Warum so heimlich? Genlabor im Theoretikum geplant Ganz offiziell ist die Sache noch nicht. Aber wenn alles so laeuft, wie es sich die Mediziner und Virologen im Neuenheimer Feld vorstellen, dann ist den forschenden Geistern unserer Universitaet ganz im Stillen ein Coup gelungen, um den sie so manche deutsche Hochschule in Zukunft beneiden wird. Im Zentralbereich des Medizinischen Theoretikums soll ein sogenanntes S3-Labor entstehen, nicht irgendwann, sondern aller Voraussicht nach noch vor Mitte des Jahres. Zur Orientierung: Fuer Forschungslabors im medizinischen und biologischen Bereich existieren vier Sicherheitsstufen: S1 bis S4. S3-Labors sind also Einrichtungen der zweithoechsten Sicherheitsstufe, gleichzeitig die hoechste in Deutschland, denn ein S4-Labor gibt es in unserem Land nicht. Der Grund fuer die Eile liegt in einem neuen EU-Gesetz, das vor kurzem die Welt der Mikroorganismen neu ordnete, und zwar bezueglich ihrer Gefaehrlichkeit fuer den Menschen. In diesem Gesetz wurde u.a. eine Reihe Krankheitserreger ob ihrer Bedenklichkeit neu eingestuft, was z.B. einen Hepatitis- B-Virus oder ein Tuberculose-Bakterium zu S3-Organismen befoerderte, eine Entscheidung, die zahlreiche Forschungsanstalten jetzt vor Probleme stellt, denn die Uebergangsfrist laeuft demnaechst ab, und danach sind die alten S2-Laboratorien fuer viele Versuche obsolet. "Das Labor ist fuer uns absolute Notwendigkeit, wenn wir unseren Forschungsstandard halten wollen", so die offizielle Lesart. Doch tatsaechlich waere kontinuierliche Arbeit ohne die Anschaffung des Labors auch in einem anderem Bereich nur schwer denkbar: die Uni-Kliniken benoetigen in speziellen Faellen Diagnosemoeglichkeiten, die ihnen nach der Gesetzesnovellierung nur noch ein solches Labor bieten kann. Fuer wie dringend das Ganze gehalten wird, zeigt sich am geplanten Ablauf der Installierung. Wegen Platzmangel wird nach dem Fertighausprinzip zunaechst ein Container den Inhalt des Labors aufnehmen, das dann spaeter in eine feste Behausung umziehen soll. "Das wird ein 1,5-Millionen- Projekt", hoert man aus dem Theoretikum. Wie viele Projekte moderner Forschung hat auch dieses zwei der Betrachtung werte Gesichtspunkte, die ueber den reine Funktionalitaet hinausgehen. Der eine ergibt sich schon aus dem Namen S3: Wie steht es mit der Sicherheit, mitten zwischen Instituten, in der Naehe der Mensa? Interessanterweise wurde mit Dr. Siller ein Mann Baubeauftragter, der sich gleichzeitig um die biologische Sicherheit an der Uni kuemmert. Er soll die Gewaehr dafuer bieten, dass schon bei Errichtung des Labors sicherheitstechnisch penible Sorgfalt herrscht, denn "mit ihm ist ein kompetenter Mann weisungsbefugt". Der andere wichtige Punkt dreht sich um den Begriff Ethik. Wer bestimmt, was erforscht wird, und wer kontrolliert es? Denn eins steht fest, auch wenn es keiner so gerne ausspricht: Experimente in einem S3-Labor koennen Dimensionen haben, die ueber die blosse Identifizierung von Mikroorganismen zu Diagnosezwecken weit hinausgehen. Im Bewusstsein, dass moderne Forschung die Zukunft aller Menschen nachhaltig beeinflusst, wurde an der Hochschule die sog. Ethikkommission ins Leben gerufen,in der neben Wissenschaftlern und Aerzten auch zahlreiche andere Berufsstaende vertreten sind, Juristen und Theologen etwa. Sie ist sozusagen letzte moralische Instanz, nach zwei staatlichen Pruefungen. Das letzte Mal trat diese Kommission vergangenen Sommer in Erscheinung, als es um die umstrittenen "Leichen-Crashtests" ging (die sie uebrigens fast einstimmig billigte). Soweit so gut; die Neuanschaffung unserer Uni scheint ebenso aufsehenerregend wie begruessenswert. Befremdlich ist allerdings die Informationspolitik der Verwaltung . Der Bau eines S3-Labors darf auch im progressiven Heidelberg keine Selbstverstaendlichkeit sein, gerade die in diesem Bereich taetigen Wissenschaftler waeren gut beraten, ihre Arbeit der Oeffentlichkeit zugaenglicher zu machen, statt ueber ungerechte Gesetze zu lamentieren. "Wir duerfen keine Geheimlobby unserer selbst sein." So redete Jens Reich, Ex- Praesidentschaftskandidat und hauptberuflich Molekularbiologe, im vergangenen November auf einem Symposium dieser Universitaet seinen versammelten Kollegen vielbeklatscht ins Gewissen.Schon vergessen? (gvg)