ruprecht ist die auflagenstaerkste Student(inn)enzeitung Heidelbergs, 
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RUPRECHT - AUSGABE 25


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koennt Ihr das Auto haben" Steinbuch (asb).
Freie Mitarbeiter: Axel Hesse (ah), Alfred "Alf" Schmit (As), 
Katharina Schattling (ks), Markus Collalti (mc), Henning Banthien 
(H.B.), Astrid Moeslinger, Jochen Kluve (J.K.; ihm an dieser Stelle 
meine tief empfundene Entschuldigung fuer die notwendig gewordene 
rigorose Streichung seines "Frust und Seelenabgruende" - bpe), 
Kirsten Pistel, Prof. Dr. Dr. h.c. Peter Ulmer.
Redaktionsschluss fuer ruprecht Nr. 26: 15. Oktober 1993.


Zahlen fuer die Uni?
Diskussionen und Demonstrationen um Rektor Ulmers Vorschlaege

Ob bewusst geplant oder in solcher Form einkalkuliert: Mit seinen 
Vorschlaegen zur Einfuehrung von Studiengebuehren, die der Rektor der 
Ruperto Carola, Prof. Peter Ulmer, ueber seinen  Rechenschaftsbericht 
fuer das letzte Jahr in die Oeffentlichkeit trug, hat er zum traege 
dahinduempelnden Ende des Sommersemesters eine heftige 
Diskussion an der Universitaet ausgeloest: 1.000 DM pro Semester soll 
jeder Studierende nach diesen Vorstellungen pro Semester fuer seine 
Lektionen bezahlen. 
Die Fachschaftskonferenz reagierte sofort mit Presseerklaerungen und 
Transparenten. Eine demonstrativ organisierte "Armenspeisung", 
veranstaltet von der Fachschaft Geschichte, auf dem Uniplatz weitete 
sich am 24. Juni zu einem Demonstrationszug von knapp 1.000 
Studierenden aus, die vor das Rektorat zogen und ein Gespraech mit 
dem Rektor verlangten. Ulmer erklaerte sich  zumindest dazu bereit, 
seine Vorschlaege in einer rasch einberufenen Vollversammlung am 
Donnerstag letzter Woche zu verteidigen. Am Tage der 
Versammlung brachten sich die beteiligten Gebuehrenzahler-in-spe 
erst durch eine weitere Demonstration in Schwung. Jeweils ein Zug 
aus der Altstadt und aus dem Neuenheimer Feld trafen sich in der 
Hauptstrasse und zogen erneut zum Uniplatz, um sich fuer das Treffen 
mit dem Rektor warmzumachen. Die anschliessende Versammlung 
geriet fast zum Tribunal: Ulmer trug seine Argumente vor, aber 
keiner der anwesenden Studierenden wollte ihn unterstuetzen.
Der Rektor ist nicht der erste, der eine Einfuehrung von 
Studiengebuehren auch in Deutschland vorgeschlagen hat: Schon ihm 
November 1992 schlugen die Kultus- und Finanzminister der Laender 
vor, Studenten, die eine knapp bemessene Regelstudienzeit 
ueberschreiten, zur Kasse zu bitten - oder ganz herauszuwerfen, wenn 
sie schon allzu lange an der Universitaet immatrikuliert  sind. Die 
Studiengebuehren fuer alle propagierte seit Dezember '92 der Bonner 
Wissenschaftrat. Hier brachte man zum ersten Mal die Zahl 1.000 
DM pro Semester ins Spiel. 
In Heidelberg haben allerdings erst die Vorschlaege Ulmers die Aus-
einandersetzung richtig angeheizt: Wenn der eigene Rektor solche 
Vorschlaege macht, ist das nun einmal viel konkreter als beliebige, 
theoretisch wirkenden Vorschlaege an einem gruenen Tisch in der 
Hauptstadt. Natuerlich darf man aber dabei nicht vergessen, dass es 
nicht die einzelne Universitaet sein wird, die ueber die Einfuehrung von 
Hochschulgeld entscheidet. Ulmer selbst weist immer wieder darauf 
hin, wie weit die Verwirklichung seiner Vorstellung noch in der 
Zukunft liegt: Das sei ein zur Zeit fuer viele Leute noch viel zu heisses 
Eisen.
	(hn)

Prof. Ulmer und Kirsten Pistel von der Fachschaftskonferenz haben 
sich bereiterklaert, dieses Eisen in unserer neuen ruprecht-Rubrik 
"point & counterpoint" aus ihrer jeweiligen Sicht anzufassen. 



Na denn Post!

Jetzt haben wir es endlich schwarz auf weiss:  Nicht die Politiker sind 
am Gespenst des Niederganges schuld, das kettenrasselnd in 
Deutschland umgeht, es sind die Staatsbuerger selbst! Wie soll man, 
so fragen sich Regierungspolitiker in ihren seltenen bangen 
Sekunden, ein Volk ins naechste Jahrtausend fuehren, wenn dieses 
dazu einfach zu dumm ist? Gefragt, woran sie denn bei der Farbe 
Gelb daechten, antworteten in der juengsten  Umfrage doch glatt 18 
Prozent von wie immer repraesentativen Bundesbuergern: An 
Telephonzellen (Topantwort  uebrigens: Salmonelleneidotter). Ja 
bekommt denn in diesem medienverseuchten Staat ueberhaupt keiner 
mehr etwas mit? Telephonzellen sind doch, wie jedermann  weiss, 
malvenfarben (frz. mauve). Aus gutem Grund, natuerlich. Sonst 
wuerde, wie uns der Pressedienst der *T*e*l*e*c*o*m*( so schreibt 
man das!) mitteilt, der unterbelichtete Bundesbuerger gleich wieder 
glauben, in den Zellen koenne man Briefe und Paeckchen aufgeben. 
"Wichtig in diesem Zusammenhang," so teilt er uns auf Hochglanz-
papier mit, "ist die Herstellung eines geschlossenen aeusseren 
Erscheinungsbildes, das dem Adressaten (das sind wir!) vor allem 
die Idee einer unabhaengig von den anderen Bereichen der ehemaligen 
Bundespost operierenden Organisation naeherbringt". Damit das auch 
ein fuer alle Mal klar ist, hat die *T*e*l*e*c*o*m* in Heidelberg 
neben dem Muenster-Brunnen auf dem Karlsplatz ein weiteres 
Denkmal postmoderner Kunst installiert: "Hier koennen Sie in Kuerze 
telephonieren" baumelte wochenlang von den neuen malvenfarbenen 
Haeuschen. Zugegeben, man haette vergleichsweise ebensogut am 
Eingang der Fussgaengerzone ein Schild "Hier koennen Sie in Kuerze 
einkaufen" anbringen koennen, aber jeder Anbieter muss sich eben auf 
das geistige Niveau seines Adressaten begeben: Vorher haben wir 
gar nicht richtig, also nur gelb telephoniert! Die konsequente optische 
Umsetzung dieser Erkenntnis wird uns ein paar von jenen Millionen 
Mark aus Sozialnetzkuerzungen kosten, von denen naive 
Arbeitnehmer annehmen, sie wuerden zum Aufbau des maroden 
Ostens verwendet. Ja, ja, der Deutsche kann eben nicht bis drei 
zaehlen!  Und bis fuenf? Die mangelnde Zurechnungsfaehigkeit der 
Bevoelkerung wird dazu fuehren, dass in Kuerze der ebenfalls 
umdesignte Postdienst (das sind die Gelben!) einen unverdienten 
historischen Zusammenbruch erleiden wird. Jeder zweite Deutsche 
kennt naemlich das nervige sonnenbebrillte Fuenffingergeschoepf Rolf 
(Hier kommt Rolf), aber nur jeder sechste seine neue Postleitzahl. 
Oder, wie formulierte es der Vorstandsvorsitzende Dr. Zumwinkel so 
treffend: "Unsere Werbekampagne mit Rolf war ein voller Erfolg, 
aber sie ging doch beim Buerger etwas am Ziel vorbei". Auch dass 
z.B. die numerische Identitaetskrise in unserem Staat dazu 
herbeigefuehrt wurde, um endlich mit der postalischen 
Diskriminierung der Ostgebiete Schluss zu machen, ist ein Irrtum des 
Mannes auf der Strasse. Immerhin haben wir mehr als einem Drittel 
der ehemaligen DDR eine Null als Anfangs-zahl verpasst! Nein, "fuenf 
war die einzig logische Zahl," so der unverstandene Bundes-
postminister (Hier kommt Boetsch...). Meint er damit etwa die 
fuenfstelligen Entlassungszahlen beim Postdienst, die die Umstellung 
mit sich bringt? Nein, wir alle sollten logisch die fuenf (!) neuen  
Laender und damit Deutschland besser kennenlernen (Moese gehoert 
zur Post Mastholte, diese wiederum zu 33397 Rietberg) und endlich 
dieses romantische Brimborium vom neugierigen Blick in den 
Briefkasten und kleinen Plausch mit dem Brieftraeger (Zumwinkel, 
Klaus: Das Postleitzahlenbuch, erstes Kilo, S.5) vergessen. 
Deutschland ist veraendert und der Postdienst ist nicht mehr die Post 
(telekommt Ihnen da etwas bekannt vor?). Also, Leute, denkt endlich 
mal rationell und mit Euren gewaehlten Vertretern mit - zumindest 
solange, bis malvenfarbene und fuenfstellige Post privatisiert werden! 
Fuer den Normalfall die Zahl: 02708 (Heiterer Blick) und fuer die Wut 
Rolf: 
Schlag nach!                                              step



Zurueck zum deutschen Geiste?
ruprecht-Umfrage unter auslaendischen Studierenden

Studierende - das ist doch die besonders liberale, weltoffene und 
vorurteilsfreie Gattung Mensch, oder? In einer Zeit, in der 
ringsherum tuerkische Wohnhaeuser lodern,  Asylantenheime gestuermt 
werden und sich eine schon immer latent vorhandene Fremden-
feindlichkeit wieder den Weg aus den Hinterzimmern der 
Rechtsradikalen an die Stammtische der Nation bahnt, lohnt es sich, 
zu fragen, ob die Universitaet gegen solche Entwicklungen immun ist. 
Natuerlich sind wir alle ganz stolz darauf, dass Heidelberg mit ueber 
zehn Prozent  einen der groessten Anteile an auslaendischen 
Studierenden in Deutschland hat, im regen Austausch mit dreizehn 
Universitaeten aus fast allen Kontinenten der Erde steht und das Bild 
des schwarzen, Spaetzle-essenden Kommilitonen fuer uns das 
Natuerlichste der Welt ist. Doch wie sieht es wirklich mit der 
Gleichheit auf dem Campus aus? ruprecht wollte es von denen 
wissen, die taeglich damit konfrontiert werden und fuehrte eine 
Umfrage unter auslaendischen Studierenden in Heidelberg durch. Dass 
diese fuer das gesamte Bundesgebiet repraesentativ, wissenschaftlich 
untermauert und somit aussagekraeftiger als jede vom 
EMNID-Institut erstellte Befragung ist, muss nicht extra erwaehnt 
werden.
Schon zu Beginn unserer Aktion, als wir uns voller Enthusiasmus 
auf unsere potentiellen Opfer stuerzten, kamen erste Zweifel darueber 
auf, ob unser Bild von der vor  Toleranz und Weltoffenheit nur so 
strotzenden  akademischen Welt nicht vielleicht doch etwas an der 
Realitaet vorbeigeht. Die angesprochene Koreanerin in der Bibliothek 
schreckte aengstlich zurueck und wollte doch lieber keine Auskunft zu 
diesem Thema geben, auch nicht nach der Versicherung, die 
Umfrage sei anonym und die Daten wuerden voellig vertraulich 
behandelt. Der naechste Kandidat, ebenfalls ein Asiat, lehnte mit dem 
Hinweis, "dort hinten ist noch ein Schwarzer" ab, welcher dann auch 
bereit war, die Fragen zu beantworten, aber nicht einmal seine 
Nationalitaet preisgeben wollte; ist er doch vielleicht schon daran 
identifizierbar? 
Allgemein laesst sich jedenfalls sagen,  dass die meisten der 
Nicht-Westeuropaeer schon einmal Feindseligkeiten von Deutschen 
verspuert haben, womit sich gleichzeitig die Binsenweisheit bestaetigt, 
dass die Ablehnung umso staerker ist, je fremder das Aussehen und 
der Kulturkreis des Gegenuebers ist. Auch wenn offene Feindseligkeit 
von seiten der deutschen Kommilitonen eher selten ist, so verspueren 
doch sehr viele subtile Reserviertheit; die Dozenten wurden in dieser 
Hinsicht als weniger ablehnend empfunden, wodurch man sich 
jedoch trotzdem nicht zu einer beschoenigenden Schlussfolgerung 
verleiten lassen sollte, denn der Kontakt zu den Lehrenden 
beschraenkt sich bekanntlich auf wenige Worte ueber den  
Abgabetermin der Seminararbeit, waehrend es die Kommilitonen 
sind, auf die man sich im alltaeglichen Kampf mit den 
Schwierigkeiten des Studentenlebens verlassen koennen muss.   
Zur Situation offizieller Benachteiligungen befragt, hoerten wir 
Klagen darueber, dass auslaendische Studenten z.B. keinen  Anspruch 
auf BAfoeG haben und nicht neben dem Studium jobben duerfen; auch 
wuenschen sich viele mehr Unterstuetzung bei der Zimmersuche und 
aehnlichen Einstiegshuerden. 
Trotz eines Ergebnisses also, das nicht gerade als Lobeshymne auf 
die zukuenftigen Vordenker und -bilder der Nation gelten kann, 
zeigten die Befragten erstaunlich viel Verstaendnis fuer die allgemeine 
Situation der Deutschen und faellten keine Pauschalurteile sondern 
sahen das Problem groesstenteils sehr differenziert.  
Was ein Fernsehjournalist, tuerkische Bewohner in Heidelberg und 
eine ruprecht-Redakteurin zum Thema Auslaenderfeindlichkeit zu 
sagen haben, ist im Forum dieser Ausgabe auf den Seiten 8 und 9 zu 
lesen.                 (hn/gz)



Freie Fahrt fuer freie Radler!

Endlich ist es vollbracht: Seit Freitag, dem 2. Juli ist die Ploeck 
Fahrradstrasse. Nach langem Ringen zwischen der Stadtverwaltung  
und der "IG Fahrradverkehr" (einem Zusammenschluss des 
Verkehrsclubs Deutschland, ADFC und der Fahrradinitiative) darf 
jetzt der Radverkehr zwischen der Universitaetsbibliothek und dem 
Friedrich-Ebert-Platz in beide Richtungen rollen. Anlieger- und 
Anlieferverkehr ist weiterhin zugelassen, fuer LKW  allerdings nur bis 
11 Uhr, und es gilt ein eingeschraenktes Halteverbot. Damit sich die 
Fussgaenger nicht zu sehr gejagt fuehlen - wie viele es befuerchteten - , 
ist die Geschwindigkeit auf 20 Stundenkilometer begrenzt; wieviele 
der Biker sich allerdings daran halten, wird sich erst noch zeigen. 
Doch je schneller sie fahren, desto langsamer werden sie zum Ziel 
kommen: die Einrichtung der Fahrradstrasse besteht naemlich erst 
einmal fuer ein halbes Jahr auf Probe. Regelungen sind also 
unvermeidlich, und deshalb sollte man vielleicht auch wissen, dass - 
schlicht und einpraegsam - Rechts-Vor-Links gilt. 
Soweit also schoen und gut - oder doch nicht? Da wird von allen 
Seiten diese so innovative, fahrradfreundliche und
auch noch umweltschonende Einrichtung gepriesen. Endlich ist der 
Weg frei fuer die Radler Heidelbergs. Doch sehr weit reicht diese 
Freiheit nicht gerade: Von der gutgemeinten Idee angelockt, 
schwingt sich der eilige Zeitgenosse vor der Universitaetsbibliothek 
auf den Drahtesel, um schnell  zum Bismarckplatz zu gelangen - und 
rauscht mitten hinein in sein Unglueck! Denn kurz vor dem Ziel, 
naemlich am Ebert-Platz, schnappt die Falle zu: Ende der Freifahrt. 
Ist damit nicht wieder einmal ein sehr schoener 
Schildbuergerstreich gelungen? Wer es schon einmal bis kurz vor sein 
Ziel geschafft hat, der wird sicher die restlichen Meter nicht einen 
grossen Umweg ueber die Friedrich-Ebert-Anlage fahren; und damit 
ist das Chaos vorprogrammiert. Die Autofahrer werden ueber die 
verkehrswidrigen Rowdy-Manieren der Radfahrer klagen, die ihnen 
zuhauf entgegenstroemen, und so wird das gesamte Projekt - 
zumindest in der jetzigen Form - wohl nicht lange zu leben haben. 
Vielleicht waere etwas mehr Ueberlegung zuvor angebracht gewesen; 
oder ist das Scheitern von Anfang an beabsichtigt?                                  
(gz)




"Wer heute noch an Utopien festhaelt, ist unbelehrbar durch 
Geschichte" - ruprecht sprach mit FAZ-Herausgeber Joachim Fest 
ueber das Publikum, Kohl, Intelektuelle, die Zehn Gebote, Hitler und 
Heidelberger Studenten

ruprecht:  Die "Sueddeutsche Zeitung" veroeffentlichte vor kurzem 
einen Essay ueber die Rolle des Rechtsintellektuellen in der deutschen 
Geschichte; als zeitgenoessische Vertreter nannte sie Johannes Gross, 
Michael Wolffsohn, Golo Mann und Sie selbst. "Ansonsten", so hiess 
es, "findet man Rechtsintellektuelle selten." Steht der Geist in 
Deutschland - einem verbreiteten Urteil entsprechend - wirklich 
links? Und sind Sie selbst so etwas wie eine seltene Spezies?
Fest: Ich bin sehr im Zweifel, ob der Geist links steht. Natuerlich 
behaupten das die Linken. Meine Auffassung ist vielmehr, dass der 
Geist von solchen historischen Nomenklaturen gar nicht erreicht 
werden kann, auch gar nicht erreicht werden sollte. Das ist die 
Neigung, die mit der Politisierung allen Denkens einhergeht, allem 
ein Etikett aufzukleben und damit Argumente von vorneherein zu 
relativieren. Sehen Sie, dieses Hitler-Buch, das ich mal geschrieben 
habe, koennen Sie weder als rechts noch als links bezeichnen. Ich 
kenne Linke - und ich bin mit einigen auch befreundet -, die das 
Buch sehr kritisch daraufhin durchgesehen haben, ob der 
Klassengesichtspunkt und derartige Dinge durchscheinen, und die 
sehr verbluefft waren, am Ende festzustellen, dass das nicht der Fall 
ist. Also, ich glaube nicht, dass sich Intellektuelle so einfach festlegen 
lassen oder festlegen lassen sollten.
ruprecht: Trotzdem scheint der gesellschaftliche Diskurs doch von 
linken, gesellschaftskritischen Positionen beherrscht zu sein...
Fest: Was heisst ´gesellschaftskritisch´? Schon das muesste man fragen. 
Konservative sind ja nicht unkritisch. Die Linke hat zwar aber immer 
darauf bestanden, dass sie das eigentliche kritische Potential 
repraesentiert, aber ich bin da anderer Auffassung, zumal wenn man 
einen strengen Begriff von Kritik zugrundelegt.
ruprecht: Haben Sie eigentlich das Gefuehl, die Opposition der 
deutschen Intellektuellen gegen Helmut Kohl koennte daher ruehren, 
dass er gerade das Gegenstueck zum Intellektuellen ist?
Fest: Ja. Er ist kein Mann fuer Intellektuelle. Ich muss sagen, ich habe 
auch meine Schwierigkeiten mit ihm, dazu bin ich dann vielleicht 
auch zu intellektuell. Da ist eine grosse Fremdheit, die schwerlich 
ueberwunden werden kann. Das kann auch von seiner Seite aus nicht 
geschehen - und er sollte es um Gottes Willen nicht versuchen -, und 
das kann auch von seiten der Intellektuellen aus nicht geschehen. Ich 
finde das auch nicht besorgniserregend. Dem deutschen 
Lieblingsthema - "Geist und Macht" - habe ich nie viel abgewinnen 
koennen. Das ist eine Form des intellektuellen Indianerspiels fuer 
Leute, die Muehe haben, erwachsen zu werden.
ruprecht: Der Verleger Wolf Jobst Siedler hat anlaesslich Ihres 60. 
Geburtstags ueber Sie geschrieben: "Er ist kein Historiker, aber er hat 
das bedeutendste Buch seiner Generation ueber den grossen Ruinierer 
geschrieben, der die jahrhundertealte Ordnung Europas an ihr Ende 
brachte... Man wird ihn nicht eigentlich einen Journalisten nennen, 
wozu ihm die nervoese Teilnahme am Tag fehlt; aber er hat dem 
Kulturteil der Zeitung, der er verbunden ist, viel von sich selber 
mitgegeben." Studiert haben Sie Jura, aber nebenher auch 
Geschichte, Germanistik und Soziologie gehoert. Wo orten Sie sich 
denn selbst zwischen dem Journalisten, dem Historiker, ...?
Fest: Historiker bin ich nach den strengen Zunftbegriffen nicht. Ich 
habe Geschichte nicht regelgerecht studiert. Aber das ist vielleicht 
ein Vorteil. Und fuer den Journalisten gibt es ja kein vorgezeichnetes 
Berufsbild. Herr Siedler behauptet an dieser Stelle - und das hat 
vielleicht eine gewisse Richtigkeit -, dass ich mehr jemand bin, der 
seine Meinung zur Zeit als zum Tage sagt und der insofern einem 
bestimmten, eng gefassten Begriff des Journalisten nicht ganz 
entspricht. Aber es hat immer Journalisten gegeben, die eher die Zeit 
im Blick gehabt haben als den Tag. Im Journalismus ist Platz fuer 
sehr viele Temperamente, Neigungen und Vorstellungen.
ruprecht: Aber auch die Geschichte ist doch fuer Ihre Biographie 
immens wichtig gewesen...
Fest: Ja, sie ist es eigentlich geworden. Ich hatte nie vor, mich mit 
der Geschichte, zumindest der Zeitgeschichte, zu befassen. Ich bin 
sehr frueh hineingezogen worden, als Kind noch, weil mein Vater 
einer der Fuehrer des "Reichsbanners" (einer republikanischen 
Selbstschutzorganisation; d. Red.) war, das sich den Kampf gegen 
die Nazis zur Aufgabe gemacht hatte. Das hat meine ganze Jugend 
gepraegt. Ich hatte dann aber, als der Krieg zu Ende war, von den 
Nazis eigentlich genug, bin jedoch in meiner journalistischen 
Taetigkeit wieder gedraengt worden, mich mit dieser Zeit zu 
beschaeftigen. So hat meine Auseinandersetzung mit der Zeit-
geschichte angefangen und sich immer weiter verstaerkt, und 
schliesslich bin ich dazu gekommen, mehrere Buecher ueber diese Zeit 
zu schreiben. Aber als ich 1973 den "Hitler" abgeschlossen hatte, 
habe ich mir gesagt, ´So, nun ist es mit der Nazi-Zeit genug´. Ich bin 
kein professioneller Zeithistoriker und wollte es auch nie werden. 
Meine fruehen Interessen lagen woanders, auf literarisc
hem und kulturhistorischem Gebiet, und nach dem "Hitler" habe ich 
mich auch anderen Themen zugewandt.
ruprecht: In einem Ihrer Essays haben Sie Theodor Mommsen - 
besonders hinsichtlich seiner "erzaehlerischen" Leistung - als 
beispielhaften Historiker beschrieben und die rhetorische Frage 
gestellt: "Taeuscht die Vermutung, dass mit ihm (Mommsen) die Rolle 
der Aussenseiter in der modernen Geschichtsschreibung beginnt, die 
allein noch ein Publikum kennen und darum auch besitzen?" 
Empfinden Sie sich selbst als solch einen Aussenseiter?
Fest: Ja, durchaus. Wenn Sie andere Historiker betrachten, die ueber 
die Nazi-Zeit sehr erfolgreiche Buecher geschrieben haben, die auch 
in der Oeffentlichkeit grosse Resonanz gefunden haben  - Alan Bullock 
oder Sebastian Haffner -, so koennen Sie das immer wieder feststellen. 
Die meisten Historiker in Deutschland sind sich ihrer Aufgabe 
gegenueber der Oeffentlichkeit ueberhaupt nicht bewusst, und wenn 
immer davon gesprochen wird - und auch die Historiker diesen 
Vorwurf erheben -, die Vergangenheit sei nicht bewaeltigt worden 
und die Deutschen taeten nichts dafuer, so halte ich sehr dafuer, dass das 
ganz entscheidend die Schuld und Verantwortung der Historiker ist, 
die das Publikum ueberhaupt nicht interessiert.
ruprecht: Sie haben einmal - sinngemaess - geschrieben, was den 
wirklichen Historiker ausmache, koenne man im universitaeren Betrieb 
nicht lernen, eher noch verlernen...
Fest: ... das wird den Studenten haeufig ausgetrieben. Ich weiss nicht, 
ob ich das geschrieben habe, aber das wuerde ich so sagen. Ich wuerde 
auch sagen, wenn einer gut schreibt, wird das eher als Talentmangel 
angesehen, als Zeichen dafuer, dass er eigentlich zum Historiker, 
ueberhaupt zum Wissenschaftler nicht berufen ist. Es ist sehr viel 
schwieriger, gut zu schreiben als schlecht zu schreiben; das wissen 
deutsche Professoren nicht, aber es ist wirklich so.
ruprecht: In Ihren Veroeffentlichungen kommt ja - ob Sie sich explizit 
damit beschaeftigen oder nicht - immer wieder ein starkes Unbehagen 
gegenueber Utopien zum Vorschein. Woran liegt das?
Fest: Das ist unmittelbare Lebenserfahrung. Die Angehoerigen meiner 
Generation - aber ich glaube, das geht ueber meine Generation hinaus 
und ist zu allen Zeiten besonders ausgepraegt bei historisch 
denkenden Menschen, wie ich es nun mal bin - sind durchweg 
pessimistisch. Und zu jedem utopischen Glauben gehoert eine sehr 
optimistische Grundhaltung, zu der wir nicht mehr faehig sind. Ich 
begreife auch nicht, wie man nach den Erfahrungen dieses 
Jahrhunderts noch jenes Weltvertrauen haben kann, das den 
Optimisten charakterisiert. Es faellt mir sehr schwer, mich in diese 
Denkweise hineinzufuehlen. Wir brauchen ja nur die beiden grossen 
Utopien dieses Jahrhunderts zu betrachten: den Nationalsozialismus 
als halbwegs rueckwaertsgewandte Utopie, die das ideale Reich in 
einer Vorstellung von Vergangenheit suchte, und den 
Kommunismus, der dieses Reich in die Zukunft projizierte, als das 
Reich, das am Ende der Geschichte steht. Beide Utopien haben 
Leichenberge angehaeuft und Europa in ein Schlachthaus verwandelt. 
Und ich finde, wenn man diese Erfahrung hinter sich hat und 
dennoch am Utopismus festhaelt, ist man unbelehrbar durch 
Geschichte.
ruprecht: Sie haben in einem Artikel zum Ende des utopischen 
Zeitalters geschrieben, mit den Utopien seien auch die damit 
verbundenen Hoffnungen und die Geborgenheit, die mit der 
Ausrichtung auf die Zukunft gekoppelt war, verloren gegangen. Fuer 
eine Uebergangszeit - also heute - muesse dieses Defizit aufgefangen 
werden durch eine stabile Buergergesellschaft und die Staerkung der 
Institutionen der ´offenen Gesellschaft´. Was verstehen Sie unter 
Buergergesellschaft?
Fest: Ich halte im Gegensatz zu sehr vielen in diesem Lande - ich 
wuerde sagen, zu der ganz uebergrossen Mehrheit - die innere 
Verfassung des Landes fuer ausserordentlich instabil. Ich bin aber 
unabhaengig davon der Meinung, dass ein demokratisches 
Staatswesen keine Selbstverstaendlickeit ist. Alle hier glauben, das ist 
so, wir sind frei, und die Freiheit wird einfach als eine Selbst-
verstaendlichkeit aufgefasst. Ich glaube, nichts ist weniger 
selbstverstaendlich als das. Ich sehe es bedroht durch sehr viele 
Prozesse. Das ist einmal der Abbau von allen Werten, der bei uns vor 
sich geht, durch die Beliebigkeit der Auffassungen, dieser ganze 
pluralistische Diskurs in unserer Gesellschaft. Jeder kann alles 
sagen, alles ist erlaubt, und wenn alles erlaubt ist, heisst das immer 
auch, dass nichts wirklich wichtig ist. Es ist aber kein Zufall, das seit 
der Antike in fast allen Theorien zur Demokratie immer die Tugend - 
was man damals als Tugend bezeichnete - eine ganz herausragende 
Rolle spielt. Also ein gewisses Normen- und Werte
bewusstsein, die Anerkennung von Spielregeln ...
ruprecht: Das meinen Sie mit Buergergesellschaft...
Fest: Ja. Das spielt eine ganz entscheidende Rolle, und wenn das 
wegfaellt, steht auch eine Demokratie oder eine offene und freie 
Gesellschaft auf sehr wackligem Grund.
ruprecht: Helmut Kohl hat in seiner Regierungserklaerung zu den 
Anschlaegen von Solingen vom Werteverlust, vom Abbau des 
ethischen Grundkonsens und vom Verlust an Sekundaertugenden wie 
Ruecksichtnahme, Hilfsbereitschaft, Dankbarkeit und Hoeflichkeit 
gesprochen. Hat sich der Kanzler, der seit elf Jahren konservative 
Politik gemacht hat, damit nicht ein Armutszeugnis ausgestellt?
Fest: In gewisser Weise ja. Er hat ja selber eine geistig-moralische 
Wende versprochen oder jedenfalls das Wort sehr im Munde gefuehrt, 
und es ist dann eigentlich in dieser Richtung ueberhaupt nichts 
erfolgt. Ich bin der Ansicht, die Weichenstellungen zu dem, was wir 
heute haben, liegen viel frueher, in den 70er Jahren. Das ist 
weitgehend eine Konsequenz der Schulpolitik, der Bildungspolitik, 
der Politik im ganzen in jenen Jahren. Die Folgen ernten wir jetzt. Es 
ist die Aufgabe der Politik, die Voraussetzungen dafuer zu schaffen, 
dass die Sekundaertugenden wirklich eine Chance haben, sich zu 
entwickeln.
ruprecht: Der Werteverlust ist doch ein Phaenomen, das sich in ganz 
Europa zeigt, auch in Laendern, die nicht unsere Bildungspolitik 
gemacht haben...
Fest: Doch, zum Teil schon. Aber das sind natuerlich auch Folgen der 
Moderne, also Folgen der Modernisierungsprozesse, die in modernen 
Industriegesellschaften stattfinden. Nur gehen sie in verschiedenen 
Laendern mit unterschiedlicher Geschwindigkeit vor sich. In einigen 
Laendern werden sie aufgehalten, auch durch dort bestehende 
Traditionen, Bindungen - das, was Dahrendorf ´Ligaturen´ nennt. In 
anderen Laendern wird der Abbau der Werte, der Normen und des 
Respekts vor den Regeln befoerdert - und bei uns ist das befoerdert 
worden. Wir wollten immer nur weg von der Vergangenheit, und 
alles, was an Traditionen, Herkunft, buergerliche Moral usw. erinnert, 
stand immer im Geruch, halb faschistisch zu sein. Davon wollten wir 
weg und haben deswegen vieles, auch Legitimes, ueber Bord 
geworfen, ohne das eine Gesellschaft nicht existieren kann, sondern 
in die Daseinsbedingungen der Horde zurueckfaellt.
ruprecht: Traditionen haben uns gegen Hitler auch nicht geholfen ...
Fest: Gegen Hitler hat so gut wie nichts geholfen, 
erschreckenderweise. Es ist ja nicht nur - das ist ein verbreitetes 
Fehlurteil - das Buergertum gewesen, das Hitler gegenueber versagt 
hat. Arbeiterschaft, Gewerkschaften, Kommunisten, 
Sozialdemokraten - sie haben alle versagt. Die Sozialdemokraten 
haben - das ist ihr Ruhm - in der Reichstagssitzung vom 23. Maerz 
1933 wenigstens mit einer grossen Geste Widerstandswillen gezeigt. 
Das haben die Anderen nicht getan. Aber versagt vor diesem 
Phaenomen Hitler haben sie alle. Eine einzige grosse Kapitualtion. 
Widerstanden haben nur einzelne Charaktere, das macht deren 
Haltung umso bewunderungswuerdiger. Ideologien, Traditionen, 
Herkuenfte, ja all das, was die Gesellschaft vorher zusammengehalten 
hat,  hat jene Probe nicht bestanden.
ruprecht: Im Nationalsozialismus bedeutete die Sekundaertugend 
Puenktlichkeit doch: die Zuege nach Auschwitz fahren puenktlich ab. 
Sind denn Sekundaertugenden wirklich ein taugliches Rezept gegen 
faschistische Tendenzen?
Fest: Sekundaertugenden koennen natuerlich missbraucht werden; sie 
sind wertfrei. Sie muessen - daher kommt ja auch ihr Name - auf eine 
Primaertugend bezogen sein, die ihnen Orientierung gibt; das kann die 
Religion sein, ein verbindlicher Humanitaetsgedanke oder aehnliches.
ruprecht: Was waere denn fuer Sie diese Primaertugend?
Fest: Ich habe ja schon zwei genannt: Humanitaet und Religion. 
Wenn Sie die Religion nehmen: Die Zehn Gebote waeren der Katalog 
der Primaertugenden, und bei der Humanitaet gibt es unter dem, was 
das humanitaere Vermaechtnis Europas ist, ebenfalls Grundsaetze, auf 
die sich die Sekundaertugenden beziehen liessen.

ruprecht: Nach dieser Absage an den Pluralismus: Wo soll denn in 
der heutigen Zeit ein Prinzip herkommen, das auch nur eine Nation 
auf einen moralischen Nenner bringt?
Fest: Ja, seit die Verbindlichkeit religioeser Ueberzeugungen im steilen 
Absturz begriffen ist, ist das wirklich eine der grossen Fragen. Und 
wenn ich vorhin sagte, Demokratien seien eng an Werte gebunden, 
dann zeigt das zugleich, fuer wie gefaehrdet ich den Zustand 
demokratischer Staatswesen zu jeder Zeit halte.
ruprecht: Sind in einer oekologischen Denkweise nicht Ansaetze zu 
einer neuen Moral vorhanden?
Fest: Das glaube ich nicht. Joschka Fischer hat in einem Buch 
geschrieben, wir braeuchten einen neues Moralgesetz, und dieses 
Moralgesetz koenne nur lauten: das Prinzip der selbsterhaltenden 
Vernunft. Aber das gibt es nicht. Sie koennen ein Moralgesetz in 
einem Jenseits verankern, wo Hoellenstrafe droht oder das Paradies 
lockt. Aber das Prinzip der Erhaltung dieser Welt und ihrer 
Ressourcen zum moralischen Gesetz zu sublimieren und zu hoffen, 
dass die Mehrheit der Menschen gleichsam das Gewicht der ganzen 
Welt zu jeder Zeit auf ihre Schultern nimmt -  das funktioniert nicht. 
Der Egoismus der Menschen, ihre Kurzsichtigkeit, Blindheit, 
Leidenschaft, Gier steht dem entgegen. Es funktioniert nicht ohne 
Jenseits und ohne Religion. Es ist ruehrend, und ich habe sehr grosse 
Sympathie dafuer. Aber das ist auf der Welt, wie sie ist, nicht 
durchfuehrbar. Da bin ich nun nicht pessimistisch, sondern einfach 
nur realistisch - und das ist ja meist identisch.
ruprecht: Eine Frage zu Ihrer Heidelberger Antrittsvorlesung: Dort 
haben Sie sich mit dem Versagen der Intellektuellen gegenueber den 
totalitaeren Systemen dieses Jahrhunderts auseindergesetzt. Es schien 
aber, dass der Ton des Vortrages schaerfer wurde, als Sie auf die 
linken Intellektuellen zu sprechen kamen, die die Staaten des real 
existierenden Sozialismus trotz deren menschenverachtender Realitaet 
verharmlost oder gar gepriesen haben. Da konnte leicht der Eindruck 
entstehen: Hier spricht ein "Sieger", der - von der Geschichte endlich 
bestaetigt - mit den einstigen "Gegnern" abrechnet, nicht zuletzt mit 
Gegnern, die ihn und seinesgleichen frueher als "kalte Krieger" und 
aehnliches diffamiert haben. Ist dieser Eindruck falsch?
Fest: Vielleicht ist Ihr Eindruck richtig, ich weiss es nicht. Aber ich 
fuehle mich nicht als Sieger. In historischen Prozessen gibt es keine 
Sieger, und es ist ja gerade das Auffaellige am Untergang des 
Sozialismus gewesen, dass es an seinem Ende keine Siegesfeste 
gegeben hat. Was die von Ihnen herausgehoerte groessere Schaerfe 
gegenueber linken Intellektuellen und ihrem Verhaeltnis zum 
Kommunismus angeht, so wuerde ich sagen: Was mich bei allem, 
was jetzt ans Licht kommt, am meisten erschreckt, ist die ungeheure 
Zerstoerung an menschlicher Substanz, die der Kommunismus 
angerichtet hat. Das hat der Nationalsozialismus nie geschafft. Man 
kann jetzt sagen: Das dauerte viel kuerzere Zeit. Aber in der 
nationalsozialistischen Welt gab es unter denen, die sich in der 
Opposition befanden, doch immer ein Klima von Verlaesslichkeit, 
Kameraderie und absoluter Vertrauenswuerdigkeit. Wenn Sie sich 
andererseits z.B. die Gespraechsprotokolle von deutschen 
Intellektuellen in Moskau waehrend der Saeuberung 1936/37 ansehen, 
ist es verheerend und erschuetternd, wie da einer den anderen oder die 
andere - Leute, mit denen man jahrelang gekaempft hat, fuer die 
gleiche Sache eingestanden ist - ohne jedes Bedenken ueber die 
Klinge hat springen lassen, wenn es nur dem eigenen Interesse oder 
Ungeschorenbleiben  diente. Das Ausmass an menschlichem Verrat, 
an Niedertracht gegeneinander, war im Kommunismus unver-
gleichlich groesser.
ruprecht: Um noch einmal auf das "Hitler"-Buch zurueckzukommen: 
Dort heisst es u.a., es gehoere gerade zu den Lehren der faschistischen 
Epoche, "dass ein totalitaeres Machtsystem nicht auf den abartigen 
oder gar kriminellen Neigungen eines Volkes" - in diesem Fall: der 
Deutschen - aufgebaut werden koenne. Das klingt ein wenig nach 
Exkulpation fuer die Deutschen - war das  Ihre Absicht?
Fest: Nein. Man schreibt ein solches Buch nicht als Apologie, um die 
Deutschen zu exkulpieren. Das ist immerhin eine Arbeit von fuenf 
Jahren; ich jedenfalls waere unfaehig dazu, einen solchen subalternen 
Verteidigungsansatz durchzuhalten. Ich habe nicht als Anwalt der 
Deutschen gegenueber einer Welt geschrieben, die immer nur mit dem 
Finger auf die Deutschen zeigt. Man schreibt das auch, um selber mit 
seinen Gedanken ins reine zu kommen, um sich darueber 
klarzuwerden, was passiert ist. Das ist ja die Frage, auf die wir heute 
noch keine zureichende Antwort haben, und auch mein Buch hat 
diese Frage nicht ganz beantworten koennen. Man wird bei mir 
nirgendwo apologetische Elemente oder exkulpatorische Tendenzen 
entdecken; ich wuesste nicht, wo, und das hat mir auch noch keiner 
vorgeworfen - ausser im Zusammenhang mit dem Historikerstreit, der 
ja ein politischer Streit war, in dem es nicht um die Geschichte ging, 
sondern um Beduerfnisse, eine Front aufzubauen.  Und da habe ich 
lediglich das Recht von Ernst Nolte verteidigt, als
Wissenschaftler einen - auch von mir  fuer nicht gaenzlich zutreffend 
gehaltenen - Gesichtspunkt oeffentlich zu vertreten.
ruprecht: In Ihrem Artikel zum Historikerstreit wiesen Sie darauf hin, 
dass es fuer die durch Hitler und Stalin Ermordeten keinen Unterschied 
mache, "ob sie einem historischen Prinzip von einst intellektuellem 
und humanitaerem Rang (dem Kommunismus) oder 'nur' einem von 
Phantomaengsten durchsetzten Wahn (dem Nationalsozialismus) zum 
Opfer fielen". Es wird nicht selten die These vertreten, die 
Aufrechnung der Verbrechen des Nationalsozialismus gegen jene des 
Sowjetkommunismus habe zu einer "Verharmlosung" des Dritten 
Reiches, gerade in neofaschistischen Zirkeln, beigetragen. Wie 
reagieren Sie darauf?
Fest: Ich bin fest davon ueberzeugt, das hat miteinander nichts zu tun. 
Einmal ist es keine Verharmlosung. Ich sage ja ausdruecklich: Beides 
- die Morde der Nazis und jene der Kommunisten - ist vergleichbar. 
Die These war damals immer, im Nationalsozialismus habe es den 
befohlenen, buerokratisierten und technisierten Mord gegeben, bei den 
Kommunisten nicht. Inzwischen wissen wir, dass es da natuerlich auch 
eine Befehlsstruktur sowie eine Riesen-Administration gab, und 
natuerlich hat es auch eine Technisierung des Mordes gegeben - der 
Genickschuss ist eine Form des technisierten Mordes. Die 
Gaskammer ist noch einen Schritt erschreckender und verstoerender, 
aber ich halte das fuer einen graduellen Unterschied, nicht fuer einen 
qualitativen. Darueber kann man lange streiten. Aber beides ist - 
welche Banalitaet! - vergleichbar - wobei man dann die Unterschiede 
natuerlich auch benennen muss, und dann mag man den national-
sozialistischen Gaskammer-Mord fuer schrecklicher halten. Nur: eine 
Verharmlosung finde ich das nicht, wenn man sagt, in der 
Sowjetunion ist es mindestens ebenso schrecklich gewesen. Ich finde 
das eine so schrecklich und zu schwaerzestem Pessimismus mich 
stimmend wie das andere. Der Kommunismus war, wie ein 
langjaehriger Berater Gorbatschows es ausdrueckte, eine grosse 
Abweichung vom Pfad der menschlichen Zivilisation - das war der 
Nationalsozialismus natuerlich auch. Aber niemand darf und kann das 
eine Verbrechen mit dem anderen entschuldigen
ruprecht: Ueber Ihren Film "Hitler - eine Karriere" schrieb die 
rechtsradikale "Deutsche National-Zeitung" unter der Ueberschrift 
"Gerechtigkeit fuer Hitler/Die Wahrheit setzt sich durch" neben 
anderem, der Film sei "zwar keineswegs der Zeitgeschichtsforschung 
letzter Schluss", trete "aber doch der Wahrheit einige Schritte naeher 
(als) das bisher auf diesem Sektor Dargebotene, besser: Zugemutete". 
Befaellt Sie nicht ein leichtes Unwohlsein angesichts dieses Beifalls 
von weit rechts?
Fest: Doch. Ich habe das nie gelesen, aber wenn ich das jetzt  hoere, 
wird mir nachtraeglich noch unwohl. Die Geschichte ist ein 
gefaehrliches, missdeutbares Gebraeu, und man kann mit ihrer 
Verfaelschung Schreckliches anrichten. Auch das haben 
Nationalsozialisten wie Kommunisten gezeigt, deren Weltbild ja 
gleichermassen auf verdrehter, instrumentalisierter Geschichte 
beruhte.
ruprecht: Eine letzte Frage: Waehrend Ihrer Honorarprofessur in 
Heidelberg im vergangenen Semester hatten Sie sicherlich auch 
Kontakt zu den Studenten. Wie schaetzen Sie die heutige 
Studentenschaft ein? Zeigt sie Engagement fuer unsere Demokratie?
Fest: Das kann ich ueberhaupt nicht sagen. Ich kann nur sagen, dass 
ich doch mindestens gemerkt habe - ich habe ja meine 
Veranstaltungen vor allem freitags/samstags angeboten -, dass die 
Studenten sehr feiertags- und freizeitbewusst sind und am 
Freitagnachmittag nur noch ein kleines Haeuflein von ganz 
Unentwegten bereit ist, in einen Hoersaal zu gehen. 
ruprecht: Deutsche Wiedervereinigung - ein interessantes Thema...
Fest: Ja, aber das hat offenbar  keine grosse Anziehungskraft fuer die 
Studenten - und das wundert mich ein wenig. Zu meiner Zeit... - 
schoen, man soll nicht vergleichen mit den eigenen Studienjahren, 
aber wir haben den ganzen Sonnabendvormittag, an dem noch 
normaler Vorlesungsbetrieb war, in der Universitaet verbracht, und 
der "dies academicus" - die Vorlesungen fuer die ganze Universitaet - 
fand am Sonntagabend statt, und da ging man natuerlich in die 
Universitaet. Ich habe meine Kollegen gefragt, ob das heute eine 
Chance auf Erfolg haette, und die gaben zur Antwort, es waere 
vermutlich gaehnend leer - und das finde ich doch erschreckend. Wie 
mir ueberhaupt am meisten auffaellt, wenn ich durch Heidelberg gehe, 
dass alle Cafes, Kneipen, Restaurants bis in die Nacht hinein 
vollbesetzt sind mit Studenten; da sieht man sie alle. Ich will 
niemandem den Spass an der Studienzeit nehmen, die gewiss nicht nur 
aus Hoersaal und Seminar bestehen soll. Mein Urteil ist vielleicht 
ungerecht; es ist nur das Urteil, das sich in der Vergangenhe
it bei mir gebildet hat. Ich glaube nicht, dass ich geworden waere, was 
ich geworden bin, wenn ich mein Studium so aufgefasst haette, und 
wenn wir uns gesagt haetten - ich war eine Zeitlang in Freiburg, dann 
in Frankfurt -, ´Samstag fahren wir lieber in den Schwarzwald´. Aber 
keiner von uns ist auf diesen Gedanken gekommen, wir sassen 
wirklich von morgens bis abends in der Universitaet.                    
(fb/bpe)



Die auf den billigen Plaetzen muessen schweigen
Wer rettet Baden-Wuerttembergs Paedagogsiche Hochschulen?

600 angehende Lehrerinnen und Lehrer marschierten am Montag 
vorletzter Woche durch  Stuttgart und forderten mehr eine Aenderung 
des Studienordnungen fuer die Paedagogischen Hochschulen und eine 
Verbesserung ihrer Studienbedingungen. Wissenschaftsminister 
Klaus von Trotha empfing zwar nicht alle, sprach aber zumindest 
eine Delegation der Asten der sechs Paedagogischen Hochschulen 
hierzulande.

"Doppelt soviele Leute studieren an kaum mehr als halb so vielen 
PHen wie Mitte der achtziger Jahre - und diese Hochschulen haben 
noch die gleiche Infrastruktur wie damals" beschrieb die Rednerin 
der Landesastenkonferenz die Situation an den Lehrerschmieden im 
Land. Eine verfehlte Bildungspolitik, die nicht auf den steigenden 
Bedarf an Lehrern und Lehrerinnen und eine somit steigende 
Studierendenzahl reagiert hat, sei schuld an der jetzigen Misere. "Die 
Landesregierung misst der Ausbildung derjenigen, die kuenftige 
Generationen erziehen sollen, unverstaendlich wenig Gewicht bei."
Tatsaechlich wissen PH-Studierende z.T. noch haarstraeubendere 
Details aus dem Lehrbetrieb zu erzaehlen, als man sie von der 
Heidelberger Universitaet bisher gehoert hat:
- in Ludwigsburg gibt es Seminare, in denen nur mitdiskutieren darf, 
wer einen Platz auf dem Parkett aus der Lostrommel gezogen hat;  
wer auf den billigen Raengen gelandet ist, muss schweigen und 
mitschreiben.
- in der gleichen PH kann muessen sich nicht nur 3 oder 4, sondern 10 
oder 15 Studierende ein Referat teilen.
- ebenfallls in Ludwigsburg gibt es ein Hauptseminar mit 400 Leuten 
zum Thema "Unterrichtsmethoden"
- dass in Karlsruhe ein Teil der Hoerer einiger Vorlesungen nur ueber 
Bildschirm dabei sein darf, gehoert da schon zu den bekannteren 
Geschichten
An den PHen hat man den Glauben an die Landespolitik verloren: 
"Die derzeitige Landesregierung scheint unfaehig, den 
Handlungsbedarf im bildungs- und hochschulpolitischen Bereich zu 
erkennen Konsequenzen daraus zu ziehen und das richtet sich auch 
gegen den Juniorpartner in der Koalition: "Die SPD hat den 
Studierenden vor der 92er Landtagswahl das Blau vom Himmel 
herunter versprochen. Sie hat sich von der CDU voellig ueber den 
Tisch ziehen lassen." 
Kurzfristig fordern die PH-Studierenden vor allem eine Reduzierung 
des Stoffes von zwei auf drei Faecher und eine Anhebung der 
Regelstudienzeit um 2 Semester, damit der "oberflaechliche 
Rundumschlag" eines zu breit angelegten Studiums durch ein 
wissenschaftliches Studium ersetzt wird ("es genuegt eben nicht, 
wenn der/die LehrerIn den Schuelerinnen und Schuelern 2 Schulbuch-
seiten voraus ist"). Ausserdem geht es ihnen um eine Verbesserung 
der Ausstattung der PHen ("Bibliotheksausstattungen, in denen die 
aktuellsten B³cher im Fach Geschichte aus dem Jahr 1972 stammen, 
sind gang und gaebe an unseren Hochschulen") und einen Ausbau der 
Stellen im akademischen Mittelbau: Mit mehr Lehrer-Lehrern koennte 
in kleineren Seminaren gelehrt werden.
Die Bezahlung der Ausbildungslehrerinnen und -lehrer (also die 
Leute, bei denen Nachwuchspaedagogen oft keinen Praktikumsplatz 
finden) wollen die Studierenden verbessert, deren Stundendeputate 
verringert sehen.
Wie alle Asten im Land fordern auch die PHen die Einfuehrung einer 
handlungsfaehigen Verfassten Studierendenschaft, die nicht nur 
kulturelle, musische oder sportliche Belange der Hochschueler 
wahrnehmen darf (wie es fuer den jetzigen AStA eigentlich 
vorgesehen ist), sondern sich auch ganz offiziell in die 
Hochschulpolitik einmischen darf.
Langfristig streben die PHler eine Gleichstellung mit den 
Universitaeten an: Promotion und Habilitation soll moeglich sein, 
Diplom- und Magisterstudiengaenge sollen eingefuehrt werden, die PH 
sollen auch eine Ausbildung fuer den gymnasialen Lehrberuf anbieten 
und ihre Studierenden auch auf andere Berufsfelder wie z.B. der 
Erwachsenbildung vorbereiten koennen.
Was hat Minister von Trotha zur Linderung der Noete vorzuschlagen? 
Im Gespraech mit der Delegation der Asten verwies er immer wieder 
auf das fehlende Geld. Konkrete Versprechungen waren ihm nicht zu 
entlocken: Man warte noch auf das Ergebnis der Kommission 
"Lehrerbildung 2000" - einer aus Wissenschaftlern bestehenden 
Arbeitsgruppe, die bis Ende dieses Jahres Vorschlaege zur 
Neuordnung der Lehrerlehre machen soll. Nur was die Situation der 
Ausbildungslehrerinnen und -lehrer angeht, versprach er zumnidest, 
ueber einen Deputatsnachlass fuer diese nachzudenken.  

(hn)



Fremde Paragraphen - Islamisches Recht verstehen

ElPar.a - the law students´ association -  holte vom 16. - 20. Juni im 
Rahmen eines internationalen Seminars ueber islamisches Recht ein 
Stueck fremdartiger Rechtskultur nach Heidelberg. Die Gruppe 
engagierter Jurastudenten warb mit ihrem Programm um mehr 
Verstaendnis fuer ein Rechtssystem, dem ein tief es Misstrauen 
entgegengebracht wird. Vortraege und Diskussionen ueber 
verschiedenste Thematiken und mit bekannten Referenten sollten 
helfen, ein differenzierteres Islambild zu entwickeln.
In seinem Eroeffnungsvortrag wies Mohammed S. Abdullah, der 
Leiter des islamischen Zentralarchivs in Soest, auf die sich in der 
juengsten Zeit verstaerkten Abwehrhaltungen gegen Anhaenger des 
islamischen Glaubens hin. Die Mobilitaet der modernen Gesellschaft 
fuehre zu einem Aufeinanderprallen des christlichen und mus-
limischen Weltbildes, das in der westlichen Oeffentlichkeit vor allem 
von den gewalttaetigen Ausbruechen des Islamismus gepraegt sei. 
Abdullah hob hervor, dass dieser militante Islamismus keineswegs 
kennzeichnend fuer die Mehrzahl der heute lebenden Muslime sei. Fuer 
ein besseres Verstaendnis - auch des Rechtssystems - sei vor allem der 
Koran heranzuziehen, da die Scharia (das dort fixierte Gesetz) das 
gesamte islamische Leben regelt. 
Besonders krass wurden die Unterschiede zum deutschen Recht in 
den Vortraegen von Dr. Menhofer und Dr. Tellenbach zum 
Familienrecht und Strafrecht deutlich. Als schwer nachzuempfinden 
stellt sich dabei die immer noch waehrende Diskriminierung der Frau 
dar, die sich in einer Benachteiligung in der Ehe, im Erbrecht, aber 
auch im alltaeglichen Leben manifestiert. Sicherlich ist die Polygamie 
in der heutigen Zeit nicht mehr die Regel und in einigen Laendern 
sogar verboten, ihre Praesenz im Gesetz verhindern aber eine 
wirkliche Gleichbehandlung der Frau. Zwar zeigen sich auch auf 
diesem Gebiet Reformbewegungen; trotzdem werden immer noch 
Frauen von ihren Maennern und damit von der Gesellschaft verstossen.
Ebenso erregt die Restauration archaischer Strafformen die Aufmerk-
samkeit der Oeffentlichkeit - ein Problem, das Tellenbach zufolge 
faktisch jedoch gelegentlich ueberschaetzt wird. Es bestehe die 
Neigung, die Scharia oft primaer mit dem mittelalterlichen Strafrecht 
zu identifizieren und damit an grausame Koerperstrafen wie das 
Handabschneiden fuer Diebstahl , die Steinigung fuer Ehebruch und 
die Auspeitschung fuer Alkoholgenuss zu erinnern. Diese werden aber 
selten angewendet. Die Todesstrafe fuer Apostasie gilt als weitgehend 
abgeschafft, wird aber trotzdem noch zur Warnung Abtruenniger 
eingesetzt. 
Praktisch wurde die Religionsausuebung der Moslems den Seminar-
teilnehmern bei dem Besuch eines Freitagsgebets in einer Moschee 
in Heidelberg naeher gebracht. Mit Tuechern bedeckt und barfuss betrat 
man schweigend den Altarraum, um die eigene religioese Welt, die 
sich die Muslime in dem alten Lagerhaus erhalten haben, miterleben 
zu koennen.
Den Abschluss des islamischen Seminars bildete die Diskussion ueber 
"Human Rights in the Islamic Republik" zwischen dem "Amnesty 
International"-Vertreter Dr. Bielefeldt und einem Repraesentanten der 
islamischen Fundamentalisten aus dem Iran. Leider blieb das 
erwartete heftige Streitgespraech ueber die doch sehr unterschiedlichen 
Vorstellungen von Menschenrechten aus, was vielleicht auch an den 
Sprachschwierigkeiten lag. Nach Auffassung des islamischen 
Referenten erkennt jedenfalls die iranische Verfassung die 
Menschenrechte der UNO- Menschenrechtserklaerung von 1948 an, 
allerdings mit Ausnahme der Glaubensfreiheit. 
Als Ergebnis des aufschlussreichen Seminars kann festgehalten 
werden, dass Reformbestrebungen zu erkennen sind, die 
Widersprueche, die sich aus dem Problem der Vermittlung zwischen 
Tradition und Moderne ergeben, aber nicht offen ausgesprochen 
werden. Reformierte muslimische Denker bemuehen sich um eine 
neue Betrachtung der Quellen des Korans, um eine Veraenderung der 
Scharia bewirken zu koennen. Die Entwicklung im islamischen Raum 
bleibt schwer einzuschaetzen.                                    (ar)




Hoher Sieg - wenige Stimmen
Die FSK greift sich fast alle studentischen Senatssitze

Die Fachschaftskonferenz (FSK) hat die studentischen Wahlen '93 
noch klarer gewonnen als in den letzten Jahren.  61 % der 
Waehlerinnen und Waehler kreuzten bei der Abstimmung um die 
studentischen Sitze im (kleinen) Senat die Fachschafts-Liste an, 
waehrend sich die Jusos mit 17,5 %, der Ring Christlich 
Demokratischer Studenten (RCDS) mit 13 % und die Liberale 
Hochschulgruppe (LHG) mit 8,5 % der Stimmen begnuegen mussten. 
Die Wahlbeteiligung war allerdings mit 9,2 % (gegenueber 12% 
1992) noch kleiner als die ohnehin schon traurige Quote aus den 
letzten Jahren.

Mit diesem Ergebnis konnte die FSK alle drei  Sitze im Senat 
gewinnen, die Jusos konnten ihren Platz in diesem wichtigsten 
universitaeren Gremium nicht halten. Im Grossen Senat, wo sieben 
Studierenden Sitz und Stimme gegoennt wird, bleibt alles beim alten: 
Die FSK konnte mit 62,5 % der Stimmen (1992: 53,9%) wieder 5 
Sitze erringen, die Jusos verteidigten mit 17,5 % (18,9 %) ihren Sitz 
ebenso wie der RCDS mit 13 % (15,1 %). Die Liberale Hochschul-
gruppe war in diesem Jahr im Grossen Senat gar nicht angetreten.
Bei den Wahlen fuer die studentischen Vertreter in den Fakultaetsraeten 
gab es nur in 4 Faellen konkurriende Listen, die gegeneinander 
antraten. Dabei konnte nur der RCDS bei den Juristen seinen Sitz im 
Fakultaetsrat halten.
Was die enttaeuschende Wahlbeteiligung angeht: Man kann sich jetzt 
darueber streiten, ob das daran liegt, dass es dieses Mal nur einen und 
nicht wie im letzten Jahr zwei Wahltage gab oder ob das Interesse an 
der Mitwirkung im Hochschulbereich noch mehr nachgelassen hat. 
Es duerfte auf jeden Fall auch der FSK den Sieg etwas versauern, 
auch wenn man die Bedeutung der Gremienwahlen dort ohnehin 
nicht besonders hoch einschaetzt.
Die Lust, zu waehlen, variiert uebrigens stark von Fachbereich zu 
Fachbereich (an der Juristischen Fakultaet gaben immerhin 30,6 % 
ihre Stimme ab, von den Pharmazeuten liessen sich 19,2 % an den 
Urnen sehen; die Geowissenschaftler erschienen nur zu 3,5 %, in der 
Klinischen Medizin waehlten lediglich 4,8 %. Auch dabei laesst sich 
natuerlich darueber spekuliern, ob hier die politische Reife oder eher 
die zufaellige Naehe zu den Wahllokalen eine Rolle spielt.
Interessant ist  die Art, wie Kandidaten und vor allem 
Kandidatinnen, die in den Listen auf hinteren Plaetzen standen, vom 
Stimmvolk nach oben gedrueckt wurden: Natuerlich bedachten einige 
Waehler Leute ihres Faches mit besonders vielen Kreuzen. Es scheint 
aber so, dass viele Studierende bewusst Frauen durch Stimmhaeufung 
von schlechteren Listenplaetzen auf die vorderen Raenge gehievt 
haben.
Was fuer Konsequenzen wird das Wahlergebnis haben? Zunaechst 
einmal bleibt alles beim alten: Einen AStA wird es auch in diesem 
Jahr  nur auf dem Papier geben. Da dieser aus den studentischen 
Mitgliedern im Grossen Senat und deren Stellvertretern sowie den 
Studierenden im Kleinen Senat besteht, sitzen 13 Fachschaftern nur 2 
Jusos und 2 RCDS-Vertreter gegenueber. Mit dieser Mehrheit aber 
wird die FSK den AStA wie immer den letzten vier Jahren in den 
einstweiligen Ruhestand schicken und alle Entscheidungen auf die 
woechentlichen Konferenzen der Fachschaften verlagern.
Dadurch aber, dass die Fachschafter jetzt die studentischen Sitze im 
wichtigen Kleinen Senat fuer sich haben, ist die Gefahr, in der 
Bedeutungslosigkeit zu versinken, fuer die anderen Hochschulgruppen 
groesser denn je.  
In der FSK jedenfalls glaubt man nun endgueltig, dass dieses Modell 
der Entscheidungsfindung und diese Vorgehensweise von den 
Waehlern akzeptiert wird: Die Fachschafter haben mit ihrem erklaerten 
Ziel, der Abschaffung des AStA, bei der fuenften Kandidatur zum 
fuenften Mal die absolute Mehrheit davongetragen. Schon kuendigt 
man im Unimut "das Ende der Hochschulgruppen an". An eine ins-
titutionelle Zusammenarbeit mit den Hochschulgruppen denkt man 
jetzt noch weniger als zuvor: "Als Einzelpersonen koennen die 
Mitglieder der Hochschulgruppen gerne - wie alle Studierenden - bei 
uns mitmachen; als Gruppen haben sie wohl ausgedient."
Und womit werden sich die so ins Abseits Gestellten ein weiteres 
Jahr ohne Einfluss auf die Heidelberger Studierendenvertretung 
vertreiben? "Wir werden versuchen, eine echte Opposition zu bilden 
und  werden uns nicht teilweise in der FSK wiederfinden wie einige 
Mitglieder der Juso-Hochschulgruppe. Wir werden deutlich machen, 
dass der Alleinvertretungsanspruch der FSK eine Anmassung ist", 
sagt Gerhard Ries vom RCDS. "In einzelnen Bereichen wird es 
sicherlich - wie auch schon in den letzten Jahren", eine 
Zusammenarbeit mit der FSK geben", sagt Michael Luckhaus von 
den Jusos, "aber eigentlich sind wir in der Vergangenheit mit 
unseren Kooperationsangeboten in der FSK immer abgeprallt. Dazu 
haben wir keine Lust mehr". Auch Jens Darre von der Liberalen 
Hochschulgruppe wird keine allgemeinen Anbiederungsversuche 
machen: "Wir sind es ja schliesslich schon gewohnt, 
Hochschulgruppe ohne Gremiensitz zu sein und von ausserhalb 
agieren zu muessen."

(hn)



ruprecht-Serie "Point/Counterpoint"

Die Welt im allgemeinen und der universitaere Alltag im besonderen 
ist verwirrend geworden. An wen oder was sollen sich gestresste 
Studierende noch halten, wenn sie nach verlaesslichen Antworten auf 
die grossen Fragen unserer Zeit suchen? 
ruprecht laesst seine Leserschaft auch hier nicht allein: In der neuen 
Rubrik "point/counterpoint" veroeffentlichen wir von nun an in jeder 
Ausgabe zu einem Thema zwei gegensaetliche Stellungnahmen 
kompetenter Leute. Dieses Mal fragten wir:

"Sollten Studiengebuehren fuer Hochschueler eingefuehrt werden?" 

"Ja":
Prof. Dr. Peter Ulmer, Rektor der Heidelberger Universitaet:
I. Der Vorschlag, zur Verbesserung der Universitaetsfinanzen 
angesichts unzureichender staatlicher Mittelzuweisungen 
Studiengebuehren von 1000,-- DM pro Semester zu erheben, stammt 
vom Praesidenten des Wissenschaftsrats, Prof. Simon. Seine 
Empfehlung vom November 1992 fand zwar die Unterstuetzung der 
wissenschaftlichen Kommission, nicht aber diejenige der staatlichen 
Repraesentanten im Wissenschaftsrat. Auch bei den 
Wissenschaftspolitikern von Bund und Laendern stiess der Vorschlag 
alsbald auf Ablehnung, weil er zu einem "sozialen N.C." fuehre. 
Zusagen, die dringenden finanziellen Beduerfnisse der Hochschulen 
durch vermehrte staatliche Leistungen zu befriedigen, wurden mit 
dieser Ablehnung freilich nicht verbunden. Mittlerweile haben sich 
die finanziellen Perspektiven der Hochschulen weiter verschlechtert. 
Ruecklaeufige Steuereinnahmen und leere Kassen hatten spuerbare 
Kuerzungen der Haushaltsansaetze schon fuer 1993 zur Folge. Mit 
drastischen weiteren Einschnitten muss vor allem ab 1995 gerechnet 
werden, wenn der Solidarpakt greift und die alten Laender zu 
Milliardenzahlungen an die neuen Laender verpflichtet sind. Da mit 
einem Rueckgang der auf hohem Niveau verharrenden 
Studierendenzahlungen in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist, bietet 
sich fuer verantwortungsbewusstes staatliches Handeln nur die 
Alternative, entweder die ohnehin knappen oeffentlichen Mittel 
zugunsten der Universitaeten umzuschichten oder aber auf Studienge-
buehren als Mittel ergaenzender Finanzierung zurueckzugreifen. Die 
Politik rechtzeitig auf die Notwendigkeit einer Entscheidung 
zwischen diesen Alternativen hinzuweisen und vor einem 
finanziellen Ausbluten der Hochschulen zu warnen, war das Ziel 
meiner Ausfuehrungen hierzu im Rechenschaftsbericht 1992/93. Wie 
erste Reaktionen zeigen, ist das Signal verstanden worden - ob es zu 
politischen Reaktionen fuehrt, ist freilich noch nicht absehbar.

II. Dass Studiengebuehren vor allem in Kreisen der Studierenden als 
potentiell Betroffenen auf Kritik und Ablehnung stossen, ueberrascht 
nicht. Die Gegenargumente sind allerdings nur teilweise stichhaltig; 
sie stehen ueberdies unter dem Vorbehalt besserer Loesungswege. Am 
gewichtigsten erscheint auf den ersten Blick der Einwand des 
"sozialen N.C.". Ihm laesst sich jedoch unschwer durch sozial 
vertraegliche Ausgestaltung der Gebuehrenpflicht Rechnung tragen. 
Von der Zahlungspflicht befreit werden sollten ausser den 
BAfoeG-Empfaengern (in Heidelberg: 18%) auch diejenigen 
Studierenden, die auf Grund ihrer sozialen Lage unter 
Beruecksichtigung auch der Einkommensverhaeltnisse der Eltern zur 
Zahlung nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten in der 
Lage waeren. Erste grobe Schaetzungen gehen in Heidelberg dahin, 
dass in diesem Fall nicht mehr als ca. 50% der Studierenden 
gebuehrenpflichtig wuerden. Fuer die Universitaet (ohne Medizin) wuerde 
das bei 1.000,- DM pro Semester immer noch Einnahmen von rund 
24 Mio. DM pro Jahr bedeuten, d.h. eine Summe, die die insgesamt 
verfuegbaren, unzureichenden Mittel fuer Sachausgaben (Investitionen 
in Geraete und Bibliotheken, Material und Verwaltungsaufwand u.a.) 
und fuer Hilfskraefte um 50% ansteigen liesse.
Unter den sonstigen Einwaenden gegen Studiengebuehren halten 
diejenigen einer damit notwendig verbundenen Verlaengerung des 
Studiums oder der unzumutbaren Vermehrung der Abhaengigkeit 
vom Elternhaus naeherer Pruefung nicht stand. Da Studiengebuehren 
zur Entgeltlichkeit des Lehrangebots fuehren und dadurch geeignet 
sind, Interesse und Qualitaetsbewusstsein von Studierenden und 
Lehrenden an diesem Angebot zu steigern, koennen sie im Gegenteil 
sogar zu verantwortungsbewussterem Umgang mit der Studienzeit 
beitragen. Die Abhaengigkeit vom Elternhaus mag in Einzelfaellen 
steigen, ist jedoch das kleinere Uebel angesichts der Alternative 
zunehmend funktionsunfaehiger Hochschulen. Richtig ist das 
Interesse der Volkswirtschaft an akademischer Ausbildung der 
hierfuer geeigneten Bevoelkerungskreise. Es deckt sich jedoch mit dem 
Eigeninteresse der Studierenden an attraktiven akademischen 
Berufen und gehobenen Einkuenften und gibt daher keinen Anlass, am 
Null-Tarif fuer Bildungsleistungen unter allen Umstaenden 
festzuhalten. Eine relevante Problemgruppe bilden schliesslich zwar 
die Teilzeitstudenten. Die Frage ihrer angemessenen Einstufung stellt 
sich indessen nicht nur aus der Sicht der Studiengebuehren, sondern 
auch im Hinblick auf die Studienzeit; sie muss daher ohnehin einer 
Loesung zugefuehrt werden.

Nach allem halte ich den Rueckgriff auf Studiengebuehren zur 
Ergaenzung unzureichender finanzieller Ressourcen des Staates 
jedenfalls dann fuer akzeptabel, wenn die Regelung durch 
angemessene Befreiungstatbestaende sozial vertraeglich ausgestaltet 
und wenn sie dazu beitraegt, die Studienbedingungen an den 
Hochschulen zu verbessern oder zumindest vor einer weiteren 
Verschlechterung zu bewahren. Wer derartige Finanzierungsal-
ternativen schlechthin ablehnt, muss sich im uebrigen fragen lassen, ob 
es wirklich angemessen ist, die - ueberwiegend nicht akademischen 
Steuerzahler - auch dann in vollem Umfang fuer die Kosten des 
Lehrangebots der Hochschulen aufkommen zu lassen, wenn die 
davon Beguenstigten oder ihre unterhaltspflichtigen Eltern ohne 
Schwierigkeiten in der Lage waeren, einen kleineren Teil dieser 
Kosten selbst zu tragen.


"Nein":
Kirsten Pistel, Fachschaftskonferenz der Heidelberger Universitaet
Die finanzielle Situation ist angespannt: Die Aufwendungen des 
Staates fuer die Hochschulen gehen zurueck. Die Einfuehrung von 
Studiengebuehren soll nicht nur Finanzierungsengpaesse beheben, 
sondern die Studienmotivation erhoehen und Anreize fuer eine bessere 
Lehre schaffen. Ich meine, dass die bestehende staatliche 
Finanzierung der Hochschulen gerechtfertigt ist. Eine dem Anspruch 
nach demokratische Gesellschaft kann die Realisierung individueller 
Bildungs- und Aufstiegschancen nicht vom Geld abhaengig machen.
Eine Finanzierung ueber Steuergelder gar zur unsozialen Subvention 
zu erklaeren, da nicht nur AkademikerInnen Steuern zahlen, 
ueberrascht angesichts der sonst ueblichen Solidareuphorie. Soll als 
naechstes die Sozialhilfe abgeschafft werden? Wie steht es mit der 
Kulturfoerderung?
Studierende leben nicht auf Kosten der Gesellschaft. Ihre 
Lebensarbeitszeit wird durch das Studium verkuerzt, dieser 
"Rueckstand" wird auch nicht automatisch durch das in der Regel 
hoehere Gehalt aufgeholt. Zudem hat Bildung nicht nur individuellen 
Wert, sondern ist auch gesamtgesellschaftlich bedeutsam. Die 
Bundesanstalt fuer Arbeit prognostiziert eine Steigerung des Bedarfs 
an AkademikerInnen von13% auf 18 - 22%.
Der Anteil Studierender aus einkommensschwachen und bildungs-
fernen Schichten ist bereits infolge steigender Kosten ruecklaeufig. 
Rektor Ulmer geht davon aus, dass 50% der Studierenden 2000,- DM 
im Jahr aufbringen koennten. 66% der Studierenden sind jedoch auf 
Erwerbsarbeit fuer ihren Lebensunterhalt angewiesen. Nur noch 16% 
aller Studierenden beziehen BAfoeG, der durchschnittliche 
Foerderbetrag ist gesunken. Die Einfuehrung von Studiengebuehren 
wuerde diesen sozialen NC verschaerfen. Gerade in unserer ver-
wissenschaftlichten Welt bedeutet Wissen Macht, die allen 
zugaenglich sein muss.
Eine Finanzierung der Ausbildung in Abhaengigkeit von den Eltern 
ist prinzipiell problematisch und steht im Widerspruch zu der in der 
Ausbildung angestrebten Unabhaengigkeit. Studienfinanzierung wird 
zum Druckmittel der Eltern gegen die Kinder. Gerade Toechter haben 
oft groessere Schwierigkeiten, ihren Studienwunsch durchzusetzen.
Selbst wenn heute ein sozialer NC vermieden wuerde - frueher oder 
spaeter kommt er durch Anpassung der Studiengebuehren an sinkende 
Studierendenzahlen. Ulmer rechnet - ausgehend von den aktuellen 
Zahlen - mit 30 Millionen DM Studiengebuehren pro Jahr. Sobald fest 
mit diesen Geldern gerechnet wird, ist die Universitaet auf sie 
angewiesen und wird sie eintreiben.
Nach dem Motto: "Was nicht viel kostet, ist nicht viel wert" will 
Ulmer die Studienmotivation steigern. Er sollte diesen 
gesellschaftlichen Werteverfall nicht stuetzen. Studiengebuehren sind 
voellig ungeeignet, kurze Studienzeiten zu erreichen. Laut einer Studie 
von 1992 sitzt jedeR fuenfte Studierende "aus Mangel an Alternativen 
im Hoersaal". Andere zoegern den Abschluss aus Angst oder mangels 
berufsorientierter Studienangebote heraus. Hier sind sinnvolle 
Beratungsangebote vor und waehrend des Studiums und Perspektiven 
gefragt. Wenn andere Gruppen, die nicht zur Hochschule gehen, 
perspektivlos auf der Strasse stehen, ist es noch lange nicht "gerecht", 
die Studierenden, die "nur so" studieren, dazu zu schicken.
Teilzeitstudierende und Langzeitstudierende beanspruchen die 
Hochschulen nur in einem reduzierten Umfang, muessten aber 
insgesamt mehr zahlen. Engpaesse treten vor allem in den ersten 
Semestern auf. Der Vorschlag, eine "Missbrauchsgebuehr fuer 
Dauerstudenten" (Hochschullehrerverband) oder "Bildungs-
gutscheine" (v.Trotha) einzufuehren, wuerde das Problem also nicht 
beheben. Getroffen wuerden dagegen auch alle, die aus sozialen 
Gruenden, aufgrund mangelhaften Lehrangebots, eines breiteren 
Studiums oder durch Fachwechsel oder soziales Engagement laenger 
studieren.
Fuer laenger Studierende wurden die ihnen vorgehaltenen sozialen 
Verguenstigungen bereits eingeschraenkt (v.a. die guenstige 
Krankenversicherung), von den "normalen Sicherungen" (z.B. 
Sozialhilfe) sind sie meist ausgenommen.
Ueber "Belohnung" der Fakultaeten mit Studiengebuehren will Ulmer 
die Motivation der Lehrenden steigern. Aber entstuende nicht ein 
Interesse der Fakultaeten an zahlenden Langzeitstudierenden? Sollte 
die Mehrheit der ProfessorInnen nur noch bei staerkeren finanziellen 
Anreizen besser lehren, waeren einschneidende Sanktionsmassnahmen 
zu erwaegen. Durch eine starke Einflussnahme der Studierenden auf 
die Auswahl des Lehrpersonals wuerde eine Verbesserung erreicht. 
Dazu ist demokratische Mitbestimmung und nicht die Einfuehrung 
marktwirtschaftlicher Prinzipien (erst der zahlende Kunde Student 
kann Forderungen erheben) noetig.

Ein grundlegendes Ueberdenken der Finanzierung staatlicher 
Aufgaben ist angesagt. Eine gesicherte Grundausstattung und nicht 
unsicherere, unsoziale Massnahmen sind gefragt. Eine effektivere 
Mittelverwendung z.B. durch Globalhaushalte waere zu erwaegen. Die 
Bestrebungen, Studiengebuehren einzufuehren, entsprechen der 
Tendenz, in Zeiten knapper Mittel Kosten auf familiaere 
Zusammenhaenge oder Gruppen mit der schwaechsten Lobby abzuwael-
zen. Die Besserverdienenden haben von der Steigerung des Volksein-
kommens der letzten 10 Jahre ueberproportional profitiert, die sozial 
Schwachen werden weiterhin immer staerker zur Kasse gebeten.


Frauenpower und Powerfrauen - ist Feminismus eigentlich out?

War das universitaere Leben der 70er gepraegt von einer 
kaempferischen Emanzipationsbewegung, die massiv auf 
gesellschaftliche Veraenderungen draengte, zeigen sich die 
Hochschulen der 90er in friedlichem Licht. Aus einer solidarischen 
Kampfgemeinschaft wurden blasse Splittergruppen - schrille 
Protestrufe wandelten sich in gedaempfte Forderungen 
institutionalisierter Frauenrechtlerinnen.
"Brauchen wir etwa keine Emanzen mehr?" - so fragte angesichts 
dieser Entwicklung das Autonome Frauen-  und Lesbenreferat 
(AFLR) der Fachschaftskonferenz. Stellung zur Thematik nahmen im 
Rahmen der Sommeruni Dr. Angelika Koester-Lossak (Soziologin, 
Ethnologin); Priv.-Doz. Dr. Gabriele Pfitzer 
(Universitaetsbeauftragte); Kyra Schweickardt (Studentin, Frauen-
kommission Physik); und Sylvia Machein (Studentin, Anglistik).
Einig war man sich sofort, dass zwar viele Fortschritte waehrend der 
letzten 20 Jahre erzielt worden seien, die zahlenmaessige 
Ausgewogenheit der Erstsemester jedoch vollendete 
Gleichberechtigung an der Uni nur vortaeusche. 
"Die Ausgrenzung der Frauen beginnt bereits nach dem 
Hauptstudium" prophezeite Dr. Koester-Lossak. Mangelnde 
Bereitschaft von Professoren, Ergebnisse von Forscherinnen zu rezi-
pieren, und der geringe Stellenwert, der feministischer Forschung 
nach wie vor beigemessen werde, liessen nur zaehe Charaktere den 
steinigen Weg einer Hochschullaufbahn einschlagen, um dann den 
mageren Anteil von 4,7% an Professorinnen der Uni Heidelberg zu 
stellen. 
Dieses Missverhaeltnis spiegele sich natuerlich auch in den 
Studieninhalten. Feministische Themen wuerden nur spaerlich 
eingestreut, eine fast ausschliesslich maennliche Wissenschaft prassele 
auf Studentinnen "scheinobjektiv" hernieder, und die Suche nach 
Vorbildern und Identifikationsmoeglichkeiten muss jedes weibliche 
Wesen fast zwangslaeufig zum Scheitern bringen.Ein duesteres Bild 
orientierungsloser Studentinnen zeichnet sich ab, die jedoch, anstatt 
sich zu engagieren und gemeinsam den weiblichen Anteil am 
Hochschulwesen einzufordern, lieber einzelkaempferisch durch ein 
ihnen wesensfremdes System wandeln.
Ist Feminismus einfach out? Noch schlimmer. Frauen fuehlten sich oft 
gar nicht benachteiligt, stellte Sylvia Machein fest. Frauenspezifische 
Probleme wuerden einfach als solche nicht erkannt. Eine Blindheit, 
die sich Dr. Koester-Lossak  nur mit einer unertraeglichen Anpassung 
an herrschende maennliche Denk- und Verhaltensweisen erklaeren 
kann. Auch Frauen haetten Konkurrenz- und Leistungsdenken bereits 
so verinnerlicht, dass sie Engagement nur noch fuer die eigene 
Karriereplanung aufbraechten und meinten, gelungene Emanzipation 
ueber Einzelerfolge feiern zu koennen. Ein Trugschluss, der sich 
spaetestens dann entlarven wird, wenn "die Luft nach oben immer 
duenner wird", sich ein "maennliches Netzwerk" ueber den karriere-
bewussten Kaempferinnnen immer dichter zusammenzieht und nur 
noch einzelnen, besonders gestaehlten Ladies Durchlass gewaehrt... 
Vielleicht brauchen wir sie ja doch, die Emanzen, um diesen 
Schreckensvisionen  zu entgehen und  maennlicher Uebermacht endlich 
trotzig unsere eigenen Massstaebe entgegenzusetzen. Erwecken wir 
also eine  ermattete Frauenbewegung zu neuem Leben, organisieren 
uns wieder in sterilen Frauengruppen, betreiben separate 
feministische Forschung und traeumen von der Frauenuni 2000. 
Schotten wir uns doch einfach ab von  diesen fehlerhaften 
maennlichen Vorbildern, knuepfen unsere eigenen makellosen Netze 
mit selbstverliebten Schaltstellen aus Kooperation, Ein-
fuehlungsvermoegen und der  notorischen Frauensolidaritaet und 
bereiten uns auf den "Kampf der Geschlechter ums Dasein" vor, den 
Dr. Koester-Lossak bei weiterem Stellenabbau fuer unausweichlich 
haelt. - Bleibt  zu hoffen, dass unser Weltbild  nicht ins Wanken geraet, 
wenn hartgesottene Amazonen sich weigern, ihre Strategien 
aufzugeben und vielbeschworene weibliche Tugenden wieder 
aufleben zu lassen, waehrend sich auch Maenner ploetzlich in der 
Opferrolle sehen und scheinheilig das Lager wechseln...                                             
(sf)



Theater der Befreiung, ganz relaxed - ruprecht bei der Sommeruni

Ich sitzte im Marstallcafe vor einem Pils. Ein Mitredakteur vom 
ruprecht kommt an den Tisch und sagt: "Die Linke ist tot." Dann 
geht er wieder. Es ist das Abschlusssoiree der Sommeruni `93. An 
einem milden Sommerabend wie diesem sitzen normalerweise 200 
Studenten im Marstall. Jetzt sind es knapp 40. 
"Theater ist immer eine Form von Unterdrueckung", kuendigt Stefan 
vom Theater-Workshop der Sommeruni den ersten Prorammpunkt 
an, "denn der Zuschauer kann sich nicht wehren. Kann nicht aktiv in 
das Geschehen eingreifen. Wir werden jetzt zusammen das Theater 
der Befreiung probieren. Probiert mal alle, mit der linken Hand einen 
Kreis zu machen." Vierzig "Linke" machen mit der linken Hand 
einen Kreis. "Versucht jetzt mal, mit der rechten Hand ein Kreuz zu 
machen!" Die Vierzig machen mit der linken Hand einen Kreis, mit 
der rechten Hand ein Kreuz. 

Stefan modelliert 
Freundschaft - viele 
stimmen nicht ueberein

Stefan laechelt zufrieden: "Das ist gar nicht so einfach, nicht? Ich 
kann das auch nicht. Aber ihr seid jetzt aktiv. Ihr habt euch schon 
etwas von der passiven Zuschauerrolle befreit." Ich fuehle mich 
ueberhaupt nicht befreit, sondern im Gegenteil ziemlich willenlos wie 
ich da mit den Armen in der Gegend herumrudere.
Der naechste Befreiungsakt heisst "Menschliches Baumaterial gegen 
die Unterdrueckung". Stefan stellt vier Schauspieler auf die Buehne. 
Ganz starr. "Ich habe jetzt das Thema ´Freundschaft´ modelliert. 
Viele von Euch werden damit jetzt nicht uebereinstimmen. Die 
koennen jetzt vor kommen und das so machen, wie sie sich das 
vorstellen." In der ersten Reihe schreit eine Frau ganz laut "Buuuh". 
Jetzt greift das Theater der Befreiung. Die "Buuuh"-Ruferin muss auf 
die Buehne und neumodellieren. Wir fuehlen uns alle ganz furchtbar 
nicht-mehr-unterdrueckt. Eine von uns hat es getan, ist da 
vorgegangen und hat sich befreit. 
Umso groesser ist die Enttaeuschung als sich herausstellt, dass unsere 
Befreierin irgendwie dazugehoert: Sie steht auf der Buehne und 
peitscht die Massen auf: "Jetzt mach' doch mal jemand anders was! 
Seid doch mal ganz frei, ganz locker, ganz relaxed!" Stefan zerrt 
einen dicken, baertigen Langzeitstudenten auf die Buehne: "Bau' doch 
mal was! Komm, du kannst das! Lass` alles aus dir raus!" Theater der 
Befreiung. Der Baertige setzt sechs Personen an eine Marstalltisch. 
Die rauchen und trinken Bier. Der Kuenstler ist Schwabe und 
unzufrieden: "Die spielen schlechten Stammtisch", sagt er.

Der Macho gefaellt den Unterdrueckten

Aber die Befreiung kennt noch eine Steigerung: das 
"Forum-Theater". Ein Konflikt wird vorgespielt. Der Zuschauer, der 
mit der Handlung nicht einverstanden ist, ersetzt einen der Akteure 
und spielt als dieser nach seinen Vorstellungen weiter. Soweit die 
Theorie. Der Theater-Workshop spielt den Konflikt um den 
Suedamerikaner Himar vor. "Sehr laienhaft", erklaert Stefan, damit 
jeder sich traut mitzumachen." Himar macht im Marstall eine 
deutsche Frau an: "Ich bin ziemlich offen fuer andere Leute", sagt er 
zu der Frau, "Hast du Feuer? Ich hab' immer Feuer. Du hast schoene 
Augen." Er sagt noch irgendwas von Bett und "Wir koennen ja zu mir 
gehen." Die Szene wird wiederholt. Diesmal ersetzt jemand die 
Angemachte. 
"Ich hab' nicht was dagegen, dass du dich mit mir unterhalten willst", 
sagt der Ersatz. "Ich will nur nicht mit dir ins Bett gehen. Versteh' 
das doch bitte, bitte, bitte!" Himar bleibt stoerrisch: "Nein, versteh' du 
mich. Ich bin Mann!" Die Frau redet noch ein bisschen, dann reisst ihr 
der Geduldsfaden: "Ersetz' doch mal einer den Macho!", bruellt sie ins 
Publikum. Keiner ersetzt den Macho. Der Macho gefaellt den 
Unterdrueckten. 
Der Theater-Workshop ist vorbei. Eine afrikanische Percussionband 
zieht trommelnd und tanzend auf die Marstallbuehne. Die Afrikaner 
stellen sich kurz vor, dann vibrieren die Glaeser im Rhythmus des 
Holzxylophons, der Rasseln und der Bongotrommeln. Vierzig Linke 
wippen mit den Fuessen. Einige klatschen. Zwei Frauen vom Les-
benreferat machen vor der Buehne sowas wie Bauchtanz. Nach dem 
dritten Lied singt der ganze Marstall: "Africa mi ben boin." Das ist 
Befreiung. Ohne Worte. 
(tb) 



Zwischen Inhaltsanalyse und Realitiy-TV

Im ruprecht 22 hatten wir beklagt, dass die Einrichtung eines 
(Aufbau-)Studiengangs "Medienwissenschaft" an der 
Ruprecht-Karls-Uni nicht zustande kam, obwohl die Bedeutung 
dieses Fachs mittlerweile eigentlich erkannt worden sein muesste. In 
Mannheim hat man dies offenbar auch, denn seit dem Winterse-
mester 92/93 wird dort das Fach "Medien- und Kommunikationswis-
senschaft" angeboten - Grund genug fuer ruprecht, nachzufragen.
Der Studiengang "Medien- und Kommunikationswissenschaft" kann 
in Mannheim nur als Magisternebenfach studiert werden. Es 
behandelt laut Studienplan "die Strukturen und Produkte der 
Massenmedien und die Prozesse der oeffentlichen Kommunikation." 
Dazu muss man sich im Grundstudium mit einem Ueberblick ueber die 
Kommunikationswissenschaft, mit Mediensystemen und mit 
Methoden der Medienforschung beschaeftigen. Im Hauptfach kann 
man dann schwerpunktmaessig ueber audiovisuelle Medien oder ueber 
oeffentliche Kommunikation im sozialen und kulturellen Kontext 
arbeiten. Ergaenzend muss man Veranstaltungen aus anderen Fach-
bereichen besuchen, etwa solche des DFG-Forschers und 
Germanisten Grimm zu Reality-TV oder Gewaltdarstellungen im 
Fernsehn. - Wer jedoch journalistisch-handwerkliche Ausbildung 
sucht, wird in Mannheim enttaeuscht werden: ueber ein Praxisseminar 
von 2 SWS im Hauptstudium kommt man wohl nicht hinaus.
Auch die Studienbedingungen in Medienwissenschaft sind wenig 
optimal: Schon nach zwei Semestern ist die Ueberfuellung bei knapp 
400 Studis fuer eine einzige hauptamtliche Dozentin, Prof. Berghaus, 
das gravierendste Problem, dem ab naechstem Semester 
moeglicherweise mit der Einfuehrung eines Numerus clausus begegnet 
werden soll. Aus dem gleichen Grund koennen auch Heidelberger 
Studenten nicht eins ihrer Nebenfaecher nach Mannheim auslagern, 
dort also Medienwissenschaft studieren und hier fuer Haupt- und 
erstes Nebenfach eingeschrieben sein.
In Heidelberg war die Einfuehrung eines Aufbaustudiengangs, der an 
die Stelle der Sprecherziehung treten sollte, in der Fakultaet 
gescheitert. Anstelle des geplanten medienwissenschaftlichen 
Instituts mit vier Stellen, an dem alle Studenten mit 
Hochschulabschluss in der Neuphilologischen Fakultaet und der 
Fakultaet fuer Sozial- und Verhaltenswissenschaften sich zusaetzlich als 
Medienwissenschaftler und Kritiker haetten qualifizieren koennen, soll 
jetzt Theaterwissenschaft institutsuebergreifend gelehrt werden. Die 
Medienwissenschaftler in Heidelberg gucken damit auch weiterhin 
buchstaeblich in die Roehre.                                            (rz)



CD-ROMS: Nichs fuer Nostalgiker

Wer noch immer tagelang schwere Bibliographien waelzt, um 
Literatur fuer eine Hausarbeit zu sammeln oder eine Bibliographie zu 
erstellen, hat noch nicht gemerkt, dass die CD nicht nur den guten 
alten Schallplattenspieler antiquiert hat. 
Bis vor einiger Zeit war es noch undenkbar, umfangreiche Daten-
bestaende ohne teure Grossrechner und ohne die Unterstuetzung von 
Experten zu betreiben und zu nutzen. Datenbanken waren etwas fuer 
Experten.
Die CD-Technik hat im Zusammenspiel mit der schnellen 
Entwicklung in der PC-Welt voellig neue Moeglichkeiten geschaffen. 
Mit den "CD-ROMS", wie die jungen Datentraeger heissen, koennen 
sehr grosse Datenmengen gespeichert und kostenguenstig an beliebig 
viele Benutzer verteilt werden: Auf einer CD- ROM laesst sich der 
Inhalt von etwa 220.000 Buchseiten speichern! 
Im Gegensatz zu den traditionellen "Online-Datenbanken", die die 
Kenntnis komplizierter Abfragetechniken voraussetzen, sind die 
CD-ROM-Anwendungen auch etwas fuer EDV-Laien. 
Abfragesysteme und Menuebaeume machen die Datenrecherche zu 
einem Kinderspiel. 
Folge: der Markt "boomt". Waehrend in den ersten Jahren - den 80ern 
- die neue Technologie noch zoegernd und hauptsaechlich in 
Nordamerika aufgenommen wurde, herrscht seit etwa zwei Jahren 
auch in Europa eine regelrechte Aufbruchstimmung: immer mehr 
Datenbanken erscheinen auf CD, die Geraetepreise sinken und 
zunehmend werden gerade im Wissenschaftsbereich oeffentliche 
CD-ROM-Laufwerke zur Verfuegung gestellt.

CD-ROM Arbeitsplaetze in Heidelberg


Schon seit Anfang '91 bietet die UB die Moeglichkeit, Datenbaenke auf 
CD-ROM zu nutzen. Die Datenbanken koennen sowohl im Bereich 
EDV/AV-Medien in der Altstadt als auch im IZA und im Lesesaal 
der Zweigstelle im Neuenheimer Feld genutzt werden. Bis zum Ende 
diesen Jahres sollen ueber Glasfaserkabel sogar alle einzelnen 
Institute an die CD- Laufwerke angeschlossen werden.
Die Auswahl an Datenbanken kann sich sehen lassen: Neben 
allgemeinen Datenbanken (Deutsche Nationalbibliographie, 
Verzeichnis lieferbarer Buecher etc.) stehen fuer fast alle Fachbereiche 
spezielle Datenbanken zur Verfuegung. Ein Verzeichnis der Angebote 
mit kurzer Beschreibung der einzelnen Banken gibt's in der UB 
kostenlos. 

Benutzung der Datenbanken


Die Abfragesysteme der Datenbanken sind an den ueblichen Menue-
fenstern der PC´S orientiert. Wer sich ein wenig mit Computern 
auskennt, duerfte keine nennenswerten Probleme mit der 
Funktionsweise haben.
Fuer die Recherche bieten sich zahlreiche Moeglichkeiten. Aeusserst 
praktisch ist die Strategie, verschiedene Stichworte zu kombinieren. 
Wer z.B. etwas ueber Rechtsradikalismus im vereinigten Deutschland 
wissen moechte, gibt einfach "Rechtsradikalismus" und "Wieder-
vereinigung" ein. Weiter laesst sich die Suche durch Zusaetze wie 
"Ursache " oder "Erscheinungsjahr >= 1991" praezisieren. Ein Druck 
auf eine Funktionstaste und schon erscheint eine Liste der gesuchten 
Buecher und Zeitschriftenartikel. Noch ein Knopfdruck, und man 
erhaelt genauere Angaben - und als Kroenung haeufig ein "abstract" des 
jeweiligenWerkes. Das Ganze kann man sich dann noch ausdrucken 
lassen oder auf Diskette speichern (und so direkt in die Hausarbeit 
importieren).
Aber Achtung! Die Benutzungsweise der einzelnene Datenbanken ist 
nicht genormt. Jede funktioniert ein wenig anders. Zwar gibt es zu 
jeder Bank mehr oder weniger gute Handbuecher. Wer das Potential 
voll ausschoepfen will, sollte aber unbedingt an einer Einfuehrung 
teilnehmen (siehe Kasten). Zu fast allen Datenbaenken gibt es 
mehrmals im Semester zweistuendige Schulungen. So spart man sich 
auch Aerger mit dem Personal. Die EDV-Bereiche werden 
hauptsaechlich von studentischenHilfskraeften baufsichtigt. Diese 
haben aber in erster Linie die Computer und nicht unwissende 
Studenten zu betreuen. Sie haben wenig Zeit, naive Fragen zu 
beantworten oder jeden einzeln am PC zu schulen. (und sie aergern 
sich auch ein wenig, wenn sie den halben Tag damit zubringen, 3,5´ 
Disketten aus den grossen Laufwerken zu fummeln!) 

Der EDV-Bereich in der UB Altstadt ist montags bis freitags von 
8.30 bis 23.00, samstags von 9.00 bis 19.00 Uhr geoeffnet.
(mp)



Krieg lohnt sich nicht. Statistik des Schreckens: Nie wieder Krieg?

Am Anfang der Weltgeschichte stehen bei Ovid vier Menschen-
geschlechter. Das vierte, das eiserne, ist das Geschlecht des Krieges: 
"Da ist  (...) der Krieg und schlaegt mit blutigen Haenden zusammen 
die klirrenden Waffen." Zeus, erfuellt vom Zorn des Unsterblichen, 
wird dem Krieg Mensch gegen Mensch mit einem Krieg Gott gegen 
Menschheit ein Ende bereiten. Er vergleicht diesen kommenden 
Kampf mit einem vorhergegangenen, siegreichen - und bekommt  
ploetzlich Skrupel, denn "...war damals auch wild der Feind, so drohte 
der Krieg doch von einem Gegner allein und nur aus einem einzigen 
Ursprung. Jetzt muss ich aber vernichten der Menschen Geschlecht 
auf dem ganzen Erdenkreis." Was Zeus (Ovid) hier mit goettlicher 
(doch ganz menschlicher) Intuition erfasst, bestaetigt 2000 Jahre spaeter 
der Heidelberger Politologe Frank R. Pfetsch: Die Schwere eines 
Krieges nimmt mit der Zahl der Kriegsparteien zu. Oder allgemein 
gesprochen: Konflikte sind umso schwerer - und damit auch umso 
schwerer zu loesen -, je komplexer sie sind.
Um zu derartigen, statistisch gesicherten Ergebnissen zu kommen, 
hat der Politikprofessor Pfetsch ein Konfliktsimulationsprogramm, 
kurz: KOSIMO, entwickelt, in dem er Konflikte seit 1500 geordnet 
nach vier Eskalationsstufen - latenter Konflikt, Krise, ernste Krise, 
Krieg - und 44 weiteren Variablen speichert. Manche Ereignisse 
fallen dabei durch das zeitliche oder raeumliche Raster, das Frank 
Pfetsch anlegt, um einfache Interessensgegensaetze von politischen 
Krisen abzugrenzen: Elitenwechsel innerhalb eines Landes, 
Putschversuche und Putsche (1992 waren es insgesamt 16) sind zu 
kurz, terroristische Anschlaege wie die der RAF betreffen zu wenige 
Menschen, um das Staatsgefuege ernsthaft zu gefaehrden. 
Auch z. B. der juengste "Vergeltungsschlag" der USA auf ein 
moeglicherweise vom Irak geplantes Attentat auf den Ex-Praesidenten 
George Bush bereitet  Einordnungsschwierigkeiten. Zwar sind 
militaerische Mittel eingesetzt worden, das Kriterium, das den Krieg 
von der Krise unterscheidet. Aber: "Die Parteien muessen etwa gleich 
stark sein. Sonst ist es kein Krieg", erklaert Prof. Pfetsch und bezieht 
sich damit auf die Kriegsdefinition des preussichen General Carl von 
Clausewitz. Dieser entwickelte von 1816 bis 1830 eine Lehre vom 
Krieg,  die bis heute Gueltigkeit besitzt: Ein Krieg muss von etwa 
gleich starken "lebendigen Kraeften" ausgehen, von einiger Dauer 
sein, intensiv gefuehrt werden, Zerstoerung anrichten und Opfer 
fordern. Von Clausewitz spricht vom Krieg  "als Fortsetzung der 
Politik mit anderen Mitteln". Nach dieser Definition hat es von 1945 
bis 1990 79 Kriege gegeben; 1992 konnte man mit Clausewitz 16 
Kriege zaehlen, davon dauerten 11 aus dem Vorjahr an, 5 traten neu 
auf.        
Im Licht der Pfetschschen Ergebnisse gewinnt ein Posterklassiker, 
der seit dem Vietnamkrieg deutsche WG-Toiletten ziert, eine ganz 
neue Bedeutung: Ein Soldat - aufgenommen im Moment des Todes -, 
von einer feindlichen Kugel getroffen (oder war es friendly fire?),  
wirft die Haende in der Luft, das Kreuz ist durchgebogen, das 
Maschinengewehr baumelt lose an seiner Seite. Ueber dem Kopf des 
Soldaten klagt ein einziges Wort die Sinnlosigkeit des Krieges an: 
WHY? Und das "Warum?" ist nicht nur die Klage der Toten und 
ihrer Angehoerigen, der unmittelbaren "Ausbader" des Krieges und 
der mittelbar Leidtragenden. Auch die politische Klasse des 
Agressorlandes, Regierungspartei wie Opposition, muesste sich die 
Frage "Was bringt uns das eigentlich?" neu stellen.  
Denn KOSIMO hat gezeigt: Statistisch lohnt ein Krieg sich nicht. 
Nur in einem Fuenftel der Faelle erreicht der Initiator des Krieges seine 
politischen Ziele; mit einer Wahrscheinlichkeit von vier Fuenfteln 
endet die Auseinandersetzung fuer ihn mit einer Niederlage oder 
einem Patt. Ebenfalls nur in jedem fuenften Fall wird die regierende 
Partei des Initiator-Landes gestaerkt aus dem Konflikt hervorgehen; 
die wahrscheinlichere Folge ist Schwaechung, Wechsel oder Sturz der 
Regierung. Die Opposition wird haeufig voellig eliminiert, zumindest 
aber in ihrem Einfluss stark eingeschraenkt. 
Dass ein Konflikt wie der zweite Golfkrieg ueberhaupt mit 
Waffengewalt ausgetragen wird (und trotz des enormen 
Kraefteungleichgewichtes als Krieg zaehlt), liegt -  so Pfetsch - an der 
Propaganda auf der einen, an einer drastischen Fehleinschaetzung auf 
der anderen Seite: Die USA habe die Staerke des Irark pro-
pagandistisch aufgebauscht, die "Republikanische Garde" in den 
Medien als unbezwingbare Elitetruppe feiern lassen: "Das wurde 
sicherlich bewusst so hochgespielt - man hat es mit einem starken 
Gegner zu tun! Wenn man dann gewinnt, ist man natuerlich viel 
besser dran."  Saddam Hussein dagegen habe seine eigenen Kraefte 
ueberschaetzt: "Er hat geglaubt, dass er die arabische Welt hinter sich 
bekommen kann", erlaeutert Frank Pfetsch, "Das ist natuerlich nicht 
gelungen. Ein rationales Kalkuel haette nie dieses Harakiri 
angenommen, wie er das gemacht hat." Dass er aber "dennoch fest im 
Sattel sitzt", ist durchaus im Einklang mit der Statistik: Die Macht, 
die innenpolitischer Staerkung bedarf, ist nach aussen agressiv. Sadam 
hab
e den Krieg zwar nicht gebraucht - er war intern alles andere als 
schwach. Er habe den Krieg aber geschickt ausnutzen koennen, meint 
Prof. Pfetsch: "Die ganze Welt ist gegen uns - das schweisst natuerlich 
zusammen, sowas." Im Augenblick sei eine neue Eskalation am Golf 
nicht wahrscheinlich. Im Irak seien ja UNO-Truppen stationiert, ein 
Embargo schraenke Sadams Handlungsspielraum ganz entscheidend 
ein. "Ihm sind im Augenblick die Haende gebunden. Aber seine 
Haltung hat sich nicht von Grund auf geaendert."  -  "Wenn die 
geistige Kraft der Herrscher im Frieden so stark wie im Kriege waere, 
wuerden die menschlichen Verhaeltnisse mehr im Gleichgewicht und 
von groesserer Bestaendigkeit sein."  Sallust wusste das schon 44 vor 
Christus.
Noch vor drei Jahren galt Europa als eine - besonders im Vergleich 
zu Schwarz- und Suedafrika und zum Vorderen und Mittleren Orient - 
"relativ befriedete Region". 1992 wurde Europa nun wieder das 
konfliktreichste Gebiet der Welt: In Georgien schwelt der Konflikt 
um Suedossetien weiter; die Auseinandersetzungen um die 
Abspaltung Abchasiens eskaliert zum Buergerkrieg. In Russland 
kommt es ueber einen territorialen Streit zum offenen Kampf zwischen 
Inguschen und Tschetschenen. President Jelzin verhaengt den 
Ausnahmezustand. In Rumaenien schwelen Konflikte mit den 
nationalen Minderheiten. Vor dem Hintergrund des Minder-
heitenproblems der Ungarn in der Slowakei droht der 
ungarisch-slowakische Konflikt um das Donaukraftwerk zu 
eskalieren. In Nordirland bringen die aktuellen Bombenanschlaege der 
IRA die seit Maerz 1992 laufenden Gespraeche zum erliegen; auf 
Korsika intensiviert die Korsische Nationale Befreiungsfront die 
Bombenanschlaege auf Feriensiedlungen. Insgesamt zaehlte das 
Heidelberger Institut fuer internationale Konfliktforschung 1992 29 
eskalierende Konflikte in Europa, 16 traten neu auf, 13 dauerten aus 
vergangenen Jahren an; allen voran die kriegerischen 
Auseinandersetzungen in und um Bosnien-Herzegowina. 
"Als Bosnien-Herzegowina und Kroatien als Staaten anerkannt 
waren - Serbien, also Restjugoslawien war es ja schon - da kaempfte 
ploetzlich Staat gegen Staat", erkaert Frank Pfetsch die Schwere dieser 
Konflikte, "Gleichzeitig wirken verschiedene Staaten von aussen 
zusaetzlich auf die einzelnen Gruppen ein." Zunahme der Komplexitaet 
aber bedeutet Zunahme der Intensitaet des Kriegsgeschehens. "Alte 
Graeben ueber die ethnische Schiene, die zum Teil ineinanderlaeuft mit 
den religioesen Konfliktlinien" und "nationale Fuehrer, die glaubten, 
sich da aufbauen zu koennen und die Konflikte aktuell hochpuschen", 
"die Wirtschaftkrise in den achtziger Jahren", "das Besetzen von Fueh-
rungspositionen in Politik und Wirtschaft zugunsten der Serben" und 
schliesslich "das Fehlen vitaler Interessen seitens der Vereinigten 
Staaten sind weitere Erklaerungsansaetze. "Aber das alles haette nicht 
sein muessen!", klagt Frank Pfetsch den eigentlichen Unsinn des 
Buergerkrieges an und sagt damit nichts anderes als der 
amerikanische Soul-Klassiker "War": "War? War is good for 
absolutely nothing. Say it again!" - "Wie man hoert lebten die alle erst 
mal friedlich nebeneinander. Heiraten hat es gegeben, und ploetzlich 
sieht sich die Familie neu: Aha, ich bin ja gar nicht Jugoslawe! Ich 
bin Serbe, und sie ist Kroatin."                                  (tb)



Mit Optimismus in Chaos - von Fremdenfeindlichkeit und den 
Verunsicherungen der Moderne

"Seid gerecht, ihr Auslaender, diesem Land, der Bundesrepublik 
gegenueber!" forderte Aussenminister Klaus Kinkel (FDP) bei der 
Sondersitzung des Bundestages zum Thema Auslaenderfeindlichkeit 
am 16. Juni. "Wir brauchen eine Besinnung auf gemeinsame Ziele, 
auf einen Konsens und auch auf gemeinsame Tugenden." konstatierte 
die Auslaenderbeauftragte Cornelia Schmalz-Jakobsen (FDP), und 
Innenminister Rudolf Seiters liess verlauten:"Starke Praesenz der 
Polizei ist das Gebot der Stunde."
Diese und viele aehnliche Aeusserungen wirken in ihrer beinahe 
bemitleidenswerten Ignoranz des eigentlichen Problems, ihren 
rhetorischen Ablenkungsversuchen und ihrer verzweifelten Suche 
nach einem Schuldigen wie Hilferufe; in Existensangst schreien die 
Kinder der Politik nach ihren Eltern Polizei und Justiz, die wieder die 
Ordnung in diesem unserem Lande herstellen sollen.
Die Politik ist am Ende. Unser Wertesystem ist am Ende. Unsere 
Gesellschaft - am Ende? 
Doch kehren wir einmal zurueck zum Anfang. Woher kommt die 
Fremdenfeindlichkeit? Woraus entstehen Vorurteile? Fragen wir 
einmal diejenigen, die es wissen muessten, die so gelehrten und 
staendig alles erforschenden Wissenschaftler. Doch auch die sind sich 
in diesem Punkt wieder einmal ueberhaupt  nicht einig. 
Die Sozialbiologen z.B. argumentieren nach Irenaeus Eibl-Eibesfeldt, 
dass Vorurteile aufgrund natuerlicher Abgrenzungsbestrebungen 
zwischen Menschen verschiedener Rassen und Kulturen entstehen 
und somit im Falle einer Bedrohung des eigenen Lebensraumes der 
Erhaltung der Rasse dienen. Der Begriff "Rasse" bezieht sich dabei 
nicht nur auf genetische Merkmale, sondern wird heute auf 
oekonomische Katagorien uebertragen, so dass Menschen aus 
wirtschaftlich stark entwickelten Regionen als hochwertiger gelten 
als diejenigen schwach industrialisierter Gebiete. Waehrend z.B. der 
Asylant aus Vietnam froh sein kann, wenn er nicht auf der Strasse 
angepoebelt wird, zieht man vor dem japanischen Geschaeftsmann 
anerkennend den Hut.
Schenkt man wiederum den Sozialpsychologen Glauben, sind 
Vorurteile das Resultat von Persoenlichkeitsdefiziten, vornehmlich 
eingeschraenkter Selbstwertschaetzung, womit das Problem auf 
psychopathische Ausnahmefaelle reduziert wird.
Zwar sind beide Thesen bequem, da sie von politischer und 
gesellschaftlicher Verantwortung entbinden - Fremdenfeindlichkeit 
ist entweder naturgegeben und damit moralisch entschuldbar  oder 
auf wenige "Kranke" beschraenkt, denen mit Psychotherapie geholfen 
werden kann - , doch sie sind weder wissenschaftlich haltbar noch 
erklaeren sie den sprunghaften Anstieg der rechtsextremistischen 
Uebergriffe in den letzten zwei Jahren. - Oder sind 1991 ploetzlich 
Massen von Deutschen zu Psychopathen geworden? 
Da scheint mir eine andere Theorie, die sich weder auf Konrad 
Lorenz noch auf Sigmund Freud und auch nicht auf  Frau 
Schmalz-Jakobsen berufen kann, schon glaubhafter - besonders in 
bezug auf die juengsten Anschlaege auf Tuerken.   Sie basiert darauf, 
dass Vorurteile aufgrund der Empfindung von eigener 
Benachteiligung entstehen. Bei einer Meinungsumfrage im Herbst 
1988 zur Einstellung gegenueber Minderheiten - die Uebrigens in 
Frankreich, Grossbritannien und den Niederlanden zu vergleichbaren 
Ergebnissen kam - , gab ein grosser Teil der befragten Deutschen an, 
dass es ihnen zwar im Vergleich zu anderen Bundesbuergern in den 
letzten fuenf Jahren wirtschaftlich nicht schlechter gegangen sei, wohl 
aber der Gesamtheit der Deutschen im Verhaeltnis zu den hier 
lebenden Tuerken. 
Dass fuer die Entstehung von Vorurteilen nicht etwa Tatsachen oder 
eigene Erfahrungen sondern allein das Gefuehl einer Benachteiligung 
entscheidend ist, zeigt sich ausserdem an  einer Ende 1992 in Ost- 
und Westdeutschland an Schulen durchgefuehrten Umfrage. Die 
SED-gebeutelten ehemaligen Jungpioniere legten eine staerkere 
Ablehnung von Tuerken an den Tag als  ihre westlichen, im  hu-
manistischen Geiste erzogenen Mitschueler, obwohl in den neuen 
Bundeslaendern bekanntlich kaum tuerkische Menschen leben. Zudem 
lehnen gerade diejenigen, die laut eigener Angabe keinen Kontakt zu 
Auslaendern haben, diese staerker ab. 
Die sogenannte kollektive Deprivation war besonders bei Befragten 
mit niedriger formaler Bildung stark ausgepraegt. Dass sich die 
juengsten Anschlaege vermehrt gegen lange unter uns in wirtschaftlich 
gesicherter Stellung lebenden Tuerken statt wie zuvor ueberwiegend 
gegen Asylanten richten, deutet darauf hin, dass ein wachsender, 
meist jugendlicher Anteil der Deutschen aus einem abstiegs-
bedrohten Kleinbuergermilieu das Gefuehl hat, sie wuerden ihrer 
Arbeitsplaetze, Wohnungen etc. beraubt und muessten sich ihrer 
"unrechtmaessigen" Konkurrenten entledigen. Wenn ihre 
auslaendischen Mitbewerber sie in fast allen Bereichen, allem voran 
dem wirtschaftlichen, zu ueberrunden drohen, bleibt ihnen als einziger 
"Wert", an den ihr tuerkischer Nachbarn nicht heranzureichen vermag 
und der ihnen ihre "Hoeherwertigkeit" sichern kann, die Identifikation 
mit der Nation und - noch sicherer - der Rasse. Eine Parallele zu den 
Juden, die ebenfalls mit durch harte Arbeit erworbenem Besitz den 
Neid und damit den Hass ihrer Mitbuerger auf sich gezo
gen haben, kann wohl kaum abgestritten werden.
Ist es uebrigens ein Zufall, dass in Deutschland noch immer das 
aus dem Jahre 1913 stammende Reichs- und 
Staatsangehoerigkeitsgesetz gilt? Waehrend in nahezu allen westlichen 
Staaten Auslaender nach dem ius soli - also aufgrund der Geburt auf 
dem Staatsgebiet - eingebuergert werden, darf gemaess des ius 
sanguinis nur derjenige Deutsche sein, der deutschen Blutes ist. 
Zwar berechtigt das 1990 reformierte Auslaendergesetz Fremde, nach 
fuenfzehnjaehrigem Aufenthalt in Deutschland  - jungen Auslaendern 
zwischen 16 und 23 Jahren, soweit sie mindestens sechs Jahre lang 
hier die Schule besucht haben, schon nach acht Jahren - die deutsche 
Staatsangehoerigkeit anzunehmen, doch ist das Grundprinzip, dass 
hier geborene Auslaender auch in der zweiten, dritten und x-ten 
Generation noch immer automatisch die Staatsbuergerschaft ihres 
Vaters uebertragen bekommen und somit stets Auslaender bleiben - 
auch wenn sie nie das Land ihrer Vorfahren gesehen oder deren 
Sprache gesprochen haben sollten -, gewahrt. 
Dass ein deutscher Pass nicht vor fremdenfeindlichen Angriffen 
schuetzt und damit auch die doppelte Staatsangehoerigkeit keine 
Loesung des Problems ist, kann wohl niemand abstreiten, doch 
berechtigt dies trotzdem nicht, derartige Vorschlaege von vorne herein 
abzulehnen mit der Begruendung, es handele sich nur um einen rein 
formellen Aspekt, denn inwieweit sich das Bewusstsein sowohl der 
Auslaender, die damit mehr Rechte erhalten, als auch der Deutschen, 
die sich mit einerseits zumindest juristisch gleichgestellten und 
andererseits "integrationswilligen" Mitbuergern konfrontiert sehen, 
veraendert, duerfte wenigstens eine Ueberlegung wert sein. 
Die Frage nach dem in seinen Grundfesten erschuetterten, nach 
Identitaet suchenden und letztlich zu rassistischen Gewalttaten 
bereitem Menschen bleibt bestehen. Wenn CDU-Generalsekretaer 
Peter Hintze sagt:"Es ist etwas in Unordnung geraten in unserem 
Land...", so ist dies wohl richtig, aber nicht nur, so Hintze weiter, 
"...wenn selbst die letzte Schwelle, die Achtung vor dem Leben des 
Menschen ueberschritten wird." Die Unordnung, die immer wieder 
und vor allem von Politikern beklagt wird, hat die gesamte 
Gesellschaft, den politischen wie den privaten Bereich, ja, die 
gesamte Welt erfasst.
"Quo vadis?" fragt sich eine staendig steigende Zahl von Menschen 
dieser Erde, fuer die diese Unordnung existentiell bedrohliche 
Dimensionen angenommen hat und die aus dieser Krise heraus nach 
Klarheit und den alten Ordnungsschemata rufen. Doch koennen wir 
diese noch herbeischaffen? Oder, um welchen Preis liesse sie sich 
aufrechterhalten? Denn auch der Rassismus, der mit klaren Regeln 
Sicherheit und die Ueberwindung von Existenzaengsten verspricht, 
zaehlt zu den einfach gestrickten Loesungsmustern fuer den Weg aus 
dem gegenwaertigen Chaos. Fremdenfeindlichkeit und rechte Gewalt 
werden als Symptome einer Krankheit angesehen, die uns "erwischt" 
hat und die es gilt, so schnell wie moeglich wieder loszuwerden. Ueber 
dieses einfache Erklaerungsschema hinauszuschauen und zu 
hinterfragen, ob diese Symptome fuer etwas Anderes, Tieferliegendes 
stehen koennten, ist uns zu muehsam: Der Ruf nach der alten Ordnung, 
der Wiederherstellung traditioneller Werte oder schlicht dem Einsatz 
von Polizei und Justiz erfordert weniger geistige Anstrengung im 
Kampf mit der Situation, in der wir uns befinden. 
Auch ich kann unserer Gesellschaft kein Allheilmittel anbieten, 
doch gibt es dies auch gar nicht, denn der Trugschluss besteht gerade 
darin, dass wir das gegenwaertige Phaenomen als Krankheit auffassen 
und uns dagegen ein Medikament verabreichen wollen, das unsere 
"guten", koerpereigenen Antikoerper aktiviert und die "boesen" 
eingedrungenen Bazillen, die fuer den Kollaps unseres Kreislaufs 
verantwortlich sind, vernichten soll. Genau in diesem Punkt scheint 
mir ein Umdenken erforderlich: Ist nicht vielleicht gerade das 
zentrale Ordnungsprinzip der Moderne, die Suche - oder beinahe 
schon Sucht - nach Gewissheit und universellen Prinzipien das 
Problem? Wir haben gelernt, alle Dinge dieser Welt wissenschaftlich 
zu erklaeren, doch auf die Idee, dass das Unvorhersehbare, 
Ambivalente und Chaotische ein unvermeidliches inhaerentes 
Element unserer Zukunft sein koennte, sind wir nicht gekommen.

Vielleicht ist die Popmusik schlauer als die Politik. "Grenzen aus 
den Angeln, die klare Linie dahin; alles im Fluss, das Wilde gewinnt. 
Die Kulturen toben, Denkzentralen unter Schock, Antworten laufen 
Amok...", weiss sogar schon Herbert Groenemeyer, der scheinbar nicht 
viel Hilfe von unseren volkseigenen Denkzentralen erwartet. Es hilft 
alles nichts:" Wir schlagen wie wild mit den Fluegeln, dass uns der 
Absturz verschont; koennen ohne Halt nicht leben, sind Regeln 
gewohnt; koennen uns drehen, koennen uns winden, es herrscht das 
Chaos." Was  uns dort so nebenbei aus den Lautsprechern 
entgegenrauscht, ist vielleicht das Diktum fuer die naechsten 
Jahrhunderte. "Das Ende ist wieder offen, Existenz am Neuanfang: 
Auf  zu neuen Ufern!" proklamiert der Liebling der Nation - doch die 
denkt ueberhaupt nicht daran. 
Nicht immer galt jedoch die Planbarkeit und rationelle Ordnung 
als ultimatives Lebensprinzip wie zu unserer Zeit. Noch im 16. 
Jahrhundert war das Unstete und Widerspruechliche zentrales 
Element des Lebens, doch im Uebergang zur Moderne im 17. 
Jahrhundert war "das Dauernde gefragt, das Voruebergehende galt 
nichts", wie Renè Descartes konstatierte. So vollzog sich mit dem 
Ausklang des Mittelalters ein essentieller Umschwung des 
Bewusstseins, das die Toleranz gegenueber Ungewissheit, 
Vieldeutigkeit und Meinungsvielfalt verloren hatte und das 
rationalistische, cartesianische Baugeruest der Moderne etablierte, 
dem wir bis heute mit voller Selbstverstaendlichkeit folgen.
Doch ploetzlich scheint das Fundament, auf dem wir dieses 
Denkgebaeude errichtet haben, zu broeckeln, und wir straeuben uns mit 
aller Macht dagegen, es aufzugeben; auf gesellschaftliche Umbrueche, 
wie sie z.Z. stattfinden, reagieren wir mit Angst, Identitaetssuche und 
Abgrenzung gegen alles Fremde. Anstatt jedoch nun nach mehr 
Ordnung und Sicherheit zu rufen, muessen wir uns auf ein Leben  mit 
ungeplantem Pluralismus aus Denk- und Lebensformen, deren Am-
bivalenz wir als Zukunfts-Chance begreifen muessen, einstellen. 
Nicht die Suche nach immer neuen Identitaeten sichert uns die 
Zukunft, sondern eine Souveraenitaet, die uns befaehigt, nicht ueber alles 
herrschen zu muessen und ohne Angst verschieden sein zu koennen. 
Erst wenn wir unsere alten Zwaenge tradierter Denkschemata 
abgelegt haben und von dem Thron des Anspruchs auf Allwissenheit 
herabgestiegen sind, koennen wir die Herausforderung des 
postmodernen Chaos als zukunftsweisende Perspektive annehmen. 
Als Einstieg empfehle ich, mal wieder in den guten, alten Faust zu 
schauen:"Es irrt der Mensch, solang' er strebt."  (gz)



Moscheen in Heidelberg - Tuerkische Impressionen

Heidelberg ist in vielen Punkten nicht repraesentativ fuer eine deutsche 
Stadt. Das betrifft sowohl den Anteil der Studenten wie auch den 
Anteil der Tuerken. Der eine ist zu hoch, der andere zu niedrig. 
Darum ging ruprecht auf die "Tuerkenmeile" am Rand der Weststadt 
in die Bahnhofstrasse, um zwischen "Sunset" und Doenerstaenden mit 
den tuerkischen Gemischtwarenhaendlern zu reden. Wir treffen unsere 
Gespraechs-partner vor ihren Geschaeften auf einer Kiste sitzend, 
rauchend, erzaehlend. Das macht die Bahnhofstrasse auf eine 
ungewohnte Art anziehend. Dass hier nur von Maennern die Rede ist, 
wird die nicht wundern, die die traditionelle Aufteilung der 
tuerkischen Familienwelt kennen. Den Maennern die Strasse, den 
Frauen das Haus. Diese Aufteilung erklaert, warum die Opfer der 
Brandanschlaege fast ausschliesslich Frauen sind und warum sie die 
deutsche Sprache weniger gut koennen als ihre Maenner.
Wir erfahren unter anderem, dass es in Heidelberg und Umgebung 
zwei Moscheen gibt: die eine im Landfriedhaus schraeg gegenueber 
vom Taeter-Theater, die andere in Leimen " ... ohne Minarette". Auch 
die Moschee im Schwetzinger Schloss dient zeitweise als Gebetshaus. 
Wie ist die  Stimmung in Heidelberg?
"Ein paar Sachen haben wir mitgekriegt. In Heidelberg merkt man 
im grossen ganzen nichts davon. Einzelne Faelle gab es. Persoenlich 
habe ich keine Probleme. Ich bin seit fuenfund-zwanzig Jahren hier."
Ueber die doppelte Staatsange-hoerigkeit gibt es verschiedene 
Meinungen. "Doppelte Staats-buergerrschaft? Ja ... , nein. Auf einer 
Seite gut, auf der andern Seite nicht so viel. Ich bin immer 
Auslaender. Vielleicht ist das fuer meine Kinder gut. Waehlen koennen 
ist ein Vorteil. Zwei Paesse ist auch O.K.. Aber wenn ich in die 
Behoerde gehe, da steht da immer mein Name: Yussuf. Ja, sie sind 
Tuerke, ne?" Was denn die Verwandten in der Tuerkei ueber die 
Anschlaege in Deutschland denken? "Das haben unsere Verwandten 
nicht so gut gefunden. Aber Hass darueber ist keiner." 
"Als es die DDR noch gab, haben wir keine Probleme gehabt. Wir 
haben Arbeitslose gehabt,  wir haben das und dasjeniges gehabt. Wir 
haben ueberhaupt keine Probleme gehabt. Nach der Mauer, da kommt 
die Sauerei. Meiner Meinung nach kommt zu 99% alles aus dem 
Osten. Die Roten. Seit 40 Jahren war das ein Gefaengnis, dann haben 
sie aufgemacht und heute sind sie frei. Sie koennen schlagen, sie 
koennen toeten, sie koennen alles versuchen."
Unser Interviewpartner Yussuf hat als Werkstattleiter viele deutsche 
Lehrlinge ausgebildet, auf die er heute sehr stolz ist. Er hat 50% 
deutsche Freunde, 80% deutsche Kunden.
Der Besitzer eines Doenerimbisses ist ganz aehnlicher Meinung. "Ich 
hoere es jeden Tag im Radio, sehe es im Fernsehen, aber in 
Heidelberg habe ich Aus-laenderfeindlichkeit noch nicht mitge-kriegt. 
Das ist ganz normal, was hier passiert heute. Das passiert ueberall. In 
jedem Land heute ist innerlich Krieg. Ach Gott, bei uns sind fuenf 
gestorben. Man soll dieses Thema gar nicht groesser machen. Weil 
jede halbe Stunde in den Nachrichten Solingen passiert, hat das jeder 
mitgekriegt. Man haette das ruhig sein lassen und beerdigen sollen, 
das Zweite waere nicht passiert."
Zur doppelten Staatsbuergerschaft sagt er: "Wir sind auch selber in 
der Tuerkei Auslaender, und wir sind auch hier Auslaender. Was lohnt 
sich fuer uns zweite Buergerschaft. Uns ist lieber eine Buergerschaft: 
deutsch oder tuerkisch. Die zweite Staatbuergerschaft hilft gar nichts. 
Diejenigen, die im Kopf den Hass haben, hassen weiter. Ob jetzt 
gegen Deutsche oder Auslaender. Ich selber, das sag` ich ganz ehrlich, 
als ein Auslaender, als ein Tuerke, ich habe die deutsche 
Staats-angehoerigkeit." 
Und zur Politik? "Der Helmut Kohl vielleicht auf einem Punkt macht 
er es ganz genau richtig und vielleicht in ein paar Punkten macht er 
grosse Fehler. Als ein Deutscher in der DDR, haben die Eier und 
Tomaten an seinen Kopf geschmissen. Und der war kein Auslaender, 
oder?"
Die juengere Generation sieht das anders. "Doppelte 
Staatsbuergerschaft ... wie soll ich sagen ... es tut schon gut wenn man 
so was hat. Wenn ich das habe, kann ich mich besser verteidigen, 
sonst muss ich Angst haben, dass ich ausgewiesen werde, wenn ich 
zurueck-schlage. Wenn ich mit der Polizei in Konflikt komme, dann 
ist schon halt die Angst da. Eine Ausweisung aus Deutsch-land ist 
sehr schlimm. Was soll ich alleine in der Tuerkei machen? Unsere 
Leute sind alle ausgewandert. Da kennt mich auch keiner. Die sagen, 
da ist ein fremder Mann hergekommen. Also, ich waere lieber ein 
paar Jahre hier im Knast, als ausgewiesen zu werden."  

"Wenn ich waehlen kann, dann weiss ich, dass da jemand an mich 
denkt."
Die deutsche Vereinigung ist Dauerthema. "Meine Meinung ist es, 
dass die Auslaender viel mehr getan haben fuer Westdeutschland  als 
die Ostdeutschen. Die haben nicht mitgekriegt, was die Auslaender 
hier mitgeleistet haben. Das muss denen irgendwie ein bisschen klar 
gemacht werden. Wir duerfen nicht waehlen, muessen aber die 
Wie-derver-einigung finanzieren. Die machen sich ein schoenes Leben 
auf unsere Kosten, weil wir die Steuer mitbezahlen. Wenn so-was 
noch mal wieder passiert, sollten die ganzen tuerkischen 
Geschaeftsleute keine Umsatzsteuer mehr bezahlen. Bis Deutschland 
wieder das Gesetz richtig fuer die Auslaender herstellt. Dann sagen 
wir, jetzt, hier ist das Geld, koennt ihr haben."
"Gewalt bringt nichts. Ich bin immer fuer die Vernunft da, ist besser. 
Auch die Deutschen, die schlimme Sachen machen, damit erreichen 
die auch gar nichts. Die Leute, die hier zwanzig Jahre sind, die 
lassen sich auch eher umbringen, als dass sie hier freiwillig fortgehen. 
Wenn er zurueckgeht,  ist er sowieso ein halbtoter Mann. Da 
respektiert ihn keiner, kennt ihn keiner. Und das ist die Mentalitaet 
der Tuerken: Wenn dich einer nicht respektiert, dann bist du ein 
halbtoter Mann. Wenn ich in die Tuerkei gehe, sagen die immer: Ah, 
der Deutsche kommt." 
Und die Stimmung in Deutschland? Die Frage kommt immer wieder. 
Man hat den Verdacht, dass manche Antworten darauf ehrlich und 
hoeflich ausfallen. Oder ist das schon das eigene schlechte Gewissen? 
"Das war frueher halt viel, viel besser. Wir haben uns besser 
verstanden als jetzt. Beim erstenmal war gar nichts. Da waren nur 
Demonstrationen. Beim zweitenmal war es schon ein bisschen lauter. 
Autokolonnen. Strassen-schlachten. Das war noch nichts. Es kann 
noch schlimmer werden.Wir selber in Heidelberg haben nichts von 
Auslaender-feindlichkeit gemerkt.  Noch nicht. Ich habe schon die 
Hoffnung, dass sowas wie in Solingen und Moelln nicht noch mal 
passiert. Dafuer muessen beide Seiten was tun."  
(tb/fb)



Die Irrwege der Angstbeisser - Interview mit Fritz Pleitgen ueber das 
Thema Auslaenderfeindlichkeit

ruprecht: Im April 1989 - also noch vor dem Fall der Mauer -  haben 
Sie, Herr Pleitgen, einen ARD-Brennpunkt zum Thema Rechts-
extremismus moderiert. Haben Sie damals gedacht, dass die Situation 
derart eskaliert? Und inwieweit sehen Sie einen Zusammenhang mit 
der Vereinigung?
Pleitgen: Es ist nicht nur die Vereinigung, die eine Hauptrolle 
gespielt hat, sondern einfach die gesamte Entwicklung hier in Europa 
und in der Welt. Viele tausend Menschen geraten in immer groessere 
Noete und sehen nur noch die Chance, ihre Heimat zu verlassen. Da 
ist natuerlich Deutschland ein bevorzugtes Ziel aufgrund des 
Wohlstandes, der in diesem Lande herrscht und den man sich 
ausserhalb moeglicherweise noch groesser vorstellt. Dies geht einher mit 
einer schwierigen Situation, in der sich die Deutschen selbst 
befinden, verursacht durch die Einheit und verbunden mit einer 
schwierigen wirtschaftlichen Entwicklung, die nicht nur deutscher, 
sondern globaler Natur ist. Es zeigt sich, dass wir einfach nicht so 
aufgeklaert sind, wie wir glaubten, es schon zu sein. Als ich damals 
diesen Brennpunkt gemacht habe, von dem Sie sprachen, habe ich 
doch schon eine gewisse Skepsis gehabt, weil ich sah, dass es noch 
sehr viele Missverstaendnisse und Vorurteile in unserem Volk gibt, 
und dass wir alle, die wir uns als politische Klasse bezeichnen,also 
die Politiker, aber auch wir Publizisten, nicht in der Lage waren und 
sind, diese zu beseitigen.Wir alle haben offensichtlich zuwenig 
Autoritaet, um die Menschen zu ueberzeugen, dass das, was sich 
gegenwaertig in Form von Rechtsextremismus und Gewalt gegen 
Fremde abspielt, ein Irrweg ist; und wir haben auch kein 
ueberzeudendes Konzept anzubieten. 
Wir hatten einmal eine Situation in Deutschland West, bei der 
eine sehr schoene Politisierung stattfand - das war Anfang der 
siebziger Jahre zur Zeit der Entspannungspolitik. Leider hat es auch 
Tricks und Bestechungen gegeben - wie z.B. beim Misstrauensvotum 
-, aber insgesamt herrschte ein tolles politisches Klima. 
Moeglicherweise haben wir gedacht: Donnerwetter, wenn wir dazu in 
der Lage sind, dann werden wir auch andere schwierige Probleme so 
bewaeltigen. Und nun hat sich herausgestellt, wir sind noch nicht 
soweit. Ich denke, dass wir leider noch eine Menge boeser 
Ueberraschungen erleben werden.
ruprecht: Als Ursache fuer die gegenwaertigen Anschlaege wird immer 
wieder der Werteverfall genannt, fuer den die Familie und Schule 
ebenso wie die Politik und auch die Medien verantwortlich gemacht 
werden. Wo liegen Ihrer Meinung nach die Hauptursachen fuer die 
Fremdenfeindlichkeit, und wo sehen Sie Ansatzpunkte, um dagegen 
anzugehen?
Pleitgen: Es steckt sehr viel Existenzangst dahinter.  Viele Menschen 
sind nicht informiert und gebildet genug, um zu erkennen, dass 
eigentlich gar keine existentielle Bedrohung besteht. Auf der anderen 
Seite kommen diejenigen, die auch guten Willens sind, meist aus 
gesicherten Positionen daher und reden den Leuten ein: Ihr muesst 
fremdenfreundlich sein! Aber sie besitzen nicht die Glaubwuerdigkeit, 
weil sie ja selbst keinen Beweis fuer diese Haltung gezeigt haben. Es 
gibt eben zuwenig Autoritaeten in unserer Gesellschaft, die in 
kritischen Phasen eine sogenannte kritische Menge ueberzeugen 
koennten.
ruprecht: Sie sprechen jetzt immer wieder von Autoritaeten...
Pleitgen: Ich meine Autoritaeten moralischer Art, wie z.B. einen 
Heinrich Boell - davon muessten wir dann allerdings sehr viele haben: 
in der Wirtschaft, in der Publizistik -, aber Groessen dieser Art haben 
wir nicht. Es gibt wirklich keine einfachen Modelle, aber wir muessen 
Verhaeltnisse herstellen, dass es einfacher ist, mit dieser Zuwanderung 
fertig zu werden.
Das Fatale an der Sache ist, dass es Zwaenge gibt, die nicht so 
schnell zu beseitigen sind, dass es allerdings auch Zwaenge gibt, in die 
man sich bewusst hineinmanoeveriert hat. Und dies ergibt eine ganz 
gefaehrliche Kombination, dass auf einmal Menschen nicht 
untergebracht werden koennen und sie den anderen auf die Nerven 
fallen, weil sie spuerbar werden. Damit geht der Aerger dann los. Es 
gibt natuerlich in einer Demokratie, wo wir ja auf Meinungsfreiheit 
soviel Wert legen, Kraefte, die so etwas ausnutzen und die anderen 
aufstacheln, und dann entstehen solche Dinge wie zur Zeit.

ruprecht: Ich weiss nicht, ob wir uns in der heutigen Gesellschaft 
noch stur auf die konventionellen Werte berufen koennen, nur weil 
dies jahrhundertelang so war. Vielleicht muessen wir einfach 
akzeptieren, dass wir nicht mehr so eine starre Ordnung haben.
Pleitgen: Ja, ja, die Deutschen sind ja nicht besonders krisentrainiert 
und geraten auch schneller in Panik als alle anderen. Wir sehen sehr 
schnell die Katastrophe vor uns, waehrend andere noch gelassen 
bleiben.
ruprecht: Aufgrund der Geschichte, meinen Sie...
Pleitgen: Aufgrund der Geschichte. Ich glaube, dass in uns immer 
noch dieses Trauma der dreissiger Jahre steckt, vor allem auch das 
der Zeit davor mit der Arbeitslosigkeit und mit dem, was sich auf der 
Strasse abspielte, bis es zu 1933 gekommen ist. Dann der verlorene 
Krieg, die schwierige Zeit des Aufbaus; das wollen die Leute nicht 
wiederhaben. So sind wir eben ein Volk aus lauter Angstbeissern 
geworden, die sich nun zur Wehr setzen. Auch in der Politik und in 
der Publizistik sind diese Angstbeisser zu finden. Alle sehen ihre 
Existenzen gefaehrdet. Die grossen Volksparteien stellen fest, wie ihr 
Einfluss schwindet. Die Zeitungen sehen, wie ihre Auflagen sinken, 
und das maechtige Fernsehen, das oeffentlich-rechtliche sieht, die 
Zuschauer laufen davon. 
Wir haben immer geglaubt, wir koennten Situationen meistern, denn 
wir standen ja viel besser als die anderen da. Nun kommen wir selber 
in eine schwierige Situation und muessen konstatieren, wir packen es 
auch nicht. Sie haben natuerlich recht, dass wir uns gar nicht darauf 
vorbereitet haben, dass die Verhaeltnisse nicht bis ultimo so bleiben 
koennen, dass dort eine gewisse Unordnung mit in Kauf genommen 
werden muss. Aber sehen Sie jetzt auf Frankreich, die machen den 
Laden dicht gegenueber den Elendsfluechtlingen! Die anderen haben 
offensichtlich alle darauf gewartet, was Deutschland tut. Nun folgen 
sie sofort, und es gibt diese Festung Europa. In dieser Hinsicht bin 
ich also ueberaus skeptisch, weil wir vielleicht fuer eine 
voruebergehende Zeit hier einen gewissen inneren Frieden sichern 
koennen, aber dabei Aussenverhaeltnisse schaffen, die verheerend sind 
und eines Tages mit doppelter, dreifacher Wucht in unser System 
wieder hereinschlagen werden. Wir haben keine vernuenftige Ent-
wicklungspolitik. Wir haben ueberhaupt keine Strategie, um die 
sogenannte Neue Weltordnung herzustellen; wir haben gar nichts.
Ich kann Ihnen also auf diese Frage ueberhaupt keine Antwort 
geben. Ich kann nur feststellen, dass die gegenwaetigen Symptome, die 
sich da zeigen, auf schlimme, tiefgehende Krankheiten hinweisen, 
oder - besser gesagt - Defizite, die nicht so schnell zu beseitigen sind. 
Wir haben uns alle ueberschaetzt, und weil wir das getan haben, 
beissen wir jetzt schnell um uns, um diesen boesen Spuk irgendwie zu 
verjagen - aber es wird uns nicht gelingen! Es wird uns nicht 
gelingen; mit keiner Grundgesetzaenderung oder sonst irgendwelchen 
Geschichten dieser Art. Wir muessen uns, wie Sie schon gesagt 
haben, an bestimmte schwierige Situationen gewoehnen und dabei 
auch einiges in Kauf nehmen, damit wir wieder flexibler werden und 
eine groessere innere Freiheit gewinnen.
ruprecht: Es wird immer wieder behauptet, dass im Osten 
Deutschlands die Auslaenderfeindlichkeit groesser sei als im Westen. 
Anderen Berichten zufolge seien dies alles nur Vorurteile. Stimmt 
diese Behauptung denn nun?
Pleitgen: Nein, die Auslaenderfeindlichkeit ist in beiden Teilen gleich 
unakzeptabel und gleich schaedlich, wobei ich nicht den einfachen 
Buergern die Schuld zuschieben will. Sie befinden sich oft auf einem 
Wissensstand und in sozialen Verhaeltnissen, wo sich so etwas leicht 
entwickeln kann.  Aber die Buerger im Osten haben ihre 
Vergangenheit: sie sind in diesen vierzig Jahren auch auf 
Auslaenderfeindlichkeit dressiert worden. Das hat dieses System 
DDR leider der Jugend mit eingeimpft. Aber die Haltung, die sie 
damals gegenueber den Polen und Russen gezeigt haben, hat mich 
schon damals sehr skeptisch werden lassen, und ich ahnte, dass wir 
nicht sehr viel internationale Solidaritaet zu erwarten haben.                                            
(gz)



Wohlan, Du kleines Polen...
drei einsame Desperados entdekcen das neue Polen

Wir haben uns viel vorgenommen: Geplant ist eine Rundfahrt durch 
ganz Polen. Befoerderungsmittel: ein zehn Jahre alter Peugeot 505 
GL, 84 PS unter der Haube, 190.000 km auf der Uhr, ausgelutschte 
Stossdaempfer, die ihren Namen nicht mehr verdienen, im Radkasten, 
Felgenschloesser auf den Raedern, Benzinkanister, Werkzeug, 
Ersatzteile, Lebensmittel im Kofferraum, drei Freunde, allesamt 
waghalsige Hobbyschrauber, an Bord.
Von Stuttgart aus geht es ueber Nuernberg, Hof, Dresden nach Goerlitz, 
der oestlichsten Stadt Deutschlands. Goerlitz ist heute geteilt, von 
einem historischen Fluss, der Neisse heisst, und an dessen oestlichem 
Ufer Zgorcelec liegt, das polnische Goerlitz. 
Nach einstuendigem Grenzstau fahren wir schliesslich ueber die 
Neisse-Bruecke, erreichen polnischen Boden. Unser erster Eindruck, 
ein lebenslustiges Voelkchen, die Polen, aber verwahrlost liegen die 
Gebaeude da, der Vergleich mit Goerlitz-West faellt niederschmetternd 
aus, man meint, von der Schweiz aus in ein Dritte-Welt-Land 
ueberzusetzen. 
Kurz vor Legniza (Liegnitz) steuern wir unsere Limousine auf die 
Autobahn nach Wroclaw (Breslau). Die alte Reichsautobahn, die 
einmal Berlin mit Breslau verbunden hat, macht einen verwahrlosten 
Eindruck.  Mit 80 Sachen umkurven wir das Minenfeld der 
Schlagloecher, das ewige Patang der Strassenplatten nervt unsere 
Ohren. Nach fast zehn Stunden Fahrt atmen wir auf, als uns ein 
verrostetes Autobahnschild den ersten Stopp unserer Reise ankuendigt 
- wir erreichen Wroclaw, die alte Hauptstadt Schlesiens.   
Die kurze Fahrt mitten ins Herz der Stadt hinein laugt uns staerker aus 
als die vergangenen 800 Kilometer: Von Herz kann keine Rede sein, 
die Innenstadt gleicht einem Schauplatz eines noch nicht ganz 
verstummten Krieges, die Aufraeumarbeiten scheinen noch nicht 
einmal begonnen zu haben, Erinnerungen an Beirut oder Srebrenica 
werden wach. Der Ort wirkt wie evakuiert, nahezu keine Autos, 
wenige Fussgaenger auf den Strassen, kaum Restaurants. Karge 
Plattenbauten gruppieren sich um den Stadtkern, der wie in einem 
Dornroeschenschlaf seit '45 anscheinend unveraendert daliegt. Von 
Renovierung und Bautaetigkeit praktisch keine Spur, lediglich am 
beruehmten Marktplatz hat man etwa 50 Meter Haeuserfront 
aufgemoebelt, einige Restaurants und eine Art polnisches McDonald's 
untergebracht, das ganze  ein einziges Potemkinsches Dorf: Auf der 
Rueckseite der Gebaeude erinnern Bombenluecken und 
schrottplatzaehnliche Grundstuecke daran, dass hier seit Kriegsende 
nichts geschehen ist. 
Unser Blick faellt auf die Kirche St. Elisabeth am Marktplatz, sie ist 
wie eine Mumie mit Baugeruesten eingehuellt, an denen der Rost keine 
freie Stelle gelassen hat. Einer der wenigen Passanten, die sich auf 
die Strasse trauen, meint lakonisch, das Gotteshaus werde seit 
fuenfzehn Jahren restauriert. Ob das eine kurze oder lange Zeit ist, ist 
ihm ziemlich egal. Mit dem Rathaus und dem Dom ist man 
allerdings fertig geworden. Ich mache ein Postkartenbild. Am Abend 
nehmen wir uns ein Zimmer in einem preiswerten und 
heruntergekommenen Hotel gegenueber dem Bahnhof. Dass der Name 
- "Grand Hotel" - irgendetwas besagen koennte, haben wir uns nach 
einem halben Tag Polen schon abgeschminkt. 
Unser naechster Halt - Auschwitz. Wir schweigen, als wir den Hin-
weisschildern zum concentration camp memorial folgen. Im Lager 
fuehrt uns ein polnischer Guide an einem Schaufenster mit 100.000 
Schuhen vorbei. Im naechsten Raum lagern 10.000 Koffer der 
Vergasten. "Fischer, Thomas. Geb. 1941. Kleinkind." sagt eine alte 
Kreideaufschrift auf einem Koffer. Als ich das ehemalige 
Krematorium betrete, traue ich meinen Augen nicht: Einige 
Hollaender mit Baseball-Kaeppies machen sich einen Spass daraus, 
stolz mit triumphierender Touristengeste vor den geoeffneten 
Verbrennungsoefen zu posieren und sich zu fotographieren. Lautes 
Johlen hallt durch das Halbdunkel. An anderer Stelle aehnlich 
Beschaemendes: An die Wand der ehemaligen Gaskammer haben 
welche "Peter loves Susi" oder "I was here. Bob 1982" gekritzelt. 
Warum nur ? Ist es die Ignoranz der Touris oder ein psychischer 
Selbstschutz, koennen sie den Ort besser ertragen, wenn sie aus dem 
Holocaust eine x-beliebige Sehenswuerdigkeit wie Neuschwanstein 
oder Versailles machen ? Etwa eineinhalb Kilometer entfernt liegt 
Birkenau - schon wenn man noch nicht ganz dort ist, erkennt man 
das 
beruechtigte Bahnhofsgebaeude mit dem spitzen Wachturm darauf, 
darunter die Durchfahrt ins Lager ohne Wiederkehr. Dahinter die 
Rampe, SS-Offiziere fuehrten hier die Selektion durch, entschieden, 
wer sofort vergast wurde oder zunaechst ins Lager kommen sollte. 
Gespenstische Ruhe liegt ueber dem Ort. Stundenlang rede ich kein 
einziges Wort. Adornos Satz, nach Auschwitz koenne man keine 
Gedichte mehr schreiben, faellt mir ein.  
Nach den bedrueckenden Erlebnissen in Breslau - wegen seines 
Verfalls - und in Auschwitz - wegen seiner Vergangenheit - ist 
Krakau die reinste Erholung. Offenbar haben die Polen hier 
investiert, Krakau, die alte polnische Hauptstadt bis 1596, wurde im 
Krieg nicht zerstoert. Buntes Leben auf den Strassen und am 
Marktplatz mit seinen Renaissancetuchhallen. Wir haken das 
Touristenprogramm ab, betrachten Veit Stoss' Hochaltar und 
lauschen dem Trompetensignal, das stuendlich von der Marienkirche 
erschallt. 
Der bedeutendste Wallfahrtsort Polens ist unser naechstes Ziel - 
Tschenstochau. Ein ausgedehnter Klosterkomplex der Pauliner liegt 
auf dem Hellen Berg (Jasna Gora), im linken Schiff der 
Paulinerkirche haengt die schwarze Madonna mit Jesuskind, eine 
Ikone, der Wundertaten zugeschrieben werden, an die die Polen 
offenbar glauben. In einem Seitenkomplex haben Glaeubige Kruecken 
und Prothesen an die Wand gehaengt. Dank an Gott fuer Heilung oder 
Erloesung. Einer hat seinen Agip-Autoschluessel dazugesteckt - wohl 
ein aengstlicher Autofahrer. Als ich meinen Augen nicht glauben 
kann und deswegen trotz Photographierverbots ein Bild mache, 
begehe ich ein Sakrileg, einige drehen sich erbost um. Verhaftet 
werde ich aber nicht. Vor dem Kloster ein Riesenparkplatz fuer 
hunderte von Omnibussen, auf der gegenueberliegenden Seite eine 
Rednertribuene mit Zuschauertribuenen, alles erinnert irgendwie an 
Fussballstadion. Ich beginne zu verstehen, wie es den gottglaeubigen 
Polen gelingen konnte, den Kommunismus abzuschuetteln. 
Im Grunde existieren zwei Staedte, die den Namen Warschau tragen. 
Das eine Warschau starb im zweiten Weltkrieg, das neue ist erst 
danach entstanden. 1945 erlosch das alte Warschau, weil die 
Deutschen Hitlers Strategie der "Verbrannten Erde" anwendeten und 
die Stadt planmaessig vernichteten. Vom Warschauer Ghetto ist nur 
noch eine 6 Meter kurze Mauer uebriggeblieben, nur Eingeweihte 
finden den Ort durch ein Neubauviertel in einen unscheinbaren 
Hinterhof. Das Stadtzentrum wurde zu 90 Prozent zerstoert und sollte 
spaeter zum Symbol fuer den Aufbauwillen des polnischen Volkes 
werden. Ein altes deutsches Polenlied kommt mir in den Sinn: 
"Wohlauf du kleines Polen, zu davidgleicher Tat...". Nach Skizzen 
von Canaletto errichteten die Polen eine originalgetreue Kopie der 
Warschauer Altstadt. 
Buntes Touristentreiben herrscht auf dem Marktplatz (Stare Rynek), 
es ist mittag, wir gehen ins "Pod Crocodilem" (Zum Krokodil), ein 
Luxusrestaurant - fuer polnische Verhaeltnisse. Ein merkwuerdiges 
Gefuehl beschleicht mich: Am Nebentisch sitzen einige Dortmunder 
in Shorts, alkoholgeschwaengert und rotnasig vom polnischen Piwo 
(Bier), prosten sie den anderen Gaesten des feinen Ladens zu. Der 
Oberkellner im Frack weiss, dass er praktisch keine Chance hat, die 
Leute zu massregeln, sind sie es doch, die mit harter DM zahlen. Ob 
unsere Dortmunder wissen, dass sie hier an einem Ort speisen, den 
Deutsche vor knapp 50 Jahren ausradiert haben. Ein Treppenwitz der 
Weltgeschichte. 
Vor kurzem ist das erste McDonald's Polens eroeffnet worden, 
gleichzeitig das modernste Gebaeude der Stadt, die Bedienungen und 
Gaeste strahlen selbstverliebt um die Wette, ein Privileg in Osteuropa, 
fuer McDonald's arbeiten oder dort essen zu duerfen. Vor mir ein 
Soldat. Er bestellt einen Big Mac. Und freut sich wie ein Kind, als er 
ihn Sekunden spaeter in den Haenden halten darf. Einpraegsame Bilder 
einer neuen Zeit, einer politisch-wirtschaftlichen Tabula Rasa bis auf 
die Grundmauern.    
Wir fahren ueber Land. Auch in Rastenburg, wo Reste von  Hitlers 
Bunker "Wolfschanze" zu besichtigen sind, hat die Marktwirtschaft 
schon Einzug gehalten, im ehemaligen Wachgebaeude der SS hat sich 
ein Hotel eingenistet, im Keller gibt's ein Restaurant. Eine weitere 
Errungenschaft der modernen Zeit bemerken wir allerdings erst, als 
es schon zu spaet ist, der nervtoetende Beat eines Basslautsprechers laesst 
uns die ganze Nacht kein Auge zutun, wir haben wieder mal ueber 
einer Disco gebucht.

Entsprechend geraedert fahren wir am naechsten Morgen weiter in die 
alte Hanse- und Guenther-Grass-Stadt Gdansk (Danzig). Eine Art 
Jahrmarktstimmung bricht uns auf dem Langen Markt (Dlugi Targ) 
entgegen. Aehnlich wie in Warschau wurde die Altstadt Danzigs mit 
der gigantischen Marienkirche und dem Krantor liebevoll 
rekonstruiert. Aber auch hier: Verlaesst man die touristischen 
Trampelpfade, stoesst man unweigerlich auf alte Weltkriegsruinen.
Eine Perlenkette von frueheren mondaenen Badeorten wie Zoppot, 
Stolp, Koeslin oder Kolberg liegt an der Strecke nach Stettin. Von 
ihrem Schick ist  nichts geblieben. Wer an den Straenden eine 
Imbissbude mit fettigen Pommes Frites und lauwarmem Bier 
vorfindet, kann sich gluecklich schaetzen. 
In Swinousce (Swinemuende) kehren wir dennoch ein und laben uns 
an den feinzuengigen Kreationen der polnischen Kueche. Die Kellnerin 
schenkt uns widerwillig aus einem Hundenapf eine kalte Nudelsuppe 
mit Vanillegeschmack ein, hungrig lassen wir die Rechnung 
kommmen und schauen weiter. Pech gehabt, war wohl eine noch 
nicht privatisierte staatliche HO-Gaststaette, vermuten wir. 
Unsere Suche nach deutschen Spuren in Stettin verlaeuft gluecklos. 
Wir als Ortsfremde  identifizieren lediglich die Kirche St. Jakob, das 
Wendenschloss der Pommern und einen uralten Kanaldeckel im 
Asphalt mit der Inschrift "Stettiner Wasserwerk".
An der Grenze zur Bundesrepublik erwartet uns ein  respektabler 
Grenzstau von drei Kilometern. Dann haben wir es geschafft, wir 
sind in Mecklenburg-Vorpommern. Eine Reise durch ein Land und 
zwei Zeiten ist vorbei. Durch Polen, ein Staat gespannt zwischen 
blutiger, umkaempfter Vergangenheit und problematischer Zukunft.
(ah)



"Wir koennen so manches, aber ob wir's wollen..."
Wenn Gewinn und Umweltschutz kein Widerspruch sind

Ein Bericht ueber die Studie von Dipl.Vw.G.Mueller und 
Dipl.Vw.F.Joest am Institut fuer Wirtschaftswissenschaften

Die Aecker sind kahl. Die Kuehe geben vergiftete Milch. Die 
Menschen werden krank. Ursache ist die hohe Konzentrationen an 
Chlorwasserstoff in der Umgebung der Soda-Produktionsanlagen. 
Um diesen Auswirkungen zu entgehen, laesst man den Chlorwasser-
stoff nicht mehr in die Luft ab, sondern leitet ihn in die Fluesse. Hier 
frisst die Salzsaeure Schiffsruempfe und Schleusenteile an.

Was sich wie einer der vielen Berichte ueber die heutige Um-
weltverschmutzung liest, ist eine Schilderung aus dem fruehen 
19.Jahrhundert. In den Anfaengen der Industrialisierung war Soda ein 
in vielen Bereichen benoetigtes Produkt, das sich seit 1792 mit Hilfe 
des Leblanc-Verfahrens synthetisch im grosstechnischen Stil 
herstellen liess. Das durch den Chlorwasserstoff entstandene 
Umweltproblem  wurde wiederum durch eine Innovation geloest: der 
Herstellung von Chlor aus Salzsaeure. Fuer Chlor gab es reichliche 
Absatzmoeglichkeiten.

Potentiale 
der Industrie zur 
Loesung ihrer Umweltprobleme


Es sind, heute wie damals, nicht hehre Ideale, die Firmen dazu 
bewegen, ihre Produktionsweise zu aendern. Die treibenden Kraefte 
sind vielmehr Umweltauflagen des Gesetzgebers oder technische 
Innovationen, die die Wirtschaftlichkeit der Produktion erhoehen. Wie 
sehen die Rahmenbedingungen fuer umweltfreundliche Innovationen 
heute aus?
Das  eingangs erwaehnte Beispiel verdeutlicht eine charakteristische 
Produktionsweise und damit ein wesentliches technisches Merkmal 
der chemischen Industrie: die Kuppelproduktion. Man versteht hier-
unter Verfahren, bei denen, neben dem erwuenschten Hauptprodukt, 
notwendigerweise noch andere Stoffe hergestellt werden. So haette 
man nicht das Chlor vermeiden koennen, ohne auf das Soda 
verzichten zu muessen.
Haette man keine Loesung fuer den Chlorwasserstoff gefunden, so 
waeren die Entsorgungskosten stark angestiegen und haetten wo-
moeglich dazu gefuehrt, dass das gesammte Soda-Herstellungsverfah-
ren unrentabel geworden waere. Hier kommen neben den technischen 
auch die wirtschaftlichen Probleme mit ins Spiel. Chlor hatte, in dem 
Beispiel, einen grossen Absatzmarkt. Es lag also nahe, ein Verfahren 
zu entwickeln, das aus der Salzsaeure Chlor gewinnt. Die Innovation 
wurde durch die Marktsituation angeregt und war innerhalb dersel-
ben eine lohnende Investition. Investitionen in den Umweltschutz 
sind kapitalintensiv. In den letzten Jahren haben sich die Um-
weltschutzkosten verdreifacht, der Produktionswert hat sich 
waehrenddessen jedoch nur verdoppelt. In Zweigen der chemischen 
Industrie belaufen sich die Kosten fuer Umweltschutzmassnahmen auf 
ca. 30% der gesamten Fertigungskosten.  Daher  wird ein 
Unternehmen, das sich in einer schlechten wirtschaftlichen Lage 
befindet, vor solchen Investitionen zurueckschrecken. Das gilt fuer zur 
Zeit fuer die grossen  Chemiekonzerne Deutschlands: deren Rendite 
liegt naemlich nur bei 4%-5%;  notwendig fuer ein erfolgreiches 
Wirtschaften waere aber eine Rendite von ca.20%  noetig. 
Doch diese hohen Kosten sind kein unabwendbares Schicksal. Sie 
haben ihren Ursprung in einer Umweltschutztechnik, die nur an den 
Symptomen ansetzt, d.h. am Ende des Produktionsablaufes die 
schaedlichen Abfallprodukte durch aufwendige Reinigungsverfahren 
herausnimmt. Geholfen ist mit dieser in ihrer Wirkung begrenzten 
"End-of-Pipe-Technology" niemandem:  denn die Folge sind 
explodierende Kosten bei abnehmendem Erfolg bei der Reinigung. 
Zudem faellt hierbei auch noch viel Sondermuell an. 

Technischer "Quantensprung"

Um dieser Sackgasse zu entgehen, ist ein technischer "Quanten-
sprung" notwendig. Dieser findet  in Verfahren statt, die dem Prinzip 
des integrierten Umweltschutzes folgen. D.h. alle nicht erwuenschten 
Stoffe werden schon im Produktionsverfahren selbst vermieden. 
Kann eine Industrie ein solches Verfahren bei sich umsetzen ist nicht 
nur der Umwelt geholfen, auch sind diese Verfahren in der Regel 
kostenguenstiger und effizienter. Sie steigern somit die Wettbewerbs-
faehigkeit eines Unternehmens - hier lohnen sich die Investionen.


Die Konkurrenz fuer den Umweltschutz instrumentalisieren


Der Stein der Weisen ist hiermit allerdings nicht gefunden. Ange-
nommen, in dem historischen Fall der Soda-Produktion waere das 
Chlor durch eine integrierte Technik vermieden worden, so haette das 
in anderen Bereichen zu erheblichen Schwierigkeiten gefuehrt, weil 
der in der Soda-Produktion anfallende Chlor zwischenzeitlich in 
anderen Verfahren fest integriert war. Nicht nur innerhalb einer Pro-
duktionsreihe ist es unmoeglich, auf ein Folgeprodukt zu vermeiden. 
Auch wuerde sich der Wegfall eines Nebenproduktes in der einen Pro-
duktionsreihe auf eine andere Produktionsreihe auswirken. Solche 
Inflexibilitaeten sind vor allem in weiten Teilen der Petrochemie durch 
die Kuppelproduktion vorgegeben.  
Trotz der Aussichten auf gestiegene Effizienz (und damit steigende 
Profite)  durch umweltgerechte Verfahren, wirken die hohen Investi-
tionskosten fuer umweltfreundliche Verfahren und Produkte 
abschreckend. Diese Investitionen werden einerseits wegen der unsi-
cheren Marktlage nur zoegerlich vorgenommen. Andererseits belasten 
die Investitionen durch die kurze Amortisationsdauer - das Produkt 
muss sich in der heutigen Marktlage sehr schnell lohnen - das Pro-
dukt so stark, dass es fuer die Industrie schwierig ist, sie auf den Markt 
zu bringen. Denn dort sind die Preise, gerade der oft fuer die Umwelt 
problematischen Massenprodukte, durch die Konkurrenz in USA und 
Sued-Ost-Asien vorgegeben, so dass kein Preisspielraum fuer die An-
passung an hoehere Produktionskosten gegeben ist.
Aber, so das Statement eines hohen Vertreters der chemischen 
Industrie: "Wir koennen so manches. Die Frage ist, ob wir wollen". 
Denn damit ueberhaupt moderne Verfahren durchgesetzt werden 
koennen, muessen die Rahmenbedingungen fuer Investitionen, klar zu 
erkennen sein. D.h. zum einen eine eindeutige Gesetzeslage, die die 
geforderten Umweltstandarts festlegt. Desweiteren sollten wirt-
schaftliche Parameter hinreichend genau abschaetzbar sein. Gerade 
dies ist aber aufgrund des tiefgreifenden Strukturwandels, in dem 
sich die chemische Industrie befindet, unmoeglich. Niemand weiss 
wohin die Reise geht. So koechelt man oftmals lieber noch ein wenig 
in den alten Toepfen vor sich hin, anstatt neue Produktstrategien zu 
entwerfen und so aus der Defensive herauszukommen. Denn gerade 
im Zuge von notwendigen Umstrukturierungsmassnahmen koennte in 
modernen Anlagen die Tatsache umgesetzt werden, dass Effizienz 
und Umweltvertraeglichkeit oftmals Hand in Hand gehen.
Es wird gerne behauptet, dass es nur letztlich nur am Verbraucher 
liege, ob ein Produkt hergestellt wird oder nicht. Dies setzt freilich 
voraus, dass der Einzelne die Umweltvertraeglichkeit eines Produktes 
beurteilen kann. So bestand zum Beispiel ein breiter Konsens, den 
Ozonkiller FCKW abzuschaffen. Zuerst stiess dies auf einhellige 
Ablehnung seitens der Industrie. Erst als ein Unternehmen einen 
Ersatzstoff gefunden hatte und deshalb auf die Seite derer wechselte, 
die einen schnellen Ausstieg aus der FCKW-Produktion forderten, 
kam Bewegung in die Industrie. Der Ausstieg war moeglich gewor-
den. Beschleunigt kann dieser Prozess werden, indem der Gsetzgeber 
zuegig auf neue Innovationen (wie z.B. der Ersatzstoff fuer FCKW) 
reagiert und die umweltschaedlicheren Produkte staerker sanktioniert. 
Grundsaetzliches Ziel muss es sein, das Konkurrenzverhalten zwischen 
den Unternehmen fuer den Umweltschutz zu instrumentalisieren. 
Nicht immer ist es der Konsens so eindeutig wie beim FCKW. Wer 
weiss schon, welcher Kunststoff der umweltfreundlichste ist? Hier 
kann man allein bei dem Image der Firmen ansetzen. Beurteilt wird 
nicht mehr ein einzelnes Produkt, sondern ein ganzes Unternehmen. 
Kein Detailwissen, sondern grundsaetzliche Haltungen: Wenn 
Hoechst einen ganzen Ort mit einer gelben Masse ueberzieht, kurze 
Zeit spaeter die Kinder gruen anlaufen und Hoechst nicht mehr zu sa-
gen hat, als dass der Stoerfall Arbeitsplaetze sichert, dann darf man das 
Verhalten dieser Firma getrost missbilligen. Abfall besser zu ver-
meiden als zu verwerten, ist unmittelbar einleuchtend (das wohl 
schlagendste Argument fuer Mehrweg). Fuer solche Einsichten muss 
man nicht Experte sein!  Und diese Einsichten machen Druck: So 
steht beispielsweise Hoechst nach seiner Stoerfallserie nicht im besten 
Licht da und besetzt nicht zuletzt deshalb seine Fuehrungsetage neu. 
Um im oeffentlichen Ansehen zu steigen, wird sich ein 
Unternehmen von selbst um die Entwicklung umweltfreundlicher 
Produkte kuemmern. Dann muss sich der Mensch in Sandalen nicht 
mehr bei einer Tasse Dritt-Welt-Kaffee ueberlegen, was das um-
weltfreundlichste Waschmittel ist, sondern der Experte in der 
Industrie wird dies aus Eigeninteresse machen.

Freiheit - Eigeninteresse - Verantwortung


Das gruene Credo der Industrie lautet aehnlich:"Keine Gesetze! Es ist 
unser eigenes Interesse die Umwelt zu schuetzen. Lasst uns machen!" 
Doch wie bitte soll man Probleme aus eigenem Interesse loesen, die 
ueber den Bereich des Eigeninteresses hinausgehen? Der Wald kommt 
in den Bilanzen der Unternehmen nicht vor. Hier kollidiert das Ge-
winnoptimierungsziel mit dem Umweltschutzziel. Dieses Dilemma 
wird in der klassischen Wirtschaftstheorie des Liberalismus dadurch 
aufgehoben - und damit der Soll-Zustand erreicht -, indem der 
Ist-Zustand (d.h. der Mensch in seiner Eigenart, sein Eigeninteresse 
zu verfolgen) akzeptiert wird: "Laissez-faire"! Wird die Industrie in 
der heutigen Situation sich selbst ueberlassen, die noetige Kreativitaet 
zur Loesung der Umweltprobleme aufbringen? Oder bedarf es einer 
normativen Instanz, eines Gesetzgebers, der die Interessen der Men-
schheit und der Natur durchsetzt? Aber wenn diese Instanz benoetigt 
wird, was wird dann aus dem, durch sein Eigeninteresse motivierten, 
freien Individuum, der Keimzelle unseres liberalen 
Wirtschaftsystems? Der beschraenkte Horizont des Eigeninteresses 
kann durch Eigenverantwortung ueberwunden werden. Gibt es 
Kreativitaet des freien Individuums aus Verantwortung?         (H.B.)



"Ueberraschend, wie gut das war" - Auch Martin Walser ist von 
TheaMe begeistert

Wieviele studentische Theatergruppen es in Heidelberg gibt, vermag 
niemand so recht zu sagen. Und diese Namen: Mitsuko, Bel Esprit, 
Projekt Pandora, Quadratrot, Mimikry, Palette, Spiegel, Konturen, 
Theaterufer, Opossen! Viele von ihnen sind "fakultaetsinterne" 
Gruppen, und auch in der ESG und KSG haben sich Ensembles 
zusammengefunden. Um einen Einblick davon zu vermitteln, wer 
sich warum im Romanischen Keller und auf anderen kleinen Buehnen 
herumtreibt, hat ruprecht mit einem Portraet von Mitsuko/Bel Esprit 
in der letzten Ausgabe eine Serie eroeffnet, in der jedes Mal eine 
Gruppe vorgestellt werden soll. Dieses Mal ist TheaMed am Zug.
In der zweiten Runde der Studi-Theater-Serie treffen wir auf eine 
Gruppe von Schauspieler(innen), die sich nebenbei auch noch fuer das 
menschliche Wohlbefinden interessieren.
Richtig! Es ist die Theatergruppe der 
Mediziner(innen),kurz:TheaMed. (Gibt es da nicht ein Duschgel...?) 
Doch Ernst beiseite: Damals, im Fruehjahr Anno 1991, fanden sich 
sage und schreibe 25 theaterinteressierte Medizinstudierende zwecks 
Durchfuehrung dramaturgischer Ideen zusammen. Die Qual der Wahl 
eines Stueckes war somit schon einmal gemildert, gibt es doch nicht 
ganz so viele Stuecke mit entsprechender Besetzung.
"Die chinesische Mauer" von Max Frisch bot sich als ideales 
"Objekt" an und wurde auch im Wintersemester 91/92 erfolgreich im 
Romanischen Keller aufgefuehrt. Mit dieser Farce, einer 
parabolischen Darstellung des Baus der Chinesischen Mauer, in der 
Gestalten aus Geschichte und Literatur als Masken auftreten, liess es 
sich gut starten. Doch stellte sich danach ein Problem, das sich aus 
der Groesse der Gruppe ergab. Folglich teilte "TheaMed" sich in drei 
Gruppen, die nun sozusagen parallel probten und auffuehrten. So 
kamen "Sehnsucht" von Gerhard Roth, "Die kahle Saengerin" von 
Eugène Ionesco und "Die Zimmerschlacht" von Martin Walser zur 
Auffuehrung.
Bei den  Heidelberger Theatertagen im Jugendtheater, einer Art 
Studi-Theaterfestival, im November vergangenen Jahres wurde 
´TheaMed  total´ dargeboten. Man gab "Sehnsucht" und "Die 
Zimmerschlacht" an einem Abend.
Im Rahmen der Poetikdozentur von Martin Walser in diesem 
Sommersemester baten die Organisatoren TheaMed, "Die 
Zimmerschlacht" noch einmal aufzufuehren. Das in dieser 
Inszenierung zweikoepfige TheaMed-Team sagte nicht nein und 
gewann somit definitiv einen Fan: den Autoren persoenlich. Martin 
Walser war naemlich bei einer der zwei  in diesem Rahmen gebotenen 
Auffuehrungen anwesend und begeistert darueber, wie die Gruppe das 
Zweipersonenstueck inszeniert hat. "Die Zimmerschlacht" schildert 
einen Abend, an dem ein Ehepaar feststellt, dass es sich nichts zu 
sagen hat; der Ehemann plant eine Intrige, welche jedoch fehlschlaegt, 
weshalb das Paar am Ende dann doch kleinbeigibt und das 
harmonische Ehepaar mimt. Das Stueck, so Walser, werde oft als 
Slapstick dargestellt, was es aber gar nicht sei. TheaMed habe es 
endlich mal geschafft, das Stueck mit dem noetigen Ernst zu 
inszenieren. So sagte Walser der "Sueddeutschen Zeitung" ueber seine 
Poetikdozentur: "Meine groesste Ueberraschung war eine exzellente 
Auffuehrung der "Zimmerschlacht" durch eine Gruppe von 
Medizinstudenten. Schlechthin ueberraschend, wie gut das war."
Obwohl alle bisher inszenierten Stuecke von zeitgenoessischen bzw. 
modernen Autoren stammen und eine Neigung zum absurden 
Theater erkennbar ist ("Die kahle Saengerin", "Sehnsucht"), hat sich 
TheaMed keiner bestimmten Richtung verschrieben. Vor jedem 
"Happening" (so Ensemble-Mitglied Bea) machen alle Mitglieder 
Vorschlaege fuer ein kuenftig zu inszenierendes Stueck. Daraufhin wird 
abgestimmt. (Die Demokratie funktioniert doch!)
Konkrete Zukunftsplaene gibt es noch nicht. Ein Problem ist allein 
schon die Tatsache, dass der Romanische Keller, uebrigens die 
meistbespielte Amateurbuehne in Mittelbaden, schon wieder bis Maerz 
naechsten Jahres komplett ausgebucht ist.                                      
(asb)



Diskrete Liebhaber und Berufspolitiker - ruprechts "25 Buecher der 
"Weisheit", 3. Lieferung

Ein wenig muede ist sie geworden, die Eule der Minerva, die schon 
den Roemern Symbol der Weisheit war und dem ruprecht als 
Erkennungszeichen fuer das Projekt der "25 Buecher der Weisheit" 
herhalten muss. Fuer diese Ausgabe - die letzte im laufenden Semester 
- haben sich nur zwei Heidelberger Hochschullehrer zur Mitarbeit 
gewinnen lassen. 
Das Konzept der "Weisheit", inzwischen dem einen oder anderen 
Leser vielleicht schon vertraut: Per Anschreiben bitten wir (nach 
voellig ungeordneten Kriterien ausgewaehlte) Dozenten verschiedener 
Heidelberger Fachbereiche zur Buchanzeige. "Ziel Ihrer 
Empfehlung", so heisst es in unserer Ausschreibung, "soll es sein, 
Studierenden, die das jeweilige Fach nicht selbst studieren, sich aber 
dafuer interessieren, ein Buch vorzustellen, das ihnen - in einer 
moeglichst auch fuer den aufgeschlossenen Laien verstaendlichen Weise 
- einen ersten Eindruck von diesem Fach, von seinen wesentlichen 
Fragestellungen und Methoden, verschafft. Und das ihnen vielleicht 
auch Lust macht, sich noch eingehender mit Ihrem Fach zu 
beschaeftigen."
In ruprecht 23 und 24 veroeffentlichten wir die ersten acht Antworten 
auf unsere Anfrage (siehe "Die 1. und 2. Lieferung" im Kasten 
unten). Hier nun folgt die dritte Lieferung, mit Empfehlungen von 
einem Klassischen Philologen und einem Soziologen; weitere 
Anzeigen - darunter die eines Historikers, eines Germanisten und 
eines Mathematikers - werden in den naechsten Ausgaben des 
ruprecht erscheinen. (Red.: bpe)

Klassische Philologie

Rezensent: Prof. Dr. Michael von ALBRECHT
Seine Empfehlung: OVID, Liebeskunst. Verschiedene Ausgaben: 
Reclam und Artemis-Tusculum (lateinisch-deutsch), Goldmann (nur 
deutsch); von aelteren Uebersetzungen ist die von W. Hertzberg (1854, 
viele Neudrucke) die eleganteste.

Ovids "Liebeskunst" ist das ausfuehrlichste und bedeutendste 
Lehrbuch der griechisch-roemischen Antike auf diesem Gebiet. Es ist 
unterhaltender und witziger als das indische Kamasutram, das oft 
durch Pedanterie Langeweile erzeugt. Einige Passagen der 
Ovidischen Liebeskunst galten im 19. Jahrhundert als so anstoessig, 
dass die Uebersetzer sie ausliessen. Das erscheint heute kaum noch 
verstaendlich, ist doch das Pornographische nicht Selbstzweck, 
sondern in das Psychologische und allgemein Menschliche 
eingebettet. Dem Autor brachte das Werk kein Glueck; der Kaiser 
witterte darin eine Anleitung zum Ehebruch und bescherte dem 
verwoehnten Grossstadtpoeten eine lebenslaengliche Bedenkzeit fern in 
der Dobrudscha.
Das Werk besteht aus drei Buechern. Das erste Buch lehrt, Maedchen 
zu finden, das zweite, der Liebe Dauer zu verleihen. Bemerkenswert 
ist, dass das dritte Buch denselben Stoff vom Standpunkt der Frau 
verhandelt, also die einseitig maennliche Perspektive des ersten Teils 
durch die weibliche ergaenzt. 
Die Weisheit, die das Werk vermittelt, meidet den idealistischen 
Hoehenflug von Platons "Symposion". Selbsterkenntnis heisst hier 
zunaechst: die eigenen koerperlichen Vorzuege erkennen und sie 
gebuehrend ins rechte Licht setzen. Da koerperliche Reize jedoch 
vergaenglich sind, sollte man ihnen durch den Geist aufhelfen. Die 
von Ovid empfohlene Lektuereliste wuerde jedem philosophischen 
Seminar zur Ehre gereichen. Dennoch, meint Ovid, sollte man seine 
Bildung tunlichst verbergen, Liebesbriefe schlicht und natuerlich 
schreiben. Deklamieren eigener literarischer Produkte gilt als 
Todsuende. Gedichte stehen nicht hoch im Kurs und koennen 
hoechstens ausnahmsweise als Ersatz fuer ein kleines Geschenk gelten. 
Ueberhaupt liegt der Reiz des Werkes im Psychologischen ("Wenn 
deine Liebste krank ist, pflege sie; aber die bittere Arznei soll ihr 
dein Rivale reichen"). Charmant ist auch der der 
Annaeherungsversuch im Zirkus: "Schuettle hoeflich den Staub vom 
Kleid deiner Nachbarin, auch wenn keiner vorhanden ist." 
Der Problematik, einer so irrationalen Macht wie der Liebe die 
Fesseln der Kunst oder gar einer 'Technik' anzulegen, ist sich der 
Dichter bewusst. Mit verzweifelter Gelehrsamkeit weist er darauf hin, 
dass die Heroinen der Tragoedie ihren traurigen Tod haetten vermeiden 
koennen, wenn sie sein Werk studiert haetten. Die Beobachtung des 
Grossstadtlebens streift immer wieder ans Satirische. Die ehrwuerdige 
Tradition der Lehrdichtung muss ebenfalls herhalten: Die Parallelen 
zwischen Liebe und Landbau (Vergils "Georgica") sprechen eine 
beredte Sprache. Als systematisches Lehrbuch lehnt sich das Buch 
auch an Lehrbuecher der Rhetorik an, so wenn an erster Stelle die 
Lehre von der "Inventio" (Auffindung des geliebten Gegenstandes) 
steht. Wie ein guter Redner wirkt auch der Liebende dann am 
ueberzeugendsten, wenn er selbst von seiner Sache ueberzeugt ist. 
Ovid ist kein Ritter Frauenlob, und manche Passagen des Buches 
klingen recht ruecksichtslos, doch muss man in Rechnung ziehen, dass 
hier beabsichtigt ist, schuechternen jungen Maennern Mut zu machen. 
An spaeteren Stellen zeigt sich, dass gegenseitige Ruecksicht und 
Diskretion Grundzuege der ovidischen Weisheit sind. Die Frau 
erscheint nicht nur als Lustobjekt, sondern als Partnerin. Kann es 
eine schoenere Huldigung an ihre faktische Ueberlegenheit geben als 
die Bitte, uns Maennern doch die Illusion zu lassen, wir seien Helden? 
- Michael v. Albrecht

Soziologie

Rezensent: Prof. Dr. M. Rainer LEPSIUS
Seine Empfehlung: Max WEBER, Politik als Beruf (1919). Reclam, 
Stuttgart 1992, DM 4.

Das Handeln des Menschen wird von seinen Motiven, Interessen und 
Wertueberzeugungen bestimmt, doch er verhaelt sich immer in 
Handlungssituationen, die sozial strukturiert sind. Das 
Spannungsverhaeltnis zwischen "Individuum und Gesellschaft" 
durchzieht auch die Soziologie, die sich ja primaer mit der sozialen 
Strukturierung des Handeln der Menschen beschaeftigt. "Politik als 
Beruf", der inzwischen weltberuehmte und klassische Text Max 
Webers, zeigt die Dramatik dieses Spannungsverhaeltnisses klar und 
eindringlich. Die Aufgaben des Politikers, seine Motive und Wert-
beziehungen und die Flogen seines Handelns analysiert Weber in 
dem Gegensatzpaar von "Gesinnungs- und Verantwortungsethik", 
ihrer Verschraenkung und ihren Folgen fuer die Politik. Zugleich 
entwirft er einen umfassenden analytischen Rahmen fuer die 
typologische Erfassung der Rekrutierung von Politikern und ihren 
"Fuehrungschancen".
Webers Analysen des Staates als Herrschaftsverband thematisiert das 
Spannungsverhaeltnis zwischen Legitimitaetsglauben und 
Organisation der Machtverwaltung, die Gegensaetzlichkeit der 
Strukturprinzipien von Buerokratie und Parlamentarismus, von sozial 
strukturierten Handlungsbeschraenkungen und individuell 
erreichbaren Durchsetzungschancen. Seine Analysen waren vom 
Zeitkontext der Umbruchsphase der Jahre 1918/19 beeinflusst, aber 
die analytische Kraft seiner Begriffe und Theoreme bewaehrt sich bis 
heute. So ist seine Schrift nach wie vor aktuell und zugleich ein 
Muster fuer die soziologische Erschliessung des politischen Prozesses, 
ja darueber hinaus ein Paradigma fuer die Probleme soziologischer 
Erforschung der Handlungssituation des Menschen.
Die moderne Soziologie ist eine empirische Einzelwissenschaft, die 
im Kreis der anderen Sozial- und Verhaltenswissenschaften der 
Selbstreflexion des Menschen dient. Die von Max Weber entfaltete, 
intertemporal und interkulturell vergleichende typologisierende 
Methode bestimmt bis heute die Fragestellungen der gesamtgesell-
schaftlichen Analyse. - M. Rainer Lepsius


Die "Weisheitsbuecher", 1. & 2. Lieferung (siehe ruprecht 23 & 24)

ALTE GESCHICHTE 
Karl CHRIST, Geschichte der roemischen Kaiserzeit von Augustus 
bis Konstantin, Muenchen 1992 (Prof. Geza ALFOeLDY).
VOLKSWIRTSCHAFTSLEHRE
Maurice LEVI, How Economic Principles Can Contribute to Clear 
Thinking, New York 1985, dt: Volkswirtschaftlich denken, 
Basel_Boston-Stuttgart 1987 (Prof. Juergen SIEBKE / Dipl.-Vlkswrt. 
Ulrich ROLF).
ANGLISTIK
William SHAKESPEARE, King Lear, u.a. bei Reclam (Prof. em. 
Kurt OTTEN).
POLITISCHE WISSENSCHAFT
Dolf STERNBERGER, Drei Wurzeln der Politik, Frankfurt 1984 
(Prof. Frank R. PFETSCH).
GESCHICHTE DER MEDIZIN
PARACELSUS, Vom gesunden und seligen Leben, Leipzig 1991 
(Prof. em. Heinrich SCHIPPERGES).
PSYCHOLOGIE 
Dietrich DOeRNER / Herbert SELG (Hrsg.), Psychologie. Eine 
Einfuehrung in ihre Grundlagen und Anwendungsfelder, Stuttgart 
1985 und: Helmut Quitmann, Humanistische Psychologie, Goettingen 
1991 (Prof. Norbert GROEBEN).
ROMANISTIK
Hadumod BUSSMANN, Lexikon der Sprachwissenschaft, Stuttgart 
1993 (Prof. Bodo MUeLLER).
GEOGRAPHIE
Mieczyslaw TAUBE, Materie, Energie und die Zukunft des 
Menschen, Stuttgart 1988 (Dr. Horst EICHLER).


Von Erdferklen und Verwandten des Menschen - das Zoologische 
Museum Heidelberg (in der ruprecht-Serie "Museen & 
Ausstellungen")

So mancher Zoobesucher findet sich des oefteren vor leeren Kaefigen 
wieder. Die Tiere liegen schlafend im Verborgenen und sind nicht zu 
sehen. Das Schild am Kaefig sagt, welches Tier zu sehen sein sollte 
und woher es stammt. Da ist guter Rat teuer, und der begeisterte 
"Zoologe" gibt sich seiner Phantasie hin, die aber den realen Anblick 
nicht ersetzen kann. 
Realitaet pur, auf wissenschaftlichen Grundlagen, ohne dabei trocken 
zu sein, zeigt das Zoologische Museum der Universitaet Heidelberg. 
Da hat jedes Schild sein Pendant, ein ausgestopftes Tiere oder eine 
Nachbildungen. 
1819 wurde das Museum als Lehrsammlung gegruendet. Bis heute 
hat es sich zu einem sehr interessanten Museum entwickelt. Auf 
engstem Raum bekommt der Besucher anschauliche Einblicke in die 
Geographie, Anatomie, Systematik und Stammesgeschichte der 
Tiere. Mit Kleintieren, Insekten, Ringelwuermern, Weich- und 
Krebstieren nimmt das Museum seinen Anfang. Von einer 
Kieferlosen Webspinne, ueber eine riesige Feldheuschrecke, bis zum 
Hummer ist alles im Original zu bestaunen. 
Weiter zeigt eine Weltkarte aus Kork, mit daraufgepinnten Schmet-
terlingen, die Ursprungslaender der verschiedensten und farbenpraech-
tigsten Tagfalter. Fische, Amphibien, Affen und Halbaffen, Kro-
kodile, Raubtiere, Hasentiere sowie "Raritaeten" der Tierwelt fuellen 
die uebrigen Schaukaesten. Besonders anschaulich ist die dargestellte 
Riesenschlange, welche gerade im Begriff ist, ein Pekari-Schwein zu 
verzehren. An einem Schaukasten mit bei uns beheimateten 
Singvoegeln kann man auf Knopfdruck die Stimme z. B. einer 
Goldammer oder eines Pirols hoeren. 
Auch die Ton-Bild-Schau ueber die Biologie der einheimischen 
Lurche oeffnet weitere Horizonte. Unter der Rubrik Huftiere, man 
hatte vielleicht ein Pferd oder eine Kuh erwartet, bekommt man ein 
aus Afrika stammendes Erdferkel (unsere Abb.) zu sehen. Das 
Zoologische Museum ueberrascht mit Tieren, die Fabelwesen gleichen 
und deren tatsaechliche Existenz dem Laien zweifelhaft erscheinen 
koennte. So auch der indische Flughund, der einer Riesenfledermaus 
gleicht, oder ein laengst ausgestorbener Vogel, die Dronte, die keine 
Riesentaube war, aber mit Sicherheit aus Mauritius stammte und von 
deren frueherer Existenz uns nur Zeichnungen berichten.
Ein Besuch im Zoologischen Museum ist eine Entfuehrung in die 
Welt der Tiere, bei der so mancher Einblick tief geht und haeufig die 
Erleichterung gross ist, dass das zu bewundernde Tier nicht leibhaft 
und lebendig vor einem steht.
Adresse und Oeffnungszeiten:
Zoologisches Museum der Universitaet Heidelberg, Neuenheimer Feld 
230, HD, Tel. 06221/565651, geoeffnet nur werktags von 9.00 Uhr 
bis 16.00 Uhr, Eintritt frei.                                    (ks)



Das geht unter die Haut - Tatto-Art, oder totale Unart

Sie spuken umher. Es gab sie schon immer. Im Winter sieht man sie 
kaum. Im Sommer dafuer umso mehr. Doch sie tauchen in letzter Zeit 
vermehrt auf. Sie erregen Aufsehen, stossen jedoch meist auf 
Ablehnung: Taetowierungen. 
In der Tat: Selbst in einem so netten Staedtchen wie Heidelberg ist es 
auffaellig. Haelt man sich in den waermeren Monaten des Jahres mit 
scharfem Auge in Freibaedern auf, so kann man einige entdecken. Ist 
es im  "Schwimmbad", "Zigarillo" oder "Cave" nicht allzu dunkel, so 
offenbaren sich ein paar stichhaltige Motive. Und es sind laengst nicht 
mehr nur Rocker, Knackies und andere dubiose Gestalten, die sich 
ihre Haut verunstalten oder verzieren lassen. Denn selbst in Studie-
rendenkreisen fallen einem manchmal Bluemchen und Tierchen ins 
Auge, die unter die Haut gehen. Verlagern wir unseren Standpunkt 
um einiges noerdlicher und treiben uns ein wenig im Hamburger 
Nachtleben (nicht nur in Hafennaehe!) herum, so finden wir die 
bedruckte Spezies fast in der Ueberzahl  vor. Dies war durchaus nicht 
immer so. Doch im Zeitalter der zahlreichen gesellschaftlichen 
Veraenderungen scheint sich hier ein weiterer Aspekt zu offenbaren. 
Selbst die "Zeit" berichtete vor kurzem vom 4. Internationalen Tae-
towierungskongress in Amsterdam und behauptete: "Dass 
Taetowierungen nicht mehr das Privileg von Motorradrockern und 
ihren Braeuten sind, ist laengst bekannt." Die Koerperbemalung gibt es, 
seit es Menschen gibt, und wird mit der Felsmalerei als eine der 
ersten kuenstlerischen Aeusserungen des Menschen bezeichnet. Die 
Roemer  setzten Brandmarkung und Nadeltaetowierung zur 
Kenntlichmachung von Verbrechern und geworbenen Soeldnern ein. 
Unter den fruehen Christen wandelten sich die zunaechst gewaltsam 
aufgedrueckten Out-Group-Stigmata zu gruppenstaerkenden und 
freiwillig erworbenen In-Group-Erkennungszeichen. Diesen 
ambivalenten Charakter, einerseits "Mal" von gesellschaftlichen 
Aussenseitern, andererseits positives Gruppenzeichen zu sein, scheint 
das Tattoo bis heute nicht verloren zu haben. 
Die eigentliche Geburt der Taetowierung als Koerperschmuck im 
heutigen Sinne fand jedoch erst im spaeten 18. Jahrhundert durch den 
legendaeren Captain Cook, der 1769 Tahiti entdeckte, statt. Er und 
seine Besatzung waren wie verzaubert von dem "irdischen Paradies" 
und seinen zum grossen Teil taetowierten Einwohnern. Die Matrosen 
nahmen sich Tattoos als Andenken mit. Captain Cook brachte jedoch 
gleich einen ganzen tahitianischen, von Kopf bis Fuss taetowierten 
Prinzen mit nach Europa und stellte ihn als Attraktion, als Symbol 
fuer das "irdische Paradies" auf Jahrmaerkten aus. Auf diesem Wege 
kam auch das Wort "Tattoo" nach Europa. "Ta-tau" ist ein Wort  aus 
der Sprache der Haitianer. Tahiti war die Gegenwelt zum damaligen, 
absolutistischen Europa, und die Taetowierung erschien den 
Europaeern als Schrift dieser Gegenwelt.
In der zweiten Haelfte des 19. Jahrhunderts kam es zu einer Art 
Boom. Die Taetowierungswut, wie man sie damals nannte, griff auch, 
die breite buergerliche Mittelschicht ueberspringend, auf  hohe und 
hoechste Kreise ueber. Die Regenbogenpresse der Jahrhundertwende 
berichtete haeufig ueber taetowierte Angehoerige europaeischer Fuers-
tenhaeuser. Taetowiert waren der Koenig von Griechenland, Prinz 
Heinrich von Preussen, Kronprinz Rudolf von Oesterreich, viele 
maennliche Mitglieder der englischen Koenigsfamilie, Prinzessin 
Waldemar von Daenemark, Erzherzogin Anna und viele andere. Die 
Kugel, die den Ersten Weltkrieg ausloeste, drang, laut offiziellem 
Obduktionsbericht, durch den Kopf einer taetowierten Schlange in den 
Koerper des Erzherzogs Franz Ferdinand. Das Buergertum vertrat 
jedoch die Meinung: "Wer sich taetowiert, ist ein Verbrecher oder ein 
degenerierter Adliger." Man konnte sich der erotisch-exotischen 
Faszinstion bunt bebilderter Leiber jedoch nicht ganz entziehen und 
besuchte Jahrmarktsbuden und Varietes, in denen 
ganzkoerpertaetowierte Maenner und Frauen als Attraktionen praesentiert 
wurden.
Durch die zwei Weltkriege verschwand die Taetowierung ziemlich im 
Hintergrund. Im Dritten Reich war das Taetowieren verboten. Bis zu 
den siebziger Jahren war das Interesse an Tattoos sehr gering. Erst in 
letzter Zeit schwappte  eine neue "Tattoo-Welle" von der Westkueste 
der Vereinigten Staaten nach Europa. Taetowierer sind nun 
zunehmend Absolventen von "Art Schools" und betreiben "Koerper-
kunst". Tattoo-Fans sehen sich als Aestheten vom Kubismus, 
Impressionismus, Expressionismus u.a. beeinflusst. 

Doch zurueck zur Gegenwart: Kann man von einem neuen 
Tattooboom sprechen? Welcher Art sind eigentlich die Motive derer, 
die sich heutzutage taetowieren lassen?
Ernst, Inhaber der aeltesten Taetowierstube Deutschlands in Hamburg, 
St.Pauli, bearbeitet laessig, aber konzentriert einen Kunden in einem 
mit Stuck und Gold verzierten, fast wie ein Salon anmutenden Raum 
und gibt bereitwillig Auskunft: Das Geschaeft laufe so gut wie lange 
schon nicht mehr. Seine Kundschaft sei ganz und gar gemischt. Er 
taetowiert Rocker, Studierende, Kuenstler, Prostituierte, einfach alle 
Bevoelkerungschichten. Selbst Lehrer und Staatsanwaelte zaehlt er zu 
seinen Kunden. Auffaellig sei, dass mindestens 60% seiner Kundschaft 
aus Frauen besteht. Ernst haelt diese Entwicklung fuer eine Mode-
erscheinung. Viele wollten einfach nur ihre Stars nachahmen. John 
Bonjovi, Axl Rose, Cher, Iman, Naomi Campbell und andere dienten 
oft als Vorbild. "In", so Ernst, ist im Moment "Blackwork", ganz in 
schwarz gehaltene Motive. Viele lassen sich auch Comicfiguren 
unter die Haut stechen. Weitere Techniken sind:: "Traditionell" 
(Palmen, Schiffe, Anker, Herzen, Pinup-Girls), "Fineline","Tribal" 
(indische, aegyptische, keltische Symbole) und "Orientalisch".
Klaus, 23, Kfz-Mechaniker (Foto),  laesst sich einen Panther auf den 
Oberarm taetowieren. Er hat schon zwei kleinere Tatoos und findet 
"das einfach geil". Beate, 28, Reisekauffrau, liess sich ein Einhorn, 
ebenfalls auf den Oberarm, taetowieren. Sie sieht in Tattoos den Reiz 
des Fremden, des Wilden. Oder ist es die Faszination des 
Unausloeschlichen? Ausserdem wollte sie gegen gesellschaftliche 
Erwartungen rebellieren.
Peter, Besitzer der Taetowierstube in Heidelberg, sieht keine 
Veraenderung im "Taetowierverhalten der Gesellschaft". Leute, die sich 
taetowieren lassen, seien eine ganz bestimmte Spezies von Menschen.. 
Doch dies naeher zu erklaeren, wuerde laenger als eine Viertelstunde 
dauern, und der naechste Kunde wartet schon... Das Geschaeft laeuft 
gut.
Anthropologen und Ethnologen beschaeftigen sich seit fast 200 Jahren 
mit dem Phaenomen dieser Koerperkunst. Sie sind sich nicht einig 
darueber, warum Tattoos mal "in" und mal "out" sind; eine 
Vermutung lautet, es koenne daran liegen,  dass Taetowierte keine 
Buecher schreiben - so wie die, die Buecher ueber Taetowierungen 
schreiben, nicht taetowiert sind. Doch vielleicht aendert auch das sich  
bald.                                     (asb)


"Haste mal 'n Heiermann fuer'n antifaschistischen Umtrunk?

Heidelberg, Hauptstrasse, im Winter 92/93: Ein langhaariger Leder-
jackentraeger, dessen Sticker ihn als Kaempfer fuer die gerechte Sache 
ausweisen, steht vor mir. 'Was denn, gleich 5 Mark? Bin doch auch 
nur Studi,' denke ich, aber weder die Statur meines Gegenueber noch 
der Zweck - is' ja fuer 'ne gute Sache - lassen Zweifel zu, ob ich 
bezahlen werde. Gibt's halt morgen kein Nutella auf's 
Fruehstuecksbrot.
Szenenwechsel: Ich stehe an der Bushaltestelle. "Entschuldige, hast 
du eben mal Zeit, bei einer Umfrage mitzumachen?" - Ich jubiliere! 
Wozu bildet sich der kritische Politologiestudent schliesslich seine 
Meinung, wenn ihn nicht irgendein Demoskop danach fragt? Ich 
antworte also ernst- und gewissenhaft. Letzte Frage: "Mit wieviel 
Mark wuerdest du misshandelte Kinder monatlich unterstuetzen?" - Ich 
stutze. - "Du bekommst auch 'ne Spendenquittung fuer die Steuer." - 
"Aehm, ... Studi, ... arm, aeh,... du verstehst?" - Offenbar nicht. Dieses 
Schlupfloch laesst er mir nicht.... Also gut: eine Einmalzahlung von 5 
Mark wird noch drin sein. Der Typ denkt jetzt sicher auch noch, ich 
sei geizig, und dabei nehme ich schon Margarine statt Butter unter 
mein Nutella-Substitut.
Wieder in der Hauptstrasse! Andreas und ich freuen uns auf's Bier 
nach der Vorlesung. Eine verschleierte Frau tritt auf uns zu, moechte 
uns ueber die Lage von Frauen im Iran informieren. - Ein wichtiges 
Thema! - Bestuerzt sehen wir Hinrichtungsstaetten mit gehenkten 
Frauen. - 'Schon schlimm dort!' Gelaeutert wollen wir in die naechste 
Kneipe, aber nach der letzten Seite: die Spendendose! Wir schauen 
uns an. Resigniert kramen wir das Restgeld zusammen: insgesamt 
vier Mark achtzig. Jetzt bleibt's wohl beim Mineralwasser. Aber ein 
bluetenweisses Gewissen! Grosszuegig werfen wir unseren Beitrag fuer 
die Verbesserung der Welt ein... 
"Ist das alles?" holt uns die Stimme sehr schnell auf's Pflaster zurueck. 
Wie? Was heisst hier: 'Ist das alles'? Soll das etwa heissen, dass ..... 
Ich spuere, wie ich wieder ganz gruen im Gesicht werde. Und sich die 
Nackenhaare stellen. Und die Haende sind wieder so haarig und 
prankig, und die Zaehne.
Als Andreas und ich uns spaeter ein Mineralwasser bruederlich teilen, 
beschliessen wir: Wir wissen alles, haben keine Meinung mehr - und 
es bekommen nur noch Leute etwas, die fuer sich selbst fragen....                                         
(rz)  



Studentische Seelenabgruende

Von SEX sollte in diesem Artikel eigentlich gar nicht die Rede sein. 
Das Wort dient hier nur als Aufhaenger (dennoch komme ich darauf 
zurueck...) Doch womit faengt dieser Artikel an? Natuerlich, mit Heiner. 
Ueber Heiner muss man drei Dinge wissen: Heiner studiert 
Psychologie im 7. Semester, ist schwul und wohnt im Zimmer neben 
mir. Ach ja: Heiner meinte, ich solle diesen Artikel schreiben. 
Worueber? "Frust und andere studentische Seelenabgruende" sind 
weniger Ueberschrift als Ursache dieses Stuecks... Studenten... hmmm, 
Studenten...wie sieht eigentlich der typische Student (so er existiert) 
aus?
Ist es der mit rosa Muscle-Shirt und Joop!-Jeans bekleidete 
braungebrannte Modellathlet, der kuerzlich neben mir woertlich 
artikulierte: "Du, und da fingen die da an mit Midnight Oil, klampf 
klampf, oh yeah, Australien geht unter, und die Salzwuesten kommen 
wieder hoch, oh yeah"? Oder doch die (offensichtlich) Germanistik 
studierende bebrillte Blondine in der Mensa: "Also ich finde, der 
Gunnar lag mit seiner Interpretation der Komik Hesses  voellig 
daneben. Man muss doch die tragikomische Relevanz seiner 
Satzstruktur..."? Gluecklicherweise war an diesem Punkt der 
Nachtisch alle, Hesse wieder unwichtig, und mir blieb weiteres 
erspart.
Steckt hier der typische Student? - Doch nicht nur WO steckt er, 
sondern auch WORIN? Steckt er in Birkenstock, Batikhose, 
Barbourjacke, Boxershorts, Bluemchen-BH oder etwa im 
BOSS-Sakko (man beachte die beachtliche Alliteration)? Ist es die 
Frau, die sich mit einem (wohl freundlich gemeinten) "Was sagtest 
Du? Kein`von und zu´im Nachnamen? Du entschuldige - ich muss 
weiter!" von mir verabschiedete?
Was muss man sein, oder was muss man haben, um heute zu 
studieren? Eine Banklehre, einen dunkelgruenmetallicfarbenen Golf 
GT Special oder doch besser ein Cabrio? Braucht man lange Haare, 
eine Cannabispflanzenzucht auf dem Balkon, Ecstasy-Trips in 
Technodiscos, komplette Bibliotheken oder doch nur Kleingeld zum 
Kopieren? Beziehungen, BAfoeG, Stipendien oder was???
Muss man sich einer oberflaechlichen "Kuesschen, Kuesschen"- und 
"Alles klar?!"-Mentalitaet anschliessen, sich auf Triplex-Parties und im 
"Sorry, aber 5 Japaner auf einmal duerfen hier nicht rein"-Zigarillo 
sehen lassen, in der "Bar 3" abstuerzen oder doch besser zu jeder 
Vorlesung 10 Minuten zu spaet kommen und 5 Minuten vor Schluss 
gehen (fast nix verpasst, aber trotzdem aufgefallen)?
Vielleicht hilft uns das arithmetische Mittel weiter: Der Heidelberger 
Student ist zu 52% maennlich, zu 89,03 % deutsch, studiert mit einer 
Wahrscheinlichkeit von 0,2 Medizin (jeder fuenfte) und 0,00014 
Indogermanistik (jeder 7105.) und bewohnt 14,7 m2 mit separatem 
WC und Kuechendusche in 2,4 km Entfernung zur Uni.
Und das soll die Wahrheit sein? Wen interessiert das schon?! 
Apropos Interesse: Was den Studenten von heute auf jeden Fall 
auszeichnet, ist Desinteresse und eine "Schau`n mer 
mal"-Einstellung. Wer wuerde schon auf die Strasse gehen, sollte der 
hinverbrannte Vorschlag  von Studiengebuehren  bittere Realitaet 
werden? Hier gilt: Was mich nicht betrifft, macht mich nicht heiss! 
Auch die letztjaehrige Lichterkette: Wo unter den 8.000 
Demonstranten waren die 30.000 Studenten?
Die werden offensichtlich nur von Kultthemen angelockt ("Was, Du 
warst nicht bei Martin Walser?" oder: "Der Marcel war ja sooo 
toll..."), und auch der Umweltschutz ist in studentischen Kreisen kein 
relevantes Thema mehr ("Ich raff`s mit der gelben Tonne a net, ich 
schmeiss halt alles nei...") Stell Dir vor, es sind Uniwahlen und einer 
geht hin - Rekordbeteiligung!
Sind die Klosprueche Spiegelbild der Studenten, die Studenten 
Spiegelbild der Gesellschaft, die Gesellschaft Spiegelbild der Politik? 
- Oder ist doch eher umgekehrt die Politik Spiegelbild der 
Gesellschaft, diese Spiegelbild der Studenten und wir Spiegelbild 
unserer Klosprueche? Sind wir spaeter diejenigen, die von Betroffenheit 
und Bestuerzung reden und nicht handeln? Wahrscheinlich ist das 
alles ganz simpel und liegt schlicht und einfach an der 
tiefverwurzelten egoistischen Erfolgsgeilheit unserer Gesellschaft 
(deren Spiegelbild wir Studenten ja sind, oder wie war das?). Die 
Ursachen liegen naemlich immer viel "tiefer", so wie auch bei der sog. 
Auslaenderfeindlichkeit. Die beginnt schon am Strassenrand, wenn 
man den langhaarigen Dunkelhaeutigen eben nicht mitnimmt, ganz 
einfach, weil es bei ihm natuerlich viel wahrscheinlicher ist, dass er 
einen mit vorgehaltener Pistole auf einsame Waldwege lockt, um 
einem mit dem Messer die Brust zu perforieren.

Und damit waeren wir wieder bei Heiner. Nach der Lektuere des 
Artikels meinte er, meinen Frust sei ich jetzt ja los, und das Ganze 
waere wohl nur aus "sexueller Unausgeglichenheit" (Zitat Heiner) 
entstanden, womit wir wieder beim Eingangsthema angelangt sind. 
Wer von uns beiden - Heiner oder ich - des naechtens den groesseren 
"Laerm" veranstaltet, darueber sei hier das Maentelchen des Schweigens 
ausgebreitet. Schliesslich sind auch Heiner und ich "typische" 
Heidelberger Studenten. Und jetzt darf sich jeder an die eigene Nase 
fassen. Und ueberhaupt. Ich mach`s ja auch. (J.K.)



Personals

Jutta: Ich liebe Dich, aber nimm nie - NIEMALS - wieder etwas von 
meinem Teller. - Karl.
Deirdra: In meinem Herzen sitzt Du immer in der ersten Reihe, Baby. 
- J.
Herr W.: Ich wuerde es begruessen, wenn Sie auf den Kebap zuvor 
verzichten koennten, wenn Sie das naechste Mal in meine 
Sprechstunde kommen. - Prof. S.
Urte: You've gotta find something / To carry you through, carry you 
through, carry you through (Van Morrison) - Horst.
Harald: Mir gehen die Ideen aus. Nur nicht ungeduldig werden! - B.
Sigmund: Ein bisschen Gottfried Benn hie und da ist nicht genug. - 
Thilo.
Gerd: Hab ich NICHT. - P.
He meine kleine Kreatur! Ich fuehl' mich alleine ohne Dich!
Stephan (PH, PH, PH!): Wahnsinn, dieses Erdferkel!
F.: Die Grossen dieser Welt kochen auch nur mit Wasser! - B.
Henning: Das mit den Salmonellen in den Bahlsen-Chips haettest Du 
mir auch ein bisschen frueher sagen koennen. - Joerg.
Rolf: Du hast sie wirklich, die Chirurgen-Haende. - K.
Bertram: Der Starschnitt ist ein weiterer Quantensprung unseres 
Kindes. - H.
Proseminar Kolbe: Ihr beide - "Du, Punkt 1 und 2 verstehe ich noch, 
aber bei Punkt 3 habe ich die beiden ersten wieder vergessen" - geht 
mir maechtig auf den Senkel. - L.
JoKer: Meinetwegen. Bleib laenger.
Werner, Gerd, Heike, Annette: Your study group is the blind leading 
the lame. - S.
Peter: Vergiss es. - G.
H.: Pushy, pushy; scary, scary. - C.&I.
Ruth: Du bist echt tief. - Dein Taucher.
Michi: Sehr elaboriert, Dein Code! Weiter so - bis zur naechsten 
Sinnkrise. - Die erste Reihe.
Pit: Das mit dem Werner ist nur vorlaeufig, ehrlich. - Lore.
Markus & Katharina: Herzlichen Glueckwunsch! - R.
Hi Julius: Ist die Flasche warm genug? - G.
Matthias: Wenn Du Dir noch mehr Zeit mit Deiner Diplom-Arbeit 
laesst, ist Dein Prof. am Herzkasper gestorben. - D.
Lieber Urbi: Was fuer einen doofen Namen Du doch hast. - Dein 
Orbi.
Thomas: Dass Du ein Kriecher bist, weisst Du hoffentlich. - W.
An unseren Verfuehrer: "Enttaeuschung" waere noch zu wenig gesagt. - 
Die Frauen, ...
Ruthild: Longtemps, je me suis couche de bonne heure. - F.
Alex: Glueckwunsch zum Einzug ins "Studio 57". - Die Jungs.
Einsamer Wolf auf dem Balkon: Ich mag Deine Shorts. - Susanne.
An das Pfaffengruender Dreieck: Habt Ihr schon eine Spitze verloren? 
- F.
Reiner: Du schaffst es, Du schaffst es! - Gruss vom Es-Ich.
Ralf: Wann, sagtest Du, wuerdest Du wieder Bier trinken?
Elg: Jeg er glad i deg! - Tysker'n.
Frischling: Not really, not at all... - Der Aussenminister.
Sylke: Entschuldige, ich hatte geglaubt, ich koennte damit warten, bis 
wir uns naeher kennen. - L.
Holger: Was ich immer sage - Germanistik studieren all diejenigen, 
die den Eindruck haben, noch ein bisschen Deutsch zu lernen, koennte 
ihnen guttun. - J.
Birthe: Watch out for the guys in the football uniforms up there at St. 
Paul´s. - Anja.
He: Geschafft.
"Festplatte": 'Tschuldigung. War nicht so gemeint. - Chauffeur.
Fred: I like to be kissed before I´m fucked over. - Hans.
Inge: Daumenlutschen verbrennt nun ueberhaupt gar keine Kalorien. - 
Kaept'n Thunfisch.
He Spanner! Komm doch mal rueber, ´ne Tasse Onko trinken. - L.
Chris: 105! - Der Triumphator.
Harald: 05.07./01:39: Wir schaffen´s bis halb zehn. - B.
Bertram: 05.07./14.14: Das naechste Mal aber ganz bestimmt! - H.



Ruprecht-Editorial

Freiheit ist die Einsicht in die Notwendigkeit. Wenn die 
Notwendigkeiten zunehmen, nimmt die Freiheit eventuell ab. 
Vielleicht erst einmal fuer die Andern.
Die Notwendigkeit ist das wichtigste Argument unserer Politik 
geworden, seit nicht mehr regiert, sondern nur noch auf 
unabaenderliche Sachzwaenge und wirt-schaftliche Imperative reagiert 
wird. Wer sich immer nach dem Schwaz richtet, kommt irgendwann 
auf den Hund. 
Das Hauptargument fuer die akuten Notwendigkeiten ist die 
veraenderte Situation nach dem Fall der alten Grenzen. Dadurch 
stossen wir an unsere inneren Grenzen. Genauer gesagt, unsere 
inneren Grenzen treten in Erscheinung. Die Moeglichkeit unseres 
inneren Wachstums scheint begrenzter zu sein, als wir noch vor 
kurzem glaubten. Jeder versucht, so gut wie es geht, seine Grenzen 
zu schuetzen, seine innere Sicherheit sicherzustellen.
Bisher hat die Freiheit uns nichts gekostet. Darum - so heisst es - war 
sie uns nichts wert. Ein Werteverlust durch zu geringe Knappheit. 
Jetzt wo die Knappheit zunimmt, wird uns ihr Wert bewusster 
werden.
Trotziger  Egoismus  hilft uns in dieser Situation nicht weiter. Wenn 
man lange genug nachdenkt, vernuenftig abwaegt - von einer 
Waagschale in die andere -, wird man einsehen, dass in bestimmten 
Situationen des negativen Wachstums bestimmte Massnahmen 
unvermeidlich sind. Diese Massnahmen zu akzeptieren bedarf es 
einer gewissen Erwachsenheit.
Z.B. finanzieren die Studenten ueber diverse Steuern die Gehaelter 
ihrer Dozenten: Mineraloelsteuer, Mehrwertsteuer, Tabaksteuer, 
Kaffeesteuer, Brandweinsteuer, Zoelle und diejenigen Steuern, die 
sowieso in allen Preisen enthalten sind.
In Zeiten der zunehmenden Notwendigkeiten, sollte man naeher 
zusammenruecken. Zumindest proportional. Wenn Studenten, deren 
Studienplaetze von nichtakademischen Steuerzahlern finanziert 
werden, 1000 DM pro Semester mittragen sollen, dann kaeme man 
ungefaehr auf 5000 DM fuer einen Professor, die jener fuer seinen von 
nichtakademischen Steuerzahlern bezahlten Arbeitsplatz pro 
Semester zur Rettung der Universitaetsfinanzierung beitragen koennte. 
Eine Bezahlung, die ihm u.a. auch fuer eine vernuenftige Organisation 
des Studiums gezahlt wird. Das heisst aber, regieren und nicht nur 
reagieren.
In Zeiten der zunehmenden Notwendigkeiten, sollten wir naeher 
zusammenruecken und unsere inneren Grenzen ueberwinden, um die 
freiheitliche Atmosphaere zu erhalten. Auch finanziell. Ruecken Sie 
etwas naeher, Herr Ulmer. Mit 5000 DM sind Sie dabei.
Falls aber die StudentInnen nicht einmal reagieren - die Moeglichkeit 
zu regieren, haben sie ja nicht -, wenn sie sich der Knappheit erst 
bewusst werden, durch die Einschraenkung eines bestimmten Wertes, 
dann betrachten Sie dieses Editorial bitte nur als eine aesthetische 
Uebung. 
Mit freundlichen Gruessen - ruprecht.



Leserbrief

zu "Sandkastenspiele - Heidelbergs Studierende duerfen wieder 
Alibi-Vertreter waehlen" in ruprecht 24

Liebe Redaktion,

der Aufmacher von ruprecht im Juni hat mich, der ich mich als 
Alibivertreter zu den Uniwahlen habe aufstellen lassen, in tiefe 
Verwirrung gestuerzt. Nein, halt - erst einmal war ich stinkesauer. 
Wenn man sich fuer den Fakultaetsrat hat aufstellen lassen und somit 
um jedes Prozentpuenktchen Wahlbeteiligung kaempt und bangt, 
bekommt man einfach das kalte Grausen, wenn am Tag vor dem 
Urnengang der Ruprecht die Wahl selbst in der Headline zu einer 
Alibiwahl abstempelt.
Habt ihr auf der Suche nach einer knalligen Ueberschrift denn den 
Verstand verloren? Wer geht denn noch zu einer Wahl, stellt sich 
fuenf Minuten in eine Schlange, um die bestehenden Macht-
verhaeltnisse zu zementieren, indem er oder sie diese auch noch durch 
die Abgabe seiner/ihrer Stimme unterstuetzt? Fuer mich war klar: die 
wollen die Leute vom Waehlen abhalten, um diese Wahlen als Farce 
zu entlarven. Ganz schoen clever.
Bei der Lektuere des Artikels und der "Propaganda" im Innenteil 
wurde meine Verwirrung jedoch komplett. Wer zweieinhalb Seiten 
auf die Wahlen verschwendet und am Ende vom Aufmacher 
behauptet, dass wer sich vom Waehlen abhalten liesse, den Leuten 
helfe, die keine studentischen Stoerenfriede in den Gremien sehen 
wollen, der muss doch fuer eine hohe Wahlbeteiligung sein - oder?
Nun bin ich voellig konfus, alle meine bislang bewaehrten 
Erklaerungsmuster versagen angesichts einer solch ungemein 
dialektischen Position, wie sie der ruprecht hier vertritt. Oder eine 
andere Interpretation: ihr habt beim wichtigen Thema Uniwahlen 
absolut schwachsinnig und widerspruechlich argumentiert. Ich wuesste 
zu gerne, was sich Harald Nikolaus denn bei seinem Artikel gedacht 
hat (wenn ueberhaupt) und welches seine persoenliche Meinung ist.

Mit freundlichen Gruessen,
Thomas Mueller


Lieber Thomas,

Tatsaechlich habe ich mir bei diesem Artikel etwas gedacht: Diese 
Wahlen haben nun einmal zwei Seiten. Zum einen sind sie in ihrer 
jetzigen Form - man schmueckt die Universitaet zwar mit einer 
demokratischen Prozedur, gibt den Studierenden aber nur einen 
verschwindend geringen Anteil an Sitzen in den Raeten und Senaten - 
voellig unbefriedigend und gaukeln nach innen und aussen eine 
Mitbestimmung vor, die es in den Gremien bei 10-prozentigen 
Studierendenanteil gar nicht geben kann.
Zum anderen aber brauchen die wenigen von Gewaehlten eine 
moeglichst hohe Wahlbeiligung, damit sie studentische Interessen 
zumindest durch Ueberzeugungsarbeit in den Gremien glaubwuerdig 
vertreten koennen. Sie muessen sich auf moeglichst viele Waehler, fuer die 
sie sprechen, berufen koennen.
In der Ueberschrift und z.T. im Artikel habe ich die problematischen 
Aspekte dieser Abstimmung beschrieben. Im grossen Rest (und ich 
habe mit voller Absicht 2 1/2 Seiten auf die Wahl "verschwendet") 
steht, was die Wahlen dennoch interessant macht, weshalb man 
trotzdem waehlen sollte und - in den Interviews - was die 
Hochschulgruppen vorzuschlagen haben. Haette ich die 
Unzulaenglichkeiten der Wahl wirklich unter den Tisch fallen lassen 
sollen?
Im ruprecht will ich nicht nur alle Seiten dieser Wahlen beleuchten- 
ich muss es sogar, um glaubwuerdig zu bleiben. Das ist nicht 
widerspruechlich, konfus oder gar schwachsinnig. Es ist gerade dann 
auch geschickter, wenn am Ende ein klarer Apell stehen soll: Rufe 
ich nach Darstellung aller Aspekte - auch der negativen - naemlich: 
"Trotzdem waehlen gehen!", so ist das ein staerkeres Argument fuer die 
Urne als eine viel zu oft gelesene, missionarisch-langweilige 
Aufforderung, doch bitte sein Kreuzchen zu machen.                                    
(hn)



"Die Klosprueche von heute sind die Taten von morgen."

Tatort Toilette. Der Germanistikstudent streicht sein Jacket glatt und 
oeffnet die Klotuer. Mit Wuerde. Er hat die deutsche Sprache studiert, 
ist  Meister der Formulierung, Syntax und Orthographie. Und 
geistreich - das war er schon immer. Insofern unterscheidet er sich 
nicht weiter von jedem anderen Germanistikstudenten. Nur - er hat 
ein Forum. Seine Brillianz verstaubt nicht in Nachtischschubladen 
und unter dem Tisch mit dem wackelnden Bein in der WG der 
Freundin. Ihn liest jeder. Aus seiner Wildledermappe zieht er ein 
Stifteetui: ein dicker Edding - gruen, ein duenner Edding - blau, Kuli 
und roter Lackstift. Mit Bedacht waehlt er den roten Lackstift. Jedes 
Werk braucht ein ganz bestimmtes Medium. Er schraubt den Deckel 
ab, setzt sich zurueck auf die Kloschuessel und nimmt die Situation in 
sich auf. Das Auge des Kuenstlers schweift ueber das rote 
Besetztzeichen unter der Tuerklinke nach oben, knickt nach rechts ab 
und bleibt links vom Klopapierhalter haften. Der Kennerblick schafft 
Latrinenglueck. Was er jetzt schreiben wird, bewegt ihn schon lange. 
Mit ruhiger Hand setzt er fuenf Worte an die Wand: "Toetet Wolf 
Bierman, genannt Arschloch." Der Germanistikstudent nimmt noch 
einmal Abstand, prueft, korrigiert den Punkt zum Ausrufezeichen. 
Noch ist er mit dem Gesamteindruck nicht ganz zufrieden. Mit 
raschem Strich ergaenzt er das i-Tuepfelchen der Perfektion: "Wer 
anderen in die Moese beisst,  ist boese meist!". Wuerdevoll wie er kam 
entfernt er sich von dem Ort und ueberlaesst sein Werk der 
Bewunderung anderer. 
Die Politologistudentin hat gelernt, in weltgeschichtlichen 
Zusammenhaengen zu denken. Die Rahmenbedingungen fuer Krieg 
und Frieden, die soziokulturellen Bedingungen fuer den bewaffneten 
Konflikt, hat sie ganz genau analysiert. Bisher hat sie es fuer sich 
behalten, jetzt muss es heraus. "Atomkrieg warum?", schreibt sie an 
die Seitenwand eines Klos in der Triplexmensa, "Der Atomkrieg 
findet deshalb statt, weil die Leute nur noch Ware und Besitz haben 
wollen." Beim Herausgehen vollendet sie ihren Gedankengang am 
Tuerrahmen: "Abtreibung = eine der Ursachen des Atomkrieges." Das 
war noch wichtig, allein der Vollstaendigkeit wegen.
Der Mathematikstundent kann seit drei Tagen nicht schlafen. Schon 
beginnen die zweiten Ableitungen unter seiner geistigen Zeruettung 
zu leiden. Er muss seine Frage einfach loswerden. Natuerlich hat er 
gelernt analytisch zu denken. Aber die Axiome muessen stimmen! 
Wie konnte ihn ein Klospruch  derart aus der Fassung bringen? Er 
schleicht sich auf das WC der Neuenheimerfeld-Mensa. Dort, auf der 
Tuer der letzten Sitztoilette steht eine kleine, zotige Latrinenparole: 
"Frauen muss man ficken, ueberall, von hinten und von allen Seiten." 
Mit zitternder Hand ergaenzt er: "Die Ohren auch?" Und dann schreibt 
er trotzig, was er wirklich glaubt: "Eine schoene Frau ist wie schoenes 
Wetter. Man kriegt einfach gute Laune!"
Die Altphilologin promoviert ueber die homerischen Hymnen. Sie hat 
Philosophie im Nebenfach studiert, ausserdem ist sie in der 
katholischen Kirchengemeinde aktiv. Sie hat sich schon viele 
Gedanken gemacht. Da findet man auch Antworten auf die 
tiefergehenden Fragen. Aber was ihr wirklich ganz nahe geht, das 
kommt aus dem Bauch, nicht aus dem  Kopf. Auf dem Abort der 
Triplex-Mensa zueckt sie ihren Goldfueller. Sie schreibt es seitlich 
neben den Lokus und fuehlt sich anschliessend irgendwie besser: "Ma-
terie ist Dunkelheit. Geist ist Licht." Sie ueberlegt: Soll sie noch 
ergaenzen:"Das Licht ist staerker als die Dunkelheit"? "Nein", denkt 
sie, "das muessen die Menschen selber erfahren."
Der Sozologiestudent hatte schon immer ein kritisches Bewusstsein. 
Aber er hat sein Wissen nie verheimlicht. Das waere elitaer. Man kann 
die Gesellschaft veraendern, wenn man nur einmal die Verhaltens-
weisen transparent machte!  Burschenschaften sind der intelektuelle 
Grundstock moralischer Korruption. Ursache von Rassismus, Sexis-
mus, Ausbeutung. Er wird es den Mitstudenten sagen, sie aufklaeren, 
was da eigentlich geschieht. Sein schwarzer Folienschreiber zieht 
ueber die Toilettentuer: "Burschenschaftler drehen Kinderpornos." 
Treffender kann man das nicht offenlegen. Jetzt muessen sie es doch 
kapieren!
Der Medizinstudent ist im Marstallhof auf dem Klo. Was er da an 
den Waenden liest, macht ihn betroffen. Die Geisteswissentschaftler 
sind doch ein ganz anderer Schlag denkt er. Da steckt irgendwie so 
viel dahinter. Er moechte ihnen das sagen, die anonymen Genies in 
ihrem sozialen Engagement ermuntern. Es riecht beissend nach 
Ammoniak und Harnsaeure. Der Medizinstudent zieht einen roten 
Edding aus seiner Klinikhose und ist ein einziges mal in seinem 
Leben kreativ. "Die Klosprueche von heute sind die Taten von 
morgen." schreibt er. Als er das Klo verlaesst denkt er: "Das ist wie 
mit dem Singen-Koennen. Man muss es nur probieren." 
(tb)


ruprecht-Starschnitt (1): Peter Ulmer

Genug gewartet! Jetzt gibt es auch Prof. Peter Ulmer zum Zusam-
menkleben und Als-Bildtapete-an-die-Wand-Kleben. ruprecht hat 
das schoenste Bildmotiv, das es von dem Heidelberger Rektor gibt, 
ausgesucht und praesentiert es in dieser und den folgenden 49 
Ausgaben als ruprecht-Starschnitt. Wer keine ruprecht-Ausgabe 
verpasst und die Einzelteile sauber zusammenklebt, kann sich seinen 
Rektor in Lebensgroesse in die Stube holen. Wir beginnen mit der 
Partie ueber dem rechten Brillenrand; in der naechsten Ausgabe folgt 
die Stirnlocke. (Liebhaber seiner Mundpartie werden sich uebrigens 
bis ruprecht 56 gedulden muessen.)



Glueckwunsch, Kanzler! 
Der erste ruprecht-award geht an Siegfried Kraft, Kanzler der 
Universitaet Heidelberg

Das ist der ruprecht-award

Das mit dem Verleihen ist so eine Sache. Ein alter Chauvi-Spruch 
meint, man solle auf keinen Fall Freundin, Auto und Fuellfederhalter 
ausleihen, die eigene Lebenserfahrung zeigt, dass man bei weit mehr 
Sachen mit der Verleiherei vorsichtig sein sollte. ruprecht aber 
schwimmt wie immer gegen den Strom und verleiht! Und das auch 
jetzt monatlich, konsequent und ruecksichtslos! Wieviel hochkaraetiger 
Unsinn wird taeglich produziert, wieviel originelle Schildbuergertaten 
in und um die Uni beinahe stuendlich vollbracht, ohne dass man deren 
geistigen Vaeter auch nur namentlich kennen wuerde. Damit ist jetzt 
Schluss, denn jetzt wird verliehen! Und zwar der ruprecht-award, die 
formschoene Auszeichnung fuer die Dummheit des Monats. Wer 
wollte sie nicht schon einmal schwarz auf weiss vor sich sehen, die 
Heroen (oder natuerlich Heroinnen) unserer ´universitas´? Der 
ruprecht-award macht der vielbeklagten Anonymitaet in der Unistadt 
Heidelberg  ein Ende und eroeffnet die Moeglichkeit, sich  
Don-Quijotes nicht nur als Picasso-Reproduktionen uebers Bett zu 
haengen. Und weil die ruprecht-Redakteure nicht ueber-all dort sein 
koennen, wo der Geist professioneller Dummheit umgeht, nehmen wir 
unter Telephon 21361 auch Nominierungsvorschlaege entgegen. Wer 
also denkt: "Der/die verdient noch etwas ganz anderes als das wenige 
oder viele Geld, das er ohnehin schon verdient", sollte uns auffordern, 
durchaus mal wieder etwas zu verleihen.In diesem Sinne: ein Hoch 
auf alle Preistraeger! 


Aus der Begruendung der Jury:

Siegfried Kraft hat sich in ausserordentlicher Weise um die 
aesthetische Reinheit Heidelbergs verdient gemacht.
Im Mai wurden vom Studentenwerk Heidelberg in den neuen 
Studentenwohnheimen "Europahaus II und III" auf dringenden 
Wunsch der Bewohner hin Fahraddaecher angebracht. Einige Wochen 
erfuellten die Daecher ihre Funktion. Das taeten sie auch immer noch, 
waere Herr Kraft nicht eines Tages zufaellig in den Innenhoefen 
Heidelbergs lustgewandelt. Oh aesthetisch verrohte Welt! Niemand 
haette bemerkt, dass der Schutz fuer jeweils 120 Fahrraeder dem 
verwoehnten Auge wenig schmeichelte.und dem Kanzlerauge eher die 
Impression eines metallverarbeitenden Betriebes vermittelte. 
Durch strategisch guenstigen Einsatz seines Telefons gelang es Herrn 
Kraft trotz seiner unbedeutenden Stellung als Vorsitzender der 
Eigentuemergesellschaft des Baugrundstueckes des Europahauses II, 
die umgehende Demontage des architektonischen Unrats wenigstens 
in einem der beiden Studentenwohnheime zu bewirken. 
Der Universitaetskanzler hat mit dieser notwendigen Tat bewiesen, 
dass er ein ueberdurchschnittliches Urteilsvermoegen beim Abwaegen 
von funktionellen und aesthetischen Erfordernissen besitzt. Mit 
Sachverstand und Einfuehlungsvermoegen bezog er in sein Handeln 
sowohl die finanzielle Situation der vom Studentenwerk 
subventionierten Studenten als auch die Ideale demokratischer 
Willensbildungsprozesse ein. 
Die Jury fuehlt sich in ihrem Urteil ausserdem bestaetigt durch 
zahlreiche Dankesschreiben rezessionsgeplagter Fahrradhersteller 
und des zustaendigen Bauunternehmens, ausserdem durch aesthetisch 
unerfreuliche Protestbekundungen der Europahausbewohner.