ruprecht Nr. 30 - 7. Juni 1994 Impressum
ruprecht, die Heidelberger Student(inn)en-Zeitung, erscheint 
dreimal im Semester, jeweils Anfang Mai, Juni, und Juli, bzw. 
November, Dezember und Februar. Die Redaktion versteht 
die Zeitung als unabhaengiges Organ, das keiner Gruppierung 
oder Weltanschauung verpflichtet ist. Mitarbeiter(innen) und 
Redakteur(inn)e(n) sind jederzeit  willkommen; die
 Redaktion trifft sich waehrend des Semesters jeden Montag 
um 20 Uhr im Haus der Studierenden. Fuer namentlich 
gekennzeichnete Artikel uebernimmt der/die Autor(in) die 
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V.i.S.d.P.: Harald Nikolaus, Kaiserstrasse 57, 69115 
Heidelberg.
Redaktionsadresse: ruprecht, Kaiserstrasse 57, 69115 
Heidelberg, Tel. &  Fax: 21361. e-mail: ed6@ix.urz.uni-
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ruprecht-Logo: bpe.
Layout-Konzept / - Leitung: hb, hn, bpe.
Graphiken: hn, bpe.
Druck: Caro-Druck, Kassler Str. 1a, 60446 Frankfurt a.M.
Auflage: 9.000.
Die Redaktion: Henning Banthien (h.b.), Harald Nikolaus 
(hn), Jens Blinne (jpb), Marcus Collalti (mc), Hedwig Ebinger 
(hee), Bertram Eisenhauer (bpe), Stephan Fichtner (sf),  
Jochen Kluve (jk), Harald Nikolaus (hn), Martina Parge (mp), 
Anja Steinbuch (asb), Stephan Stuchlik (step), Stefan 
Wittaschek (sw), Gundula Zilm (gz), Iris Zimmermann (iz), R
eimut Zohlnhoefer (rz).
Freie Mitarbeiter(innen): Inken Otto, Annick Golay, Frank 
Barsch, Christoph Klein-Brabender, Norbert Greiner.
Aus dem Inhalt
Macht
Die Kompetenzen des Rektors erweitern? Zwei Dozenten 
streiten sich in aepoint/counterpoint" ueber die UG-Novelle -
Kritik 
Sie bemalte das aeCave" gegen die Wiederbewaffnung und 
stritt fuer die Frauen. Im Interview: die Karikaturistin Marie 
Marcks -
Widerstand 
Die Weisse Rose - wie sie sich selbst sah und wie sie heute 
ideologisch verbraemt wird -
Herrschaft
Sisyphus laesst gruessen. Die Hochschulgruppen bemuehen 
sich redlich um  die raren Waehler -
Fokus: Asyl
Neues Asylgesetz: Wie man Asylanten zu Aktenzeichen macht
Seit drei Jahren ist er in Heidelberg. Davor schwamm er 
durchs Mittelmeer, um den albanischen Folterknechten zu 
entgehen  -
Lokaltermin
Enzensberger, Wilde, ALWAYS TOO LATE..., movies - 
kulturelles Allerlei in Heidelberg -
Rotzfrech
Die Bildungspolitik ist am Ende. Unsere letzte Seite auch
Zwei Jahre zu spaet
Die oeffentliche Drogen-Diskussion hinkt der Wirklichkeit 
hinterher 
aeWas das Bundesverfassungsgericht jetzt bezueglich kleiner 
Mengen Drogen gefordert hat, ist in Heidelberg schon seit 
zwei Jahren Praxis", offenbart Helm Jetter, Leiter der 
Heidelberger Drogen e.V. Wie in allen groesseren Staedten 
wurde auch in Heidelberg von einer Strafverfolgung 
abgesehen, wenn es sich um Gelegenheitskonsumenten mit 
kleinen Men
gen illegaler Drogen handelte. Das galt fuer den Genuss von 
Cannabis-Produkten (Haschisch, Marihuana) genauso wie fuer 
Opiate (Heroin). Doch erst als das Bundesverfassungsgericht 
Anfang Mai diese Rechtspraxis bundesweit bestaetigte, 
reagierte die OEffentlichkeit - mit einer realitaetsfernen 
Diskussion.
1990 befragte das Bundesministerium fuer Gesundheit 678 
Jugendliche zwischen 21 und 24 Jahren ueber ihren 
Erstkontakt mit Drogen. Die ueberwaeltigende Mehrheit von 
ihnen, 92,8 %, hatte schon einmal Haschisch geraucht. Als das 
Bundesverfassungsgerichts (BVG) entschied, der Besitz 
geringer Mengen Haschisch fuer den Eigenkonsum muesse  
nicht strafrec
htlich verfolgt werden, klang das fuer viele wie die Erfuellung 
eines langersehnten Wunsches. Mit aeCannabis-Weekends" 
und aeSmoke-Ins" wurde  gefeiert, was nie stattgefunden hat: 
die Legalisierung von Haschisch. Verfechter repressiver 
Drogenpolitik wehrten ab: das Urteil sei ein aefalsches Signal" 
(Beckstein, CSU).  Doch im Grunde war die Ents
cheidung des BVG nur eine Bestaetigung des  
Betaeubungsmittelgesetzes (BtMG), wie es seit September 
1992 in Kraft ist. Johann Jelen vom Rauschgiftdezernat 
Heidelberg: aeFuer unsere Arbeit aendert sich ueberhaupt 
nichts." Das BVG forderte nur eine einheitliche Regelung der 
Laender, was als aegeringe Menge" zu gelten habe. Da das 
BtMG aber nicht z
wischen aeweichen" und aeharten" Drogen unterscheidet, ist 
der NRW-Justizminister Rolf Krumsiek nicht im Unrecht, 
auch bei geringen Mengen Heroin auf eine Strafverfolgung zu 
verzichten. Doch selbst diese Diskussion kommt zwei Jahre zu 
spaet. Was das BVG in Bezug auf Haschisch bestaetigte, ist 
auch in Bezug auf andere illegale Drogen laengst Real
itaet in unserem Land.
aeManchmal geht die Rechtssprechung dem oeffentlichen 
Bewusstsein voraus", erlaeutert Dr. med. Detlev Lorenzen. Er 
ist einer von vier AErzten, die in Heidelberg 
Substitutionstherapien (Vergabe von L-Polamydon oder 
Methadon an Heroin-Suechtige) durchfuehren. 
Auch die aktive Drogenarbeit, die vor allem um 
aeSchadensbegrenzung" (Lorenzen) bemueht ist, bleibt vom   
BVG-Urteil unberuehrt. Sozialpaedagoge Jetter: aeDie 
Diskussion, ob ein Erwachsener 1 Gramm oder 5 Gramm 
Haschisch bei sich haben darf, ohne dass es strafrechtlich 
verfolgt wird, ist genauso sinnvoll wie die, ob man mit 50 
oder mit 51 Stunden
kilometern durch die Stadt fahren darf. Es ist eine rein 
buerokratische Angelegenheit." (Weiterer Bericht S. 5)                   
(iz, mc)            
Alles ruprecht oder was?
Frei gedacht, frei finanziert, umsonst zu haben
 aeWas Ulmer denkt, interessiert mich nicht", aeIch zahle 
doch keinen Semesterbeitrag fuer Papiermuell!", die 
mittaeglichen Mensagaenger machen ihrem Unmut Luft und 
verschwinden durch die gruene Drehtuer zu Fruehlingsrolle 
mit Naturreis. Da stehen wir nun, mit Stapeln der neuesten 
ruprecht-Ausgabe beladen und missverstanden wie Pennaeler 
nach de
r ersten grossen Liebe. aeHabe ich schon, ich weiss eh´alles", 
der  naechste Nichtleser hat noch originellere Sprueche parat. 
Weiss er wirklich alles? Weiss er zum Beispiel, dass wir 
keineswegs Ulmers Hauspostille sind? Dass ruprecht die 
einzige unabhaengige Studierenden-Zeitung an der 
Heidelberger Uni  ist? Dass die verlegen grinsenden jungen L
eute, die vor den Mensen mit Druckerzeugnissen durch die 
Luft wedeln, fuer wochenlange Recherchen und drei Naechte 
Layout nur eine Menge AErger mit ihren FreundInnen, sonst 
aber keine muede Mark kassieren? Dass kein Pfennig 
Semsterbeitrag in Altpapier investiert wird, sondern sich  
ruprecht ausschliesslich aus Anzeigen selbst finanziert? Weiss 
er,
 dass er  kein Werbeblaettchen des RCDS, der Roten Splitter, 
der Jusos oder der FSK in die Hand gedrueckt bekommen 
haette, sondern 16 Seiten Zeitung, deren Artikel Meinungen 
widerspiegeln, die so unterschiedlich sind wie die jeweils 
dafuer verantwortlichen Verfasser? Nein, das weiss er 
vermutlich nicht, unser Mensagaenger, und wir werden ihm 
auch 
nicht helfen koennen, wenn er sich weiterhin im Stillen 
aufregt, ueber Papierverschwendung und sein 
Vormittagsseminar. Wer montags, 20 Uhr, ins Studihaus, 
erster Stock, zur Redaktionssitzung kommt, der ist nicht nur 
herzlich willkommen, sondern dem kann auch verholfen 
werden. Zu einem bisschen mehr OEffentlichkeit fuer seine 
freie Meinung.        
		(step)
Ey!
Oral waere auch ein Wort, das sich auf Wahl reimen wuerde, 
so entnehmen wir zumindest dem Ruecklaeufigen 
Woerterbuch der deutschen Sprache, tatsaechlich aber kann 
man davon ausgehen, dass beinahe jedem Passanten im Falle 
einer dieser momentan grassierenden 
Fussgaengerzonenumfragen der Reim Qual einfallen wuerde. 
Das hat seinen guten Grund.
Da ist zum Beipiel das bekannte Sprichwort von der Tortur 
der Selektion und zum anderen Rudolf Scharping. aeDie 
Kompetenz kommt an die Macht", pries ihn  kuerzlich einer 
dieser farblosen Lokalkandidaten und aengstlichen Vorredner 
in der Stadt der verlorenen Herzen. aeEin Knaeckebrot will 
Bundeskanzler werden", sang die bajuwarische Biermoesl Blo
sn, und Gott weiss, wie Recht sie hat. Die Wahl zwischen 
zwei Pfaelzern zu haben, ist wahrhaft schon der GAU, musste 
der Herausforderer nun auch noch von Wahlkampfmanagern 
profilamputiert werden? Aber so ist das eben im Leben: Ist die 
Message annehmbar, ist der Typ daneben. Divergenz von 
Personal- und Sachentscheidung nennen das die 
Wahlforschungs
institute, ohne welche die professionelle Wahrsagerei bereits 
in der fruehen Neuzeit ausgestorben waere. UEber die 
Kommunalwahl in Heidelberg gibt es noch keine jener 
Buntdiagrammverpackungen fuer zweifelhafte Erhebungen, 
aber feststeht, dass auch hier gequaelt wird. Das gehoert nun 
mal ebenso zu Wahlen wie die originellen Plakate, die den 
Eindruc
k erwecken, muendiger Buerger sei ein Euphemismus fuer ein 
Kollektiv von konditionablen Hominiden. Und jetzt tritt auch 
noch die Studiliste an! Und zwar direkt in das Hinterteil eines 
etablierten Stadtrats, zumindest optisch. Da sage noch einer, 
der jungen Generation fehle visionaere Kraft! Stimmpotential 
fehlt ihr schon gleich gar nicht. Studis w
aehlen Studis, weil sie Studis sind, lautet das Motto.Unsere 
Qualfrage, ob es denn unbedingt wieder die in Ehren 
ergrauten Hauptamtsfachschaftler aus dem KASTRA-
Wohnzimmer sein muessen, kann jeder selbst entscheiden. 
Wer Engagement fuer die Allgemeinheit fuer 
studienverlaengernd haelt, muss eben die waehlen, die da 
sind.Oder, mit einem Reim aus de
m ruecklaeufigen Woerterbuch: 
Aufstehen statt zusehen!
	(step)
Am 15. Juni werden die Studierenden zur Uni-Urne gerufen
Der Dritte Stand waehlt
Auch in diesem Jahr geht es bei den studentischen Wahlen um 
die nackte Existenz des AStA.  Denn der wird sofort wieder 
abgeschafft, wenn die Fachschaftskonferenz, wie in den 
vergangenen 5 Jahren, die absolute Mehrheit gewinnt und die 
Entscheidungen in die woechentlichen Konferenzen der 
Fachschaften verlagert. Davon halten die ausgehebelten 
anderen
Hochschulgruppen natuerlich nichts. Deshalb muessen die 
Studierenden am 15. Juni wieder zwischen zwei Systemen 
waehlen - dem aeRaetemodell" der Fachschaften und dem 
aeparlamentarischen Modell" von Jusos und RCDS. 
Im letzten Jahr errang die FSK bei einer auf 9,2% gefallenen 
Wahlbeteiligung in den Wahlen zu den beiden Senaten  61% 
und 13 Sitze, die Jusos 17,5% und zwei Sitze und der RCDS 
13% und ebenfalls zwei  Sitze im AStA. Zum erstenmal 
kandidiert in diesem Jahr der aeRote Splitter". 
Die geringe Wahlbeteiligung liegt nicht nur an einem 
verbreiteten Desinteresse fuer Hochschulpolitk. Die 
Studierenden wissen auch, dass die studentischen Vertreter im 
Senat mit ihrem Anteil von 7,5% eher als demokratisches 
Feigenblatt denn als gleichberechtigte Partner in 
universitaeren Entscheidungsprozesse dienen.
Trotzdem ist eine groessere Wahlbeteiligung enorm wichtig: 
Denn gerade die in den Senaten und  in den ebenfalls am 15. 
Juni zu waehlenden Fakultaetsraeten gefaellten Beschluesse 
beruehren jeden Studierenden unmittelbar. Und je mehr 
waehlende Studierende die studentischen Vertreter hinter sich 
haben, desto schwerer koennen sie in diesen Gremien ign
oriert werden.                                                 (hn)
ruprecht befragte die antretenden Hochschulgruppen zu ihren 
Aktivitaeten und Wahlversprechen: S. 6/7
aeWas machste denn nu?"
Marie Marcks' Karikaturen machen den aeMarsch durch die 
Institutionen"
Bellend begruesst uns im kopfsteinbepflasterten Innenhof des 
Bauernhauses ein kleiner schwarzer Hund. Schon seit 
Jahrzehnten wohnt die heute 72jaehrige Marie Marcks in 
diesem Handschuhsheimer Haus, in dem sie ihre Kinder 
aufgezogen und an dem verkritzelten Arbeitstisch ihre 
bekannten Karikaturen  gezeichnet hat. Seit den fruehen 60er 
Jahren publiz
iert die in Berlin gebuertige Karikaturistin regelmaessig in 
grossen Zeitungen wie der Sueddeutschen Zeitung, der Zeit 
oder der Titanic. Ihre feinsinnigen Zeichnungen zu Rassismus, 
Umweltschutz oder Feminismus erlauben keine klischeehafte 
Zuordnung: Sie ist sowenig Radikalfeministin, wie sie 
Hausfrau ist. In ihrem sonnendurchfluteten Arbeitszimmer
setzt sich die zierliche Kuenstlerin mit ihren kurzen grauen 
Haaren, dem blauen Kordhemd, das ueber der braunen 
Wildlederhose haengt, und den weissen Turnschuhen in einen 
Sessel. Dann blickt sie keck zu uns: aeNu fangen wir an, ja?"   
ruprecht: Frau Marcks, Sie behandeln Themen der 68er-
Bewegung wie Nationalsozialismus oder Emanzipation in 
Ihren Werken - allerdings schon seit den 50er Jahren. Sehen 
Sie sich als eine Vordenkerin der 68er-Bewegung? 
Marcks: Nein, eigentlich nicht. Ich wuerde sagen, dass jeder 
halbwegs reflektierende und zeitungslesende Mensch 
rechtzeitig in der Lage sein musste, kommende Bewegungen 
und Gefahren vorherzusehen. Dass der Neonazismus heute 
solche Blueten treibt, ist kein Wunder. Das fing sofort nach 
dem Krieg wieder an: die Beamten, die waren fast alle in der 
Par
tei und wurden fast alle wieder in den Staatsdienst 
aufgenommen. 
ruprecht: Aber haben Sie durch Ihre Karikaturen einen 
Anstoss gegeben? 
Marcks: Der eigentliche Anstoss kam von den Geschehnissen 
selbst. Da waren die Atomversuche auf dem Bikini-Atoll. Ich 
hatte damals gerade zwei Kinder, und der Bau von 
Atombomben ging in Serienproduktion. Da fragte ich mich: 
aeWas machste denn nu?" Wir sind damals sehr viel 
empfindlicher als heute gewesen. Der Krieg war gerade 
vorbei,  und es ging
 gleich wieder weiter, nur noch viel schlimmer: Hiroshima und 
die Serienproduktion der Atombombe in West, dann auch in 
Ost. Ich hatte zu Hause erlebt, dass das reine Gegen-die-
Nazis-sein, was meine Eltern durchaus waren, ueberhaupt 
nichts genuetzt hatte. Also habe ich mir gesagt, dass ich 
irgendwas machen muss, was in meinen Moeglichkeiten steht. 
Ich entschied mich,  Karikaturistin zu werden, aber 
unmittelbar nach dem Krieg war man vor allem mit diversen 
UEberlebensstrategien beschaeftigt. Zum ersten Mal politisch 
engagiert hatte ich mich gegen die Wiederbewaffnung 
Deutschlands. Zu diesem Zweck bemalte ich die ganzen 
Gewoelbe des Cave. Andere fruehe Themen waren die 
Atombombenversuche, der
 Neonazismus und die Verflechtung von Forschung und 
Ruestung.
ruprecht: Sie sind seit 1948 in Heidelberg. War Heidelberg 
damals attraktiver fuer Kuenstler? Marcks: Die ganze Stadt 
war attraktiver, nicht nur fuer Kuenstler, sondern generell fuer 
Intellektuelle. Nach 12 Jahren Nationalsozialismus herrschte 
ohnehin eine grosse Aufbruchstimmung, und Heidelberg war 
zudem ganz unzerstoert. Die Universitaet war nicht so 
getrennt von der uebrigen Bevoelkerung: Professoren erhoben 
oeffentlich ihre Stimme zu P
roblemen der Politik und Stadtentwicklung. Heute ist die 
Universitaet ein Staat im Staate. Katastrophal fuer dieses 
lebendige Heidelberg war die 20jaehrige Herrschaft des 
frueheren OB Zundel. Zundel verhielt sich den Intellektuellen 
und Kuenstlern gegenueber ausgesprochen feindlich. Das lag 
wohl im Trend der Zeit. Die Gesellschaft konsolidierte si
ch, und die Adenauer-AEra  daempfte  die Lebendigkeit.
ruprecht: Sie aekaempfen" in Ihren Karikaturen gegen die 
Umweltzerstoerung, bleiben dabei aber, im Gegensatz zu 
vielen Umweltschuetzern, immer humorvoll und 
optimistisch...
Marcks: ...optimistisch? Ich weiss nicht. - Umweltthemen 
habe ich in der Tat schon sehr frueh behandelt. 1970 war ich 
zufaellig an dem Tag in New York, an dem der erste aeEarth 
Day" gefeiert wurde. Das hat mir wahnsinnig imponiert. Als 
ich nach Deutschland zurueckkam, wollte ich so etwas auch 
hier durchfuehren. Aber alles ohne Erfolg. Ich war ein
fach zu frueh dran. UEber Umwelt wollte niemand etwas 
wissen, im Gegenteil, man wollte das Thema niederhalten.
ruprecht: In anderen Karikaturen behandeln Sie Probleme wie 
Auslaenderfeindlichkeit oder Faschismus. Wirkt Ironisierung 
und Humor hier nicht verharmlosend?
Marcks: Was heisst Humor? Ich habe sehr scharfe Aussagen 
gemacht. Beispielsweise schon 1978 eine Bildergeschichte im 
Vorwaerts: Ein brennender Mensch sucht Asyl und wird 
laufend abgelehnt. Dann brennt sein Antrag, was 
Sachbeschaedigung ist. Schliesslich ist der Mensch ein 
Haeuflein Asche und der Beamte sagt: aeWenn´s ein echter 
Asylant war, steht
 er jetzt auf wie Phoenix aus der Asche." Damals brannten 
noch keine Asylantenheime. Verharmlosend war das nicht.
ruprecht: Kennen Sie Tabu-Themen?
Marcks: Ja, die gibt es durchaus. Bestimmte Frauenthemen 
beispielsweise, bei denen ich es mir sehr genau ueberlege, ob 
ich meine Geschlechtsgenossinnen in die Pfanne schlage. Das 
mache ich schon manchmal, wenn die zu bloede sind. 
Grundsaetzlich empfinde ich in diesem Falle aber eine 
uebergeordnete Solidaritaet. Ein Gegenbeispiel:  Die Titanic 
hatt
e einmal den Kabarettisten Hans-Dieter Huesch, einen 
unentwegten Kaempfer, gemein angegriffen, nur weil der 
einen anderen Stil hatte. 
ruprecht: Sie hatten vorhin den Universitaeten mangelndes 
politisches Engagement vorgeworfen...
Marcks: Ja. Ich finde es tief tragisch, dass die Studenten so 
unpolitisch sind. 
ruprecht: Sie haben sich niemals gescheut, gegen den Zeitgeist 
zu handeln. Glauben Sie, dass sich die Gewichte heute mehr 
zum Konformismus hin verschoben haben?
Marcks: Sicherlich. Aber ich entstamme natuerlich einer ganz 
anderen Zeit. In der Nazi-Zeit war alles diktatorisch 
reglementiert. Nach Kriegsende fing das Leben wieder so 
richtig an. Sich jetzt freiwillig in einen Job hineinbegeben, in 
dem man einen Vorgesetzten hat, kam fuer mich nicht in 
Frage. 
ruprecht: Wo sehen Sie die Ursachen fuer den Konformismus?
Marcks: Das ist schon seit langem eingeleitet worden. Die 
68er-Bewegung ist niedergedrueckt und die 
emanzipatorischen Ansaetze in den Schulen sind sehr bald 
zunichte gemacht worden. Ende der 60er Jahre wollte fast 
jeder junge Mensch Lehrer werden, um die Kinder 
menschlicher und freier zu erziehen. Nichts Schlimmeres 
konnte doch der Industrie und d
er CDU passieren! Das ganze Reformvorhaben wurde 
rueckgaengig gemacht. Die Weichen zur heutigen Apathie 
sind damals gestellt worden. Schlimm war, dass sich die 
ehemals linken Lehrer so gewandelt und nicht widerstanden 
haben. Die Kinder sind belogen worden. 
ruprecht: Sie sagen von sich selbst, keine aeRadikalfeministin" 
zu sein. Was hindert Sie daran?
Marcks: Ich habe schliesslich auch zwei Soehne. Wenn ein 
Mann etwa nur  wegen einer Frauen-Quote nicht genommen 
wird, ist das bloedsinnig. Ansonsten bin ich sehr dafuer, dass 
Frauen zum Zuge kommen, denn man sieht es doch ueberall, 
dass Maenner die guten Jobs und Preise unter sich verteilen.
ruprecht: Sie sind die Meistgedruckte Ihres Faches. Sind Sie 
in der Gesellschaft, die Sie kritisieren, nicht recht weit 
gekommen?
Marcks: Vielleicht. Ich habe festgestellt, dass meine 
Karikaturen genau das machen, wozu die Linke immer 
aufgerufen hatte: den aeMarsch durch die Institutionen". Und 
die machen das von ganz alleine. Frueher habe ich in kleinen 
linken Zeitschriften publiziert. Dann in der Tagespresse, die 
Zeit, die ja ein buergerliches Blatt ist, kam auch angewack
elt, und dann wurde viel nachgedruckt: in Schulbuechern, 
selbst bei kirchlichen Verlagen, die allerdings Karikaturen 
ueber den Par. 218 ausklammerten. Ich habe nichts dagegen, 
dass meine Karikaturen dort erscheinen. Wieso sollen sie denn 
nicht auch dort ihre Wirkung haben? Aus reinem Purismus so 
etwas abzulehnen, ist unsinnig. Unser Problem ist es o
hnehin, dass wir uns nur vor dem eigenen Publikum 
produzieren. 
ruprecht: Derzeit laeuft in Heidelberg eine Ausstellung zur 
aeWeissen Rose". Sophie Scholl wurde ein Jahr vor Ihnen 
geboren. Was empfinden Sie bei diesem Gedanken?
Marcks: Vor allem habe ich damals viel empfunden. Wir 
erfuhren erst davon als sie schon hingerichtet war. Da habe 
mir gedacht: aeDie hat was gemacht und du nicht." Ihr 
Widerstand hat mir sehr imponiert und zugleich einen 
Minderwertigkeitskomplex bei mir ausgeloest. Natuerlich war 
es sehr leichtsinnig, was die gemacht hat, aber dennoch... 
AEhnlich
 ging es mir nach dem 20.Juli.
ruprecht: Wieso haben Sie keinen Widerstand geleistet?
Marcks: Sie glauben gar nicht, wie schwierig diese Frage ist, 
und wie ich nicht muede werde, dieser Frage nachzugehen. 
(Denkt lange nach.) Noch heute kann ich keine klare Antwort 
darauf geben. Ich persoenlich hatte das Glueck, kritische 
Eltern gehabt zu haben. Deshalb hatte ich Rueckendeckung, 
wenn ich mich etwa mit meiner juedischen Freundin  sol
idarisiert hatte. Aber wer hatte das schon? Die gesamte 
Entwicklung hin zum Nationalsozialismus setzte doch sehr 
frueh ein. Antisemitismus war schon im Kaiserreich stark 
verbreitet, und die Universitaeten, die die oeffentliche 
Meinung stark beeinflussten, waren rechts, dass es nur so 
knallte. Ich will nichts entschuldigen, aber der Hitler war kein
e Urzeugung. Genausowenig wie Solingen eine ist.
ruprecht: Unter jungen Leuten herrscht heute die grosse 
Planlosigkeit: aeWas soll ich werden?" War es bei Ihnen 
schon immer klar, dass Sie Kuenstlerin werden wollen?
Marcks: Nein. Ich moechte heute nicht unbedingt 20 Jahre alt 
sein.  Ich hatte das Glueck, in einer Zeit erwachsen zu 
werden, in der jeder Beruf gebraucht wurde. Kuenstlerin, 
wenn ich das mal so nennen darf, bin ich geworden, weil ich 
nichts anderes konnte und zu Hause bei den Kindern arbeiten 
wollte. Ein Zufall war es auch, dass Karikaturen auf ei
nmal aein" waren. Die Themen lagen auf der Strasse: Schon 
als kleines Maedchen habe ich mich darueber empoert, dass in 
den Kunstbuechern nur nackte Frauen, nie aber nackte 
Maenner abgebildet waren. Oder in den Karl May Buechern: 
die Frauen wurden dort bestenfalls gekidnappt. Wer will denn 
so eine Rolle spielen? 
ruprecht: Zurueck nach Heidelberg. Zundel ist weg, Beate 
Weber an der Macht. Heidelberg auf guten Wegen?
Marcks: Ich finde es ganz mies, wie Beate Weber alles in die 
Schuhe geschoben wird, was auch nur halbwegs nicht in 
Ordnung ist. Ist eine Ampel zu lange auf Rot: aeDie Webern 
war´s!" Ich denke, da steckt viel Frauenhass dahinter. 
Eine empoerende Entwicklung ist zum Beispiel die 
Schliessung der SDR-Wissenschaftsredaktion in Heidelberg, 
ueber die im letzten ruprecht berichtet wurde. Das ist doch 
unglaublich, dass eine Universitaet sich so etwas gefallen 
laesst. Da muesste doch die gesamte Studentenschaft auf die 
Strasse gehen. Aber wer interessiert sich schon fuer so etwas? 
	(hee, h.b.)
ruprecht-Serie: point&counterpoint
Das Wissenschaftsministerium hat den Hochschulen kuerzlich 
den Vorschlag zu einer Neufassung des Universitaetsgesetzes 
(UG) zugeleitet. Einer der Kernpunkte: die Stellung der 
Rektoren (bzw. Praesidenten) soll gestaerkt werden, u.a. 
durch die sog. aeAuffangkompetenz" in Fragen, die im UG 
nicht eindeutig geregelt sind, und ein Weisungsrecht an Deka
ne (vgl. ruprecht Nr. 29). ruprecht fragte:
Sollte der Rektor, wie in der UG-Novelle geplant, 
mehr Kompetenzen erhalten?
"Ja" -
Prof. Dr. Norbert Greiner
Prorektor der Universitaet Heidelberg
Die in der Novellierung des UG vorgesehene Einfuehrung des 
Weisungsrechts fuer Rektoren und Dekane ist eine Antwort 
auf die Probleme der Massenuniversitaet. Diese Massnahme 
wuerde eingestandenermassen die inneren Strukturen der 
Hochschulen in diesem Punkt nicht unwesentlich veraendern, 
wuerde doch das Kollegialprinzip als Leitungsgrundsatz in 
Teil
en aufgegeben. Denjenigen, die wie ich die Ursachen der 
Probleme einer Massenuniversitaet nicht in den 
ungenuegenden Strukturen der Hochschulen, sondern in den 
gesellschaftlichen und hochschulpolitischen 
Rahmenbedingungen sehen, muss es daher schwerfallen, sich 
vorbehaltlos fuer derartige Veraenderungen auszusprechen.
Dennoch scheint mir unstrittig, dass die Wirklichkeit an der 
Universitaet nicht mehr mit der urspruenglichen Vorstellung 
von ihren Aufgaben und Arbeitsweisen in Einklang zu bringen 
ist. Fest steht ebenfalls, dass in absehbarer Zeit nicht mit 
politischen Massnahmen zu rechnen ist, die die derzeitigen 
Probleme der Massenuniversitaet spuerbar verbess
ern wuerden. Vor den quantitativ neuen Dimensionen und den 
daraus resultierenden qualitativen Folgen auf Dauer die Augen 
zu verschliessen,  hiesse, sich des Realitaetsverlustes schuldig 
zu machen.
Das Kollegialprinzip, das den Leitungsgremien auf Fakultaets- 
und Universitaetsebene keine tatsaechlichen, 
disziplinarrechtlich wirksamen Einflussmoeglichkeiten auf die 
inneren Vorgaenge einraeumt, setzt ueberschaubare Zahlen 
und Organisationseinheiten, eine ungestoerte Kommunikation 
und eine von allen getragene corporate identity voraus, die 
heut
e nur noch in seltenen Faellen gegeben ist. Stattdessen ist zu 
beobachten, dass die gestiegene und noch zunehmende 
Belastung der Hochschulangehoerigen an die Stelle der 
gemeinsamen Verantwortung Resignation und - um das Wort 
eines Kollegen zu gebrauchen - gegenseitige 
Unverantwortlichkeit setzen.
Zwar sind angesichts einer durchschnittlichen Belastung von 
60 Wochenstunden und mehr die in der OEffentlichkeit 
verbreiteten Pauschalvorwuerfe gegenueber den Hochschulen 
bezueglich einer Vernachlaessigung der Lehre und der daraus 
angeblich resultierenden langen Studienzeiten vollkommen 
unbegruendet. Dennoch ist das Bild, das in der OEffentlichkei
t von den Universitaeten verbreitet wird, in einer Zeit, in der 
die oeffentlichen Mittel knapper werden, die Bedeutung 
leistungsbezogener Mittelverteilung zunimmt und die frueher 
bestehende Leistungsvermutung gegenueber den 
Universitaeten keineswegs mehr unstrittig ist, entscheidend. 
Die zwar vereinzelten, aber durchaus vorhandenen und in der 
oeff
entlichen Diskussion bereitwillig aufgegriffenen Faelle 
aeschwarzer Schafe" lassen es notwendig erscheinen, 
universitaetsintern auf eine Einhaltung der Lehr-, Forschungs- 
und Verwaltungsverpflichtungen zu achten. Erfahrungen 
zeigen, dass aufgrund der sachlichen, institutionellen und 
geographischen Distanz solche Faelle einer offensichtlichen 
Verl
etzung von Dienstpflichten nur schleppend durch das 
Ministerium behandelt werden, mit der Folge einer 
langjaehrigen, oft konsequenzenlosen Duldung. Hier 
unverzueglich, sachgerecht und wirksam handeln zu koennen, 
setzt zusaetzliche Aufsichtsfunktionen voraus, die keineswegs 
nur im Hinblick auf das Bild, das in der OEffentlichkeit 
entsteht, wuensche
nswert erscheinen, sondern durchaus im eigenen Interesse 
liegen. 
Ebensowenig steht fuer mich in Zweifel, dass die 
Universitaeten gerade wegen der UEberlast und der oft 
beklagten mangelnden Studierfaehigkeit vieler Studierender 
aus eigenem Interesse ueber Verbesserungen der 
Lehrstrukturen und andere geeignete Massnahmen 
nachdenken sollten. Auch dies liegt in unserem eigenen 
Interesse der Qualitaetserhaltung von 
Studium und Forschung. Die Durchsetzung geeigneter 
Strukturreformen, sofern sie den Faechern von den 
zustaendigen Hochschulgremien empfohlen werden, und die 
Beachtung der Forschungs- und Lehrverpflichtungen setzen in 
den Hochschulen mit ihren heutigen Ausmassen ein 
Instrumentarium voraus, das durch das Kollegialprinzip nicht 
mehr in jedem Fall geg
eben ist. 
Es sei abschliessend daran erinnert, dass in solchen Faellen, in 
denen Dekan oder Rektor von ihrem Weisungsrecht Gebrauch 
machen muessen, das Kollegialprinzip von denjenigen 
Kollegen verletzt wird, die den Handlungsbedarf begruenden.
"Nein"
Dr. Christoph Klein-Brabender
Sprecher der Landesvertretung Akademischer Mittelbau
Brauchen die Universitaeten eine aeStaerkung" der 
Leitungsorgane? Der Entwurf fuer die Novellierung des 
Universitaetsgesetzes sieht vor, dass die 
aeAuffangzustaendigkeit" fuer alle Angelegenheiten der 
Universitaet, die nicht ausdruecklich einem anderen Organ 
uebertragen sind, kuenftig nicht mehr beim Senat, sondern 
beim Rektor bzw. Praesidenten 
der Universitaet liegen soll. Damit, so die Begruendung des 
fuer den Novellierungsentwurf federfuehrenden 
Wissenschaftsministeriums, soll die Eigenverantwortlichkeit 
und Entscheidungsfaehigkeit der Hochschulleitung im Sinne 
eines besseren Hochschulmanagements gestaerkt werden. 
Weiterhin ist vorgesehen, die Rektoren/Praesidenten und 
Dekane mit Weis
ungs- und Aufsichtsrechten zu versehen, damit die Einhaltung 
der Lehr- und Pruefungsverpflichtungen wirkungsvoller 
ueberwacht werden kann.
Das Wissenschaftsministerium glaubt offenbar, dass die 
bisherigen Entscheidungsstrukturen der akademischen 
Selbstverwaltung antiquiert sind und dass das 
Pflichtbewusstsein der Lehrenden zu wuenschen uebrig laesst. 
Und in der Tat, die Universitaeten funktionieren nicht so, wie 
sich das Ministerium das wuenscht. Die in den 80er Jahren 
betriebene Bue
ndelung der Forschung, das Ziel von faecheruebergreifenden 
Kooperationen und ebenso von verstaerkter Zusammenarbeit 
mit der Wirtschaft, die seit Beginn der 90er propagierte 
Effektivierung der Lehre mit dem Ziel der 
Studienzeitverkuerzung: Nichts entwickelt sich so, wie das die 
Hochschulpolitik und die von politischer Seite entsprechend 
eingestimmt
e OEffentlichkeit erwarten. Aber woran liegt das? Liegt das 
tatsaechlich daran, dass Eigensinn und mangelndes 
Pflichtbewusstsein der in Lehre und Forschung Taetigen die 
Krisenbewaeltigung verhindern und dass die 
Hochschulleitungen dem hilflos gegenueberstehen, weil sie 
nicht ueber die erforderlichen Weisungsrechte verfuegen?
Nein, natuerlich nicht. Es ist nicht das starke Management, 
das den Universitaeten fehlt, sondern schlicht und einfach das 
Geld. Die These von der temporaeren UEberlast, von dem 
Studentenberg, den es zu untertunneln gelte, ist nun schon seit 
einigen Jahren ad absurdum gefuehrt. Auch von der 
Hochschulpolitik wird laengst zugegeben, dass die Prognos
en falsch waren. Und die Konsequenzen? Zwar wird bei jeder 
sich bietenden Gelegenheit Hochschulbildung als einer der 
wichtigsten Standortfaktoren des Landes beschworen, aber 
die erforderlichen Investitionen sind ausgeblieben. Dabei sind 
- auch in Zeiten gesunkener Steuereinnahmen - 
Entscheidungen ueber staatliche Ausgaben immer 
Prioritaetsentschei
dungen; niemand soll behaupten, das Geld sei einfach nicht da.
Genau dies scheint jedoch der Leitgedanke der derzeitigen 
Hochschulpolitik zu sein: die Krise der Universitaeten muss 
bewaeltigt werden, aber es darf kein Geld kosten. In dieser 
Logik liegt denn auch, die Diskussion ueber die Ursachen der 
Krise auf die Universitaeten selbst zu fokussieren und so von 
den Versaeumnissen der Politik abzulenken. Die v
on politischer Seite forcierte Debatte um die Studienzeiten 
und um die Qualitaet der Lehre gehoeren ebenso in diesen 
Zusammenhang wie die jetzt initiierte Diskussion um die 
Leitungsstrukturen der Universitaeten. Der OEffentlichkeit 
wird so mit einigem Erfolg der Eindruck vermittelt, dass die 
Ursachen fuer die Krisenerscheinungen in den Universitae
ten selbst liegen.
Die propagierte aeStaerkung der Leitungsorgane" muss als ein 
Ablenkungsmanoever gewertet werden. Sie birgt 
darueberhinaus die Gefahr einer weiteren Abwertung des 
korporativen Gedankens. In der Ordinarienuniversitaet bereits 
bestehende Hierarchien wuerden weiter verstaerkt, der 
notwendige inneruniversitaere Dialog wuerde noch staerker 
behindert. D
ie Effizienz von Studienreformbemuehungen, von 
Bemuehungen um die Verbesserung der Lehre, von 
Forschungsaktivitaeten und Arbeitsablaeufen aller Art haengt 
vor allem davon ab, wie gut die kollegiale Zusammenarbeit 
aller Beteiligten auf der Ebene der Faecher funktioniert, und in 
dieser Hinsicht sind tatsaechlich erhebliche Defizite zu 
beklagen. Desh
alb muessen die Organisation und die Entscheidungen 
entgegen dem Novellierungsentwurf eher dezentralisiert und 
die Mitwirkungsmoeglichkeiten aller Gruppen verstaerkt 
werden. In einer Zeit, in der sogar in der Wirtschaft zentrale 
Leitungsstrukturen abgebaut werden, Hierarchien eingeebnet 
und Entscheidungskompetenzen staerker delegiert werden, 
atmet
 der Novellierungsentwurf den Geist vergangener Epochen.
aeVieles geschieht
im Stillen"
Heidelbergs Suchthilfe arbeitet unauffaellig - aber erfolgreich
Wenn die Polizeidirektion Heidelberg im vergangenen Jahr 15 
Rauschgifttote und 1407 Verstoesse gegen das 
Betaeubungsmittelgesetz registrierte, so duerfte mit diesen 
Zahlen nur ein Bruchteil der wahren Verhaeltnisse an das 
Licht der OEffentlichkeit gekommen sein. aeEs geht um 
Schadensbegrenzung und nicht um die Befreiung der 
Gesellschaft von Drogen
 um jeden Preis," meint Dr. med. Detlev Lorenzen, ein in der 
Suchttherapie erfahrener Arzt der Heidelberger aeFree Clinic 
e.V."
Einschmeissen...
Der Einstieg in den Gebrauch illegaler Drogen erfolgt immer 
ueber legale Drogen. Einstiegsdroge Nummer 1 ist Nikotin. 
95% aller Heroin-Suechtigen haben vorher Zigaretten 
geraucht. Von den Cannabis-Konsumenten steigen etwa 5% 
auf Opiate (Heroin) um. In Baden-Wuerttemberg starben im 
vergangenen Jahr 1954 Menschen an den Folgen des 
Alkoholmissbrauchs
. Auch Alkohol ist eine gefaehrliche Einstiegsdroge. 
Sozialpaedagoge Helm Jetter, Leiter des Heidelberger Drogen 
e.V., weiss zu berichten: aeEs gibt eine erhebliche Anzahl von 
Heroin-Abhaengigen, die primaer ein Alkohol-Problem 
haben." 
Manchmal sind es einfach nur Kommunikationsprobleme oder 
ein schwacher Charakter, die zum Einstieg in die Drogenwelt 
fuehren. Meike Goehlmann, Gesundheitspaedagogin von der 
aeWerkstatt Gesundheit", weiss, dass die Weichen fuer eine 
Drogenkarriere mitunter schon im fruehen Kindesalter gestellt 
werden, aewenn beispielsweise statt Zuwendungen Suessi
gkeiten zum Trost vergeben werden". 
Mit Besorgnis sieht Johann Jelen, stellvertretender Leiter des 
Heidelberger Rauschgiftdezernats, auf die Veraenderungen 
des Drogenmarktes. Seit OEffnung der Grenzen im Osten 
wird der Markt mit synthetischen Drogen ueberschwemmt, 
die in den ehemaligen Ostblocklaendern produziert werden. 
Waehrend 1992 noch keine MDE-Tabletten 
(Methylendioxyamphetami
ne) im Heidelberger Raum sichergestellt wurden, waren es 
1993 schon 772 Stueck. Und im laufenden Jahr uebertrifft die 
Anzahl der sichergestellten aeHappy Pills" bereits jetzt die 
Summe von 1993 um ein Vielfaches. Allein am 6. Mai, als 
Mitarbeiter des Drogendezernates einen privaten aeDisco-
Keller" im Rhein-Neckar-Raum aushoben, wurden ueber 1000
 Stueck sichergestellt. aeBei synthetischen Drogen weiss der 
Konsument ueberhaupt nicht, was er kauft," warnt 
Kriminaloberkommissar Jelen. Den kleinen Tabletten, die 
global als aeExtacy" (XTC) bezeichnet werden, sieht man 
nicht an, welchen Wirkstoff sie enthalten. Staendig neue 
Amphetamin-Derivate tauchen auf, deren Wirkung 
unberechenbar und mei
stens nicht einmal dem Hersteller bekannt ist. 
Dementsprechend unkalkulierbar sind die psychischen und 
physischen Schaeden: Depressionen, Psychosen, 
Herzstillstand und Hirnschlag. Der Konsument wird zum 
Versuchskaninchen des Herstellers. Man befuerchtet, dass 
Extacy-Tabletten in Umlauf sind, in die Heroin gemengt wird, 
um eine schnelle physische A
bhaengigkeit zu erreichen.
...Abfahren...
Zu Beginn der Recherchen vor drei Wochen waren im Bereich 
der Polizeidirektion Heidelberg seit Anfang des Jahres 6 
Menschen durch Drogenmissbrauch ums Leben gekommen. 
Vergangene Woche, als wir mit Herrn Jelen vom 
Drogendezernat sprachen, war die Zahl bereits auf 8 
gestiegen. Wenn der ruprecht erscheint, kann auch diese Zahl 
veraltet sein.
Der Fixer, der zu einer der Betreuungsstellen der Drogen e.V. 
kommt, steht oft noch in einem Arbeitsverhaeltnis oder 
bezieht Arbeitslosengeld. Sozialpaedagoge Jetter: aeDer reine 
Opiatabhaengige und der reine Alkohol-Abhaengige ist relativ 
selten. Auf dem Drogenmarkt macht sich eine erhebliche 
Zunahme der Polytoxikomanie, also der Mehrfachabhaengi
gkeit und Wechseleinnahme verschiedener Drogen, 
bemerkbar." Heroin wird beispielsweise mit Alkohol 
ausgetauscht; Hasch wird in der Regel mit Tabak geraucht. 
Die Besucher von aeRave-Parties" wissen oft gar nicht, was 
sie im Laufe einer langen Nacht schlucken, trinken und 
inhalieren. 
Der Suchtverlauf ist bei jeder Droge ungefaehr gleich, wenn 
auch von unterschiedlicher Dauer. Der Zerfallsprozess, der 
beim Heroin 5 oder 10 Jahre dauert, vollzieht sich beim 
Alkohol ueber 20 oder 40 Jahre. Das Suchtpotential der 
einzelnen Drogen ist jedoch hoechst unterschiedlich. Es ist 
beispielsweise bei Alkohol viel geringer als bei Kokain. Ge
ht man aber von den Folgeschaeden aus, dann muessten 
Alkohol und Nikotin sofort verboten werden. Keine andere 
Droge verursacht solch massive Folgeschaeden. 
Aus der Abhaengigkeit resultiert eine hohe 
Beschaffungsaktivitaet. Kriminaloberkommisar Jelen berichtet 
von einem PH-Studenten, der - einmal LSD-suechtig - mit den 
kleinen Trips zu dealen begann. 
Besondere Probleme hat Heidelberg mit den Fixer-Utensilien 
(Einwegspritzen, Coladosen, Wattebaeuschchen), die Fixer 
auf den Schulhoefen der Stadt hinterlassen. Ausserhalb der 
Unterrichtszeiten stellen die Gruenanlagen der Schulen 
aebegehrte Rueckzugsgebiete" (Jelen) dar. Um zu verhindern, 
dass ihre Schueler auf unkontrollierte Weise zu realitaets
nahem Anschauungsmaterial kommen, liess eine Schule 
bereits ihr Buschwerk entfernen. 

...Aussteigen!
aeUnsere Klienten kommen aus allen sozialen Schichten, vom 
promovierten Akademiker bis zum Obdachlosen," erklaert 
Helm Jetter. Die Angebote der Aktionsgemeinschaft Drogen 
e.V. reichen von psychosozialer Betreuung Suchtgefaehrdeter 
und Angehoeriger ueber die Vermittlung stationaerer und 
ambulanter Entwoehnungsbehandlung bis hin zu 
Spritzentausch u
nd Betreuung bei Substitutionstherapien. 1993 zaehlte allein 
die Beratungsstelle in Heidelberg (zwei weitere Anlaufstellen 
sind in Walldorf und in Wiesloch  untergebracht) 548 
Klienten. 88 von ihnen waren Konsumenten ausschliesslich 
legaler, 388 auch Konsumenten illegaler Drogen. 
Auf dem Gebiet der stationaeren Therapie arbeitet die 
Aktionsgemeinschaft Drogen e.V. eng mit dem 
Psychiatrischen Landeskrankenhaus in Wiesloch zusammen. 
Substitutions-Therapien werden in Zusammenarbeit mit vier 
niedergelassenen AErzten durchgefuehrt. aeWir haben 
erhebliche Schwierigkeiten, niedergelassene AErzte zu finden, 
die nach NUB-Richtlinie
n (aeNeue Untersuchungs u. Behandlungsmethoden" - Red.) 
substituieren, obwohl das eindeutig zu ihren Aufgaben 
gehoert", klagt Helm Jetter. Einer der wenigen AErzte, die in 
Heidelberg bereit sind, Substitutions-Therapien 
durchzufuehren, ist Dr. med. Detlev Lorenzen von der aeFree 
Clinic". Er beschreibt seine zwiespaeltige Aufgabe: aeMan ist 
als 
Behandelnder auch Dealer in dem Augenblick, in dem man 
Methadon verabreicht. Es ist deshalb wichtig, die Behandlung 
in enger Zusammenarbeit mit einem Drogenberater 
durchzufuehren." 
Seit ihrer Gruendung 1972 ist die aeFree Clinic" kraeftig 
expandiert (auch wenn ihr zeitweise durch den frueheren OB 
Reinhold Zundel das Leben schwer gemacht wurde). Eine 
aerztliche Gemeinschaftspraxis, eine psychosoziale 
Beratungsstelle, eine psychotherapeutische Einrichtung und 
die aeWerkstatt Gesundheit" gehoeren ihr an. 
UEberraschender Weise
sind es vor allem Studierende und in Sozialberufen Taetige, 
die Kontakt mit der psychosozialen Beratungsstelle der Free 
Clinic aufnehmen. Doch werden hier neben Drogenproblemen 
auch andere psychische Schwierigkeiten behandelt. 
Die Aufgaben der aeWerkstatt Gesundheit" liegen 
vornehmlich in der ganzheitlichen Suchtpraevention. Dazu 
gehoeren Projekttage, an denen Schueler ihre sensitiven 
Faehigkeiten und ihre Persoenlichkeit schulen koennen, 
Fortbildungskurse fuer Lehrer, Elternabende und 
Suchtpraevention in Betrieben. 
Beratungsgespraeche sind in der Regel sofort moeglich; auf 
einen Therapie-Platz muss im Durchschnitt zwei bis drei 
Monate gewartet werden. aeIm Bereich der Drogenpolitik 
geschieht in Heidelberg vieles im Stillen," kommentiert Helm 
Jetter das solide Angebotsspektrum. Tatsaechlich scheint dann 
Drogenhilfe am besten zu funktionieren, wenn man sie an
 keine politische Glocke haengt.                     (mc/iz)    
(Die Adressen der Stellen: Aktionsgemeinschaft Drogen e.V.: 
Theaterstr. 9, Tel.: 23432; Free Clinic e.V.: Rohrbacher Str. 
87, Tel.: 28436.)
Das Vermaechtnis der Weissen Rose?
Derzeit laeuft eine Ausstellung ueber die  studentische 
Widerstandsgruppe aeWeisse Rose" in Heidelberg. 1942/43 
verfassten und verteilten die Kommilitonen Flugblaetter gegen 
das Nazi-Regime, wofuer sie dann hingerichtet wurden. Heute 
wird ihre Geisteshaltung gerne zur Untermauerung eigener 
Anschauungen missbraucht. Von welchen Ideen waren die Dis
sidenten wirklich gepraegt?
Festliche Stimmung, die alte Aula ist mit Gaesten gefuellt, 
unter den Geladenen befinden sich Persoenlichkeiten wie 
Hilde Domin oder die Schwester Willi Grafs, eines Mitgliedes 
der aeWeissen Rose": die Eroeffnung der aeWeisse-Rose"-
Ausstellung am 25. Mai ´94.
Zuerst sprach Oberbuergermeisterin Beate Weber. In ihrer 
Rede wies sie unter anderem darauf hin, dass die 
Widerstandskaempfer aus allen gesellschaftlichen Schichten 
gekommen seien. Ob Gewerkschafter oder Katholik: aeIhr 
Vermaechtnis soll nicht vergessen werden!"
Ganz andere Toene schlug dagegen Franz Josef Mueller an, 
der Vorsitzende der aeWeissen Rose Stiftung": Bald gedenke 
man des 50. Jahrestages zum 20. Juli 1944, an dem der 
Widerstand um Claus Schenk Graf von Stauffenberg ein 
Attentat auf Hitler veruebt habe. Dieser Gedenktag, so der 
Vorsitzende, solle aediffrenzierter gesehen" werden; 
Stauffenberg
 sei es lediglich um die Rettung  des aeReichs" gegangen und 
nicht wie der aeWeissen Rose" um Freiheit und Demokratie...
Franz Josef Mueller betonte, dass er mit dieser Feststellung 
keineswegs die Tat dieses Widerstandskaempfers herabsetzen 
wolle - doch das klang unglaubwuerdig. Ein ungutes Gefuehl 
bleibt zurueck. Es draengt sich der Verdacht auf, dass 
Zivilcourage und Tatkraft einiger Menschen waehrend des 
aeDritten Reichs" fuer die eigenen ideologischen Anschauun
gen missbraucht werden, waehrend man die Helden, die sich 
fuer die eigenen Dogmen gar nicht gebrauchen lassen, fuer 
weniger heldenhaft erklaert.
Unfein, und doch in Deutschland gang und gaebe: in der Ex-
DDR war die Geschichte des Widerstands die Geschichte 
kommunistischer Dissidenten, die Kirchen freuen sich, 
zumindest in damaliger Zeit auf eine Bekennende verweisen 
zu koennen, Konservative betonen den hohen Anteil von 
gleichgesinnten Offizieren und Adligen am Widerstand. Der 
Mut der jewei
ls anderen Widerstandskaempfer wird oft entweder 
vollstaendig ignoriert oder gar denunziert.
 Dass nun zu diesem trueben Spiel auch der Widerstand der 
Studenten herhalten muss, ist traurig und zudem aeusserst 
unpassend: die aeWeisse Rose" war eine heterogene Gruppe 
junger Menschen, die das eine Ziel vereinte, dem Nazi-Regime 
Widerstand zu leisten. Nikolai Nikolaeff Hamasaspian, eines 
der weniger bekannten Mitlieder des studentischen Krei
ses, formulierte es folgendermassen: aeWir sind [...] mit 
unserer ganzen inneren Haltung zu dem Ergebnis gekommen, 
dass man dem Unrecht und der Gewalt mit aller Kraft 
widerstehen muss."
In der Ausstellung ueber die aeWeisse Rose", die momentan 
in der Alten Aula laeuft, wird das sehr deutlich; die 
Biographien der einzelnen aeWeisse-Rose"-Mitglieder in 
Muenchen sind dort komprimiert und klar dargestellt. Zwar 
stammten sie alle aus buergerlichem Milieu, doch waren sie 
sehr unterschiedlich vorgepraegt: Alexander Schmorells 
Mutter w
ar Russin, Hans Leipelt Halbjude, die Geschwister Scholl 
hatten fromme, protestantische Eltern, waehrend Christoph 
Probst von Haus aus eher liberal gepraegt war.
Doch die Ausstellung belaesst es nicht bei Biographien und 
der aeHeldenverehrung", die eben immer Gefahr laeuft, fuer 
ideologische Zwecke missbraucht zu werden. Der Geist des 
aeDritten Reichs" und das nationalsozialistische Umfeld, in 
dem die Studenten leben mussten, wird skizziert: die 
Gleichschaltung, die selbst die Kunst miteinbezog, die schw
ache Opposititon in Deutschland, Muenchen, von Hitler zur 
aeHauptstadt der Bewegung" nominiert, und die Universitaet, 
deren rechtsradikale Gesinnung Tradition hatte.
 All das zeigt uns einmal mehr, wie wichtig es ist, historische 
Personen in ihrer historischen Situation zu sehen. Deswegen 
ist es sehr fraglich, die Intentionen der aeWeissen Rose" mit  
modernen politischen Ideen gleichzusetzen. Dabei scheinen 
einzelne Stellen in den sechs Flugblaettern der Gruppe diese 
These durchaus zu unterstuetzen. Etwa jene
r Gedankengang, der im fuenften Flugblatt zu finden ist und 
den der Vorsitzende Mueller in seiner Rede zitiert hatte: 
aeDer imperialistische Machtgedanke muss, von welcher Seite 
er auch kommen moege, fuer alle Zeit unschaedlich gemacht 
werden. Ein einseitiger preussischer Militarismus darf nie 
mehr zur Macht gelangen [...] Die Arbeiterschaft muss 
durch einen vernuenftigen Sozialismus aus ihrem Zustand 
niedrigster Sklaverei befreit werden."
Das klingt wunderbar sozialistisch und liesse sich heute nicht 
nur bestens in ein linksliberales Weltbild einbauen, sondern 
haette sogar woertlich in das Parteiprogramm der SED 
uebernommen werden koennen. 
Doch sehen wir die Flugblaetter in ihrer Gesamtheit, laesst 
sich einiges nicht mehr so leicht einordnen. Bleiben wir etwa 
beim Thema Europa. Da zitieren die Verfasser im vierten 
Flugblatt Novalis: aeNur die Religion kann Europa wieder 
aufwecken [...] und die Christenheit mit neuer Herrlichkeit 
sichtbar auf Erden in ihr friedensstiftendes Amt insta
llieren."
Fuer uns unverstaendlich ist es auch, dass mit Begriffen wie 
aeEhre" oder aePflicht", die uns heute eher unangenehm 
beruehren, nicht gespart wird. Eins der Hauptargumente der 
aeWeissen Rose" ist die Ehre des deutschen Volkes: aeDer 
deutsche Name bleibt fuer immer geschaendet, wenn nicht die 
deutsche Jugend endlich aufsteht", heisst es da etwa 
im letzten Flugblatt, und das erste beginnt damit: aeNichts ist 
eines Kulturvolkes unwuerdiger, als sich ohne Widerstand von 
einer verantwortungslosen Herrscherclique ´regieren´ zu 
lassen [...] Jeder ehrliche Deutsche [schaemt] sich heute seiner 
Regierung [...]" - Der Deutsche bei seiner Ehre und seinem 
Nationalstolz gepackt: da ist die Weisse 
Rose geistig einem Stauffenberg recht nahe...
Was an den Flugblaettern ebenfalls ungewoehnlich wirkt, ist 
der heute auch nicht mehr gerade uebliche religioese Anklang: 
die nationalsozialistische Kriegsgeilheit wird als aeatheistische 
Kriegsmaschine" (erstes Flugblatt) bezeichnet, und im vierten 
Flugblatt wird behauptet: ae[...] wer heute noch an der realen 
Existenz der daemonischen Maechte z
weifelt, hat den metaphysischen Hintergund dieses Krieges bei 
weitem nicht begriffen. Hinter dem Konkreten [...] steht das 
Irrationale, d.i. der Kampf wider den Daemon, wider den 
Boten des Antichrists." Und im selben Flugblatt wird 
konstatiert: aeWohl  ist der Mensch frei, aber er ist wehrlos 
wider das Boese ohne den wahren Gott."
Mit grossem Unbehagen stellen wir fest, wie vage da zum 
Judentum Stellung bezogen wird: aeAuch die Juden sind doch 
Menschen - man mag sich zur Judenfrage stellen, wie man will 
[...] Vielleicht sagt jemand, die Juden haetten ein solches 
Schicksal [den Massenmord -Red.] verdient [...] Wie stellt er 
sich dann zu der Tatsache, dass die gesamte polnisc
he adlige Jugend vernichtet worden ist?" Dem antisemitischen 
Gedankengut wird hier nicht widersprochen: wem der 
Holocaust kein Argument gegen die Nazis ist, dem wird 
einfach ein anderes (besseres?!) Argument geliefert. 
Eine bemerkenswerte Kuriositaet macht uns noch mehr 
deutlich, dass die Geisteshaltung der aeWeissen Rose" sich 
nicht schlicht auf unsere Ideen uebertragen laesst: ein gewisser 
Hans Hirzel, der fuer die Weisse Rose gearbeitet hatte und im 
zweiten Prozess mit Willi Graf, Franz Josef Mueller und 
anderen Dissidenten  angeklagt war, ist heute bei den 
Republikanern zu finden. 
All dies soll die Taten der Weissen Rose nicht werten und 
schon gar nicht abwerten. Es ist damit eben wie mit 
Stauffenberg: er kann nur im Kontext  der Zeit gesehen und 
verstanden werden. Es ist wahrhaftig nicht einfach, 
festzumachen, wes Geistes Kinder diese dissidentischen 
Studenten waren. Aufschlussreich sind dafuer gewiss ihre 
Tagebuecher und 
Briefe, aus denen in der Ausstellung auch sehr viel zitiert 
wird. Ebenso wird ueber ihre Vorbilder, wie Kurt Huber, oder 
ihre bevorzugten Autoren ( u.a. Claudel und Bloy) 
ausfuehrlich berichtet.
UEbrigens muss zur Austellung unbedingt noch gesagt 
werden, dass selbst der kuenstlerische Aspekt sehr 
bemerkenswert ist. Die Konzeption stammt noch von Otl 
Aicher. Es lohnt sich also in jedem Falle, sich auf den Weg in 
die Alte Aula zu machen. Das Vermaechtnis dieser 
couragierten Studenten soll nicht vergessen werden. Und 
dieses Vermaechtnis sind keine Dogmen, mit denen wir unsere 
Lebensphilosophie bestaetigen lassen koennen.
Deswegen wollen wir es auch bei dem sehr allgemein 
gehaltenen Zitat Churchills belassen, das aller 
Widerstandskaempfer und nicht nur der aeunseren" gedenkt: 
aeIn Deutschland lebte eine Opposition, die zum Edelsten und 
Groessten gehoert, was in der politischen Geschichte aller 
Voelker hervorgebracht wurde: Diese Menschen kaempften 
ohne Hilfe von i
nnen und aussen - einzig getrieben von der Unruhe des 
Gewissens. [...] Sie vermoegen nicht alles zu rechtfertigen, 
was in Deutschland geschah. Aber ihre Taten und Opfer sind 
das unzerstoerbare Fundament des neuen Aufbaus."                               
(hee)
ruprecht sucht MitarbeiterInnen: Tel. 21361.
Zwischen Tradition und Moderne
- der Heidelberger Kunstverein feiert seinen 125. Geburtstag
Mit dem Hinweis, dass ein Kunstverein das Image Heidelbergs 
aufpolieren wuerde, wurde 1869 die finanzielle 
Unterstuetzung der Stadtverwaltung gewonnen und der vierte 
badische Kunstverein gegruendet. Auch die 
Ausstellungsraeume wurden durch die Stadt gestellt, was zur 
Folge hatte, dass die Geschichte des Vereins durch viele 
Umzuegen gepraegt wurde.
Die Odyssee des Kunstvereins durch Schulen, Aulen, Stadt- 
und Gartenhallen endete erst 1990 in dem Gebaeudetrakt 
neben dem kurpfaelzischen Museum.  UEber 2000 Mitglieder 
unterstuetzen heute durch ihren Jahresbeitrag die Kunst in der 
Neckarstadt.
Das traditionelle Ziel des Kunstvereins ist, zeitgenoessische 
Kunst zu foerdern und dem Publikum nahezubringen. Vor 
allem die grossangelegte Eroeffnungsausstellung des 
Kunstvereins 1990 aeBlau - Farbe der Ferne"  hellte die sonst 
eher grauen Tage der Heidelberger Kunstfreunde auf. 
Ausstellungen in dieser Groessendimension koennen nur alle 
Jubelja
hre finanziert werden, und so halten sich die ca. 10 
Ausstellungen pro Jahr in kleinerem Rahmen. Mit seinem 125. 
Jahrestag hat der Kunstverein wieder Grund zum Jubeln und 
will Tradition und Moderne in der Ausstellung 
aeSchnittstellen" einander gegenueberstellen. Der Titel bezieht 
sich auf das Zusammentreffen verschiedener Orte mit dem 
Agieren ver
schiedener Kuenstlerpersoenlichkeiten innerhalb eines 
Gesamtkonzepts. Vertreten sind Werke von jungen, 
groesstenteils noch unbekannten Nachwuchstalenten aus 
Deutschland, Frankreich, England, Irland und OEsterreich. 
Die Ausstellung findet an verschiedenen ueber die ganze Stadt 
verteilten Orten, wie z.B. der Galerie Arbeitsplatz, dem 
Kunsthaus Welke
r und einigen oeffentlichen und privaten Orten statt. Der 
groesste Teil der Ausstellung befindet sich in den Raeumen 
des Kunstvereins, an dessen Eingang ein ueberdimensionaler 
Schluessel den Besucher auf das Kommende einstimmt. 
Symbolisch kann die knallorangene Plastik von Rita Hensen 
den Schluessel zum Verstaendnis der Ausstellung darstellen. 
Ode
r soll er den Unentschlossenen auffordern, sich der Sammlung 
zu oeffnen? Oder stellt der Schluessel etwa sich selbst 
entfremdet dar und wird damit wieder sichtbar? Ist er gar ein 
Hinweis auf die Eigentumsverhaeltnisse oder den Schluessel, 
den wir alle im Kopf haben? Hier beginnen die Fragen, die 
jeder fuer sich selbst loesen muss und die moderne K
unst so unbequem machen. Die spannungsreich inszenierte 
Ausstellung beantwortet dem Besucher einige Fragen ueber 
das Schaffen der zeitgenoessichen Kuenstler.                                   
(io)
(Eroeffnung: 10. Juni; Eintritt: 10 DM,  6 DM ermaessigt.) 
Uni-Wahlen '94: Die heisse Phase laesst sich noch recht 
laeulich an
ruprecht interviewte sie alle: Rote Splitter, FSK, JUSOS und 
RDCS sprache ueber ihre Aktivitaeten, Ziele und 
Versprechungen
Roter Splitter
aeUngefaehr 12-15 Leute verschiedenster Fachrichtungen", 
sagen Splitter, sind in der Gruppe aktiv. Darunter kommen 
etwa ein Drittel aus den Naturwissenschaften.
?: Welche grundsaetzlichen Positionen vertretet Ihr als 
Gruppe, wieso habt Ihr Euch gegruendet?
!: Wir verstehen uns als Sammelbecken fuer linke Studierende 
jeder Couleur; es gibt, das merken wir an unserem 
Mitgliederzuwachs, in Heidelberg das Beduerfnis einiger 
Studierenden, linke Politik zu machen.. Die FSK leistet das 
schon von ihrem Anspruch her nicht. Ausserdem wollen wir 
nicht nur isoliert Probleme von Studierenden betrachten, 
sondern 
diese auch in einen gesamtgesellschaftlichen Kontext bringen.
?. Was habt Ihr im ersten Jahr Eures Bestehens so gemacht? 
!: Wir haben z.B. bei einer Diskussion in der Neuen Uni 
Wissenschaftsminister von Trotha ein kritisches Staendchen 
zu seinen Deform-Vorhaben gebracht, wir haben uns mit 
einigen Redebeitraegen an der Fernsehdiskusion mit dem 
gleichen Herrn im Januar beteiligt, und haben mit dem 
Aufhaengen von Transparenten durch unsere aeHausmeister" 
auch fuer den
 richtigen Hintergrund auf diesen Diskussionen gesorgt. Wir 
beteiligen uns oefters an der Organisation von Demos, 
beispielsweise fuer die Wagenburg oder gegen die 
Beschneidung von AuslaenderInnenrechten. Wir waren 
MitveranstalterInnen bei der Rede eines franzoesichen 
Schuelers in Mannheim, der ueber die Protestbewegung gegen 
das Niedriglohngesetz 
dort berichtete. Zum Thema aeJugendpolitik in Deutschland 
und Frankreich" machen wir noch am Dienstag eine 
Veranstaltung. Wir bilden uns innerhalb der Gruppe aber auch 
theoretisch weiter,  z.B. in einen woechentlichen Lesekreis 
zum aeKapital" von Karl Marx. ?: Warum tretet Ihr bei den 
Wahlen an?
!: Das war ziemlich umstritten bei uns. Es gab die Bedenken, 
dass die Uni-Wahlen ohnehin Scheinwahlen fuer eine 
Studierendenvertretung ohne Einfluss sind. Ausserdem wusste 
man, dass eine FSK, die die absolute Mehrheit erringt, wieder 
die anderen Stimmen wertlos machen wuerde. Trotzdem 
haben wir teilgenommen, weil wir als politische Gruppe an der 
U
ni erst dann glaubwuerdig werden, wenn wir uns auch in die 
Strukturen einzumischen, die da sind, ob sie uns gefallen oder 
nicht. Ausserdem muss der FSK Druck gemacht werden. Die 
brauchen eine Konkurrenz, damit sie sich ihrer Sache nicht so 
sicher sein koennen. Eigentlich rechnen wir uns keine Chancen 
aus, so viele Stimmen zu bekommen, dass wir tat
saechlich etwas erreichen koennten. Trotzdem wollen wir die 
linke Alternative in die bestehenden Strukturen einbringen.
?: Was bevorzugt Ihr: Fachschaftenmodell oder 
Studierendenparlament?
!: Wir ziehen ein Raetemodell wie das der Fachschaften vor.
?: Warum unterwandert und verbessert Ihr die FSK dann nicht 
von innen?
!: Das System hier in Heidelberg zu einer Karrikatur seiner 
selbst geworden. Die FSK ist zur Zeit nicht reformierbar. 
Einige von uns haben das mit Fachschaftsarbeit versucht. Die 
Leute dort sehen vielleicht, dass es Probleme gibt, wollen und 
koennen die Situation aber nicht aendern. Deshalb ist eine 
Opposition von aussen noetig.
?: Was stoert Euch denn an der Arbeit der 
Fachschaftskonferenz?
!: Erstens ist sie ist uns nicht politisch genug. Einzelaktionen 
passieren, ohne dass die Interessen der Studierenden in den 
oben erwaehnten gesamtgesellschaftlichen Kontext gesetzt 
werden. Die FSK nuetzt ausserdem die Ressourcen, die sie 
zur Verfuegung hat, nicht genuegend. Ein Beispiel: Im 
Sommer '93 hat die aeArmenspeisung" als Protest gegen d
ie Studiendeform-Plaene viel Aufmerksamkeit mit wenigen 
Mitteln erregt. Die FSK mit all ihren Telefonen und 
Faxgeraeten aber hat fuer die Aktionswoche im Dezember 
nichts Vernuenftiges zustandebekommen. ?: Welche 
Versprechungen habt Ihr dem Wahlvolk zu machen, was plant 
Ihr fuer das naechste Jahr?
!: Wir werden weiterhin Lesungen und 
Diskussionsveranstaltungen machen und linke 
Veranstaltungen unterstuetzen. Und wir werden eben, sollten 
wir gewaehlt werden, als Opposition zur 
Fachschaftskonferenz versuchen, die Arbeit der 
Studierendenvertretung hier zu politisieren.
?: Mit wem koenntet Ihr koalieren?
!: Mit dem RCDS auf keinen Fall, mit den JUSOS hier in 
Heidelberg wohl auch nicht. Wir wuerden wohl versuchen, in 
Einzelfragen Mehrheiten zu finden. Da gibt es allerdings auch 
bei uns noch keine eindeutigen Positionen.
FSK
Die Fachschaftskonferenz ist der Zusammenschluss der 
Fachschaften der Universitaet (oder zumindest jener, die nicht 
gerade inaktiv vor sich hindaemmern). In ihren Sitzungen hat 
jede Fachschaft eine Stimme und ein Vetorecht, das nur mit 
einer Zweidrittel-Mehrheit ueberstimmt werden kann.
?:  Wen interessieren diese Wahlen ueberhaupt?
!:  Uns interessieren sie, weil wir nur dann, wenn wir auch den 
AStA - die aeoffizielle" Studierendenvertretung also - stellen, 
die Infrastruktur zur Verfuegung haben, die wir brauchen, um 
unsere Arbeit zu tun. Die Uni interessieren sie, weil sie bei 
einer niedrigen Wahlbeteiligung noch besser betonen koennen, 
wie desinteressiert die Studierenden
 sind. Die anderen Hochschulgruppen interessieren sie, weil 
sie deren einzige Moeglichkeit sind, sich an der Uni zu 
profilieren.
?: Was hat die FSK im letzten Jahr gemacht, womit sie sich 
den Waehlern praesentieren kann? 
!: Wir haben die Studierenden natuerlich in den Gremien 
vertreten und dort versucht, das Maximum herauszuholen - 
auch in regelmaessigen Gespraechen mit dem Rektorat. Wir 
veranstalten gerade wieder eine Sommeruni, haben die 
bundesweite Aktionswoche zur Hochschulreform hier in 
Heidelberg organisiert. Wir haben zwei Vollversammlungen - 
unter anderem 
zu diesem Thema - gemacht. Unsere hochschulpolitsichen 
ReferentInnen haben in der Landesastenkonferenz in Baden-
Wuerttemberg mitgewirkt und den neuen bundesweiten 
studentischen Verband fsz mitgegruendet. Das Kulturreferat 
hat einige Musikveranstaltungen gemacht, der Antifa-AK 
Vortraege und Podiumsdiskussionen, das Sozialreferat hat das 
Sozialhandb
uch fuer Studierende erstellt, das OEkologiereferat hat die 
Einfuehrung von Mehrwegbechern und gerecht gehandeltem 
Kaffee in den Cafeterien des Studiwerkes vorangetrieben. Die 
KommunalreferentInnen haben die Verhandlungen um das 
Studi-Ticket gefuehrt. Nicht zuletzt haben wir 35.000 DM an 
zusaetzlichen Mitteln fuer die ErstsemesterInneneinfuehrunge
n der Fachschaften bekommen koennen. Zu all dieser Arbeit 
gehoert natuerlich auch Agieren im Stillen: Informationen 
aufnehmen und weitergeben - auch ueber den aeUnimut", 
Druck auch hinter den Kulissen machen. Es ist natuerlich so, 
dass die Fachschaften viele einzelne Sachen machen: 
Evaluationen der Lehrveranstaltungen, Stellungnahmen zu 
Pruefungs
ordnungen, Vortragsreihen, usw.
?: Was fuer Versprechungen gibt es fuer das naechste Jahr?
!: Erstens natuerlich das, was wir regelmaessig machen - 
Sommeruni, aeUnimut", Veranstaltungen, Sozialhandbuch, 
Bafoeg-Beratung usw. Wir werden uns aber auch weiterhin in 
die Diskussion um die Reform (oder Verstuemmelung) von 
Studium und Hochschule einschalten- das wird natuerlich 
koordiniert mit den anderen Studierendenvertretung im Lande 
und im
 Bund passieren.
?: Habt Ihr eigentlich kein schlechtes Gewissen dabei, dass Ihr 
mit der Einschlaeferung des AStA regelmaessig 40-50% der 
Stimmen unter den Tisch fallen lasst?
!:  Natuerlich macht es keinen Spass, bei der ersten und 
einzigen Sitzung des AStA Leute, die interessiert an 
Hochschularbeit sind, zu verdraengen. Das Modell der FSK 
lebt aber nun einmal davon, dass die Entscheidungen von den 
Fachschaften und nicht von den Hochschulgruppen getroffen 
werden. Und das wiederum ist sehr demokratisch: Jede 
einzelne St
udentin, jeder einzelne Student, kann sich ueber ihre 
Fachschaft Gehoer verschaffen. Die Konferenz kann wirklich 
die ganze Uni abdecken und nicht nur einen Teil des 
politischen Spektrums, wie das bei einer Hochschulgruppe der 
Fall ist. Ausserdem geht es dann bei Diskussionen um 
Sachfragen und nicht um politische Koalitionsstreitigkeiten, 
die so ma
nchen anderen AStA lahmlegen.
?: Die Roten Splitter halten die FSK fuer von innen nicht mehr 
reformierbar - auch wenn sie das System bejahen. Steht es so 
schlimm um Euch? 
!: Es ist seit 5 Jahren Mode, die FSK totzusagen. Wir leben 
trotzdem noch. Natuerlich gibt es haeufig Umbrueche und 
Generationswechsel, und die Personaldecke ist immer zu 
duenn - vor allem, weil mit der Moeglichkeit, die Infrastruktur 
des aeAStA" zu nutzen, auch viele Verpflichtungen im 
Bereich Verwaltung, Finanzfuehrung, Service usw verbunden 
si
nd.
?: Die Roten Splitter sagen, Ihr seid zu unpolitisch...
!: Wir machen in erster Linie Hochschulpolitik, und da sind 
wir auch politisch. Wir muessen uns mit unserer Arbeit 
allerdings auch auf die fuer Studierenden wichtigen Dinge  
konzentrieren - auch wenn es fuer manche dann danach 
aussehen mag, dass wir uns Scheuklappen aufsetzen. Aber wir 
muessen unsere Kraefte eben sinnvoll einsetzen. Die ganze 
Welt
 zu aendern, das koennen wir nicht leisten.
JUSOS
Die Jusos treten in beiden Senaten sowie an den Fakultaeten 
Physik und jener fuer Sozial- und Verhaltenswissenschaften 
an. aeBei etwa 12 Aktiven kommen im Durchschnitt etwa 8 
Leute zu unseren Sitzungen", sagen sie und fuegen hinzu, dass 
sie einen hohen Anteil an neuen, damit aber auch unerfahrenen 
Leuten haben.
?: Der Wahlkampf laesst sich ziemlich schwaechlich an. Wieso 
betreibt Ihr diesmal kaum Stimmenfang?
!: Erstens haben wir im Moment wenig Geld. Zweitens sind 
wir in Aktivitaeten ausserhalb der Uni eingespannt - die 
anderen Wahlen z.B. -, die fuer die Belange der Studierenden 
weit wichtiger sind als die Gremienwahlen, gerade, wenn man 
sich die Machtlosigkeit der Studierenden in Senaten und 
Fakultaetsraeten ansieht. Man muss Prioritaeten setzen, au
ch wenn wir damit gelegentlich Selbstdarstellungsprobleme 
haben. Die Hochschulpolitik ist nicht das Wichtigste im 
Leben. Ausserdem wird die eigentliche Hochschulpolitik nicht 
an der Uni, sondern auf Landesebene gemacht. Dort arbeiten 
wir Jusos kontinuierlich und koordiniert, aber eben im 
Hintergrund. Durch eine Systemveraenderung, also z. B. die E
infuehrung einer Verfassten Studierendenschaft, kann man 
bestimmt eine hoehere Politisierung erreichen, als durch eine 
Materialschlacht. 
?: Warum tretet Ihr dann ueberhaupt an?
!: Wir wollen den Waehlerinnen und Waehlern zumindest eine 
Alternative bieten.
?: Was habt Ihr im letzten Jahr in Eurer Gruppe gemacht?
!: Wir haben vor allem im Stillen gearbeitet - durch unsere 
Moeglichkeiten, an unsere Partei und deren Landtagsfraktion 
heranzutreten und so Dinge zu bewegen. Hier an der 
Hochschule haben wir das aeJuso-Kino" gemacht, um 
sozialkritische Themen einmal durch ein anderes Medium zu 
vermitteln. Wir haben wie immer unsere Juso-Fete veranstaltet 
und Wol
fgang Thierse zum Vortrag eingeladen. 
?: Mit was fuer Vorhaben moechtet Ihr diesmal Waehler 
anlocken?
!: Wir wollen vor allem Strukturen veraendern: Das bedeutet 
zunaechst, das Raetemodell der FSK abzuschaffen, das vielen 
Studierenden die Moeglichkeit nimmt, sich einzubringen. In 
der  Landtagsfraktion der SPD wollen wir uns fuer eine 
Verbesserung der sozialen Belange der Studierenden 
einsetzen, fuer die Verfasste Studierendenschaft und fuer eine 
V
erbesserung der Lehre. Wir sind gegen eine Trennung von 
berufsorientiertem und wissenschaftlichem Studium und haben 
als Ziel die Gesamthochschule mit der Moeglichkeit der 
individuellen Schwerpunktsetzung. ?: Zurueck zur 
Heidelberger Uni: Was macht die FSK falsch, was macht sie 
zuviel, was vernachlaessigt sie?
!: Sie ist in ihrer Struktur einfach falsch konzipiert. Die Leute, 
auch wenn sie im einzelnen mit guten Vorsaetzen an ihre 
Arbeit herangehen moegen, haben meistens nur ein ganz 
begrenztes Problembewusstsein,  engagieren sich nur fuer ihre 
Fakultaet oder fuer zwei, drei Punkte. Alles andere interessiert 
sie nicht. Das ist ein System, das den Indivi
dualisierungstrend in unserer Gesellschaft unterstuetzt. Das 
Spektrum der Politisierung wird ganz enorm eingeschraenkt. 
Das bleibt natuerlich auch bei den Studierenden nicht ohne 
Folgen.
?: Mit wem wuerdet Ihr koalieren?
!: Wir wollen keine Moeglichkeiten auszuschliessen. Es 
kommt auf die Personen und deren Vorstellungen an.
?: Angenommen, die FSK waere auf Euch angewiesen. Was 
waere das erste, das Ihr durchsetzen wolltet?
!: Wir wollen keine kurzfristigen publicitytraechtigen Erfolge 
verbuchen; wir moechten Strukturen veraendern, mehr 
Studierende in die Arbeit einzubinden. Die Einbindung der 
Studierenden funktioniert  beim FSK-Modell nicht. Wir 
brauchen die Verfasste Studierendenschaft.
?: Das aber  passiert auf Landesebene. Was wollt Ihr an der 
Uni aendern?
!: Indem die Studierenden uns Jusos waehlen, koennen sie 
ihrem Wunsch nach einer Verfassten Studierendschaft, nach 
einer Demokratisierung der Hochschule und einer 
sozialdemokratischen Bildungspolitik Ausdruck verleihen. 
Darueber hinaus staerkt uns ein Wahlerfolg gegenueber der 
Landtagsfraktion und der SPD.
?: Ruehrt die Unlust, auch auf universitaerer Ebene etwas zu 
machen, eigentlich daher, dass FSK die anderen 
Hochschulgruppen  durch die faktische Abschaffen des Asta 
seit 5 Jahren von der Hochschulpolitik an der Uni aussperrt? 
!: Was wir hier nicht an Arbeit machen koennen, machen wir 
eben woanders. Es ist aber natuerlich gerade fuer neue Leute 
bloed, dass die eigene Hochschulgruppe gar nicht im Asta 
vertreten ist und man deshalb sehr schwer herausbekommt, 
worum es eigentlich hier in der Hochschulpolitik geht. 
Deshalb duempelt man gelegentlich ein bisschen dahin. In die
sem Sinn war die Politik der FSK bei uns gelegentlich 
erfolgreich. Wir hoffen aber, dass sich die FSK durch diese 
Ausgrenzung langfristig ins eigene Fleisch schneidet.
RCDS
RCDS-Listen wird es zu den Senatswahlen und zu den 
Fakutaetsratswahlen bei den Juristen und den Volkswirten 
geben. aeWir koennen zur Zeit auf 10-15 Aktive 
zurueckgreifen", sagt man bei der Gruppe.
?: Faellt es Euch schwer, fuer Wahlkaempfe mit 9% 
Wahlbeteiligung noch Flugblattverteiler zu finden?
!: Nein. Wir wollten nur mit dem Wahlkampf nicht so frueh, 
gleich zu Beginn des Semesters, anfangen. Das saehe danach 
aus, als wuerde man als Gruppe nur im Wahlkampf in 
Erscheinung treten. Deshalb konzentrieren wir alles auf einen 
kurzen, intensiven Wahlkampf. 
?: Senken Eure geringen Chancen, im Asta mitspielen zu 
duerfen - wenn die FSK denn die Mehrheit verliert, werdet Ihr 
ihn gewiss nicht im Bunde mit dem Roten Splitter 
uebernehmen koennen - nicht auch die Motivation?' 
!: Wir koennen zumindest erreichen, dass der AStA oefter 
einberufen wird. Dafuer brauchen wir nur ein Drittel der 
Stimmen, und das koennen wir z.B. mit den Jusos zusammen 
erreichen. So waere zumindest ein wenig Kontrolle ueber die 
FSK moeglich. ?: Was macht die FSK Eurer Meinung nach 
falsch?
!: Der Fehler an der FSK ist, dass sie meint, sie repraesentiere 
alle hier an der Uni. Dabei ist natuerlich der AStA das einzige 
Gremium, das annaeherend die Studierenden repraesentiert. 
?: Die FSK sagt, sie haette ueber die Fachschaft eine viel 
bessere Verankerung in der studentischen Basis...
!: ...sicherlich ist die FSK stark in den Fachschaften verankert. 
Aber auch der RCDS hat durch Fachschaftsarbeit seiner 
Mitglieder - bei den Juristen z.B. - bewiesen, dass er gute 
Basisarbeit leistet. Wir wollen auch gar nicht als Gruppe, die 
mehr auf Uni-, Landes- und Bundesebene arbeitet,  gute 
Fachschaftsarbeit schlechtmachen - schliesslich arb
eiten RCDS-Leute auch in den Fachschaften der Theologen, 
an der Historisch-Philophischen Fakultaet, bei VWL und Jura 
mit. Was aber die FSK nicht leisten kann, ist politische 
Lobbyarbeit. Und damit hat der RCDS einigen Erfolgen 
gehabt: Die Freischussregelung z.B. und unseren nicht 
unwesentlich Beitrag dazu, dass es keine Studiengebuehren 
geben wird
. Auch auf Uni-Ebene glauben wir durch unsere Einbindung in 
Landes- und Bundeszusammenhaenge einen besseren Beitrag 
als die FSK leisten zu koennen. ?: Was habt Ihr im letzten Jahr 
an    Aktionen zu bieten gehabt?
!: Erstens natuerlich unser Semesterfest. Dann haben wir 
Wolfgang Schaeuble zu einem gut besuchten Vortrag 
eingeladen. Der Stadtrat und Unternehmer Dr. Lamy 
referierte neulich auf Einladung des RCDS zum Thema 
aeSteht Heidelberg vor dem finanziellen Kollaps?" Auf  
Landesebene war es vor allem die fruchtbare Lobbyarbeit im 
Wissenschaftsministerium 
und in den Landtagsfraktionen. Unser Vorschlag zum 
aeStudentenstatus II" - bei dem nach einer gewissen 
Semesteranzahl die Sozialvorteile  fuer Studenten wegfallen, 
sie aber dennoch weiterstudieren koennen - hat bei der 
Hochschulrektorenkonferenz, beim Deutschen 
Hochschulverband, bei der Kultusministerkonferenz und 
Bundesministerium fuer Wissensch
aft und Forschung Anklang gefunden, und ich glaube, das hat 
die Studiengebuehren mit verhindert. Auf Bundesebene 
moechte ich die aeSummer University" hervorheben, die wir 
mit unserem europaeischen Dachverband EDS und ueber 300 
Teilnehmer aus ganz Europa in Greifswald veranstaltet haben.
!: Was fuer Versprechungen habt Ihr denn fuers naechste Jahr 
auf universitaerer Ebene und in der grossen Politik?
?: An der Universitaet wollen wir eine konsequente 
Fachschaftsarbeit betreiben, wie das in Jura immer schon der 
Fall gewesen ist. Entscheidungen sollen nicht mehr abgehoben 
in der Fachschafskonferenz stattfinden - denn diese Prozesse 
durchschauen ja viele Studenten ja gar nicht mehr.  Der Asta 
soll zum Kontrollinstrument und seine Entscheidungen n
ach aussen getragen werden. Auf Landesebene werden 
werden wir weiterhin auf eine Demokratisierung der 
Hochschule draengen. 
!: Die Roten Splitter treten mit der These an, die FSK sei 
nicht politisch genug. Findet Ihr das auch?
?: Das koennen wir natuerlich nicht nachvollziehen. Wenn es 
an der Uni  politsich-ideologische Strukturen gibt, dann findet 
man sie in der FSK - obwohl ich sie jetzt nicht pauschal 
beschimpfen will; es gibt auch viele dort, mit denen man 
konstruktiv diskutieren kann. Aber die FSK ist wirklich 
politisch genug.
!: Hoeren wir da sanftere Toene gegenueber der FSK als im 
letzten Jahr?
?: Im Prinzip hat sich nichts geaendert. Aber ich habe 
festgestellt, dass man mit dem einen oder anderen reden kann. 
Man kann es als ein Angebot zum Dialog von uns an die FSK 
verstehen.                           Interviews: hn 
Fokus: Asyl
"Lieber sollen mich die Haie fresse!"
Der Weg von Tirana nach Heidelberg kann lang sein; sehr 
lang sogar, wenn der Gegner im eigenen Staat der Staat ist 
und gut auf einen aufpasst, dass man auch ja keinen falschen 
Schritt tut. Mut braucht man dazu, einen unerschuetterlichen 
Willen - und vor allem Zaehigkeit. Einer, der es geschafft, 
wohnt jetzt in Heidelberg und moechte demnaechst sei
n Studium hier beginnen.
aeIch hatte keine Chance. Egal, was ich getan haette, man 
haette mir keine Chance gegeben." Alexander* lehnt sich in 
seinen schwarzen Sessel zurueck und laechelt. Keine Spur von 
Hass. Keine Spur von Anklage. Nicht einmal ein leiser 
Unterton von Schuldzuweisung. Zumindest aeusserlich ist er 
ganz ruhig. Bei dem, was er in seinem Heimatland erlebt hat, 
ist dies wirklich erstaunlich. Dazu gehoert schon eine gewisse 
innere Staerke. Denn dass 
so eine Vergangenheit spurlos an einem voruebergeht, kann 
man sich kaum vorstellen. Doch mein Gegenueber macht eher 
den Eindruck, als  habe er gerade seine Eltern nach dem 
allsonntaeglichen Besuch im Mercedes verabschiedet und 
keine anderen Sorgen, als zu ueberlegen, welchen Videofilm 
er jetzt in den Recorder schieben soll.
Alexander lebt seit knapp drei Jahren in Heidelberg. Geboren 
ist er in Albanien, und damit begann schon sein Unglueck. 
Sein Vater hatte sich im Jahr 1957 als Student einer Gruppe 
von jungen Leuten angeschlossen, die die Flucht aus dem 
Lande planten. Einer seiner Kommilitonen erregte jedoch 
Verdacht in ihm, und so stieg er aus der Gruppe aus, bevor
 diese ihr Vorhaben in die Tat umsetzte. Und tatsaechlich 
hatte er recht: der aeFreund" stellte sich als Spion heraus, und 
die Flucht misslang. Doch obwohl er selbst bei dem 
Fluchtversuch nicht dabeigewesen war, wurde er ebenso als 
Regimegegner angesehen und stand seitdem bei der Regierung 
auf der schwarzen Liste. Trotz Hochschulstudiums wurde er
 nie an eine andere Arbeit als die eines Tischlers 
herangelassen.
aeMeine ganze Familie bekam dies zu spueren; wir als Kinder 
waren durch die Vergangenheit unseres Vaters automatisch 
geoutet und wurden genauestens ueberwacht. Die Oberstufe 
der Schule durfte ich noch besuchen, aber ein Studium? Keine 
Chance. Dazu haette man mich nie und nimmer zugelassen."
Doch da er nicht als Tischler enden wollte, sondern andere 
Plaene hatte, als sein ganzes Leben lang vom aeBig Brother" 
kontrolliert und unterdrueckt zu werden, beschloss er 1985 als 
17jaehriger selber die Flucht. Ganz alleine machte er sich auf 
den Weg zum Skutorisee, einem Binnensee im Norden des 
Landes, durch den die Grenze zu Jugoslawien verla
euft. Doch sein erster Versuch endete schon, bevor er 
ueberhaupt begonnen hatte. aeAls ich ein wenig die Gegend 
erkundete, also nur so am Ufer des Sees herumhing, wurde 
ich schon von den Wachsoldaten, die dort ueberall stationert 
waren, aufgegriffen und gleich festgenommen. Ohne dass ich 
ueberhaupt irgendwelche Anstalten, die auf einen Fluchversuc
h hinwiesen, gemacht hatte!" 
Und die Justiz, der aeArm der Gerechtigkeit", ueberlegte nicht 
lange: sechs Jahre Gefaengnis lautete das Urteil. Dass er mit 
dieser milden Strafe davonkam und nicht zu vollen zwoelf 
Jahren verurteilt wurde, verdankte er einzig und allein seiner 
Jugend, denn auf Minderjaehrige durfte nur die Haelfte des 
normalen Strafmasses angewendet werden. Doch
 in all seinem Unglueck hatte er dann doch einmal ein bisschen 
Glueck: Nachdem er ein Jahr abgesessen hatte, wurde eine 
allgemeine Verordnung im Lande erlassen, die all diejenigen, 
die bis zu sechs Jahren verurteilt worden waren, amnestierte. 
Durch diese grosszuegige, mildtaetige Gnade des Chefs Ramiz 
Alia durfte Alexander frueher als erwartet sch
on wieder freie Luft schnuppern. 
Doch dass die Luft in diesem Lande fuer ihn nie wieder den 
Geruch von Freiheit haben wuerde, war ihm mehr als klar. 
Sein Wille war jedoch nicht gebrochen; im Gegenteil, seine 
Erlebnisse hatten ihn eher noch in seinem Entschluss, dieses 
Land unter allen Umstaenden zu verlassen, bestaetigt. Nichts 
hielt ihn mehr in diesem menschenverachtenden Staat,
der ihm nie mehr eine Chance auf ein selbstbestimmtes Leben 
geben wuerde. Der Traum, einmal als freier Mensch in 
Amerika zu leben, hatte sich unausloeschlich in seinem Kopf 
festgesetzt und trieb in zu seiner naechsten Tat an. 
Nur acht Monate nach seiner Freilassung aus dem Gefaengnis 
zog es ihn in den Sueden des Landes: diesmal wollte er den 
Weg in die Freiheit ueber das Mittelmeer versuchen. Als guter 
Schwimmer rechnete er sich Chancen aus, ein Schiff zu 
erreichen, auf dem er ins westliche Ausland gelangen konnte. 
Dass das Hafengewaesser, in das er sich wagte, durch d
ie stattliche Anzahl an homophilen Haifischen nicht gerade als 
Badegegend galt und seine Freunde ihn deshalb von dem 
Vorhaben abzuhalten versuchten, aenderte nichts an seien 
Plaenen. aeLieber wollte ich von den Haien gefressen werden 
als in diesem Land zu bleiben. Mich hielt dort nichts mehr. Als 
ich dann etwa vier Meilen entfernt ein Schiff sah, 
sprang ich - durch die Dunkelheit von den Wachposten 
unentdeckt - ins Wasser. Leider konnte ich die Flagge nicht 
erkennen, doch ich wollte die Chance nutzen." Leider hatte er 
Pech: am Schiff - immerhin lebend - angekommen, fischte ihn 
ein bulgarischer Matrose aus dem Wasser, und schon fand er 
sich mit zwei Bewachern in eine kleine Kabine eingespe
rrt wieder. Aus den Gespraechen zwischen den Offizieren 
konnte er heraushoeren, dass er der Polizei uebergeben 
werden sollte. aeAlles, was ich bei mir hatte, war die 
Badehose, die ich trug, und ein darin verstecktes Messer; ich 
haette ja von Haien angegriffen werden koennen. An Bord 
nun hatte man mir zum Schutz vor der Kaelte zumindest eine 
Decke 
gegeben, und so war das Messer bisher unentdeckt geblieben. 
Als ich es dann ploetzlich herauszog, dachten die beiden 
Matrosen, ich wollte sie angreifen und flohen kurzerhand. 
Doch ich stach mir damit selbst in den Bauch, dreimal: einmal 
knapp neben das Herz, zweimal erwischte ich die 
Magengegend." 
Alexander erzaehlt dies, als berichte er von seinem 
morgenlichen Broetchenkauf: Weder verzieht er eine Miene, 
noch aendert sich sein Tonfall; ganz ruhig sitzt er mir 
gegenueber und trinkt noch einen Schluck aus seinem Glas 
Orangensaft.  aeDas naechste, woran ich mich dann noch 
erinnern kann, ist, wie ein Polizist eine Pistole auf mich 
gerichtet ha
elt, obwohl ich schon voellig hilflos zusammengekruemmt am 
Boden liege. Und dann tragen mich zwei Maenner auf 
ziemlich brutale Weise - an den Haaren und Fuessen gepackt - 
von Bord."
Aufgewacht ist er dann in einem Krankenhauszimmer: an das 
Bett gefesselt und von einem Polizisten bewacht. aeSogar, 
wenn ich auf die Toilette ging, war er auf Schritt und Tritt 
dabei", erinnert sich Alexander. Man hatte ihn inzwischen 
operiert, und nach einer Woche wurde er von dem zivilen 
Krankenhaus in ein Gefaengniskrankenhaus in Tirana gebrac
ht. Dort begann dann die eigentliche aeBehandlung": Man 
verabreichte ihm die unterschiedlichsten Medikamente, die 
ihm einmal die Augen aus dem Kopf hervorquellen liessen, ein 
anderes Mal den Kiefer voellig bewegungslos und 
unkontrollierbar machten. aeDann stellten sie das Essen vor 
mich, obwohl sie genau wussten, dass es fuer mich 
unmoeglich war,
 auch nur einen Bissen aufzunehmen." Die Elektroschocks 
waren dagegen noch eine beinahe angenehme Foltermethode. 
Der aePsychotherapeut" des Krankenhauses versprach ihm 
eine individuelle Therapie:"Ich werde dich kaputt machen, bis 
du nicht mehr laufen kannst!" Angesichts dieser Prophezeiung 
war Alexander klar, dass es nur zwei Moeglichkeiten fu
er ihn gab: entweder Tod oder Flucht. 
aeEs gelang mir, den wachhabenden Polizisten dieser 
Abteilung zu ueberlisten und ihn ins Klo zu sperren. Da ich 
inzwischen fuerchterlich abgemagert war, schaffte ich es auch, 
mich durch das Gitter des Gebaeudes zu quetschen. Die letzte 
Schwierigkeit war nun, die insgesamt ca.3,70 m hohe Mauer 
mit Stacheldrahtzaun zu ueberklettern, bevor einer der 
alarmierten Wachposten mich draussen erwischte. Einfach war 
das nicht." Doch auch das gelang ihm, und einige Stunden 
spaeter stand er schon in der auf dem Weg liegenden 
jugoslawischen Botschaft; dort hinein gekommen war er 
einfach ueber den Zaun. Aber man wies ihn zurueck, und so 
machte er sich weiter auf den Weg zu einem geeigneten 
Versteck. Das
s er nicht nach Hause gehen konnte, weil es dort von Polizei 
nur so wimmeln wuerde, war ihm klar. Andererseit brachte er 
seine Freunde ebenfalls in grosse Gefahr, wenn er diese um 
Aufnahme bat. Inzwischen war schon eine Grossfahndung im 
ganzen Land nach ihm eingeleitet worden, und es wurde 
immer schwieriger, unentdeckt zu bleiben. aeZum Verhaengni
s wurde mir schliesslich der Krankenhaus-Pyjama, den ich 
immer noch unter meinem Pullover trug." 
Zwanzig Jahre fuer den Landesfluchtversuch und eineinhalb 
Jahre fuer die Flucht aus dem Gefaengniskrankenhaus, so 
lautete diesmal das Urteil. Zur Hilfe kam ihm diesmal nicht 
eine Amnestie, sondern der politische Umbruch im Lande 
beendete nach vier Jahren seinen Leidensweg. Im Zuge der 
Reformen wurde auch er aus dem Gefaengnis entlassen und 
reiste 
schliesslich auf  legalem Wege nach Griechenland ein. aeDie 
Regierung gab im Jahr 1990 neue Paesse aus, doch die 
kosteten ungefaehr soviel wie ein dreiviertel Monatslohn", 
sagt Alexander und fasst sich dabei an den Kopf. Im August 
91 kam er dann nach Heidelberg, wo schon sein Vater lebte. 
aeIch dachte, ich sei endlich frei, doch hier in Deutschla
nd fuehlte ich mich teilweise auch wie im Gefaengnis. Mal 
kurz nach Mannheim zu fahren, war fuer mich nicht so ohne 
weiteres drin: jedesmal, wenn ich die Stadt verlassen wollte, 
musste ich vorher einen Antrag stellen. Sogar um meine 
Freudin in Leimen zu besuchen, benoetigte ich eine offizielle 
Erlaubnis." 
Dass er diese buerokratischen Vorschriften nicht immer ganz 
strikt eingehalten hat, ist nur zu verstaendlich. Und wer weiss, 
vielleicht haette es sonst das Schicksal nicht endlich einmal 
gut mit ihm gemeint. Seine damalige Freundin hat er jedenfalls 
nicht mehr: sie ist inzwischen seine Frau. Ein erfreulicher 
Nebeneffekt der Heirat ist, dass er jet
zt endlich nicht mehr als Asylant in Deutschland lebt, sondern 
sogar  solche Rechte besitzt, wie z.B. frei herumzureisen. Im 
Sommer geht es zusammen in die alte aeHeimat", Albanien 
sieht ihn noch einmal wieder.                              (gz) Lieber 
sollen mich die Haie fressen!
aeSchon halbtot packten sie mich an den Haaren und Fuessen 
und trugen mich so von Bord."
aeDie Augen quollen mir aus dem Kopf, und ich konnte 
meinen Kiefer nicht mehr bewegen." *Name von der Red. 
geaendert.
Geschichten aus der Heimat
Von den Auswirkungen des rigorosen Kurses in der 
Asylpolitik auf Heidelberg
Wenn sie da sind, ist eigentlich schon alles gelaufen. Die 
Asylbewerber, die heute noch Heidelberg erreichen, haben 
ihre Anhoerung beim Bundesamt fuer die Anerkennung 
auslaendischer Fluechtlinge bereits hinter sich. Die 
Fluechtlinge werden direkt bei ihrer Ankunft im 
Regierungsbezirk Karlsruhe einem Sammellager zugewiesen 
und binnen kuerzester Fri
st in der Bundesamtsaussenstelle aeinterviewt". So sieht es 
das im Zusammenhang mit dem Asylkompromiss erlassene 
Beschleunigungsgesetz vor. Das Interview ist die Basis fuer 
die Entscheidung ueber den Asylantrag. Erst danach - wenn 
ueberhaupt - werden die Fluechtlinge in die Gemeinden 
verteilt.
aeFrueher hatten wir die Moeglichkeit, die Asylsuchenden, die 
Kontakt zu uns aufgenommen haben, vor ihrer ersten 
Anhoerung ausfuehrlich zu beraten", berichtet  Diana 
Hobbiesiefken vom Heidelberger Arbeitskreis Asyl und 
erlaeutert: aeDie Beratungen nahmen oft viele Tage in 
Anspruch. Haeufig haben wir so elementare Dinge trainiert 
wie das Erzaehlen
 in Ich-Form." In vielen Kulturkreisen ist das Problematisieren 
der eigenen Person nicht ueblich. Immer wieder gibt es 
Probleme, weil Fluechtlinge zu sehr von der globalen 
Situation ihres Volkes oder ihres Dorfes anstatt von ihrem 
persoenlichen Schicksal berichten. 
Auch Hinweise auf eventuelle  aeFallen" beim Interview 
koennen nicht mehr besprochen werden. Fuer eine kurdische 
Frau hatte das juengst dramatische Folgen. aeIhr Fall sah 
eigentlich sehr gut aus", so Frau Hobbiesiefken, aeaber in der 
Begruendung fuer ihre unerwartete Ablehnung stellte sich 
heraus, dass im Protokoll der Vernehmung vieles von dem,
 was sie erzaehlt hatte, nicht in das Protokoll aufgenommen 
worden war." Die Frau war auf diese Moeglichkeit nicht 
vorbereitet gewesen und hatte das Protokoll unterschrieben, 
ohne es sich vorher uebersetzen zu lassen. In den Beratungen 
wurde es immer wieder betont: aeSchauen sie genau, ob alles 
im Protokoll steht!" 
Die Handlungsmoeglichkeiten des AK Asyl sind inzwischen 
erheblich eingeschraenkt. Fuer die wenigen Asylbewerber, die 
noch nach Heidelberg kommen, kann der Arbeitskreis im 
Ablehnungsfall nicht mehr tun, als Klage gegen das 
Bundesamt einzureichen. Gut sind die Aussichten auch dann 
nicht. Frau Haussecker, ebenfalls Mitarbeiterin des 
Arbeitskreises, e
rlaeutert: aeWenn wir weitere Gruende fuer eine Anerkennung 
des Asylantrags vorbringen, geht das oft nach hinten los. Die 
Bundesamtsentscheider nennen das aegesteigertes 
Vorbringen" und unterstellen leicht, dass etwas hinzugedichtet 
wurde". 
Verschlechtert hat sich die Position der Asylbewerber zudem 
durch das im November letzten Jahres in Kraft getretene 
Asylbewerber leistungsgesetz. Das Gesetz schreibt unter 
anderem vor, dass Asylbewerber im ersten Jahr ihres 
Aufenthalts in Deutschland ueber Sachleistungen versorgt 
werden und darueber hinaus nur ein monatliches Taschengeld 
von 80 Ma
rk bekommen. Somit ist kaum noch ein Fluechtling in der 
Lage, einen Anwalt fuer sein Klageverfahren zu beauftragen. 
Auch unter anderen Gesichtspunkten wird das 
Asylbewerberleistungsgesetz scharf kritisiert. Aufsehen 
erregte die Aktion aeRueckkauf von Menschenrechten", die 
im Februar vom aeBuendnis fuer Asyl und gleichberechtigte 
Zusammenarbeit" initiiert wurde: Heidelberger kauften 
Asylberwerbern aus dem Rhein-Neckar-Kreis die ihnen 
zweimal pro Woche zugeteil
ten Lebensmittelpakete ab und versuchten, sich ausschliesslich 
von diesen zu ernaehren. 
Der Inhalt der von der Firma aeEhrenfried" gelieferten Pakete 
wurde von allen Teilnehmern uebereinstimmend als hoechst 
mangelhaft bewertet. Das Fehlen von frischem Obst und 
Gemuese und die minderwertige Qualitaet der Lebensmittel 
wurden ebenso beanstandet wie die Tatsache, dass die 
Lebensmittelzusammenstellung sich nicht zum Kochen von 
auch nur h
albwegs schmackhaften Gerichten eigne. Es sei insgesamt zu 
wenig gewesen, ausserdem habe der Inhalt dem angeblichen 
Wert nicht entsprochen. Viele aeusserten auch grundsaetzliche 
Bedenken gegenueber dieser Art der Versorgung. aeEine 
Bevormundung - entwuerdigend und diskriminierend", urteilte 
etwa der Mannheimer Professor Rolf Hoepfner.
Vielleicht wird Heidelberg irgendwann sowieso keine Pakete 
mehr verteilen muessen: Seit mehr als vier Wochen treffen fast 
gar keine Asylbewerber mehr im Heidelberger Stadtgebiet ein. 
Baden-Wuerttembergs Innenminister Birzele hat einen 
Umverteilungsstop veranlasst, nach dem die Fluechtlinge in 
der Regel nicht mehr an die Gemeinden weitergeleitet we
rden, sondern in den Sammelunterkuenften bleiben sollen.
Bereits seit drei Jahren werden im Regierungsbezirk Karlsruhe 
die Sammelunterkuenfte ausgebaut. Damals gab es hier drei 
Unterkuenfte, inzwischen sind es fast dreissig. Die alten 
Unterkuenfte sind in der Traegerschaft von 
Wohlfahrtsverbaenden, waehrend die neu hinzugekommenen  
bis auf eine Ausnahme von Angestellten des Landes versorgt 
werden. Das h
at Konsequenzen fuer die Betreuung der Fluechtlinge. aeDie 
Landesangestellten duerfen keine engagierte und kritische 
Arbeit leisten. Ihr Arbeitsauftrag besteht nicht darin, den 
Asylbewerber in ihrem Verfahren beizustehen oder sie zu 
beraten", meint Claudia Stengler, Angestellte bei der 
staatlichen Sammelunterkunft Wiesloch, die unter der 
Traegers
chaft des Roten Kreuzes gefuehrt wird. 
Die konzentrierte Unterbringung der Fluechtlinge hat System. 
Das spiegelt sich auch in einer Zentralisierung des 
Asylverfahrens wieder. Baden-Wuerttemberg war mit seinem 
aeKarlsruher Modell" Vorreiter einer Asylverfahrenspraxis, 
die die Kompetenzen von den oertlichen Auslaenderbehoerden 
auf das Bundesamt fuer die Anerkennung auslaendischer 
Fluech
tlinge vorsah. Nach und nach wurden die Aufgaben der 
oertlichen Behoerden beschnitten. 
Waehrend etwa die Heidelberger Auslaenderbehoerde vor drei 
Jahren noch selbst ueber die Abschiebung eines 
Asylbewerbers entscheiden konnte, ist es ihr heute nicht 
einmal mehr gestattet, kurzfristige Duldungen auszustellen. 
Ein Mitarbeiter der Auslaenderbehoerde Heidelberg bringt die 
Situation auf den Punkt: aeUns sind die Moeglichkeiten 
genommen, 
grosszuegig zu sein." Eine gut durchdachte Strategie: Aus der 
Distanz, nur unter Sichtung der Aktenlage,  laesst sich leichter 
rigoros entscheiden als von Angesicht zu Angesicht.
Ein Gegenpol zur verschaerften Asylpolitik ist das private 
Engagement vieler Heidelberger fuer aeihre" Asylbewerber: 
Zahlreiche ehrenamtlich Taetige kuemmern sich um das Wohl 
der Fluechtlinge. In dem Asylantenwohnheim in der Ploeck 
etwa werden von dem Ehepaar von Holthey Kindergruppen 
und Sprachkurse organisiert. Fuer die Kinder der 
Asylbewerber,
die pikanterweise weder dem Schulrecht noch der Schulpflicht 
unterliegen, wurden an mehreren Heidelberger Schulen 
Sonderklassen eingerichtet. Und man versucht, die 
Fluechtlinge vor willkuerlichen Akten des Bundesamtes zu 
schuetzen. 
Das allerdings gelingt nicht immer. Neulich zum Beispiel, als 
ploetzlich die Polizei vor der Wohnung eines Ehepaares aus 
Mazedonien stand, um den Mann abzuholen, kam jede Hilfe 
zu spaet. Da die beiden erst in Deutschland geheiratet hatten, 
liefen ihre Verfahren getrennt. Der Mann verstand  nicht:  Der 
Abschiebebescheid, von dem die Beamten sprache
n, war nie bei ihm angekommen. Konnte er auch nicht - 
wegen einer kleinen asylpolitischen Spezialitaet: das 
Bundesamt zur Anerkennung auslaendischer Fluechtlinge hat 
immer nur die erste Adresse der Fluechtlinge in Deutschland. 
Umzuege werden von den entsprechenden Behoerden nicht 
gemeldet; alle Bescheide gehen deshalb an die, oft veraltete, 
Adress
e. Kein Bescheid, kein Einspruch. Und kein Einspruch 
bedeutet Abschiebehaft. Da halfen auch Initiative und Protest 
nicht. Und die Schwangerschaft der Frau schon gar nicht.             
(mp)
ruprecht on record - Plattentips
Pop/Rock
BIOHAZARD / 
STATE OF THE WORLD ADRESS     
Nach dem Motto aeschneller, haerter, brutaler" 
veroeffentlichen BIOHAZARD mit ihrem neuen Album eine 
hoellische Mischung aus Ice-T und Sepultura, nur mit 
vollends durchgetretenem Gaspedal. Genauso erstaunlich wie 
bei den Hardcore-Kollegen Pantera ist auch hier, wie 
durchdacht und melodioes dennoch zu Werke gegangen wird. 
Im Zeitalter musikalische
n Dreiecksspringens in alle Richtungen ist das, was hier aus 
Hardcore-Rap und Thrash-Metal zusammengeschweisst 
wurde, ein teuflischer Cocktail fuer die Ewigkeit. aeHow it is" 
bspw. bringt genau jenen Sachverhalt -wie's halt ist in drogen- 
und gewaltzerfressenen Ghettos- textlich und musikalisch 
knallhart auf den Punkt. Wenn jede Dekade wirklich g
erade die Rockmusik hervorbringt, die fuer sie bezeichnend 
ist, dann sind Alltags- und Gesellschaftsbeschreibungen wie 
aeFailed Territory","Five Blocks to the Subway" oder 
aeHuman Animal" nicht unbedingt ermunternd. Power, 
Power, Power, der Magen hoert gar nicht mehr auf zu 
vibrieren, dieses Werk ist wirklich beeinDRUCKend.
FRANK BLACK / 
TEENAGER OF THE YEAR 
Frank Black -alias Black Francis von den Pixies- hat nach 
deren Trennung mit seinem zweiten Longplayer aeTeenager 
of the year" wohl eine der zwiespaeltigsten und 
schizophrensten Veroeffentlichungen dieses Jahres vorgelegt: 
22 Songs im wilden Stilmix durch (fast) alles, was die 
Rockmusik bisher so zu bieten hat: die Sixties wie Punk, mal 
happy-rel
axed (aeFiddle riddle") oder einfach nur laut (aeWhatever 
happened to Pong"), mal klingt das so wie die Stones 
(aeVanishing spies"), mal wie ELO (aeAbstract plain"), mal 
ist das eher schraeg (aeOle mulholland"), mal schoen straight 
(aeCalistan") und am gelungensten dann, wenn es sich gerade 
so anhoert, als waeren die Pixies auferstanden (aeT
wo Reelers"). Alles in allem durchstroemen die 
verschiedenartigsten Geister der Vergangenheit dieses Werk 
und selbst nach oftmaligem Anhoeren weiss man nicht so 
recht, was man von diesem allzu ueppigen Mahl halten soll. 
Von einigen geglueckten Gaengen abgesehenMia hot's fei net 
so gschmeckt.
NOVA MOB / 
NOVA MOB  
Als die legendaeren Huesker Due 1987 im Orkan 
drogenzerfressener Egos zerbrachen, ging jeder der drei 
Hueskers erstmal seine Wunden lecken. Bob Mould kehrte 
mit zwei introvertierten Soloalben und jetzt mit seiner neuen 
Band Sugar zurueck. Und Grant Hart? Der schmiss die 
Trommelstoecke ins Eck, spielt fortan Gitarre und 
veroeffentlicht nun mit sein
er Band NOVA MOB die zweite -selbstbetitelte- LP: 
amerikanischer Gitarrenrock, straight, mit weniger Ecken und 
Kanten als Harts fruehere Kompositionen bei Huesker Due. 
Der Opener aeOld Empire" ginge noch als Huesker-Song 
durch, aber spaetestens bei dem mit Blaesern untermalten 
aeShoot your way to freedom" wird klar, dass sich doch 
einiges veraen
dert hat. Harts Musik ist deutlich ruhiger und getragener, 
leider aber auch cleaner geworden und hat viel an Herz und 
Seele verloren. Die selbstzerstoererische Offenlegung eigener 
Seelenpein ist mit den alten Tagen endgueltig verschwunden. 
Dennoch sollte man sich NOVA MOB am 09.06. live im       
Schwimmbad nicht entgehen lassen.
MAX GOLDT /
DIE RADIOTRINKERIN & DIE
LEGENDAERE LETZTE ZIGARETTE 
Max Goldt, sagenumwobener Satiriker und Mitglied des 
Berliner Avantgarde-Duos aeFoyer des Arts" legt mit seiner 
juengsten CD zwei Hoerspiele vor, die bisher nur in 
schriftlicher Form (Die Radiotrinkerin -ausgesuchte schoene 
Texte; Heyne) erhaeltlich waren. Vorgetragen vom Meister 
selbst, laden diese abstrusen, skurrilen Hoer- und Wortspiele 
ein i
n die Gedankenwelt Max Goldts. Die beiden Gespraeche, zum 
einen mit einer Radiomoderatorin, deren Aufgabe es ist, sich 
waehrend der Sendung zu betrinken, zum anderen mit einer 
'Hinrichtungshostess' legen gnadenlos die Absurditaet und 
Banalitaet vieler Radiointerviews offen. Besonders genial sind 
auch die zwei live aufgenommenen Kolumnen aeQuitten 
fuer die Menschen zwischen Emden und Zittau" und aeJunger 
Mann, der sich eine Schallplatte gekauft hat", die ebenso jede 
winzigste, alptraumhafte Spiessbuergerlichkeit entlarven, 
offenlegen, im Zeitlupentempo sezieren  und dann genuesslich 
verspeisen. Koestlich!
		(jk)
Wer zu spaet kommt...
... oder kommen die wartenden Brueder doch rechtzeitig?
Mit ihrer Debuet-CD aeWe are not amused" verdeutlicht die 
Gernsbacher Band ALWAYS TOO LATE AND THE 
WAITING BROTHERS  das, was sie unter aePsychedelic-
Art-Groove" mit Einfluessen aevon den 70ern bis heute" 
versteht: epische,   getragene Stuecke - fast alle ueber 6 min. 
lang - gepraegt von der hypnotischen Stimme Stefan Goetz', 
dessen Melodik (ae
Caroline's cry") allerdings etwas gewoehnungsbeduerftig  ist. 
Die Wurzeln der Band liegen eindeutig in den Seventies, 
Vergleiche lassen sich ziehen zur legendaeren 
Deutschrockformation Anyone's Daughter.  Was damals noch 
Progressiv-Rock  genannt wurde, ist es heute natuerlich nicht 
mehr, aber melodioese, durchstrukturierte, 
abwechslungsreiche Kom
positionen machen diese CD zu einem gelungenen Einstand. 
Dieser Eindruck wird auch von den ab und an etwas 
unbeholfen wirkenden engl. Lyrics nicht geschmaelert: Bass 
und Drums bilden das treibende Fundament, ueber dem sich - 
unterstuetzt vom Keyboard -   Gitarre und Stimme voll 
entfalten koennen. Das deutschsprachige Talent der Band  
bezeugt das m
elancholische aeLiebeslied". Mit grossen UEberraschungen 
kann ein solches, bewusst aegestriges" Album freillich nicht 
aufwarten, aber dieses gekonnt zusammengesetzte Mosaik ist 
schoen anzuhoeren, ruhig, fetzig, tanzbar und macht Appetit 
auf ihren Auftritt am 16.06. in Hilde's Hellebaechl.     (jk)
KLASSIK
Die Kroenung
Eine beschwerliche Inthronisation
Den Starkult um die (Schoenheits-) Koeniginnen der Violine 
sind wir ja durchaus schon gewohnt. Jetzt aber, ganz exklusiv, 
beginnt der um eine Klarinettistin. Aus den Schaufenstern 
laechelt uns schon seit geraumer Zeit eine Dame entgegen, die 
zur aeFirst Lady der Klarinette" gepuscht werden soll. Ihr 
Name ist so fad, wie leicht zu merken  (da hat 
sich eben der Promoter etwas gedacht): Sabine Meyer. Sie 
spielt auf ihrer neuen CD Johann und Carl Stamitz, zwei 
Mannheimer Komponisten. aeStamitz", so die First Lady, 
aeist mit Mozart durchaus vergleichbar". Folgt man dem 
Urteil des grossen Pianisten Glenn Gould, dass Mozart aeein 
mittelmaessiger Komponist" sei, dann kann man sich der 
erlaucht
en Meinung der Lady S. durchaus ohne ernsthafte 
Verstimmung des Verdauungsapparates anschliessen. Die 
Dirigentin Iona Brown findet Mozart aber ganz grosse Klasse 
und schon ist der Schlamassel da: Iona Brown leitet naemlich 
das Orchester, die Academy of St. Martin in the Fields, das 
die Koenigin der Klarinette begleitet. Bei dem Versuch 
Stamitz als
 ebenso genial wie Mozart anzusehen, ist der sonst 
ausgezeichneten Iona Brown offenkundig unwohl geworden 
(der Magen!). So kommt es, dass die Academy leicht 
fluegellahm wirkt, was sonst gar nicht deren Eigenschaft ist. 
Dabei ist Frau Meyer immer bester Kondition und die lebt sie 
an ihrer Klarinette hemmungslos aus. Ihr Spiel ist sehr 
engagiert, un
d sie bekommt aus der Klarinette die huebschesten und 
vielfaeltigsten Klangfarben raus. Fazit: Wer 
Orchesterbegleitung ohnehin nur als Grundrauschen beim 
Kaffeetrinken ansieht und Wert auf brillant gespielte 
Klarinette (und eben Kaffee) legt, sich von der Art der Musik 
gerne an Mozart erinnern laesst (also gerne Sehnsucht nach 
Vollkommenheit empfindet), der wird mit dieser CD 
beschauliche Stunden erleben.                             
	(h.b.) 
Leserbrief
aeFronten in der Triplex" - so lautete der Leitartikel in dem 
kuerzlich erschienenen aeRuprecht". Die Art und Weise, wie 
das Verhaeltnis zwischen Tuerken und Kurden an der 
Universitaet Heidelberg in diesem Artikel dargestellt wurde, 
entbehrt jeglicher glaubwuerdigen Grundlage. Tuerken und 
Kurden saessen an verschiedenen Tischen und wuerden kaum 
miteinander reden. Zu dieser Aussage kann man nur sagen, 
dass Tuerken untereinander und Kurden untereinander an 
verschiedenen Tischen sitzen; ebenso gibt es Tische, an denen 
Tuerken und Kurden gemeinsam sitzen - die Gruende hierfuer 
sind mehr menschlicher als politischer Natur. Von einer 
aeScheidelinie" oder einem Kalten Krieg  in der Mensa kann 
demnach keine Rede sein.
Der Artikel ueber den Kurdistankonflikt laesst am Ende die 
tuerkischen Studenten indirekt als Schuldige dastehen. Die 
Behauptung, der Konflikt zwischen der PKK und dem 
tuerkischen Staat werde auch an der Universitaet Heidelberg 
durch kurdische und tuerkische Studenten ausgetragen, zeigt 
die Verantwortungslosigkeit des Verfassers. Viel schlimmer is
t jedoch, dass sich das Klima zwischen Tuerken und Kurden - 
dank des Verfassers - moeglicherweise verschlechtern wird. 
Ob dies seine Absicht war oder nicht - diese Frage kann nur er 
beantworten.
Wir sind fuer ein friedliches und freundschaftliches 
Zusammenleben von Tuerken und Kurden sowohl in 
Heidelberg als auch in der Tuerkei.
aeDabei ist es doch eine Gnade Gottes, ob wir Tuerken, 
Kurden oder Deutsche sind". Wir schliessen uns dieser 
Aussage an. Vatandas (dt.: ein tuerkischer Buerger)                                         
Riza
Studi-Theater:
ruprechts willkuerliche Auswahl
Was muss man zu Abraham/Zucker-Produktionen noch viel 
sagen? Beisst sich nicht jede hochgestochene Kritik 
spaetestens an Leslie Nielsens unnachahmlich dummen 
Gesichtsausdruck die Zaehne aus? Wenn Frank Drebin wieder 
unterwegs ist, stellt sich eigentlich nur eine Frage: Gehen den 
Machern der Nackten Kanone bei dieser Folge die Gags aus 
oder erst be
i der naechsten? Ganz klar: Gewisse Verschleisserscheinungen 
sind bei 33 1/3 unverkennbar und wenn der Streifen in Kuerze 
als Video in den Shops zu haben ist, muss man davon abraten, 
sich mit seiner Freundin alle Folgen der Nackten Kanone 
hintereinander anzusehen. Kassenschlager sind bei aeSequels", 
wie die Endlosfortsetzungen erfolgreicher Erstl
inge im Neudeutschen heissen,  eben nicht ohne ein gewisses 
Pensum Eigenzitate zu haben. Sonst aber bleibt wieder kein 
Auge trocken: Drebin glaenzt als Liebhaber, als 
Hausmaennchen und als Samenspender, persifliert wird alles, 
was nicht nur amerikanischen Kinogaengern heilig ist 
(inklusive Schindlers Liste). Der Knueller des Ganzen aber ist 
die Vi
sion eines Supergaus der US-Unterhaltungsindustrie: Ein 
Panneninferno bei der Oskarverleihung, entworfen von 
Abraham/Zucker und mittendrin Leslie Nielsen als debiler 
Moderator: Umwerfend komisch! 
Claude Chabrol zaehlt zu den begnadeten Regisseuren. 
Emmanuelle Beart ist eine hinreissend aussehende 
Schauspielerin. Eifersucht kann bis zum Wahnsinn fuehren. 
Maenner werden in bedraengten Situationen gewalttaetig. 
Wer das noch nicht wusste, der sehe sich die Geschichte von 
Paul an, einem mehr oder weniger erfolgreichen Hotelbesitzer, 
der aus kr
ankhaften Besitzanspruechen seiner Frau gegenueber ein 
harmonisches Leben aufs Spiel setzt und in  
Eifersuchtsphantasien endet. Einzig Chabrols Koennen, 
Emotionen bildlich umzusetzten, rechtfertigt die zwei 
ruprechts. Ansonsten hat man alles schon einmal gesehen - nur 
eben nicht eineinhalb Stunden lang. Auch Polanskis Bitter 
Moon ueberschreitet ze
itweise die Schmerzgrenze, aber die Handlung beschraenkt 
sich dort nicht nur auf  Eifersucht. So unbekannt ist uns das 
Thema auch nicht, als dass ihm Chabrol noch viele unbekannte 
Seiten abgewinnen koennte. Technisch  hervorragend und 
ziemlich langweilig.
Zum einen waere 
	da eine Inszenierung der Theatergruppe aePalette": 
Oscar Wilde erkannte damals, 1895, schon aeThe Importance 
of Being  Ernest" und kreierte diese aeKomoedie fuer 
ernsthafte Leute". aeBunbury" zu deutsch, oder aeErnst sein 
ist alles". Bloss gut, dass das Deutsche dem Englischen so 
aehnlich ist, sonst waere diese Farce glatt an uns vor
beigezogen, da das ganze Absurdum auf diesem Wortspiel 
beruht. aeBunbury" hat keine eigentliche Handlung, sondern 
besteht aus Situationen, die aus fortwaehrenden 
Verwechslungen entstehen. Termine: 11. und 12. Juni, 20h, 
Forum der Jugend, Mannheim,  sowie 24. und 25. Juni, 20h, 
Studihaus.
Ab Mitte Juni
	setzt das Ensemble TheaMed setzt im Romanischen 
Keller auf den aeMenschenfeind" von Hans Magnus 
Enzensberger: Frei nach Molières aeMisanthrope" - in 
Reimform: aeIhr nennt's Gesellschaft. Ich nenn's Metzgerei. 
Tut was ihr wollt, mir ist's einerlei. Das Messer hoch und 
macht einander nieder! Ich steige aus. Mich seht ihr hier nicht 
wiede
r." Statt der hoefischen Gesellschaft des Sonnenkoenigs die 
aePartygesellschaft" der heutigen Bundesrepublik - aeDas 
Substrat ist unveraendert: Klatsch, Prestigebeduerfnis, Intrige, 
Snobismus, Missgunst, Kalkuel ..." (Zitat Enzensberger). 
Freuen wir uns auf die reimenden Mediziner. Termine: 16.-19. 
Juni, 20h, Romanischer Keller.
Zu guter Letzt 
		eine Wiederaufnahme: Wegen grosser 
Nachfrage und anderer zwingender Gruende begibt sich die 
Gruppe aeBel Esprit" wieder in die Sphaeren Jim Morrisons. 
aeIdol - keiner kommt hier lebend raus" ist die Faszination 
Morrison, verpackt in ein Theaterstueck, inklusive Musik und 
Nebel. aeMoral ist Gehirnwaesche, im Schongang zum 
Schleudertrau
ma.  Der Kluegere kippt nach." - Um nur einige Zitate aus 
dem Stueck zu nennen. Auffuehrungstermine: 28. Juni bis 3. 
Juli, 20h, Romanischer Keller.
Das Allerletzte: noch 'ne Glosse
Glossen sind zum Lesen da!  So wie Ponies zum Streicheln. 
Schliesslich moechte sich der Leser - und sei's auch mal auf 
der letzten Seite - ein wenig entspannen und nicht 
inhaltsschwere, fruchtgefuellte  Geisteskuerbisse aufgeladen 
bekommen. Wie die Ponies:"Aber bitte nicht fuettern!"
Deswegen entstehen Glossen so sicher und zielstrebig wie sich 
in jedem fuenften englischsprachigen Lied aeundress" auf 
aecaress" oder aehuman rights" auf aeurban fights" reimt. In 
beiden Faellen ist die ueberdurchschnittliche inhaltliche 
Vernetzung, Gedankengut des unterdurchschnittlich 
langhaarigen Komponisten, zu beachten, die einem foermlic
h in den Schnurrbart springt, aber nur, wenn man Polizist ist.
 Rudolf Scharping uebrigens hat auch einen Bart und soll 
angeblich wegen der daraus resultierenden AEhnlichkeit mit 
gehoernten vierbeinigen Grasfressern (nicht -rauchern!) in 
parteiinternen Kreisen nur aeGoatie, the Grunger" genannt 
werden. Und ueberhaupt hatten alle grossen Mannen der 
Geschichte einen Bart, so wie Barbarossa, Bismarck und Ivan 
R
ebroff. Diese und andere Gewuechse werde ich bald in dem 
Buch aeWarum nur Rudi Kanzler werden kann" 
veroeffentlichen, welches ausserdem noch das Schlachtdatum 
von Scharpings Stallhasen enthuellen wird. 
Natuerlich werden Massen der vom 
Sonntagsmorgensumzehnkirchenglockengebimmel und vom 
Leben gezeichneten Studenten dieses Buch kaufen, denn 
Buecher sind wieder hip: ins Kino gehen ist in; fuer den 
Studenten sprechend ist es ebenso, das Buch gelesen zu 
haben; intellektuell desweiteren ist es,beides getan zu haben 
(sei's nun Buchzumfilm oder Filmzumb
uch) und die definitive intellektuelle Krone setzt man sich und 
dem ganzen damit auf, wenn man nun mit vollster 
Berechtigung ueber den Film herziehen kann.
Da es sich wesentlich schoener lesen laesst und beim 
literarischen Konsumenten einen wohligen, satten 
Geistesruelpser hervorruft, soll auch an dieser Stelle der 
thematische Spannungsbogen geschlossen werden: Glossen 
sind zum Lesen da. Et vice versa. (Ach ja, Rudi geht auch 
gern ins Kino).                                   
(jk)