Einige Aufregung verursachte am Ende des letzten Semesters die Aufforderung des Rektorates an die Institute, Langzeitstudierende ab dem 14. Semester zu "Beratungsgespraechen" vorzuladen - ein vom Wissenschaftsministerium empfohlenes Projekt, das nicht unumstritten war. "Bitte nehmen Sie Platz!" - Was ist aus der Beratungsgespraechen fuer Langzeitstudierende geworden? In diesem Semester fanden nun an vielen Instituten die ersten Gespraeche statt. Wer hat da nun wen beraten, wie, und vor allem: Mit welchen Konsequenzen? Die mit dieser Aufgabe beglueckten Dozenten versuchten zumeist, den Leuten "gut zuzureden und sie mit Ratschlaegen und Empfehlungen dazu zu bewegen, die letzten Schritte zu unternehmen", wie Prof. Otwin Becker, Dekan der Volkswirte, es formuliert. Massive Pruefungsangst, wenig Zeit wegen Job oder Kind, psychische oder familliaere Probleme - es gibt viele Gruende, warum Studierende, die alle Scheine haben, sich auch nach ueber 15 Semestern nicht zum Examen melden. An Beckers Fakultaet ist man zuversichtlich, den Langzeitstudis geholfen zu haben. Einige der "Berater" wollen ihre Schuetzlinge in einem halben Jahr wieder einladen, um zu sehen, ob sie nun besser zurechtkommen. Auch bei den Kunsthistorikern wurden gute Erfahrungen gemacht: "Am Anfang", so Prof. Peter Riedl, "sahen nicht recht den Sinn in diesen Gespraechen. Aber inzwischen gibt es ueberwiegend Erfolgsnachrichten; Studenten, die den Kontakt zum Institut verloren haben, werden wieder integriert." Doch nicht alle Institute machen mit. In der Germanistik etwa haelt man nichts davon, Langzeitstudis auf diese Weise zu motivieren: "Wir muessten 200 bis 300 Leute anschreiben", sagt Prof. Oskar Reichmann, "und dazu sehen wir uns nicht in der Lage." Vor allem aber sehen er und seine Kollegen keinen Grund, den Studenten ins Gewissen zu reden: "Das sind erwachsene Menschen; ob sie zu Ende studieren wollen, ist die Angelegenheit des Einzelnen." Bei den Chemikern sind die Studenten, wie Prof. Arno Hoepfner erklaert, durch Ganztagspraktika ohnehin genuegend integriert. Daher hat man auch hier auf Beratungsgespraeche verzichtet. Ebenso das Institut fuer Musikwissenschaft: "Die Leute stoeren nicht." Doch auch dort, wo die Gespraeche stattfanden, wurde den Studenten nur selten nahegelegt, sich von der Uni zu verabschieden. Ulf Schoenfelder*, alternder Jura-Student: "Ich fuehlte mich zwar etwas bemuttert, aber unter Druck gesetzt hat man mich nicht." Ohnehin fehlt die rechtliche Handhabe, um Langzeitstudierende zum Abschied von der Uni zu zwingen, selbst wenn sie gar nicht zur Beratung erscheinen. VWL-Dekan Becker bringt es auf den Punkt: "Scheine haben kein Verfallsdatum." Bisher wurde also nicht so heiss gegessen wie gekocht. Dennoch haben Institute bei diesen Gespraechen die Moeglichkeit, Leute unter Druck zu setzen, die nicht wissen, dass man sie gar nicht "hinauswerfen" kann. Und die Gespraeche bleiben nur solange sinnvoll, wie der Berater nicht ueber den Verbleib an der Uni entscheiden kann. (ah/hn)