Point&Counterpoint: Profs als Angestellte?

Teures Geld fuer schlechteleistung? Ruhen sich Deutschlands Professoren auf ihrem Beamtenstatus aus? Ein Vorschlag der Stuttgarter SPD-Fraktion fordert die Aufhebung des professoralen Beamtenstatus, um Leistung effektiver kontrollieren zu koennen. Nach Meinung von Kritikern geht der Vorschlag am Kernproblem vorbei. Kann die Entbeamtung halten, was sie verspricht?

"Ja" Walter Mogg, MdL,Hochschulpolitischer Sprecher der SPD- Landtagsfraktion in Stuttgart:

Zwar ist in unserem Foederalismus eine isolierte Vorgehensweise eines Bundeslandes bei dieser Frage nicht vorstellbar, denn es wuerden bei den Rufannahmen durch hoechstqualifizierte WissenschaftlerInnen jede Laender bevorzugt, die komfortablere Bedingungen, sprich: den Lebenszeitstatus, beibehalten. Wenn es nun aber tatsaechlich eine breit angelegte, ueber die Parteigrenzen hinausreichende Diskussion gibt, dann koennte es zu einem bundesweiten Konsens in dieser Frage reichen. Der Nutzen fuer die Wissenschaft waere gross genug, um den Streit mit den Interessensverbaenden nun aufzunehmen.

Wissenschaft und ihre Institutionen sind wie kaum ein anderer Lebensbereich angewiesen auf Leistung, Flexibilitaet und Innovation. Diese Aussage ist richtig - und sie ist gleichzeitig so abgegriffen und trivial, dass sich die Feder straeubt beim Niederschreiben. Umso erstaunlicher ist es, dass sich unsere Gesellschaft an den Hochschulen mit der Ver-Beamtung von ProfessorInnen ein Beschaeftigungsverhaeltnis 'leistet', von dem heutzutage nur noch ganz vereinzelte Verbands-Lobbyisten behaupten, es sei der Leistung, der Flexibilitaet und der Innovation foerderlich. Um es fuer diesen Artikel einmal auf den einfachen Punkt zu bringen: Es kann nicht angehen, dass Fuenfunddreissig- bis Vierzigjaehrige nach ihrer Berufung in Lebenszeitpositionen genommen werden, ohne dass von Stund' an eine echte Moeglichkeit besteht, Leistung oder Nicht-Leistung zu sanktionieren. Dass dies so ist, wird in der scientific community gar nicht bestritten, es wird dort aber auf interne Kontrollmechanismen verwiesen, mit denen 'Schwarze Schafe' identifiziert und ausgegrenzt wuerden. Dies kann hoechstens die scientific community befriedigen, nicht aber den Steuerzahler, der vergleichsweise hohe Monatseinkommen aufbringt und zusehen muss, wie das auf diese Weise ausgegrenzte 'Schwarze Schaf' zu allem Ueberfluss bis zum 65. bzw. 69. Lebensjahr die (Lebenszeit-) Position blockiert. Erst juengst sind in Baden-Wuerttemberg aufsehenerregende Beispiele fuer solche Verhaeltnisse oeffentlich geworden, und diese Beispiele sind, dem Beamtenrecht und seiner Schutzwirkung sei Dank, bis heute nicht bereinigt.

Um es einmal in den Worten von Ulrich Maurer, unserem Fraktionsvorsitzenden im Landtag, zu sagen: „Wenn die Leistung wirklich (und nicht nur in Sonntagsreden) zum entscheidenden Kriterium werden soll, dann muessen wir auch die Beschaeftigungsverhaeltnisse der Professoren entsprechend flexibilisieren. Nicht jeder Professor muss sofort zum Lebenszeitbeamten ernannt werden, sondern dann, wenn er (oder sie) die Leistungsfaehigkeit - und vor allem die Leistungsbereitschaft bewiesen hat.
Wir streben in Deutschland gern dem amerikanischen Beispiel nach, und es gibt dafuer in der Wissenschaft manch' guten Grund. Das amerikanische Beispiel lehrt uns unter anderem, wie eine Professorenlaufbahn organisiert sein muss, die von Leistungsanreizen begleitet ist und damit Leistung garantiert. 'Tenure' heisst dort das Zauberwort und dahinter verbirgt sich die Lebenszeitprofessur, mit der in der Regel in einem recht fortgeschrittenen Lebensalter die Leistung eines Wissenschaftlerlebens honoriert wird.

"Nein" Bernd Jorg Diebner, Dozent am Theologischen Institut Heidelberg

Sind Professoren Beamte? Aus meiner Perspektive gesehen: Nein! Die Universitaets-Verwaltung unterscheidet zwischen „Professoren“ und „Beamten“. „Beamte“ wie ich bekommen Rundschreiben der Zentralen Universitaets-Verwaltung, in denen ihnen vorgeschrieben wird, was sie tun oder lassen duerfen und was nicht. Solche Rundschreiben bekommt mein Dienstzimmer-Nachbar, ein C-4-Professor, nicht. Also ist er am Ende kein Beamter. Weil aber Professoren nicht in Rente gehen, sondern emeritiert und pensioniert werden, muessen sie wohl doch so etwas Aehnliches wie Beamte sein. Gehen wir also einmal davon aus, nennen wir es aber den „gegenwaertigen Status

Lassen Sie mich raten: Vermutlich werden nur wenige Professoren ihren gegenwaertigen Status gegen einen anderen eintauschen wollen. Dazu ist er einfach zu vorteilhaft. Soviel oder sowenig Forschung und Lehre wie moeglich: alles laesst sich einrichten. Profitable Nebeneinnahmen, Frei- und Auslandssemester (bei weiterlaufenden Bezuegen) - Pruefungsverpflichtungen fallen waehrenddessen oft auf Privatdozenten herunter... Nein, so ist es nicht ueberall, klar. Das Problem liegt m.E. auch nicht bei der Frage „Verbeamtung - ja oder nein?“ Die entscheidende Frage lautet: „Wie laesst sich ein Hoechstmass an wissenschaftlicher Leistung durch freie und optimal gefoerderte Forschung erreichen?“ Dies kann im Rahmen staatlicher Lebenszeitstellungen geschehen oder verhindert werden, wie auch an den kommerziell betriebenen Hochschulen der U.S.A., wo sich die Profs in Versandhauskatalog-aehnlichen Vorlesungsverzeichnissen wie Hamburger anpreisen muessen. Eine Leistungskontrolle wird sich schwer durchfuehren lassen. In den Niederlanden fuehrte man als Auswahlkriterium fuer Stellenstreichungen ein Punktesystem ein, bei dem die Anzahl der Publikationen in international gaengigen wissenschaftlichen Verkehrssprachen zaehlte: ziemlicher Schwachsinn. „Leistung“ kann schon bei der redaktionellen Selektion von Beitraegen fuer Fachorgane unterdrueckt werden. Nicht nur in den „geisteswissenschaftlichen“ Disziplinen ist freie und kreative Forschung oft durch die soziologisch beschreibbaren Selektions-Mechanismen der Foerderung des akademischen Nachwuchses gefaehrdet. Mittelalterlicher Schulbetrieb erstickt oft wie ein schwerer Schatten Kreativitaet. Machtstrukturen und manchmal wohl auch das furchtsame Bemuehen, „Neues“ zu verhindern, koennen Forschungs-Innovationen verzoegern oder verhindern. Es gibt Bereiche, in denen dies nach aussen hin keinen Schaden anrichtet. Es gibt aber auch andere, da schadet dies dem Gemeinwesen. Hochbegabte wandern dorthin aus, wo sie sich „freier“ und besser gefoerdert entfalten koennen. Oft auch nur deshalb, weil die Verwaltungsbuerokratie zu unbeweglich ist, zur rechten Zeit die erforderlichen Mittel zur Verfuegung zu stellen.

Zustaendige Gremien sollten darueber nachdenken, wie sich dies verhindern laesst. Verantwortliche sollten ihr Verhaeltnis zu ihren anvertrauten kreativen Koepfen und deren „Promotion“ im umfassenden Sinne ueberpruefen. Und wir alle zusammen sollten weniger Luft in den zur Zeit gewaltig aufgeblasenen Problem-Ballon „Verbeamtung“ pumn.

(Red. point/counterpoint: kw)