Auf in den Cyberspace Auch in Heidelberg kann man jetzt Informatik studieren Was fuer viele Mathematik-Studenten schon seit langem zum taeglichen Brot gehoert, wird nun zu einem eigenen Studiengang aufgewertet: Fortan kann man in Heidelberg die Informatik zum Schwerpunkt seines Studiums machen und die Uni als Diplom-Mathematiker(in) mit Ausrichtung Informatik verlassen. Die Absolventen des neuen Studienganges werden zusaetzlich zu den meisten Pflichtveranstaltungen des Mathematikstudiums einige Informatikvorlesungen hoeren und ihre Programmierfaehigkeiten in zwei Software-Praktika ueben. Die Anwendung in der Praxis wird eine grosse Rolle spielen: man muss von Anfang an auch ein sogenanntes Anwendungsfach freier Wahl mitstudieren, in dem die Informatik-Kenntnisse einmal eingesetzt werden koennen, ausserdem ist ein 2-monatiges Betriebspraktikum obligatorisch. Dadurch soll vermieden werden, dass die zukuenftigen Informatiker zwar in der Lage sind, die ausgefeiltesten Programme zu schreiben, aber Kommunikationsschwierigkeiten mit den Programmbenutzern aus Wissenschaft und Wirtschaft haben. Diese Art von anwendungsorientierter Informatik hat in Heidelberg schon eine gewisse Tradition: da es fuer dieses Gebiet keine explizit verantwortliche Fakultaet gibt, haben sich verschiedene Fachbereiche selbst ihre eigenen Informatikstudiengaenge geschaffen, die stark an ihre Stammfaecher gebunden sind und somit keinen Mangel an Praxisbezug haben. Da gibt es zum Beispiel die Wirtschaftsinformatik, die als Nebenfach von rund 100 Studenten pro Semester belegt wird, oder die Medizinische Informatik, ein begehrter Studiengang, den Heidelberg in Kooperation mit der Fachhochschule Heilbronn anbietet. Bei den Neuphilologen kann man inzwischen Computerlinguistik studieren, und im Geographischen Institut gibt es schon seit 1985 einen Studienschwerpunkt Computerkartographie. Auch in der Physik werden schon seit laengerem Vorlesungen zu speziellen Problemen der Informatik gehalten, doch gab es bislang nicht einmal ein Nebenfach Informatik. Das soll jetzt, wo die Mathematiker sogar einen eigenen Studiengang dafuer einfuehren, allerdings anders werden. An der Probevorlesung Informatik I in diesem Semester haben deshalb auch schon viele Physik-Studenten teilgenommen, die auf eine rasche Einfuehrung des Nebenfaches hoffen. Eine Institution ganz eigener Art ist das 1988 gegruendete Interdisziplinaere Zentrum fuer Wissenschaftliches Rechnen (IWR), das fuer Absolventen des neuen Studienganges besonders interessant sein duerfte. Hier arbeiten Wissenschaftler unterschiedlicher Fachbereiche in Forschungsprojekten gemeinsam daran, komplexe Vorgaenge verschiedenster Art am Computer zu simulieren und damit durchschaubarer zu machen. Da dem IWR Hochleistungscomputer zur Verfuegung stehen, koennen hier auch sehr rechenintensive Projekte verwirklicht werden, wie z.B. die raeumliche Darstellung niemals gebauter, sondern nur im Computer simulierter Gebaeude, die man dann sozusagen durch den Bildschirm betreten kann. Eine Spielerei zwar, aber doch recht anspruchsvoll. Mit dieser Art konkreter Anwendungsmoeglichkeiten koennte die Informatik in Heidelberg sogar fuer Studenten anderer Studiengaenge interessant werden: bei der Einrichtung des neuen Studienganges, der ausdruecklich auch fuer den Quereinstieg nach einem vergleichbaren Vordiplom offen sein soll, schielt die Uni sicherlich auch auf Studenten anderer Hochschulen, die noch im Hauptstudium herueberwechseln koennten, um ihre Informatik-Kenntnisse im vielseitigen wissenschaftlichen Umfeld zu vertiefen. Ob Heidelberg aber wirklich eine attraktive Alternative zu den vielen Hochschulen wird, die schon seit langem ein eigenes Informatikstudium anbieten, muss sich erst noch zeigen. Moritz Diehl