Titel


Will Buch haben jetzt!

Wissenschaftliche Literaturversorgung ernsthaft gefährdet

"Es ist eine Schande", schimpft Dr. Frey im Lyrikseminar, "das ist der bedeutendste lebende Dichter Spaniens, und wir besitzen nicht ein mickriges Bändlein von ihm." Sein wiederholt geäußerter Wunsch auf Ankauf wurde mit Verweis auf die begrenzten Mittel zurückgewiesen. Das Romanistische Seminar ist kein Einzelfall, im Gegenteil.

Dem Anspruch auf Vollständigkeit können die meisten Seminarsbibliotheken schon seit Jahren nicht mehr gerecht werden. Die Einsparungen betreffen elementare Bildungsbedürfnisse. Bestellstops schon zu Jahreshälfte, die zahlreiche, v.a. geisteswissenschaftliche Institutsbibliotheken verhängen müssen, verhindern den Ankauf unverzichtbarer Fachliteratur. Die Schäden sind irreversibel. Gerade wissenschaftliche Monographien erscheinen in sehr begrenzten Auflagen und sind später nicht mehr erhältlich. "Schon bei den Primärwerken kommen wir in Schwierigkeiten", so eine Bibliothekarin, "wir produzieren Lücken."

Die Probleme, mit denen man sich konfrontiert sieht, sind zahlreich. Die Ursache ist allen gemeinsam: völlig unzureichende Etats. Nicht nur um mangelnde Mittel zur Buchbeschaffung geht es, auch Bibliothekarsstellen werden gestrichen oder nicht neu besetzt, Geld zur Restaurierung älterer Werke fehlt; dies alles hat fatale Folgen für Studierende wie Lehrende.

Nach einer Studie des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels verliert jeder der 1,8 Millionen Studenten dieses Landes 1 Semester aufgrund mangelhafter Ausstattung und Vernetzung der UBs. Ein schlagendes Argument in Zeiten, da die Forderung nach zügigem Studienfortgang schnell in eine "Bereinigung des Studentenbestandes" (O-Ton Rektor Ulmer) umschlägt.

Dabei sieht die Lage in Heidelberg noch vergleichsweise gut aus. UB-Chef Dörpinghaus ist froh, "in diesem Jahr von Kürzungen verschont geblieben zu sein." Mit einer Erhöhung der Etats wird er auf Jahre hinaus nicht rechnen können. Diese wären aber unbedingt notwendig.

Allein für die Restauration und Instandhaltung der alten Buchbestände benötigte man mindestens 250.000 DM, die UB muß hierfür mit einem Fünftel der Mittel auskommen. Dörpinghaus schätzt, daß derzeit 10 % des Büchergrundbestandes (also mehrere Zenhtausend Bücher) in den Kellern der UB verrotten.

Ein anderes schwerwiegendes Problem stellen die Fachzeitschriften dar. Mit ihren überproportionalen Teuerungsraten (25-50%) und den kostenträchtigen Abonnementverpflichtungen sind sie zuerst von den Mißständen betroffen. Gerade aber die wissenschaftlichen Zeitschriften, als schnellstes Medium weltweiter wissenschaftlicher Kommunikation, sind für erfolgreiche Forschung und Nachforschung unerläßlich. Nur noch die wenigsten Seminarbibliotheken können sich diesen "Luxux" leisten. In den letzten drei Jahren mußte auch die UB annähernd 100 laufende Abonnements abbestellen. Da wurde es selbst Rektor Ulmer zu bunt. In seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Landesrektorenkonferenz machte er seinem Unmut an höchster Stelle Luft. Die Folge: Das Land gewährte Sondermittel, die es 1995 ermöglichten, zahlreiche Titel wieder anzufordern. Bis 1996 ist man noch abgesichert. Danach geht das Spiel von vorne los.

Entschiedener Protest lohnt sich also, nicht nur im Kreise der Mächtigen. Der RCDS brachte mit einer landesweiten Unterschriftenaktion eine Anhebung des Doppelhaushalts um 500000 DM auf den Weg, die Fachschaft der Romanisten stemmte sich erfolgreich gegen eine drohende Verkürzung der Öffnungszeiten ihrer Seminarsbibliothek. Wie in anderen Instituten auch konnten dort die aus HiWi-Mitteln finanzierten Bibliotheksaufsichten nicht mehr zeitdeckend zugeteilt werden. Ganz radikal verfuhr man bei den Biologen. Dort ist die Bücherei bis auf weiteres geschlossen. Die Bibliothekarin ging in Ruhestand.

In der Verkürzung der Öffnungszeiten sieht auch Dörpinghaus ein Problem, das den Büchereien in den nächsten Jahren verstärkt Sorgen bereiten wird. Schon für das Jahr 1996 kann er für die Beibehaltung der lobenswert langen Öffnungszeiten (8.30-23 Uhr) der UB nicht mehr garantieren. Sollten die von ihm verwalteten Mittel Kürzungen in diesem Bereich erzwingen, erwartet und fordert er "auch von Seiten der Studierenden lautstarke Proteste".

Die Krise wächst. Zwar bieten technische Innovationen (Internet, CD-Rom) sinnvolle Ergänzungen zum Buchgebrauch, aber gerade die enorm hohen Investitionskosten in diesem Bereich belasten die Budgets, und nicht immer bedeutet Modernisierung auch Arbeitserleichterung. Jüngstes Beispiel ist die von der Regierung gesetzlich geforderte landesweite Angleichung der Bibliothekscomputer. Wir alle kennen HEIDI, in Freiburg und Karlsruhe heißt HEIDI OLAF. Beide Systeme sind etwa so unterschiedlich wie Mann und Frau. Nur wesentlich schwieriger zu vereinigen. Sollten die Gesetzgeber mit ihrem Projekt Ernst machen, "dann brennt hier in Heidelberg der Baum", so ein Verwaltungsexperte.
Dennoch wird an einer high-tech gestützen Rationalisierung, die fast in jedem Fall auch Zentralisierung bedeutet, kein Weg vorbeiführen.

Im Neuenheimer Feld tummeln sich derzeit 47 Instituts - und Kliniksbibliotheken (allein die Mathematiker halten 7), hier kostet der Drang nach Autonomie nicht nur einen Haufen Geld, sondern richtet sich auch gegen die Bedürfnisse der Studierenden. Weite Wege und mangelnde Übersichtlichkeit erschweren die Suche. Unlängst legte die UB ein "Konzept für die künftige Literaturversorgung im Neuenheimer Feld" vor. Das 7-seitige Thesenpapier sieht die Errichtung eines "funktionsgerechten Bibliotheksneubaus" vor, der 25 Einrichtungen beherbergen soll. Wenn alles glatt geht, wird im Jahre 2000 ein Grundstein zu dem sternförmigen Gebäude gelegt werden. Weitere Einsparungsmöglichkeiten werden in besseren Vernetzungen mit anderen UBs, Zeitschriftenpools und einer umfassenderen EDV-Erfassung erkannt.

Dennoch werden diese Maßnahmen allein die Mißstände nicht beheben. Neue Modelle tun Not. Der RCDS macht sich in diesem Zusammenhang für ein "Sponsoring von Privatfirmen" stark. Spendet IBM ein Informatikbuch, so soll dies im Einband deutlich zu erkennen sein. Die Idee klingt wohl besser als sie ist. Schnell könnte die Unis in Abhängigkeitsverhältnisse geraten, zudem leistet solch eine freimarktwirtschaftliche Finanzierungstaktik den Politikern weiter Vorschub, sich ihren gesetzmäßigen Pflichten zu entziehen. Freunde, Eigeninitiative ist gefordert. Nachdenken und Handeln jetzt! (eile)


Pillendreher rotieren

Pharmazie wird eingestampft

Die Verwaltungsratssitzung der Universität vom vergangenen Donnerstag könnte für die pharmazeutische Fakultät unter Umständen tödliche Nebenwirkungen haben. Latenzzeit: fünf Monate, dann, am 1. April, wird ein Immatrikulationsstop in Kraft treten, durch den die kleine Fakultät bis spätestens 1999 wegkondensiert. So zumindest sieht das trostloseste pharmazeutische Horoskop für das neue Jahr aus. Ein Schlupfloch bleibt den Apothekern allerdings, nämlich die Fusion mit einem ihrer zahlenmäßig weit größeren Geschwister, Medizin, Biologie oder Chemie. Diese 3 Fakultäten haben sich laut Verwaltungsratsbeschluß noch vor den ersten Neujahrsraketen zu überlegen, ob sie bereit wären, den Apothekern unter ihren Zelten Asyl zu gewähren. Die Tage der Pharmazie als eigenständiger Fakultät sind in Heidelberg jedenfalls gezählt. Deren Dekanat fühlt sich von Univer-waltung und Ministerium hintergangen: "Wir sind bei all dem nicht gefragt worden. Eine Schließung der Fakultät wäre ein absoluter Ent-scheidungsfehler" meint Prodekan Wild, der in diesem für die Fakultät kritischen Augenblick seinen in Japan weilenden Chef vertritt. Das Rektorat sieht das anders. Die Pharmazie könne als eigenständige Fakultät mit nur 5 Profs nicht bestehen bleiben. Das Gegenargument, das Ministerium bzw. die Uni-Verwaltung habe die Stellen nicht mehr freigegeben, läßt Prorektor Hüfner nicht gelten. Es sei keineswegs so, daß Stuttgart eine der drei pharmazeutischen Fakultäten im Ländle aus Rationali-sierungsgründen abwickeln wolle, auch Uni-intern gebe es keine finanziellen Gründe. Vielmehr habe es bei den Pharmazeuten interne Querelen gegeben, die sie selbst nicht lösen wollten.

Worum es konkret ging, war über das Rektorat nicht in Erfahrung zu bringen. Insider-Wissen eben. Doch ganz dicht sind solche Netze des Schweigens nie. Radio Kurpfalz zumindest brachte eine Meldung von forschenden Geisterfliegern, die an der hiesigen pharmazeutischen Fakultät tätig seien und beruft sich dabei auf Aussagen aus der Uni-Verwaltung. Auch sei die Fakultät hoffnungslos veraltet und zerstritten, was eine Einigung auf neue Professoren unmöglich mache. Im Verwaltungsrat wurde man deutlicher: Die Fakultät bringe nicht genügend Drittmittel auf und habe den Sprung auf den Zug in die Zukunft verschlafen. Der transportiert im Moment molekularbiologische und biochemische Themen...

"Alles Blödsinn!" Die studentischen Vertreter haben für diese Argumente nur Kopfschütteln übrig. Natürlich laufe nicht alles vorbildlich, aber wenn sich kein passender Bewerber für eine Professur finde, könne auch keiner eingestellt werden, und im Forschungssektor gehe in Heidelberg Qualität vor Quantität. Tatsächlich fällt es dem Außenstehenden nicht leicht, der Argumentation von Rektorat und Ministerium zu folgen. Es mag Zufall sein, daß die bei den Oberen unbeliebte Fakultät zur gleichen Zeit und mit der gleichen Geschwindigkeit abgewickelt werden soll, wie das neue Biochemie-Zentrum "aufgewickelt" wird. Man schwimmt gerne en vogue...

Die Pharmaziestudenten fühlen sich im Regen gelassen. Im Falle einer Abwicklung müßten sie die Uni wechseln, oder an einer ständig schrumpfenden Fakultät bis 1999 zu Ende studieren, was zumindest die untersten Semester nicht wollen werden. Doch auch im Falle einer Fusion befürchtet die Fachschaft ein Chaos. Auf jeden Fall wollen die Pharmazeuten für den Fortbestand ihrer Fakultät kämpfen. Unterstützung dürfte sich finden lassen: Die Apothekerkammer ist als Standesvertretung erster Ansprechpartner, aber auch vom mächtigen Bundesverband der Pharma- Industrie erhofft man sich Rückendeckung. Als eine der wenigen selbständigen pharmazeutischen Fakultäten in Deutschland gebe es in Heidelberg Möglichkeiten, von denen andere nur träumen könnten. Dem Rektorat könnte ein heißer Herbst bevorstehen.

Es ist absurd: Eine bei den Studenten bundesweit überdurchschnittlich beliebte Fakultät wird zum Spielball von ein paar Verwaltungen, die sich nicht einigen können. (gvg)


Im Schweinsgalopp

Zentrales Prüfungsamt wird überhastet eingeführt

"Nein, konkrete Vorstellungen darüber, was das Ganze kosten wird, haben wir noch nicht. Ja, mit der EDV gibt es noch Probleme. Nein, wir wissen noch nicht, wer sie lösen wird. Genaugenommen ist die betreffende Stelle noch nicht einmal geschaffen. Das System? Steht noch nicht fest. Bis heute besitzen wir weder eine Analyse noch ein ausgearbeitetes Konzept. Aber selbst wenn der Senat den Antrag auf Einführung eines Zentralen Prüfungsamtes für Geistes-, Geo- und Sozialwissenschaftler am 7.11. ablehnt, besitzt die Verwaltung Möglichkeiten, dem Auftrag des Gesetzgebers nachzukommen." Regierungsdirektor E. Behrens ist ein ehrlicher Mann. Das ehrt ihn. Und irgendwie ist ihm bei der Sache nicht ganz wohl. Das versteht man. Schließlich geht es hier nicht um Kinkerlitzchen, sondern um das Prüfungsschicksal von fast 7000 angehenden Magistern. Verwaltungstechnisch ist die Konzentration von fünf verschiedenen Fakultäten mit mehr als 40 verschiedenen Prüfungsordnungen zu einer Zentralbehörde (s. ruprecht Nr. 37) gelinde formuliert "eine heikle Angelegenheit." Behrens: "Die Geisteswissenschaftler sind erst der Anfang, ist diese schwere Hürde überwunden, nehmen wir die Diploma und Staatsexamen in Angriff."
Zwar sieht §50 Abs. 6 des Unigesetzes vom 1.1.95 die Schaffung eines "gemeinsamen Prüfungsamtes" binnen 2 Jahren verbindlich vor, doch hindert das die Kollegen von Konstanz bis Tübingen bisher nicht daran, Heidelbergs Gipfelstürmer erstmal Erfahrung sammeln zu lassen. Trotz starker Widerstände aus den betroffenen Fakultäten behält man das Planungsziel WS 96/97 fest im Auge. Ulmers Meriten wollen verdient sein. Hiesigen Magistern stehen harte Prüfungen ins Haus. (eile)


Ey!

Ich sage: Es ist, bei Gott, vieles sinnlos auf dieser Welt: Die Palette reicht von der Magister-prüfungsordnung bis zum Gesicht von Mario Basler.
Nichts aber ist sinnloser als der Herbst. Die Tage werden kürzer, die Blätter werden rot und spätestens, wenn die vielen Hobbypoeten wieder in freien Versmaßen über die Vergänglichkeit des Menschen nachzudenken beginnen, fragt man sich: Was soll der Aufwand? Und vor allem: Bringt uns das etwas, diese Natur?
Ungeschönt betrachtet ist man selbst nämlich in der heutigen Gesellschaft bereits mehr als überflüssig: Man stört durch seine bloße Anwesenheit. Wer je mit seiner Krankheit den reibungslosen Betrieb in einer Universitätsklinik aufgehalten hat, weiß, wovon ich rede. Hoffnungslos Gesunde denken wahlweise an das Marstall-café, wo man unwillkürlich jungen, dynamischen Menschen beim Arbeiten in die Quere kommt: "He, das hält derartig auf, wenn sich jeder hier vorne die Milch in den Kaffee schüttet, weißt Du das?"
Nein, in einer Welt, in der Tausende von Arbeitern die Fabriken verstopfen oder Jungakademiker mutwillig 10-qm-Zimmer verwohnen, ist der Herbst so fehl am Platz wie nur irgendetwas. Allein die frühe Dunkelheit gibt zu denken: Die Zahl der Depressiven, die sich in ärztliche Behandlung begeben müssen, steigt ebenso wie die der Radfahrer, die auf regennasser Straße verunglücken. Und uns erhöht man dann die Krankenkassenbeiträge!

Der CO2-Ausstoß wegen kältebedingter Heiztätigkeiten beweist: Der Herbst schädigt die Umwelt (von der Verschandelung der Landschaft durch Clorophyll soll hier gar nicht erst die Rede sein). Und vor allem: Er dauert zu lang, der Herbst. Eine Abschaffung dieser Jahreszeit würde die Studienzeiten um rund ein Viertel verkürzen! Außerdem, das sei Herrn Ulmer gesagt, würde sicher keiner die Streichung bemerken, denn "Herbst" kommt in dem schönen Wort "Wintersemester" gar nicht vor.
Der Dichter sagt: Alles nutzlos? Das ist Unsinn! / Denn wir wissen ganz genau: / Einzig Glossen sind entbehrlich / Weg damit! Und Aus! Und Ciao! (step)


*Zur ruprecht-Titelseite