Hochschule


Schulterschluß der Giganten

Die Unis Mannheim und Heidelberg wollen zusammenarbeiten

Peter Frankenberg, Rektor der Uni Mannheim, und Peter Ulmer,Rektor der Uni Heidelberg drückten sich am 16. Juni die Hände. Und das, obwohl beide außer dem Vornamen nicht viel Gemeinsames haben. Der Grund war ein Kooperationsvertrag, den beide Rekoren unterzeichneten. Selbst Wissenschaftsminster Klaus von Trotha war angereist, um das Ereignis für einen Medienauftritt zu nutzen. Aber wie so oft, wird das, was die hohen Herren als "epochal" (Ulmer) und einen "guten Tag für die Hochschulpolitik" (von Trotha) nennen, ganz unten in den Fakultäten, in die Tat umgesetzt.

Manch ein Dozent zeigt sich erst einmal erleichtert, daß nun offiziell gestattet ist, was an einigen Instituten schon seit längerem im Verborgenen ablief. So zum Beispiel Wolfgang Schamoni, Dekan der Fakultät für Orientalistik und Altertumswissenschaft in Heidelberg. Er meint, die Zusammenarbeit zwischen den Heidelberger Japanologen und den Mannheimer Betriebswirten habe sich schon "seit längerer Zeit in einer legalen Grauzone" vollzogen. Erst jetzt sei der rechtliche Rahmen geschaffen worden, Mannheimer Betriebswirte, die einen Schwerpunkt im japanischen Sprachgebiet gesetzt haben, in Heidelberg zu betreuen, ohne Sondergenehmigungen einzuholen.

Auch andere Fakultäten haben an der Kooperation getüftelt, lange bevor sich die Rektoren mit ihrem Vertragswerk schmückten. Vor allem im Bereich Physik und Informatik ist seit einiger Zeit manches in Bewegung. Hier will man aufgrund des Kooperationsvertrages einen umfangreichen Austausch von Lehrleistungen starten. Dazu werden neue Studiengänge, wie zum Beispiel die "Technische Informatik" in Mannheim, eingerichtet. Hierbei wird wahrer Kooperations-Geist gezeigt, denn in den betreffenden Berufungskommissionen sind Professoren beider Universitäten vertreten, um "eine Abstimmung der Verfahren" zu erreichen, wie der Heidelberger Prorektor Jörg Hüfner meint. Er lehrt am Institut für Theoretische Physik und beteiligt sich intensiv an der Zusammenarbeit mit Mannheim. In Zukunft werden die Informatiker in Mannheim keine Lehrleistungen für das Hauptfach Physik erbringen, sondern diese aus Heidelberg beziehen. Andererseits wird das Hauptfach Informatik auch für Heidelberger in Mannheim angeboten. Es sei noch nicht sicher, so Hüfner, ob nun die Studierenden oder die Professoren auf Reisen gehen würden. Vorstellbar ist auch eine Lösung im Rahmen des Modellprojekts "Tele-Teaching". Das heißt, die betreffenden Vorlesungen könnten per Kabel übertragen werden. Dabei ist nicht immer absehbar, wie die Studierenden auf das Angebot reagieren werden. Keiner der befragten Dozenten kann derzeit die Möglichkeit ausschließen, daß es zur Akkumulation von HörerInnen in einzelnen Veranstaltungen kommt. "Doch," meint Hüfner zuversichtlich, "wir versuchen uns gegenseitig auszuhelfen".

Während man also in den Fakultäten den Kooperationsvertrag vorrangig als Möglichkeit sieht, die Forschung zu intensivieren und das Lehrangebot zu stärken, denkt anderenorts der eine oder andere Herr schon wieder darüber nach, was man dadurch alles sparen könnte. Vieldeutig sprach Wissenschaftsminister Klaus von Trotha von den "Synergieeffekten" des Kooperationsvertrages. Der Schulterschluß der Giganten, die gemeinsam fast 15.000 Menschen Arbeit geben, läßt sich wohl auch als Rationalisierungs-Projekt mißdeuten. Eine klare Stellungnahme diesbezüglich steht noch aus. Und gerade ein Projekt wie das "Tele-Teaching" scheint wie geschaffen dafür, Dozenturen einzusparen. "Das ist eine Befürchtung, die immer im Hintergrund steht, sowohl in unserem Hause, als auch in Heidelberg, daß wir uns nicht selber ein Bein stellen", gibt Hartmut Lang, persönlicher Referent des Mannheimer Rektors offen zu.

Es dürfte die vorherrschende Meinung sein, daß es ausgesprochen traurig wäre, wenn ein Projekt, das so viele neue Chancen gerade im Bereich der Lehre bietet, von ministerieller Seite zu Einsparungszwecken mißbraucht würde. Doch zunächst zeigte man sich großzügig und spendierte der Uni Mannheim zwei neue Professuren. (mc/iz)


Frühstück bei Peter

Dem Vorbild der Berliner Humboldt-Universität explizit folgend, lud Rektor Ulmer vergangene Woche zum Pressefrühstück mit Dekanen. Thema waren die jüngsten Entwicklungen in den Fakultäten, präsentiert von fünf (repräsentativen?) Dekanen. Hier wäre jedoch wünschenswert, von der jeweiligen Fakultät auch einen Fachschaftsvertreter einzuladen, da in detaillierten Sachproblemen die Presse oft nicht hinreichend informiert ist, um konkrete Kritik zu üben. So mußte z.B. das heikle Thema "Biochemiezenrum" vom ruprecht angesprochen werden. Dennoch: Diese Informationsveranstaltung ist äußerst sinnvoll. Mehr davon!

[Bestes Zitat: "Es gibt kaum eine so transparente Institution - für Insider - wie die Universität."(Ulmer)] (jk)


Ausgestanden

Die Anglisten atmen auf. Während sie sich noch zu Beginn des letzten Semesters die Nacht vor dem Seminar um die Ohren schlugen, um eine der begehrten zweistelligen Nummern zu erwischen, hat die Fachschaft der Warterei jetzt ein Ende gesetzt. Ab sofort können sich die Anglisten zu den Veranstaltungen schriftlich voranmelden und müssen dann ihre Anmeldung zu Beginn des Semesters nur noch bestätigen. Zu den Seminaren und Kolloquien ist, wie bisher, eine persönliche Vorsprache bei den Dozenten nötig. Nur die Erstsemester sind mal wieder die Dummen: Sie müssen immer noch anstehen, allerdings nicht mehr des Nachts, denn die Nummern werden erst ab 13 Uhr vergeben. Also Frühstück statt Mitternachtsmahl! (gz)


Freundschaft

Ein Preis für den Romanischen Keller

Eher spärlich trafen die Mitglieder ein. Hitze und Ozon zeigten Wirkung, und auch Wimbledon wird das seinige dazugetan haben. Um 17 Uhr c.t. begann am Freitag die Sitzung einer universitären Einrichtung, die nicht ehrgeizige Renommierprojekte, sondern studentische Initiativen fördert. Darüber hinaus will der "Verein der Freunde und Förderer der Universität Heidelberg" Studenten vor dem Examen aus wirtschaftlichen Schwierigkeiten helfen. 750 der Ruperto Carola Zugetane zählt der Verein, verzeichnet aber kaum Neueintritte. Der Grund: Obwohl 1948 gegründet, ist der Verein, gerade bei Studenten, eher unbekannt.

Dabei sitzen im erweiterten Vorstand des Freundesclubs drei Studierende, die von FSK, Juso-Hochschulgruppe und RCDS gestellt werden. Sie haben auch eine entscheidende Stimme bei der Vergabe des neugeschaffenen, mit 5.000 DM dotierten Preises, der jährlich an eine studentische Initiative vergeben werden soll, die Kommilitonen anspricht und die universitäre Ausbildung unterstützt oder einen kulturellen Beitrag dazu leistet. Da in diesem Jahr keine Zeit mehr für eine korrekte Ausschreibung zur Verfügung stand, wurde zunächst mit 3.000 DM "aus der Hüfte geschossen" (Geschäftsführer Andreas Epple). Ab 1996 wird der Preis regulär ausgeschrieben.

Der erste Träger der Auszeichnung ist schon ein Volltreffer: das Studitheater "Romanischer Keller". Seit 1991 von dem Studenten Alex Stephan Raißle betrieben, gibt er hauptsächlich studentischen Theatergruppen eine Spielstätte. Mit jährlich 12.000 Besuchern ist der "Keller" inzwischen zu einer festen Heidelberger Kulturadresse geworden - und kann wegen seiner mangelnden institutionellen Verankerung Geld und Anerkennung gut gebrauchen.

Studentische Gruppen, die glauben, wie der "Keller" mit ihrem Projekt das kulturelle Leben der Universität zu bereichern, können eine Bewerbung mit ausführlichen Infos in das Fach einer der Hochschulgruppen in den KAStrA-Räumen in der Lauerstraße 1 legen.

An die Sitzung schloß sich ein Vortrag von Hans-Georg Gadamer über Bildung an. In der abschließenden Diskussion rügte dieser auf eine Anfrage von Rektor Ulmer hin, der Leistungsdruck bei der Ausbildung zum Fachmann behindere den Erwerb von Allgemeinbildung. (kirk)


Fetenfreie Zone Altstadt?

Die Stadt will den Studenten das Feiern vermiesen

Wo andere Menschen spontan sind, geht in Deutschland alles mit Recht und Ordnung zu. Empfindlich reagieren die Deutschen - sie sind zumindest verunsichert -, wenn da einmal etwas Ungewöhnliches passiert. "Ist das überhaupt erlaubt?" fragen sie dann schnell. Anarchie, d.h. Herrschaftlosigkeit, ist das Wort, das wie kein anderes die Deutschen schreckt; so wie der Papst die Frauen fürchtet, so fürchten wir Deutschen das Chaos. Und deshalb gibt es für alles Bestimmungen. Selbst das Feiern ist geregelt.

Daß auch Ausgelassenheit nur im Rahmen der Gesetze stattzufinden hat, darauf hat sich nun die Stadt Heidelberg besonnen und ist auf etwas gestoßen, was sie jahrelang ignoriert hatte: die berüchtigten Triplex-Feten. "Ei, sin denn diese Schtudente-Feschte überhaupt genehmischt, un halte diese junge Leut' überhaupt die Beschtimmunge für's Feiern ein?" hat man sich bei der Stadt gefragt, nachdem sich lärmbelästigte Anwohner beim immer hilfsbereiten Trachtenverein "Grün-Weiß-Blaulicht Heidelberg" beschwert hatten. Rausgekommen dabei ist Schreckliches: Nie waren die Feten angemeldet - also immer ILLEGAL! "Oh Gott, wo soll das alles enden?" schrie man entsetzt im Rathaus auf und zeterte: "Das sind ja Zustände wie in Afrika; daran sind nur die '68er schuld!"

Daß es so nicht weiter gehen konnte, war klar. Die Stadt wurde also bei der Uni vorstellig und pochte auf die Einhaltung der Gesetze, die ihr solange (ill)egal waren. Wer öffentlich in der Triplex veranstaltet (hört ihr, Fachschaften!) braucht eine Lizenz zum Ausschank von Flüssigem: die Schanklizenz, die es im Ordungsamt gibt und 40 Märker kostet. Der Haken bei der Sache ist, daß die Schanklizenz nur bis 24 Uhr gilt, dann ist "Sperrzeit", dann ist Sense. Mit der offiziellen Erlaubnis zum Feiern kommt die Auflage, daß sich höchstens 350 Leute amüsieren dürfen, die nicht rauchen.

Ob die Stadt die Einhaltung dieser Auflagen mit Knüppelgewalt durchsetzen wird, ist nicht klar. Das muß getestet werden, wie es die Juristen taten, die bei ihrer Fete natürlich wortgewandt und mit genauer Kenntnis der Gesetze Zeit von der Polizei gewinnen konnten. Raum für Vermutungen läßt auch die Frage, warum die Stadt gerade in dieser Zeit, in der im Verhältnis zwischen Stadt und Uni kriselt, auf die Einhaltung der Gesetze bei den lange bekannten Triplex-Feten wert legt. Ist es reine Schikane, oder steckt dahinter die bildungspolitische Absicht ,den Studenten bei der Verkürzung ihrer Studienzeiten behilflich zu sein? Wer früher schläft, steht früher auf und hat früher einen Job, so könnte die Gleichung aussehen, die im Rathaus aufgestellt wurde.

Anderen Gerüchten zufolge interessiert sich die CSU-Spitze für das Feten-Problem im Nachbarland Baden-Württemberg. Sie will anscheinend das "Recht auf Geselligkeit und Bier" zu einem ihrer Hauptthemen machen. So paßt es zusammen, daß Ministerpräsident Stoiber von ruprecht-Redakteuren gesichtet wurde, als er die Haupstraße die Marschroute für eine mögliche Großdemonstration abschritt. Erst kürzlich hatte er die legendäre "Bier-Demo von München" angeführt und die protestantische Arbeitsethik, die mit der "Verpreußung" des Südens einziehe, scharf angegriffen. Wir im Süden wüßten doch, dem Katholizismus sei Dank, so Stoiber damals, daß Feiern Ausdruck von Menschlichkeit sei und zum Leben gehöre wie der Wein zum Abendmahl. Na denn: Prost! (phil)

In dem Drange, sich an die Anforderungen der Alma Mater anzupassen, wachsen Studis über sich hinaus. Die Ergebnisse von Untersuchungen am Sportinstitut Karlsruhe belegen, daß Studentinnen seit 1925 im Schnitt um 7cm auf 1,68 m gewachsen sind, Studenten sogar um 11cm auf 1,82 m. Im selben Zeitraum sind sie jedoch nur um 4 Kilo schwerer, im Verhältnis zu ihrer Größe also leichter geworden. Dies kann wohl nur auf die Entsagung aller fleischlichen Genüsse zugunsten ihrer hingebungsvollen Forscherleidenschaft zurückgeführt werden, obwohl das Institut Industrialisierung und Ernährung als Gründe vermutet. Setzt sich der Wachstumstrend fort, werden Studentinnen 2060 im Schnitt 1,76 m, Studenten gar 1,93 m groß sein. (kirk)


Jean und Jeanne d'Arc

Die studentischen Vertreter in den Gremien

Kleiner Senat:

FSK: Annette Sowa (Neuphil. Fakultät), Antje Kunz (Biologie) / Vertreter:Andreas Kessen (Physik), Kay Dittner (Sozialwiss.), Kerstin Niese (Sozialwiss.), Martin Raithelhuber (Geowiss.)

Juso-Hsg:Anke Rakow (VWL) / Vertreter: Michael Kersten (Jura), Petra Heinzelmann (Mathematik), Isolde Fischer (EW), Andreas Badior (Neuphil.), Dieter Prosik (Phil.-hist.)

Großer Senat:

FSK: Diana Franke (Medizin), Marion Pfeiffer (Physik), Urs Frohnes (Biologie),Markus Scheckeler (Philosoph.-hist. Fak.), Kirsten Pistel (Neuphil. Fak.) / Vertreter: Jutta Göttert (Biologie), Garcia Schüler (Medizin), Nicole Ritter (Phil.-hist.), Heinz Wittmer (Physik), Jochen Bettzieche (Physik) / JUSO-Hsg: Anke Rakow (VWL) / Vertreter: Michael Kersten (Jura), Petra Heinzelmann (Mathematik), Katja Mast (Biologie), Isolde Fischer (EW), Andreas Badior (Neuphil.), Peter Koehn (Jura), Jürgen Ehrke (Theologie), Dieter Prosik (Phil.-hist.), Leonie Wild (Neuphil.), Marion Wiesner (VWL) / RCDS: Martin Engelhardt (Medizin) / Vertreter: Christiane Grathwohl (Phil.-hist.), Fabian Magerl (Jura), Pia Mormann (VWL), James Humphrey-Evans (Jura), Andreas Mosenheuer (Jura), Tanja Maier (Jura), Norman Oertel (VWL), Jutta v. Plessen (Neuphil.), Sybilla v. Dannenberg (VWL), Gerhard Ries (Jura)

Fakultätsräte:

Theologische Fakultät: Sandra Bach, Katrin Ulrike Steffens, Arnhild Bösemann / Vertreter: Anton Pensl, Heiko Zürn, Martin Wendte, Christian Link, Andreas Moll

Juristische Fakultät:

FSK: Carolin Ziegenhagen, Thorsten Arzbach / Vertreter: Mirko Schneidewind, Susanne Kappel, Carolin Küll, Hans Christian Ramdohr / JustIn: Georg Greitemann / Vertreter: Georg Roebling, Andreas Mosenheuer

Medizinische Fakultät Heidelberg:

Bernd Kraus, Andreas Richterlich, Tilmann Gruhlke / Vertreter: Silvia Skelin, Anna Kuwilsky, Henry Schäfer, Karsten Krombholz, Alfred Bertrand Actor, Ulrich Gruen, Paul Lingor, Sabine Scheffer, Malte Harjes

Fak. für klin. Med. MA: Eva Grips, Orell Mielke, Andreas Legler / Vertreter: Heiko Faber, Alexander Jatzko, Tobias Schmidt, Alexander Sartorius, Anja Hoffmann, Jens Kaden, Susanne Saussele

Philosophisch-historische Fakultät: Beate Herrmann, Till Müller-Schoell, Kirsten Jacobsen / Vertreter: Torsten Kneller, Thomas Kuklinski, Ulf-Carsten Geiser, Sandra Schmid, Alexander Boehm, Simone Kunzweiler, Dieter Prosik, Markus Franz E. Scheckeler, Isabel Herda, Petra Eggensperger

Fakultät für Orientalistik und Altertumswissenschaft: Michael Etzold, Hilmar Klinkott, Haruka Kimoto / Vertreter: Wolfgang Blösel, Jens Baumbach, Robert Langer, Christof Buettner, Britta Uihlein, Patricia Scheteling, Ivonne Kaiser, Ulla Wichmann, Bettina Lauer, Manuel Baumbach

Neuphilologische Fakultät: Kirsten Pistel, Burkhard Remppis, Gudrun Nissen / Vertreter: Sven Zimmermann, Christian Annuschat, Eric Windisch, Carmen Vollmuth, Cäcilie Kowald, Klaus Wannemacher, Bianca Jung, Jutta v. Plessen, Susan Huebner, Annette Sowa

Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät: Vicci Hottenrott, Thomas Müller, Amin Abu-Es-Soud / Vertreter: Anne Langelüddeke, Friederun v. Bornstedt, Christian Marcks, Tilo Kirchgessner

Fakultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften: Annett Feuchter, Manuela Mielke, Arnd Küppers / Vertreter: Stefan Bamberg, Markus Gülland, Rainer Unger

Fakultät für Mathematik: Christa Stoll, Cäcilie Kowald, Christof Jost / Vertreter: Lutz Horn, Dirk Herrström, Oliver Schnürer, Max Neunhoeffer, Hanno Baehr, Uwe Goersch, Andrea Rosch

Fakultät für Chemie: Tim Scharnweber, Friedrich Reinhard, Maya Schütte / Vertreter: Andreas Hebach, Stephan Dresen, Michael Burkart, Thomas Wilhelm, Ralf Eiden

Fakultät für Pharmazie: Anke Schulz, Anton Hummel, Steffen Schweizer / Vertreter: Christian Reiss, Jörg Linder, Tanja Zick, Cornelia Suess

Fakultät für Physik und Astronomie: Miriam Clincy, Denis Neofotistos, Thomas Scholl / Vertreter: Lars Knoll, Matthias Weiss, Patrick Ahlrichs, Carsten Schwarz, Sven Weber, Matthias Gerspach, Dirk Wetterling, Johann von Hase, Hartmut Osterkamp, Andre Fachat

Fakultät für Biologie: Urs Frohnes, Michael Schröder, Antje Kunz / Vertreter: Katja Mast, Biance Maxl, Ulrike Busshoff, Jochen Hartner, Bernhard Wetterauer

Fakultät für Geowissenschaften: Angela Dittfurth, Kay Patrick Sickinger, Holger Müller / Vertreter: Ines Telechea, Dominik Hezel, Horst Dresmann, Stefan Prowatke, Jürgen Brueckner


Pecunia non olet

Die Kontroverse um die zukünftige Gestaltung des BAFöG

Das Gesetz ist eindeutig unpräzise. Nach § 1 BAFöG besteht ein Rechtsanspruch auf individuelle Ausbildungsförderung für eine der Neigung, Eignung und Leistung entsprechende Ausbildung, wenn den Studenten die für ihren Lebensunterhalt und ihre Ausbildung erforderlichen Mittel nicht zur Verfügung stehen. Dieses Sozialleistungsgesetz ist als Instrument zur Gewährung der Chancengleichheit im Bildungsbereich gedacht. Fraglich ist nur, wie man ein solches Gesetz versteht und auf welche Art man es ausgestaltet.

In der Diskussion sind zur Zeit die verschiedensten Modelle. Da wäre zunächst das sogenannte Daxner-Modell (konzipiert von Michael Daxner, Präsident der Universität Oldenburg), das auf eine Ausbildungskasse aus Bund und Ländern abzielt. Dieses Modell sieht für jeden Studierenden, der davon Gebrauch machen will, die Möglichkeit vor, ein Darlehen in Höhe von 1.000 DM pro Monat über 12 Semester zu bekommen. Es ist voll zurückzuzahlen, und zwar durch einen Zuschlag bis zu 4% auf die Einkommenssteuer des ehemals Geförderten. Vorteilhaft an diesem eltern- und einkommmensunabhängigen Modell ist, daß selbst diejenigen Studenten, denen nach dem jetzigen BAFöG keinerlei Mittel gewährt werden würde, frei entscheiden können, ob sie einen Kredit zur Finanzierung ihrer Lebenslage in Anspruch nehmen wollen. Nachteil: Nicht mehr die Gesellschaft fördert das Studium, sondern die Studenten müssen in eigener Verantwortung ihre Hochschulausbildung finanzieren. Damit sagt sich die Gemeinschaft von ihrer staatlichen Fürsorgepflicht im Bildungsbereich los. Ein weiterer Nachteil ist auch, daß dieses Modell mit maximal 1.000 DM Förderung unter dem studentischen Bedarf von etwa 1.250 DM (laut Sozialerhebung des Studentwerks) liegt.

Im Gegensatz dazu deckt das Drei-Stufen-Modell des Deutschen Studentenwerks (DSW) diese 1250 DM voll ab. Alle Studenten sollen nach den Vorstellungen des DSW elternunabhängig einen monatlichen Sockelbetrag von 400 DM erhalten. Gestrichen dafür würden aber Kindergeld und Kinderfreibetrag. Der Sockelbetrag wird aufgestockt durch eine Aufbauförderung von bis zu 650 DM, die wie das bisherige Bafög elternabhängig und je zur Hälfte als Zuschuß und als Darlehen gewährt wird. Weiterhin soll die Aufbauförderung eine leistungsbezogene Komponente enthalten, d.h. die Leistungsbesten erhalten einen höheren Zuschußanteil, wenn nicht sogar eine reine Zuschußförderung. Die übrigen 200 DM werden von der Ergänzungsförderung getragen.. Diese wird als verzinsliches Darlehen oder auch als leistungsbezogene Zuschußförderung gewährt, soweit man die 200 DM nicht durch studiennahe Teilzeitarbeit aufgebringen kann.

Erfreulich an diesem Modell ist, daß eine Beteiligung der Gesellschaft bzw. des Staates im Gegensatz zum Daxner-Modell durch den Sockelbetrag und den hälftigen Zuschuß bei der Aufbauförderung erhalten bleibt. Fragwürdig erscheint allerdings der dritte Teil des Modells, bei dem von vornherein eine Erwerbstätigkeit mit ins Kalkül gezogen wird. Die zusätzliche Belastung durch einen Nebenjob garantiert eine längere Dauer des Studiums, so daß eine Benachteiligung quasi im Modell enthalten ist. V on der Chancengleichheit aller Studenten kann dann keine Rede mehr sein. Bis auf diesen Punkt ist es ansonsten ein annehmbares Modell.

Den Vogel schließlich schoß Jürgen Rüttgers letzte Woche ab. Der Bundesminister für Bildung und Forschung, der sich selbst auch gerne als Zukunftsminister tituliert, schockierte die Studentenvertreterschaften mit seinem Zins-Modell. Die Bundesregierung beschloß, die soziale Bildungstradition ganz aufzugeben und sich aus der bisherigen staatlichen Ausbildungsförderung mit Zuschüssen und zinslosen Darlehen zu verabschieden. Die förderungswürdigen Studenten erhalten nach dem Plan von Rüttgers den Darlehnensanteil ab 1996 nunmehr als Bankkredit, welcher bereits zwei Jahre nach Beendigung der Ausbildung mit mindenstens acht Prozent Zinsen zurückgezahlt werden soll. Dieses Konzept berücksichtigt weder die Bedürfnisse noch die Interessen der Studenten auch nur ansatzweise konstruktiv. Anstatt tatsächlich die Bildungsinvestionen zu erhöhen, sollen nun die Studenten mit Kreditzinsen den Etat des Ministeriums, wahlweise auch den Gewinn einer Privatbank steigern, je nach dem ob sie sich von der bundeseigenen Ausgleichsbank oder einer herkömmlichen Bank das Darlehen vermitteln lassen.

Es bleibt nur zu hoffen, daß trotz des heißen Sommers (und LoveParade in Berlin) wenigstens eines der noch zu erwartenden Modelle von GEW und SPD-Fraktion die Forderungen der vier Eckpunkte (siehe Kasten) erfüllt, die ein studentischer Arbeitskreis jüngst formulierte und den studentischen Interessen wohl am nächsten kommt. (lm)

Eckpunkte

Das Studium muß elternunabhängig finanziert werden können

Die Studienfinanzierung muß sich an der realen Bedarf der Studierenden orientieren

Die Studienfinazierung muß sich an der realen Studiendauer orientieren

Langfristig soll ein Modell sozialer Grundsicherung für die gesamte Gesellschaft angestrebt werden, das nach dem Individualprinzip und nicht nach dem Subsidiaritätsprinzip eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben sichert.


Achtung Baby!

Brentano. Von Arnim. Dann Jahrhunderte der literarischen Ödnis.^ Aber das poetische Heidelberg lebt - in der Literaturoffensive, die heuer ihren LitOff-Sommer präsentiert. Am Sonntag, dem 16. Juli, halten die Neuen Heidelberger Dichter eine Freiluftlesung beim Bunsendenkmal, am darauffolgenden Donnerstag eine "Bauchlesung" im DAI. Die Lektüren gehören zu einer Ausstellung von Textinstallationen im Karlstorbahnhof zwischen 16. und 22. Juli; sie ist, bei freiem Eintritt, montags bis freitags von 15 bis 19 Uhr, samstags von 10 bis 13 Uhr geöffnet. Zum Abschluß am 22. Juli verspricht die Offensive eine "aktionsreiche Finissage" im Ex-Bahnhof.


ruprecht-Serie "Revolte in Heidelberg" - Teil 2: "Institute in Aufruhr"

"Holt Euch die Universität zurück, denn sie gehört den Ordinarien nicht!"

Noch bis Ende der Siebziger Jahre war die Heidelberger Universität ein heißes Pflaster - und die Erinnerung daran verfolgt noch manchen an der Uni

Wenn der Professor im Fakultätsrat plötzlich mit den Worten "sie können hier als Student nicht alles sagen wie damals, 1977" aufbraust; wenn sich bei der Frage, warum denn Prof. L. nach Berlin gegangen ist, plötzlich eine Mauer des Schweigens im Lehrkörper aufbaut; wenn der ergraute akademische Oberrat ein konspiratives "das lief hier schon 'mal anders" flüstert, dann merkt der unschuldig-junge Student, daß das Leben an der Ruperto Carola nicht immer so friedlich -geordnet dahinplätscherte - und daß das Trauma der wilden Zeiten auch heute noch manch einen Dozenten gefangenhält.

Die wilden Sechziger - sie waren in Heidelberg auch in den siebziger Jahren noch nicht ganz vorbei. Studentische Proteste und hochschulpolitische Auseinandersetzungen begleiteten das Leben an der Ruperto Carola auch nach dem Höhepunkt der "68er"-Bewegung, als deren Protagonisten schon ihren "Marsch durch die Institutionen" angetreten, sich zersplittert oder resigniert hatten und an vielen anderen deutschen Universitäten in der Bundesrepublik wieder Frieden eingekehrt war.
Zwar gab es nur noch wenige koordinierte, die gesamte Universität umfassenden Aktionen - trotzdem verging auch in den siebziger Jahren kaum ein Semester, in dem nicht irgendwo in Heidelberg diskutiert, demonstriert und gestreikt, aber auch geprügelt und prozessiert wurde.
Und weil viele dieser Ereignisse nicht nur Studierende gegen Lehrende oder Minister stellen, sondern auch z.B. Professoren gegen Professoren oder Professoren gegen Mittelbau, beeinflussen diese längst vergangenen Tage das Klima an der Universität auch heute noch.

Nach 1972: Ernüchterung

Zu Beginn der siebziger Jahre war die Aufbruchstimmung der "68er" eigentlich schon längst verflogen. Wenngleich die Reformer - Studierende und Teile von Mittelbau und Professorenschaft - einiges erreicht hatten, konnten sich keine dauerhaften Koalitionen bilden, die Weiteres durchgesetzt oder sich jenen entgegengestellt hätten, die das Rad wieder zurückdrehen wollten. Viele Studierende hörten auf, sich in der Hochschulpolitik zu engagieren, zogen sich resigniert auf Beobachterposten zurück oder etablierten sich (wenn sie z.B. schlicht und einfach ihr Studium abgeschlossen hatten) in dem System, das sie reformiert haben wollten. Längst gab es keine "Studentenbewegung" mehr; der größere Teil der Studierendenschaft verfolgte das Geschehen an der Hochschule vielleicht noch mit Interesse, engagierte sich aber selbst nicht mehr. Aktiv wurde man höchstens, wenn es am eigenen Institut zur Sache ging. Hochschulgruppen verloren an Zulauf, zersplitterten oder radikalisierten sich: Selbst wenn sich auch 1973 und danach der größte Teil der Studierenden noch als bewußt links empfand - der Graben zwischen sozialdemokratischen, sozialistischen und kommunistischen Gruppen war so groß, daß man sich kaum auf gemeinsames Handeln verständigen konnte - und natürlich erst recht nicht mit Hochschulgruppen aus dem konservativen oder konservativ-liberalen Spektrum, wie dem RCDS oder der in Heidelberg auftretenden "Aktionsgemeinschaft Demokratischer Hochschulgruppen" (ADH).

Die Grabenkämpfe lähmten die Durchsetzungskraft der Studenten vor allem auf der gesamtuniversitären Ebene. Sie verloren mehr und mehr an Glaubwürdigkeit. Die Studierendenvertreter konnten sich immer schlechter legitimieren: So sank die Wahlbeteiligung bei Uni- oder Fakultätswahlen in den meisten Fachbereichen kontinuierlich, z.B. von 40% im Jahre 1970 auf knapp 26% im Jahre 1976 bei uniweiten Wahlen. Die Zweifel, ob die jeweils "regierenden" Hochschulgruppen wirklich einen wichtigen Teil der Studierendenschaft vertraten, wuchs nicht nur bei ihren Gegnern

Wo aber radikale Gruppen die Studierendenvertretungen beherrschten, verschlechterte sich auch das Verhältnis zu den reformfreudigen Lehrenden, mit denen Studierende zuvor noch gemeinsam Veränderungen an der Uni hatten durchsetzen können: So stimmten z.B. kommunistische studentische Gruppen in den Universitätsgremien in Heidelberg in den Jahren 1970-72 immer wieder gegen Vorschläge des liberalen Rektors Rolf Rendtdorff, weil auch er in ihren Augen ein "Scherge des Monopolkapitals" war. Dadurch setzte sich letztendlich eine viel konservativere Richtung in den Senaten durch; erst recht, nachdem Rendtdorff 1972 resigniert zurückgetreten war. "Sie [die Kommunistische Hochschulgruppe] machte es uns schon mit ihrer Sprache unmöglich, gemeinsame Positionen zu bilden", erinnert sich ein Akademischer Oberrat, "dabei wäre selbst Mitte der Siebziger noch einiges möglich gewesen". Koalitionen in Gremien z.B. zwischen bestimmten Professoren, Assistenten und Studierenden, wurde immer seltener.

Nicht nur deswegen begannen auch viele jener Dozenten, die die Reformierung der Universität mitgetragen hatten, zu resignieren und sich aus der Hochschulpolitik, selbst vor Ort, zurückzuziehen. "Wir hatten den Widerstand gegen weitgehende Reformen in den ersten Jahren einfach unterschätzt; außerdem gab es zu viele, die Veränderung nur mit verbalem Wohlwollen und nicht mit aktiver Unterstützung begleiteten", meint dazu ein Professor der Neuphilologischen Fakultät.

So konnten sich auch in Heidelberg (dessen Universität auch in den siebziger Jahren noch teilweise als "rot" galt) mehr und mehr jene durchsetzen, die die Reformen wieder zurückdrehen wollten und vor allem den Einfluß der Ordinarien, der ordentlichen Professoren also, wieder stärken wollten. Viele von ihnen organisierten sich im 1970 gegründeten "Bund Freiheit der Wissenschaft", einem konservativen Hochschulverband, der sich in jener Zeit zum Ziel gesetzt hatte, vor allem an sogenannten "roten" Universitäten wie Heidelberg, Bremen oder Marburg den Einfluß linker Dozenten und Studenten zurückzudrängen. Gerade deshalb aber hatte der "Bund" eine besonders große Anhängerschaft in Heidelberg und bald begannen seine Miglieder, die Unipolitik entscheidend mitzubestimmen.

1972: Wende zurück

Ein erster Wendepunkt in diese Richtung war der bereits erwähnte Rücktritt des Heidelberger "Reform"-Rektors Rendtdorff 1972. Er hatte versucht, die unruhige Universität durch einen progressiven Kurs zu beruhigen. Damit geriet er aber - z.B. im Falle des Sozialistischen Patientenkollektives 1970/71 (siehe ruprecht Nr. 35) - im Gegenteil immer stärker zwischen die Fronten radikaler Studierender und konservativer Professoren. Die Auseinandersetzungen um seine Amtsführung wurden in Universität, Stadt und sogar im Fernsehen ausgetragen: Das SPD-Mitglied Rendtdorff bekam seinen festen Platz im konservativen "ZDF-Magazin". Am Ende wählte ihm der Große Senat Prorektoren an die Seite, die er nicht gewollt hatte.

Sein Nachfolger Hubert Niederländer, ebenso wie dessen Nachfolger Mitglied des "Bund Freiheit der Wissenschaft", leitete sofort einen neuen, harten Kurs ein. Er sorgte dafür, daß mehr und mehr Studierende, die sich an Streiks, Vorlesungssprengungen und Institutsbesetzungen beteiligt hatten, diziplinar- oder strafrechtlich verfolgt wurden: Während Rendtdorff immer wieder bereit gewesen war, auch über Gesetzesverletzungen hinwegzusehen, um die Auseinandersetzungen innerhalb der Universität zu lösen und nicht weiter anzuheizen, wollte Niederländer die Universität durch einen harten Kurs gegenüber Störern, oder solchen, die es seiner Meinung nach waren, befrieden. Sein Erfolg war zunächst gemischt; am Ende seiner Amtszeit im Jahre 1979 aber hatte er an der Universität tatsächlich in der einen oder anderen Weise für Ruhe gesorgt.

An der Juristischen Fakultät z.B. kehrte nach heftigen Auseinandersetzungen in den Jahren 1970 bis 1973 (sowohl 1970 als auch 1972 war die Lehrtätigkeit zweitweilig eingestellt worden) zunächst wirklich Ruhe ein. Allerdings wurden nicht nur radikale Gruppen verdrängt, auch viele gemäßigte Studierende zogen es fortan vor, zu schweigen und zu studieren. Selbst eine Fachschaft gab es dort bis 1979 nicht (und Wahlen dazu wurden vom Rektorat im gleichen Jahr mit Strafanzeigen bekämpft).

1976: Germanisten

Am Germanistischen Seminar hingegen führte der gleiche harte Kurs (den Niederländer natürlich nicht alleine verfolgte; viele der damals an der Unipolitik Beteiligten hielten ihn gar nicht für die treibende Kraft, eher für eine Frontfigur) in den Jahren 1976 und 1977 zu einer Eskalation der Situation: Nachdem die Studiensituation für viele Studierende und Lehrende schon kaum erträglich geworden war (mehr Studierende, weniger Dozenten; das kennen wir ja von heute), erregte die geplante Einführung von Klausuren in Mittelhochdeutsch sie. Auf einer Versammlung beschlossen die Studierenden, die Klausuren zu boykottieren. Diskussionen um deren Sinn mit dem Lehrkörper ergaben kein Ergebnis: Dozenten, die der Argumentation der Studierenden folgen wollten, setzten sich nicht durch, andere waren befremdet vom Auftreten der Studierendenvertreter. Bald drangen die Streikenden auch in Vorlesungen ein, um Dozenten und Professoren zu einer Diskussion über die Klausuren zu zwingen. Zudem versuchten sie, Klausuren, die angesetzt waren, auch durch Besetzung der Räume zu sprengen. Verschiedene Dozenten, darunter die betroffene Lehrstuhlinhaberin Roswita Wisniewski - damals frischgebackene CDU-Bundestagsabgeordnete - holten in mehreren solchen Situationen die Polizei. Die ging nicht zimperlich vor. Die zunehmende Schärfe der Auseinandersetzungen erschwerte auch die Verhandlungen von Studierendenvertretern mit den Lehrenden. Nachdem Rektor Niederländer die ersten Relegationen (Verweise von der Universität) von zwei bis vier Semester ausgesprochen hatte und Strafanzeige gegen wirkliche und vermeintliche Streikführer gestellt hatte, verschlechterte sich das Klima am Seminar immer mehr.

"Die Klausuren wären nicht nötig gewesen", sagt ein Akademischer Oberrat heute, "und das ist eine Meinung, die auch damals im Kollegium unter normalen Umständen mehrheitsfähig gewesen wäre. Aber damals wollten sich einige eben durchsetzen. Das - und das kompromißlose Auftreten einiger Studentenvertreter - hat eine einvernehmliche Lösung damals verhindert".

Die Unfähigkeit, Kompromisse zu finden, stürzte das Seminar für mehr als ein Semester ins Chaos: Nachdem Studierende immer mehr Vorlesungen gesprengt und sich in der Lobby des Seminares zum Teil bedrohliche Situationen abgespielt hatten, schloß die Institutsleitung das Seminar. Die Studierenden empfanden das als Provokation und versuchten, dennoch einzudringen. Ein (immer) größer angelegtes Polizeiaufgebot schützte nun das Gebäude; damit aber wurde der Konflikt über die instituts- und uniinterne Öffentlichkeit hinaus in die Stadt getragen: Bei einem Demonstrationszug durch die Altstadt bekam auch der damalige Oberbürgermeister Zundel, der nicht gerade als studentenfreundlich galt, Eier und Tomaten ab, als er vom Rathausbalkon lugte. Die Lokalpresse nahm sich des Konfliktes an; vor allem die Rhein-Neckar-Zeitung aber aus der "Recht & Ordnung"-Perspektive. Nachdem inneruniversitäre Auseinandersetzungen schon in der Ära Rendtdorff auf den Lokalseiten und in den Leserbriefspalten von Rhein-Neckar-Zeitung" und "Heidelberger Tageblatt" ausgetragen worden waren, sorgte auch hier die Berichterstattung nicht für eine Beruhigung der Situation. Die Studierenden, die sehr viel schlechter an Platz in der Lokalpresse kamen, wehrten sich mit Flugblättern.

Der Solidarisierungseffekt, den die harte Haltung von Rektorat und Institutsleitung zunächst hervorgerufen hatten, hielt einige Monate. Ihr Ziel, auch die Mehrheit des Mittelbaus am Germanistischen Seminar und einige Professoren auf ihre Seite zu ziehen, erreichten die Studierenden aber gerade wegen der Eskalation des Konfliktes nicht: In einer solchen Situation glaubte es sich kaum ein Lehrender leisten zu können, sich "auf die andere Seite" zu stellen. Dazu kam der immer wieder geschürte Verdacht, daß die Studentenproteste letzlich nur von einer kleinen Gruppe von Agitatoren der Kommunistischen Hochschulgruppe (KHG) und des Marxistischen Studentenbundes (MSB Spartakus) organisiert worden waren, die zudem auch nicht einmal am Germanistischen Seminar, ja noch nicht einmal in Heidelberg studierten. Die meisten "Ehemaligen" allerdings, damalige Studenten wie Dozenten, geben heute zu, daß die "Roten" zwar eine wichtige Rolle gespielt hatten, aber sicher nicht die alleintragende Kraft waren.

Nach einem halben Jahr verlor die Streikbewegung an Dynamik. Nach und nach wurden einige Klausuren geschrieben und der Mediävistik-Lehrstuhl von Prof. Wisniewski setzte sich durch. Das Semester aber hatte das Klima am Germanistische Seminar grundlegend gewandelt: "Seit damals trauen sich viele im Kollegium nicht mehr so recht, zu sagen, was sie denken", meint einer der damals im Lehrkörper Beteiligten, "oder was ich glaube, daß sie denken. Es ist einfach klargeworden, wer hier etwas zu sagen hat und wer resigniert hat".

Gegen fünfzehn Studierende wurden Strafverfahren eingeleitet; 3 von ihnen wurden wegen Beleidiung, Nötigung, Haus und Landfriedensbruch in langen Prozessen zu Haftstrafen bis zu 23 Monaten ohne Bewährung verurteilt.

1977: Mediziner

Schon 1976 hatten Medizin-Studierende in Heidelberg auf die Einführung von Klausuren mit Vorlesungsstreik reagiert. Die Proteste verschärften sich im Sommersemester 1977, als die bundesweite Fachtagung Medizin Urabstimmungen und Streiks beschloß, um gegen die Bedingungen des neu eingeführten "Praktischen Jahres" anzugehen, das sich an das Medizinstudium anschließt und in dem die Studierenden einen sehr viel schlechteren Status hatten als bis dahin in der Phase als Assistenzarzt. Nirgendwo reagierten die Universitäten so hart wie in Heidelberg: Mit größeren Polizeiaufgeboten, Relegations- und Strafandrohungen gelang es dem Rektorat tatsächlich, den Streik nach drei Wochen zu beenden. Nur in Heidelberg gab es Strafanzeigen und Prozesse gegen Medizin-Aktivisten.

1978: Mathematiker

Erfolgreicher für die Studierenden war eine Streikserie, die ein Jahr später am Mathematischen Institut stattfand. Auch hier ging es um die Einführung von Klausuren, auch hier versuchten Studierendenvertreter, dies durch Streik, Vorlesungssprengung und Demonstrationen zu verhindern.

Die Reaktion hier war allerdings viel gespaltener als bei den Germanisten: Man diskutierte im Fakultätsrat, man beschwichtigte, vermittelte, beriet. Trotzdem eskalierte auch hier die Situation nach Provokationen einiger Studierender und ruppigem Verhalten betroffener Professoren: Bald standen auch hier Uni-Rausschmisse, Strafanzeigen und Ordnungsverfahren auf der Tagesordnung. Auch hier sahen sich die Fachschafter dem Vorwurf ausgesetzt, der Streik würde von einer kleinen Gruppe radikaler Agitatoren inszeniert und ausgenutzt - selbst wenn die betroffenen Vorlesungen sogar von systemtreuen Jungakademikern gemieden wurden. Die Initiative zum "Durchgreifen" aber ging vor allem vom scheidenden Rektor Niederländer aus, der Anzeigen auch noch aufrecht erhielt, als fast alle Professoren der Mathematischen Fakultät ihre eigenen Anzeigen zurückziehen wollten. Es kam zu Verurteilungen, allerdings in fast allen Fällen "nur" zu Bewährungsstrafen. Die Klausuren selbst wurden tatsächlich nicht eingeführt. Gleichwohl versuchten Professoren in den darauffolgenden Jahren noch öfter, sie schreiben zu lassen, bislang aber ohne Erfolg.

Danach: Ruhe

Es sollte vorläufig letzte Mal sein, daß die "Rote Universität" Heidelberg in den Schlagzeilen war. Es folgten die Prozesse, die sich bisweilen ein Jahr lang hinzogen und von denen einige bis zum Bundesgerichtshof gingen. An der Universität selbst gab es noch Konflikte um die Gründung der uns heute ziemlich selbstverständlichen Fachschaften (und natürlich Prozesse). Aber insgesamt kehrte wieder Ruhe und Ordnung im Neckarstädtchen ein.

Dazu trug auch bei, daß 1977 in Baden-Württemberg die "Verfaßte Studentenschaften" als rechtlich eigenständige Studierendenvertretungen abgeschafft und durch ein macht- und mittelloses Anhängsel des Großen Senates ersetzt worden waren, denen kein eigenverantwortliches Handeln mehr erlaubt wurde. Noch einmal hatten diese im Mai 1977 eine großen Demonstration gegen die Strafverfahren organisiert, die mit 9.000 Teilnehmern die größte in Heidelberg überhaupt wurde.

Selbst mehr als 10 Jahre danach, im "Unimut"-Semester 1988/89, griffen die bundesweiten studentischen Proteste spät und schwächlich auf die Ruperto Carola über (davon wird der vierte Teil unserer Serie erzählen). Aber der Mythos vom unruhigen Heidelberg hält sich noch in einigen Köpfen: Die Heidelberger Studierendenvertretung bekommt auch heute noch pro Kopf weniger Landesmittel als Unversitäten, die schon damals als friedlich galten; ein Ministerialbeamter hat dies noch vor wenigen Jahren offen mit politischen Gründen erklärt.

Wunden.

Natürlich waren die Auseinandersetzungen der siebziger Jahre nicht überall in Heidelberg gleich bitter. Aber an einigen Instituten haben tatsächlich Wunden hinterlassen, die selbst der damals gerade geborene Studierende heute noch merkt (auch wenn er sich oft gar nicht erklären kann, was denn diesen oder jenen Professor oder Oberrat plötzlich so aufbringt, oder warum Prof. X nicht mit Dozent Y. redet). "Das Klima am Germanistischen Seminar, vor allem unter den Lehrenden, hat sich nachhaltig verändert", sagt einer, der 1977 Angehöriger des dortigen Mittelbaus war, "und die Leute, die das Seminar damals verlassen haben, sind nicht nur wissenschaftlich attraktiveren Rufen gefolgt".

Die Mathematikerstreiks hingegen waren begrenzt, große Teile des Kollegiums schon damals konzilliant und nachdenklich. Deshalb haben die Auseinandersetzungen dort kaum Spuren hinterlassen, selbst wenn dort immer noch fast jedes Jahr um die "Klausurenfrage" gerungen wird. Aber auch an der Fakultät für Mathematik reden einige nicht gerne über alte Zeiten.

Insgesamt haben seit Beginn der siebziger Jahre nicht nur die Studierenden, sondern auch der akademische Mittelbau und auch die "niedrigen" C3-Professoren (also die Nicht-Ordinarien) in der Universität wieder an Einfluß verloren; viele Dinge, die in diesen Zeiten noch in den Fakultäten "ausdiskutiert" wurden, sind heute wieder Sache der Ordinarien - selbst die Einführung von "Institutsbeiräten" zur stärkereren (beratenden) Beteiligung des Mittelbaus in den Instituten stößt im Moment auf Widerstand in Senat und Rektorat.

Die Härte und die Emotionen, mit denen Auseinandersetzungen geführt werden, können aber schon deshalb heute nicht mehr so groß sein, weil Studierende ein viel buntererer, unkoordinierterer Haufen sind, die ihren Lebensschwerpunkt zum großen Teil nicht mehr an der Uni haben und auch sich auch politisch-ideologisch nicht mehr so straff organisieren lassen. Der Mittelbau wiederum muß sich mehr und mehr von Zweijahresvertrag zu Zweijahresvertrag hangeln.

Und da wir ohnehin alle schneller studieren sollten, bleibt heutzutagenicht mehr sehr viel Zeit für die Revolution.

(hn)

"Jeden Tag ein neuer Brand"

Streiks, Demonstrationen, Strafverfahren in Heidelberg in den siebzigern (eine Auswahl)

1972/73:
Auseinandersetzungen am Juristischen Seminar;
Besetzung des Rektorats durch Mitglieder der Kommunistischen Hochschulgruppe

1975
Demonstrationen gegen die Erhöhung der Straßenbahnpreise in Heidelberg, maßgeblich organisiert von kommunistischen Hochschulgruppen; starke Polizeieinsätze, Auseinandersetzungen

1976:
Streik der Germanisten; Institutsschließung; schwere Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten;
Warnstreik von Medizinern

1977:
Im Sommersemester Streiks, Vorlesungsboykotte, und Demonstrationen an der Medizinischen Fakultät
Demonstrationen gegen die Abschaffung der Verfaßten Studentenschaft; im Mai erlebt Heidelberg seine mit etwa 8000 Leuten größte Demonstration, auf der die Studierenden gegen die zahlreichen eingeleiteten Strafverfahren protestieren;

1978:
Klausurenboykott an der Mathematischen Fakultät;
Im März gewaltsame Räumung des selbstverwalteten Studentenwohnheimes "Collegium Academicum", das für die einen Symbol studentischer Autonomie, für die anderen Symbol studentischen Radikalismus' ist

1979:
Auseinandersetzungen um Wahlen für eine Fachschaft an der Juristischen Fakultät

"Mit aller Härte des Gesetzes"

Straf- und Ordnungsverfahren gegen Studierende

- 150 Verfahren wurden insgesamt in den Jahren 1975-1980 angestrengt, 450 Strafanzeigen gestellt.

- 50 Relegationen von der Uni für bis zu vier Semester erhalten Studierende

- 15 Germanisten werden zu Geldstrafen und /oder Haftstrafen bis zu 23 Monaten verurteilt

- 6 Juristen und 10 Mediziner und 15 Mathematiker bekommen Geld- oder Bewährungsstrafen

- In allen anderen Universitätsstädten des Landes werden zusammen 10 Strafanzeigen gestellt..

Im nächsten ruprecht: Die Schließung des selbstverwalteten Studentenwohnheimes "Collegium Academicum" kündigt das Ende der unruhigen Zeiten an.


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