Ein lauer Sommerabend, das Buf- fet ist reich gedeckt. In der Luft schweben leise die Klaenge des Klavierspielers. Doch etwas stimmt nicht. Sind es die weissen Lkws mit der schwarzen Aufschrift UN oder einfach der Ort - Zagreb. In einem Kriesengebiet sind Gegensaetze wohl immer gross und nur 40km entfernt wiegt ein Menschenleben nicht einmal den Bissen Brot auf, den ich gerade esse. "Jugoslawien", durch seine negativen Schlagzeilen leider immer noch in aller Munde - doch wie sieht es mit den neuen Teilen Slovenien und Zentral-Kroatien aus? Wenn man von den zahlreichen Neubauten ausgeht, scheint fuer sie der militante Konflikt in weiter Ferne zu liegen. Das mag fuer das ethnisch homogene Slovenien verstaendlich sein, hatte der kurze dreitaegige Krieg doch "nur" 67 Menschen das Leben gekostet. Ich sitze mit dem alten Karel unter seiner Eiche, den Fragen, die ich ueber den Krieg stelle, weicht er hoeflich aus, er erzaehlt lieber vom Jetzt und Heute. Von der neuen Hoffnung, die im Westen liegt, und von der schoenen Landschaft, den alten Kirchen und den froehlichen Kindern. Sein Sohn unterstuetze ihn, antwortet er auf meine Frage. Er arbeitet in einer Elektro-Firma in Lubljiana. Nein, er wolle nicht aus Grizane weg. Sein Sohn, ja der will in die Stadt, aber er bleibe. Am Abend treffe ich mich mit Igor. Er ist Professor der Uni in Lubljiana. Ich frage ihn, ob er sich fuer 2 Mill. Menschen auf einer Flaeche halb so gross wie die Schweiz eine Zukunft vorstellen kann. Er lacht. Natuerlich sei die anfaengliche Euphorie durch die angespannte Wirtschaftslage der letzten Jahre gedaempft worden. Mit dem ehemaligen Jugoslawien habe man die Haelfte seines Absatzmarktes verloren, und die Vollbeschaeftigung von 1987 ist einer Arbeitslosenquote von 20% gewichen. Aber dennoch; ein Zurueck gebe es wohl fuer die Wenigsten. Auf die zahlreichen Neubauten angesprochen, antwortet er; diese seien noch aus Tagen des Jugoslawischen Bundes. Damals zaehlte Slowenien zu den entwickeltsten Teilen der Union, und der bescheidene Wohlstand schlug sich in jahrelangen Arbeiten oft im Eigenbau solcher Haeuser nieder. Jetzt fehlt das Geld fuer ihren Weiterbau. Drei Tage spaeter stehe ich am Ufer des Mittelmeeres. In der Ferne Krk, kahl und trocken wie eh und je. Ueberhaupt merkt man als Reisender kaum, dass man sich in einem Land befindet, dass zu einem Drittel besetzt, und in dem der Krieg noch immer nicht vorbei ist. Man muss schon genau hinsehen, um alte Spuren zu finden; zwei zerschossene LKW- Container, die Loecher mit Klebeband ueberdeckt oder die frisch geteerte Rollbahn des Flughafens. Auch in Kroatien versucht man alle Spuren des Krieges zu entfernen, um wenigstens die Touristen wieder anzusprechen. Tschechisch und Ungarisch ist schon wieder zu hoeren, Deutsch hingegen noch selten. Der schwache Fremdenverkehr liegt aber wohl auch an den durch die hohe Kriegssteuer wieder steigenden Preisen. So kostet die billigste Packung Zigaretten in Kroatien mittlerweile DM 2,80, in Slowenien noch ganze DM 1,17. Ich sitze wieder im Flugzeug und blicke noch einmal zurueck. Am Horizont muss irgendwo Bosnien anfangen, dann Kroatien und unter mir Slowenien. Endlich Ruhe? Oder wie so oft, nur eine laengere Pause. Ein Satz des alten Karel faellt mir wieder ein. "Das Leben geht weiter, die Angst ist geblieben." (bw)