Endlich Promotionsrecht fuer die Juedische Hochschule Mehr als tausend Jahre dauerte es, bis dem Judentum in Deutschland ein, so sollte man meinen, buerokratisches Simplum zugestanden wurde, das fuer die christlichen Kirchen in diesem Land seit jeher eine Selbstverstaendlichkeit war: das Recht auf die formale staatliche Anerkennung hoeherer wissenschaftlicher Leistungen, kurz das Promotionsrecht. Am 12. Januar dieses Jahres war es soweit: Die Hochschule fuer Juedische Studien in Heidelberg erhielt diese Befugnis, und seiner historischen Bedeutung gemaess wurde der Tag von mehreren Hundertschaften geladener Gaeste aus zahlreichen politischen und kulturellen Winkeln wort-(und geist-)reich gewuerdigt. "Glauben ist nur eine Haelfte, Wissenschaft die andere", schrieb Ignaz Bubis, Vorsitzender des Zentralrates der Juden in Deutschland, in einem der Grussworte. Andere kamen von Professor Julius Carlebach, Rektor der Hochschule fuer Juedische Studien, von Marcel Reich-Ranicki als eigentlichem Festredner, sowie einer Handvoll der einschlaegig bekannten Kultus- und Innenminister. Die mutige Umkehrung des bekannten Novalis-Ausspruchs ist so etwas wie Programm fuer ein "Kleinod in der geistigen Welt Deutschlands und ganz Europas", wie es in einem anderen Glueckwunschschreiben heisst. Und genau diese Gradwanderung zwischen zwei unvereinbar scheinenden Weltsichten bestimmt auch die nur selten verstummende Diskussion um die Hochschule, die mit 15 Jahren so alt ist wie die Einrichtung selbst. Kritik kommt vor allem aus den Reihen der Rabbiner um den Gruender Nathan P. Levinson, der beklagt, dass die Hochschule statt Rabbinern oder zumindest Lehrern nur ein Uebermass an Wissenschaftlern produziert. Ganz aus der Luft gegriffen mutet das nicht an, sind doch vier von fuenf an der Hochschule fuer Juedische Studien eingeschriebenen Studenten nicht juedischen Glaubens. Doch liegt vielleicht gerade hierin die Chance dieser Einrichtung, die allein durch ihre Existenz einen oekumenischen und interkulturellen Dialog ermoeglicht, der nicht vor den engen Horizonten der christlichen Religion und Kultur haltmacht. Dass Promotionsrecht und 15-Jahres-Feier den Anfang eines an Ge- und Nachdenktagen so reichen Jahres bildeten, ist ein gutes Zeichen. (gvg)