. So waren Intellektuelle oder 
Universitaetsangehoerige, die promoviert waren, ganz haeufig 
mit dem Titel benannt, also "Dr. Muelleroe, "Dr. Schneideroe 
usw. Auch die Korres-pondenz des Decknamens zur 
Taetigkeit, die man fuer die Staatssicherheit leistete, findet 
sich; da gab man sich etwa den Namen "IM Angriffoe, "IM 
Seku
ndantoe, "IM Quelleoe, "IM Jaegeroe oder "IM Meldungoe. 
Da zeigen sich zwei Aspekte der Namen: dass Namen 
identifizieren, ist ja ganz normal, das tut jeder Name, deshalb 
hat man ja auch Namen. Hinzu kommt aber noch ein zweiter 
Aspekt: dass Namen darueber hinaus auch ihren Traeger auch 
charakterisieren, findet man bei Eigen-namen eigentlich nicht - 
ein Herr Gross kann sehr klein sein und sich deshalb se
in Leben lang aergern -, aber bei vielen der Stasi-Decknamen 
haben Sie diese Verbindung von Identifikation und 
Charakterisierung.
ruprecht: Wenn es darum geht, darueber zu spekulieren, 
welche Men-talitaeten sich hinter diesen Deck-bezeichnungen 
verbergen, halten Sie sich ziemlich zurueck, oder?
Kuehn: Ich gehe zunaechst mal davon aus, was solche Namen, 
wenn man sie in solchen Gruppen zusammenstellt, allgemein, 
fuer jeden mit seinem All-gemeinwissen aussagen, wenn man 
sich etwa diese ganze Tiermetaphorik oder den Gebrauch von 
Saengernamen - "Roland Kaiseroe, "Peter Maffayoe - als 
Decknamen betrachtet. Dazu kann man schon etwas sagen. 
Au
ch aus den Taetigkeitsbezeichnungen wie "Quelleoe usw. 
lassen sich Rueckschluesse ziehen, aber was die Personen 
selbst betrifft - abgesehen davon, dass ich einen Teil der Leute 
kenne -, will ich den Schnitt dort ziehen, wo es um 
Spekulation geht, was sich nicht mit fachlicher Kompetenz 
zusammenstellen laesst.
ruprecht: Sehen Sie Ihre For-schungen auch im Rahmen der 
Stasi-Diskussion, oder geht es fuer Sie zunaechst um die 
akademische Beschaeftigung mit dem Gegenstand?
Kuehn: Zunaechst war es interessant und eine einmalige 
Gelegenheit, dieses Teilgebiet der Namenforschung - ueber 
Vornamen, ueber Landschaftsnamen, auch ueber Spitznamen 
usw. ist ja viel geforscht worden, aber ueber Decknamen 
natuerlich nicht - mal zu bearbeiten. 
ruprecht: Das Interesse der Me-dien an Ihren Ergeb-nissen 
war ja auch recht gross ...
Kuehn: Ja, ich glaube, ich habe ueber 40 Rundfunk-interviews 
gegeben und musste das auch ein bisschen ab-bremsen. Das 
Stasi-Problem war fuer die Medien interessant, und wenn man 
dann noch etwas zu den Decknamen hoerte, war einfach das 
Interesse da - na-tuerlich oft in der Verbindung, die ich nicht 
so gerne hoere, also etwa "Wie kam Stolpe zu dem 
Namen ´IM Sek-retaer´?oe Das kann ich natuerlich nicht 
sagen; ich kann aus dem Material Rueck-schluesse ziehen, 
welche Namen mit welchen UEber-legungen vergeben 
wurden, etwa mit der Absicht, diese Referenzbeziehung auch 
in der Konspiration herzustellen. Dass man das deutlich 
machen kann, ist, denke ich, schon ein wichtiges Ergebnis. 
Aber bei ein
er Reihe von Namen fuer Leute wurde der Deckname nicht im 
Gespraech ausgehandelt haben, sondern vergeben - und damit 
beschaeftige ich mich gerade: All diejenigen, die von der 
Staatssicherheit ueberwacht wurden, bekamen als "Operativer 
Vorgangoe einen Decknamen zugeteilt. Die Gauck-Behoerde 
ist bereit, mir dieses Material zur Verfuegung zu stellen
, um mal gegenueberzustellen, welche Namen die 
Staatssicherheit vergeben hat. Man kann davon ausgehen, 
dass sie in den Namen schon deutlich machen wollten, welche 
Zielrichtung diese "Vorgaengeoe hatten.
ruprecht: Noch einmal zurueck zum regulaeren IM: Fuer ihn 
bot der Deckname vielleicht auch eine Moeglichkeit, seine 
Taetigkeit fuer die Stasi ein bisschen weiter von sich 
wegzuschieben, denn es war ja sozusagen jemand anders, 
zumindest jemand mit einem anderen Namen ...
Kuehn: Eben. Er hat eine andere Identitaet, er muss das nicht 
unter seinem Namen machen. Aber dann wird es natuerlich 
doch auch bedenklich, wenn man sieht, welche Identitaet er 
sich eben mit diesen charakterisierenden Namen verschafft, 
wie zum Beispiel wenn sich jemand "IM Schlussstossoe nennt.  
(bpe)
Besitzt Mitsuko einen Bel Esprit? An was fuer einem Projekt 
Pandora arbeitet TheaMed? Ist das Ganze nur eine  Mimikry 
aus Paletten von Spiegeln ohne Konturen? Was wurde 
letztlich am Theaterufer angeschwemmt? Vermutlich reisst 
hier jemand aus Spass an der Freud´ Opossen!
Nein! ruprecht will das Raetsel loesen: Es gibt in Heidelberg 
eine ganze Menge studentischer Theatergruppen. Die meisten 
sind "fakultaetsinternoe und nennen sich entsprechend: 
Theatergruppe der PH, Theatergruppe des Psycho-logischen, 
Slawistischen, Anglistischen, Germanistischen, etc. Seminars. 
Ausser-dem gibt es Theatergruppen der ESG und der KS
G. Und es gibt noch viele mehr. Um etwas Durchblick im 
studen-tischen Theaterdschungel zu schaffen,um zu erfahren, 
wer sich warum im Roma-nischen Keller oder auf anderen 
kleinen Buehnen herumtreibt, einfach um etwas 
Hintergrundinformation zu liefern, eroeffnet ruprecht mit 
dieser Ausgabe eine Serie, in der jedes Mal mindestens eine 
Theatergruppe v
orgestellt wird (die Reihenfolge ist willkuerlich und 
unabhaengig vom Bekanntheits- oder Beliebtheitsgrad der 
Gruppe).
Theatralischer Wechselbalg
"Mitsuko" heisst auch "Bel Esprit"
Der asiatisch klingende Name dieser studentischen 
Theatergruppe laesst eher auf ein Ensemble des 
Japanologischen Seminars schliessen. Es handelt sich hier aber 
um eine Truppe von theater-begeisterten Studierenden, die 
sich aus ganz unterschiedlichen Fakultaeten 
zusammengefunden haben. Der harte Kern besteht nun schon 
seit 3 Jahren aus 8 Studierend
en und einem "Mitsuko" genannten Zwergkaninchen - daher 
der exotische Name. In ihrer ersten In-szenierung, den beiden 
Einaktern "Der Hund im Hirnoe und "Die Taube in der 
Handoe von Kurt Goetz, spielte naemlich jenes 
Zwergkaninchen eine wichtige Rolle. 
Doch wer hat sie - es ist gar nicht lange her - nicht gesehen, 
die tiefblauen Plakate mit einer leicht bekleideten Frau, die die 
Darbietung des "Blauen Engelsoe nach dem Roman 
"Professor Unratoe von Heinrich Mann - die juengste In-
szenierung des vorzustellenden Theater-trupps - 
ankuendigten? "Bel Esprit" nennen sich die Darsteller des 
"Blauen En
gels", und man kann sie als "Tochter-gesellschaftoe von 
Mitsuko bezeichnen. Es spielten hier zum groessten Teil 
"Mitsuko"-Mitglieder, unterstuetzt von anderen 
theaterinteressierten Stu-dierenden, die hinzugezogen werden 
mussten, da im "Blauen Engeloe bekannt-lich gesungen,  
musiziert,  getanzt  und  gezaubert  wird. Die Diskussion, ob 
"Bel Espr
itoe zukuenftig den Namen "Mitsukooe ersetzen wird, ist 
innerhalb der Gruppe noch nicht abgeschlossen. 
Da es lediglich den bekannten Kinofilm mit Marlene Dietrich 
und keine Buehnenfassung des "Professor Unratoe gibt, hat 
der Regisseur der hiesigen Inszenierung von "Bel Esprit" 
selbst eine Buehnenfassung geschaffen, die sich, im Gegensatz 
zum Kinofilm, mehr am Roman und an der Sprache Heinrich 
Manns orientiert. Der taeglich aus-verkaufte Romanische
 Keller in der Inszenierungswoche vom 25. bis 30. Mai 
bezeugte, dass sich die Arbeit gelohnt hat.
Auch in der Vergangenheit in-szenierten die "Mitsukosoe mit 
Vorliebe Tragikomoedien. Sie bevorzugen diese vor der 
reinen Komoedie wie vor der reinen Tragoedie. Ein weiterer 
Inte-ressenschwerpunkt von "Mitsuko" liegt beim modernen 
amerikanischen Theater der Gegenwart. Zwei Einakter von 
Kurt Goetz, "Pygmalionoe von George Bernard Shaw, "Vieux 
Car
reoe von Tennessee Williams, "Luegengespinstoe von Sam 
Shephard und der bereits erwaehnte "Blaue Engeloe sind die 
bereits in-szenierten Werke. 
Die Stuecke, die in Angriff genommen werden sollen, werden 
stets gemeinsam ausgewaehlt. Auch gibt es keine bestimmte 
Person in der Gruppe, die immer Regie fuehrt. Bis jetzt hat bei 
jedem Stueck ein anderes Mitglied das "Regieruderoe 
uebernommen. Zukuenftige Auffuehrungs-termine stehen 
noch nicht fest. Doch es besteht der gruppeninterne Wunsch, 
si
ch einmal einen Klassiker vorzunehmen. 
(asb)
Am schweren Stiefel klirrt der Sporn
Studentische Korporationen vom Wartburgfest bis heute
Sie wirken wie Zeitreisende aus einem frueheren Jahrhundert, 
wenn sie in vollem Wichs auf den Strassen stolzieren. Aber 
Studenten, die maennerbuendischen Ritualen huldigen, gibt es 
auch heute noch. Einige Politologen und Soziologen erwarten 
sogar, dass die Korporationen in unserer Zeit, die von 
Orientierungslosigkeit und Zerfallserscheinungen geke
nnzeichnet ist, eine Renaissance erleben. Ludwig Elm, 
Dietrich Heither und Gerhard Schaefer beleuchten in ihrem 
Buch "Fuexe, Burschen, Alte Herren" dieses Phaenomen.
Im ersten Teil des Buches beschreiben die Autoren die 
wichtigsten Stationen in der Geschichte der Burschenschaften. 
Die Urburschenschaft, die 1815 gegruendet wurde, 
versammelte Studenten aller politischen Richtungen. Sie 
hatten im Befreiungskrieg gekaempft und setzten sich nun fuer 
ein unabhaengiges und geeintes Deutschland ein . In der 
zweiten H dlfte des 19. Jahrhunderts jedoch draengten die 
feudalistisch-konservativen Kraefte die Demokraten zurueck. 
Der romantische Burschenschaftler in altdeutscher Tracht 
verwandelte sich in den "Korporierten mit Wichs, Saebel, 
Farben und Schmissen". Die Verbindungen kindigten den 
Kampf gegen die "auslaendische Beeinflussung deutscher 
Literatur und Kult
ur, gegen das Slaventum und die juedisch-internationale 
Sozialdemokratie" an. Nach dem ersten Weltkrieg verfestigte 
sich das voelkisch-rassistische Gedankengut, der 
Antisemitismus und der Fuehrerkult unter den 
Verbindungsstudenten. Als Hitler zum Reichskanzler ernannt 
wurde, jubelten die Korporierten und der Vorsitzende des 
Hauptausschusses der Bu
rschenschaften schrieb: "Was wir seit Jahren ersehnt und 
erstrebt und wofuer wir im Geiste der Burschenschafter von 
1817 jahraus jahrein an uns und in uns gearbeitet haben, ist 
Tatsache geworden."
Im Laufe der 30er Jahre loesten sich viele Verbaende selbst 
auf und bildeten faschistische Kameradschaften und schlossen 
sich dem  Nationalistischen Deutschen Studentenbund an. 
1945 verboten die Allierten zunaechst die Verbindungen und 
beschlagnamte ihre Haeuser. In der Atmosphaere von 
Antikommunismus und Antisowjetismus konnten sich die 
Verbindun
gen jedoch neu formieren und fanden relativ grossen Zulauf. 
Man trug wieder Couleur und schlug Mensuren. Als die 
Studenten Ende der 60er Jahre gegen das Establisment und 
fuer mehr Demokratie auf die Strassen gingen, daemmerten 
die Verbindungen in wehleidiger Lethargie ob der 
"Kriegsverluste" vor sich hin. Die Zahl der Mitglieder ging 
rapide zuruec
k und die Burschenschaften schienen in die 
Bedeutungslosigkeit abzugleiten. Da begannen auch sie, ueber 
tradierte Normen und Werte nachzudenken: die Abschaffung 
der Mensuren und die Aufnahme von Frauen war im 
Gespraech. Geaendert hat sich im akademischen Maennerhaus 
jedoch nichts. Man pruegelt sich weiter, und auch in der 
Frauenfrage hat man bis z
um heutigen Tag in der vorbuergerlichen Epoche verharrt.
Im zweiten Teil des Buches geben die Autoren sogenannte 
Ein-Blicke in das Verbandsleben. Seit jeher verstehen sich die 
Korporationen als Karriereschmieden. Waehrend die 
Universitaeten das Wissen vermitteln, liefern sie das 
menschliche Ruestzeug fuer den Akademiker. Im 
Maennerbund ueben sich die Studenten im freien Reden und 
eignen sich gesellschaf
tliche Konventionen an. Beim Karrierestart haben 
Verbindungsstudenten deutliche Vorteile gegenueber ihren 
Mitbewerbern. Viele Personalchefs bevorzugen Korporierte. 
Unzaehlige fruehere Verbindungsstudenten sitzen in  
Aufsichtsraeten, Vorstaenden, Verbaenden und uebernehmen 
leitende Funktionen in Wirtschaft und Politik. Adenauer, 
Krone, Kiesinger. L
uebke, Strauss, Stuecklen, Seebohm gehoerten einer 
Verbindung an.
Ein besonders denkwuerdiger Fall ist der ehemalige BdA-
Praesident Hans Martin Schleyer, der 1977 von RAF-
Mitgliedern ermordet wurde. Als der Hitlerjunge Hans Martin 
Schleyer an der Universitaet Heidelberg sein Studium begann, 
trat er in eine blutige Corpsverbindung ein. Als 
Kameradschafts- und Studentenfuehrer setzte er sich mit 
Nachdruck fuer die
 unbedingte Satisfaktion ein. Schliesslich trat er aus der 
Verbindung aus, weil sie ihm nach eigenen Angaben bei seiner 
Arbeit in Richtung auf die Durchsetzung des 
Nationalsozialismus behinderte. Nach dem Krieg war sein 
Verrat an der eigenen Verbindung schnell vergessen, und man 
besann sich auf die alten Seilschaften. Der Mann mit den 
unuebersehba
ren Schmissnarben plante mit anderen Groessen aus der 
Wirtschaft Feldzuege gegen die sozial-liberale Koalition.
Die Autoren des Buches vermitteln umfassendes und 
profundes Wissen ueber studentische Verbindungen in 
Vergangenheit und Gegenwart. Sie befassen sich mit ihrer 
Herkunft, Ideologie und den Strukturmerkmalen. Aus diesem 
Rahmen heraus versuchen sie auch Verbindungen zu den 
juengsten rechtsradikalen und faschistischen Tendenzen 
nachzuzeichnen und zu de
r Auslaenderfeindlichkeit herzustellen, die nicht nur in den 
Koepfen des Subproletariats herumspukt. Insgesamt ein 
empfehlenswertes Buch.
Ludwig Elm, Dietrich Heiter, Gerhard Schaefer: Fuexe, 
Burschen, Alte Herren. Studentische Korporationen vom 
Wartburgfest bis heute. PapyRosa Verlag, 24,80 DM.       
(Astrid Moeslinger)
Der Dichter und sein Turm
Zum 150. Todestag von Friedrich Hoelderlin
Geburts- und Todestage von Dichtern haben etwas 
Besonderes. Dann wird, was anderntags Sache der 
Gemanisten bleibt, zur Angelegenheit von Stadtvaetern, 
Feuilletonisten und Denkmalpflegern. Der Postbeamte hat 
Sondermarken, der Baecker moeglicherweise ein Praline, und 
die Buchhandlungen haben Sonder und Geschenkausgaben in 
der Vitrine. Solche Feste,
 die weder den Narren noch der Kirche gehoeren, sondern 
literarischer Natur sind,  finden - mal abgesehen von der 
alljaehrlichen Frankfurter Buchmesse - aeusserst selten statt. 
Keineswgs jedes Dichters Sterbetag eignet sich fuers 
nationalliterarische Zeremoniell - aus infrastrukturellen 
Gruenden. 
Hoelderlin ... - nein, sprechen wir erst ueber Goethe. Sein 
Geburtshaus am Frankfurter Hirschgraben, das gleich nach 
Kriegsende wieder aufgebaut wurde (die Wohnhaeuser 
drumherum lagen noch in Truemmern), kann man besichtigen, 
genauso wie manche Teile seines Weimar (beliebtestes 
Stueck: Goethes Sterbebett). Sogar wer Roms praechtige 
Einkaufsstrasse
, die Via del Corso, entlangschlendert, kann zwischen den  
teueren Modesalons eine Messingtafel mit dem Hinweis, dass 
Goethe dort wohnte, finden. Von den Denkmaelern im 
engeren Sinn wollen wir gar nicht reden.  Jedenfalls, es gibt 
tausendfache Moeglichkeiten, Goethe zu feiern, ohne ihn zu 
lesen. 
Hoelderlin ... - Hoelderlin hatte auch sein Monument. Einen 
Turm am Neckar, in Tuebingen. Dort lebte er seit Mai 1807. 
Der Schreinermeister Ernst Zimmer hatte ihn in seine Familie 
aufgenommen, nachdem er aus dem Autenriethischen 
Klinikum (in dessen Mauern heute die Philosophische 
Fakultaet der Uni Tuebingen untergebracht ist) als unheilbar 
geistes
krank entlassen wurde. Er daemmerte in seiner Turmstube 
noch 36  Jahre hin, bis er in der Nacht vom 7. auf den 8.Juni 
1843 starb.
Der Turm am Neckar. Ein Museum; ein Denkmal fuer den 
beruehmtesten Geisteskranken der Nation. Alle anderen 
Spuren Hoelderlins sind unwiederbringlich verwischt. Das 
Geburtshaus in  Laufen wurde 1919 abgerissen und nicht 
wieder aufgebaut.  In Frankfurt, in Bordeaux - nirgendwo eine 
Spur von ihm. Wir finden ihn in der Gegenwart nur als uns 
laengst En
tzogenen. Wen wundert es da, dass Schueler aus Nuertingen 
(Hoelderlin selbst ging dort zur Schule), auf die Fragen eines 
Suedwestfunk-Redakteurs nichts weiter zu antworten 
wussten, als dass Hoelderlin einen "Schatten" hatte. 
Genaugenommen wissen wir noch nicht einmal, wie 
Hoelderlin aussah. Es gibt ein Gemaelde von F.K. Hiemer aus 
dem Jahre 1792. Von diesem blickt  Hoelderlin uns mit  klaren 
Augen voll innerer Ruhe an. Er traegt wallendes weisses Haar 
und hat ein leicht rundliches, volles Gesicht. Ein typisches 
klassisch-antikisierendes Dichterportrait jener Zeit. Ein
 kleiner getuschter Schattenriss (unsere Abb.) zeigt ihn mit 
ausgepraegt spitzer Nase und schlankem Gesicht; er traegt 
sehr kurzes Haar, und - soweit man so etwas zu beurteilen 
vermag -  liegt ein Schimmer von schwaebischen Tugenden, 
von kleinbuergerlichem  Pietismus und merkantilem 
Scharfsinn darin. Eine Kohlezeichnung von J.G. Schreiner 
stammt a
us dem Jahre 1825 oder 26 und wird von der Geisteskrankheit 
verzerrt:  Hoelderlin - mit kurzen, glatt  herabgekaemmten 
Haaren und schmalem Gesicht - hat darauf eine uebergrosse 
und scharfe Hakennase, ein vorgeschobenes Kinn und 
eingezogene Lippen. Wer kann sagen, ob er wirklich so 
aussah, oder ob Schreiner Inneres nach aussen kehrte?  Mit 
Sicherhe
it haben wir wieder den Kranken vor uns. 
Als Hoelderlin ins Autenriethische Klinikum kam, hatte er all 
das, was spaeter vergessen, wiederentdeckt und kontrovers 
editiert wurde, schon geschrieben: die vaterlaendischen 
Gesaenge (wohl zwischen 1801 u. 1805), den Briefroman 
"Hyperion" (Band I 1797, Band II 1799 veroeffentlicht), seine 
Elegien "Brot und Wein" und "Menons Klagen um Diotima" 
(1
801), zahlreiche, urspruenglich von Klopstock beeinflusste 
Oden, darunter:  "Der Neckar" (1800) und  "Heidelberg" 
(1800), nicht zu vergessen die Nachtgesaenge (um 1802), zu 
denen "Haelfte des Lebens" gehoert. Vieles bleib Fragment: 
das Drama "Der Tod des Empedokles" genauso wie "Brot 
und Wein" oder "Wie wenn am Feiertage..." und andere 
zahlreiche 
hymnische Entwuerfe. Das eigentliche Dichterleben war 
beendet, als Hoelderlin im Haus der Familie Zimmer eine 
Bleibe fand . Wenn er gelegentlich noch Gedichte (meist 
Vierzeiler, gelegentlich auch groessere Formen) schrieb, dann 
waren sie haeufig mit dem Pseudonym "Scardanelli" oder 
"Buonarotti" versehen. Auch der nuechterne, beschreibende 
Ton, der
 eine Standortbeschreibung des lyrischen Ichs zumeist 
unmoeglich macht, legt den Schluss nahe, dass sich der 
Dichter selbst zuuecknahm - auch hier entzieht er sich uns.
Welcher Art ist aber das Andenken, das uns der Turm am 
Neckar bewahrt? Was erzaehlt er? Das Goethehaus in 
Frankfurt bewahrt ein vergangenes Leben: eine Kueche, einen 
Holzherd, eine Bibliothek, ein Kasperltheater. Im 
Spaetsommer, wenn die Trauerweiden goldgelb in den Neckar 
haengen,  und Touristenkohorten durch die Bursagasse 
klappern, dann hat die
 romantische Geschichte vom ungluecklich verliebten und 
vereinsamten Genie Hochsaison. Es ist, als werfe der Turm 
einen langen Schatten, der uns das wirkliche Leben, das 
Studium am Stift, den Kontakt zu vielen anderen Dichtern, 
das politische Engagement und die Mitarbeit an verschiedenen 
literarischen Zeitschriften verdunkelt.                    (
Markus Collalti)
Genie in Gelee
Ausnahmezustand. Tausende in der Neuen Uni. Ist Rudi 
Dutschke auferstanden. Oder Franz Joseph Strauss? Eine 
Versammlung gegen das neue Asylrecht? Die in der Aula 
jedenfalls wollen die vor der Tuer vor der Tuer lassen. 
Reservierung geht vor. Wenn sich die Masse aber erst einmal 
in Bewegung gesetzt hat, ist sie durch nichts mehr zu 
bremsen. Das zeig
t die Geschichte mancher Revolution.
Grund fuer die Massenanziehungskraft ist Marcel Reich-
Ranicki. Die Ausnahmeerscheinung. Nicht aus dem 
Plastikkasten, sondern leibhaftig. Das Thema seiner Rede ist 
"Kritik und Genieoe. Man ahnt schon, ueber wen Ranicki 
sprechen will. 
An Friedrich Schlegel interessiert ihn hauptsaechlich der 
Kritiker. Ganz nebenbei gibt er dem Publikum eine 
Nachhilfestunde ueber juedisches Leben in Deutschland und 
eine Lektion ueber Lessings Dramen. Mit Toleranzunterton.  
Aber merke: Wenn ein Kritiker ueber einen anderen Kritiker 
spricht, spricht er ueber sich selbst (Beifall mit Lachen 
gemisch
t).
Kritik ist die Institution, ohne die keine Literatur existieren 
koennte. Sie ist die Mutter der Poesie. Und so war Schlegel 
die groesste Mutter seiner Zeit. Dichter selber koennen keine 
Kritiker sein, weil sie eine eigene Konzeption von Literatur 
haben. Ein Kritiker hat also keine. Der naehert sich dem 
Gegenstand mit Distanz. Frei von Vorurteilen 
bestimmt er den Wert eines Werks, nicht dessen Wirkung. (Ist 
das denn zweierlei?) Dann raeumt der Kritiker die Masse der 
schlechten Literatur aus dem Weg und organisiert das Rechte. 
Soweit Ranicki-Schlegel. Der Kritiker ist einsam, unbeliebt 
und manchem unheimlich. Aber wenn ein Buch schlecht ist 
oder langweilig oder zu kompliziert, dann muss er e
hrlich sagen: "Das ist unertraeglich. Dieser Autor taugt gar 
nichts.oe (Stuermischer Beifall). Das Wichtigste in der 
modernen Literatur ist die Psychologie und die Darstellung 
der Sexualitaet. (In der letzten Reihe faellt einer in 
Ohnmacht.) Schlegel erkannte das. Deshalb war er ein Genie 
(Ende und Zugabe).
Das Publikum will intellektuelle Meinung. Jetzt muss noch 
einer hingerichtet werden. Die Zunge wird zur Guillotine: Der 
ist schlecht und im Grunde der andere auch. Und das ist keine 
Kunst (Tosender  Applaus). So spricht der Donnerstags-
Papst, der boese Bube vom Quartett. Doch Kunst ist meiner 
Meinung nach das, was mir gefaellt, und Reich-Ranicki a
ls Entertainer amuesiert mich .(Sogar der Rektor laechelt.)
Die Trivialitaet der Wahrheit ist die Sprache des Romans: Wer 
keine eigene Meinung bilden kann oder sie sich nicht zu 
aeussern wagt, der borgt sich eine. Die Masse zittert wie 
Gelee. Sie wollte Opfer. Einen Sturz auf ihr Niveau. Wer 
keine eigene Erklaerung basteln kann, der braucht Genies. In 
mittelmaessigen Zeiten, in denen man aus Mangel an Phan
tasie und Ehrlichkeit selbst im Spiegel kein glaubwuerdiges 
Gesicht mehr sieht,  feiert man den Kritiker.                                             
(fb)
Gesamtkunstwerk zum Durchwandern
Wohl kaum eine Stadt Deutschlands ist so oft dargestellt und 
be-schrieben worden wie Heidelberg. Ganz gleich von wo aus 
man auf Heidelberg, auf die Alte Bruecke und das Schloss 
blickt - von Heidelberg geht eine op-tische Faszination aus, 
die Kuenstler und Menschen aus aller Welt stets an die Stadt 
am Neckar gelockt hat. Aber auch die traditionsrei
che Universitaet war An-ziehungspunkt fuer Viele. Schumann, 
Goethe, Eichendorf, Luther, Heine und viele andere gingen 
einst durch die Strassen Heidelbergs. 
Wenn man heute die zahlreichen Touristen sieht, die Tag fuer 
Tag Heidelbergs Strassen bevoelkern, stellt sich die Frage, ob 
wir, die  mehrere Semester in Heidelberg studieren, nicht zu 
achtlos mit dem "Heidelberger-Mythosoe umgehen, den die 
romantischen Kuenstler geschaffen haben? Was wissen wir 
eigentlich von und ueber Heidelberg? 
Wer sich diese Frage beantworten will, sollte sich der 
Fuehrung Michael Buselmeiers, des bekannten Heidelberger 
Dichters und Schriftstellers, anvertrauen. Seine sonntaeglichen 
"Literarischen Stadtfuehrungen" sind Spaziergaenge entlang 
der Haeuser, Wohnungen und gesellschaftlichen Treffpunkte 
der Dichter, Maler und Komponisten, der Professoren und 
Politiker. Dabei erzaehlt er von  politischen, historischen und 
literarischen Hintergruenden und referiert Baugeschichte. 
Kleine Anekdoten von Robert Schumann, der als Jura Student 
in der Seminarstrasse wohnte, oder von Gottfried Nadler, dem 
Pfaelzer Mundardichter, schmuecken  den Vortrag im Gehen 
aus. Man erfaehrt, wie ungeruehrt der amerikanische Poet 
Charles Bukowski auf dem von Friedrich IV. errichteteten 
Schlossaltar stand und auf die Stadt herabblickte (When yo
u´ve seen one castle, you´ve seen them all, soll er gesagt 
haben). Eine der wichtigsten Anlaufstellen ist die 
Ziegelhaeuser Landstrasse Nr. 17, die bekannteste unter den 
Professorenvillen, vor allem Max Webers wegen, der hier als 
Kind einen Teil seiner Ferien verbrachte und als Student oft 
zurueckkehrte. 1896 auf den Lehrstuhl fuer Nationaloekon
omie berufen, erlitt er zwei Jahre spaeter einen neurotischen 
Zusammenbruch, war sieben Jahre unfaehig zu arbeiten und 
begann erst langsam wieder zu schreiben.
 Buselmeier macht auf die Spuren von laengst Vergangenem 
aufmerksam und versucht den Blick fuer die zum Greifen nahe 
Geschichte Heidelbergs zu schaerfen. So koennte es auch 
vielleicht dazu kommen, dass man von Heidelberg mehr 
mitnimmt, als nur ein mehr oder weniger erfolgreiches 
Studium.
Ausgangspunkt der Fuehrungen ist das Kurpfaelzische 
Museum in der Hauptstrasse. Weitere Termine:	4. Juli,
	15. August,	29. August,	12. September, 19. 
September, 3. Oktober, 17. Oktober; Beginn: 11.00 Uhr; 
Eintritt: DM 5. (Zur Tour ist von Buselmeier im Wunderhorn-
Verlag auch ein Buch erschienen: "Literarische Fuehrungen 
durch Heidelberg".) (ks/asb)