"Bildet zu Menschen Euch aus" Die Heidelberger Schiller University: familiaere Internationalitaet If you can imagine it, you can achieve it. If you can dream it, you can become it."- der amerikanische Traum, von einer jungen Kanadierin nach Europa zurueckgetraeumt durch ein Studium an der Schiller International University in Heidelberg. Unzufrieden mit der anomymen Uni- Atmosphaere in ihrer Heimat, hatte Sandy mit dem Wechsel an die amerikanische Privatuniversitaet auf deutschem Boden die "beste Entscheidung ihres Lebens" getroffen. Am 17. Dezember 1994 wurde sie auf der "Graduation Ceremony" im Koenigssaal des Heidelberger Schlosses als beste Absolventin des MBA-Programmes geehrt, bevor sie ihre Arbeit bei einer Import-Export-Firma in Wien antrat. Ihr und den rund siebzig anderen Kandidaten, die an diesem Tag nach der Entgegennahme ihrer Diplome die Baender an ihren Hueten nach amerikanischer Sitte von der rechten auf die linke (die akademische!) Seite legen durften, rief die Campus-Direktorin Linda Evans ihre "heartfelt thanks" zu: "Please know that we will miss you!" - Auf derartige Zuneigungsbezeugungen wird der Student der Ruperto Carola kaum hoffen duerfen, wenn er sich auf dem Studentensekretariat sein Zeugnis abholt. "Schiller" ist naemlich anders. Eine grosse Familie und obendrein auch "a world in a nutshell", wie es Margret Dotter, Vorsitzende des Auslaenderrates der Stadt Heidelberg, in ihrer Festtagsansprache bezeichnete. Als Prof. Walter Leibrecht 1964 mit 35 Studenten das SchillerCollege in Schloss Klein-Ingersheim noerdlich von Stuttgart gruendete, beabsichtigte er, eine Alternative zu den europaeischen Massenuniversitaeten anzubieten. Seinerzeit selbst Student an der Ruperto Carola, begeisterte ihn waehrend seiner ueber zehnjaehrigen Lehrtaetigkeit an den Universitaeten Columbia, Chicago und Harvard das amerikanische Bildungssystem besonders im Hinblick auf dessen "tutor approach". "Schiller" sollte sich nun in humanistischer Bildungsmanier der Entwicklung der ganzen Persoenlichkeit annehmen und insbesondere Amerikanern ein "study abroad" ermoeglichen - ohne Reibungsverluste beim Wechsel in ein anderes System und eine fremde Sprachgemeinschaft. Bereits 1969 war die Kapazitaet des Neckar-Schloesschens erschoepft, so dass der Campus nach Heidelberg verlegt werden musste. Gleichzeitig entstanden mehrere neue Schiller-Colleges in ganz Europa. Die Vietnam-Krise fuehrte erstmals zu einem Rueckgang der Immatrikulationen, woraufhin man begann, Studenten aus anderen Teilen der Welt anzuwerben. Mit der Internationalisierung einher ging die Verlagerung der Studienschwerpunkte von Geisteswissenschaften zu praxisorientierten Studiengaengen wie Economics, International Relations oder Hotel Management. Seit 1981 koennen auf verschiedenen Gebieten Master-Titel erworben werden: Aus dem Schiller College wurde die Schiller International University. Heute studieren 1600 Studenten aus ueber 130 Laendern an den zehn Universitaeten in Heidelberg, Berlin, London (Waterloo und Wickham), Paris, Strassburg, Engelberg und Leysin (Schweiz), Madrid und Florida. Die Studiengebuehren bewegen sich, verglichen mit anderen amerikanischen Privatuniversitaeten, noch im unteren Durchschnitt, betragen in Heidelberg aber immerhin rund 9000 Mark im Semester. In bestimmten Faellen koennen bis zur Haelfte der Studiengebuehren erlassen werden. Neben einer begrenzten Zahl von Begabtenstipendien gibt es "University Service Grants", bei denen als Gegenleistung Teilzeitarbeit in Bibliothek und Buero geleistet werden muss. Aehnlich bunt wie die Zusammensetzung der Studenten ist die der Lehrkraefte, die teils von Universitaeten, teils aus der freien Wirtschaft kommen.Um einen gleichbleibend hohen paedagogischen Standard zu gewaehrleisten, laesst man die Schueler ihre Dozenten am Semesterende in Frageboegen bewerten.Erst nach mehren positiven "evaluations" wird aus einem Lehrauftrag eine feste Anstellung. Umstritten bleibt (zumindest hierzulande) die Anerkennung der akademischen Abschluesse. Waehrend die Diplome der internationalen Ausbildungsstaette in den USA von einer Ak- kreditierungsbehoerde anerkannt werden, die ihrerseits vom US-Bildungsministerium anerkannt ist, anerkennen die deutschen Kultusministerien nur die Abschluesse der Universitaeten, die von einer anderen anerkannten amerikanischen Akkreditierungsbehoerde anerkannt sind (!?). Mit dieser Problematik befasste sich ein Artikel in der Sueddeutschen Zeitung vom 22. Oktober 1994, der Zweifel am Niveau der Einrichtung weckte. Auch in dem US-amerikanischen "Peterson`s Guide to Four Year Colleges" kommt die SIU nicht allzu gut weg. Allerdings ist die Vergleichbarkeit zwischen einer internationalen und einer rein amerikanischen Schule nicht gegeben. Wie dem auch sei, diese Wertungen sind dem Renommee eher abtraeglich und schrecken potentielle Arbeitgeber ab. Jedoch: Nach Angaben von Tho- mas Leibrecht, dem in der Hei- delberger Verwaltung taetigen Sohn des Gruenders, bekommen 90% der Absolventen eine Arbeit. Den Ausschlag hierfuer duerfte allerdings die "Familie" geben, denn die mittlerweile 16.000 "Alumni" bleiben organisiert und in Kontakt. Zweimal im Jahr erscheint der "SIU Newsletter", der Auskunft ueber den beruflichen Werdegang frueherer Studenten gibt. Von erfolgreichen Ehemaligen wird erwartet, dass sie nachfolgenden Jahrgaengen bei der Jobsuche behilflich sind. In vielen Faellen geht alles noch einfacher, denn das Business wartet bereits daheim. So moechte Eric mit dem BA in der Tasche nach Nigeria zurueck, um dort den Betrieb seines Vaters auf Vordermann zu bringen. Wie man so etwas macht, hat er bei Schiller gelernt - in Kursen wie "Small Business Management", bei denen Studenten fuer die Dauer eines Semesters imaginaere Firmen auf dem Computerbildschirm verwalten. Dr. Nicolle Macho, Dozentin an der SIU-Heidelberg, haelt diesen Praxisbezug fuer die Staerke der Ausbildung. Darueberhinaus vermerkt sie, dass die in Deutschland vorherrschende Art der Wissensaneignung in "selektivem Pauken" am Semesterende bestehe, waehrend der SIU-Student durch strenge Absenzenregelungen und Mitarbeitsnoten gezwungen werde, am Ball zu bleiben. Michaela ("Ich bin jemand, der den Druck braucht.") ist froh, auf diese Weise vor einem Langzeitstudium bewahrt zu werden. Auf das Niveau der einzelnen Kurse wirkt es sich aber nicht immer positiv aus, wenn jeder im gleichen Tempo mitgeschleppt werden soll. Dies wird deutlich, wenn Macho in der Einfuehrungsveranstaltung zu einem Kurs, der sich an Studenten im sechsten Semester richtet, ausfuehrlich Zitiertechniken erlaeutert und danach vor Rechtschreibfehlern in Seminararbeiten und Spicken in Klausuren warnt. Astrid fuehlt sich angesichts solch detaillierter Anweisungen unterfordert: "Hier wird man ja wie ein rohes Ei behandelt." Sie moechte nach dem Erwerb des BA ins deutsche System wechseln. Enttaeuschend fand sie bei "Schiller" weiterhin, dass ihr Auslandssemester auf dem Pariser Campus daran scheiterte, dass die dort angebotenen Kurse nicht an diejenigen anschlossen, die sie in Heidelberg belegt hatte. Das ist natuerlich nicht im Sinne des Erfinders, denn eigentlich sollte die Moeglichkeit zum "campus hopping" einen weiteren Reiz des SIU-Studiums ausmachen. Michaela hingegen hatte mehr Glueck und konnte waehrend eines halben Jahres in Madrid ihre Spanischkenntnisse entscheidend verbessern. Auch zurueck in Heidelberg geniesst sie die "international experience" mit Kommilitonen aus den verschiedensten Herkunftslaendern. - Schiller University: Tor zur Welt oder behuetete Gegenwelt, in der Wege vorgezeichnet werden, die man sich sonst selbst erschliessen muesste? Beides scheint der Fall zu sein. (sm)