Hochschule


Blaue Briefe

Die erste Heldentat der Studiendekane

Für manche kam der Schreck noch vor Weihnachten: Ende Dezember bekamen viele Heidelberger Studierende, die schon länger als 20 Semester an der Uni eingeschrieben sind, Post von ihrem Studiendekan - dem Mann, der sich seit Ende letzten Jahres um die Verbesserung des Studiums an ihrer Fakultät kümmern soll.

In freundlichen Worten stellte sich dieser zunächst vor: "Die ... neugeschaffene Studienkommission und der Fakultätsrat sowie das Rektorat erwarten von mir eine Reihe von Hilfen ... so unter anderem auch für die sogenannten Langzeitstudenten ... Zugleich wird von mir erwartet, der Fakultät ein Bild von der Lebenslage der Studierenden zu erarbeiten, die zu dieser Gruppe - mehr oder weniger berechtigt - gezählt werden."

Höflich, aber bestimmt, bat der Studiendekan den Adressaten zum Gespräch und vergaß nicht, um das Mitbringen von Studienbüchern, Scheinen und Zeugnissen zu bitten. Das Studentensekretariat sei gebeten worden, die Studierenden erst nach dem Gespräch rückzumelden.

Die abenteuerliche Praxis der Zwangsberatung bei Fachwechsel im Gedächnis, erschraken viele der Oldtimer ob solcher Formulierungen erst einmal gehörig. Andere gingen nicht hin, sondern schrieben zurück: Norbert B., Mediziner im 22. Semester, wollte wissen , "auf welcher gesetzlichen Grundlage Ihre Zwangsvorladung/Zwangsberatung ... beruht." Eine Antwort steht bisher noch aus.

Tatsächlich gibt es keine rechtliche Grundlage für diese Gesprächsaufforderungen; die Rückmeldung darf auch "Gesprächsunwilligen" gar nicht vorenthalten werden - der Zusammenhang wurde in dem Brief nur hergestellt, um "Höhere Semester" ins Beratungszimmer zu locken.

Auch den im Brief suggerierten Auftrag der Studienkommssion an den Studiendekan, konnte es in den meisten Fällen gar nicht geben. Einige Studienkommissionen, so z.B. in der Neuphilologischen und in der Philosophisch-Historischen Fakultät, waren noch gar nicht zusammengekommen, um dem Studiendekan irgendeinen Auftrag oder auch nur eine Empfehlung zu geben. In anderen Kommissionen war über solche Briefe oder Gespräche nie geredet worden.

Entsprechend sauer reagierten vor allem studentische Mitglieder von Studienkommissionen: In der Neuphilologischen Fakultät, in der die Studienkommission und der Studiendekan nur mit erheblicher Mühe überhaupt rekrutiert werden konnten und die von einer Diskussion über Studieninhalte oder -formen noch weit entfernt ist, distanzierten sich die studentischen Mitglieder schriftlich und öffentlich.

Den Vorwurf, sie hätten mit diesem Brief eigenmächtig gehandelt, konnte man den Studiendekanen allerdings noch nicht einmal machen. Sie hatten nämlich gar nicht selbst gehandelt, sondern die Univerwaltung handeln lassen und zumeist nur ihre Namen unter die von dort aus verschickten Standardbriefe drucken lassen. Peinlich für die Professoren, daß die Briefe Rechtschreibefehler enthielten; nur an wenigen Fakultäten hatte man sich die Mühe gemacht, eigene, ähnliche Briefe zu verschicken.

Die eigentliche Initiative für die Gespräche, wurde dem ruprecht von mehreren Seiten bestätigt, kam aus dem Rektorat, das die Studiendekane schon im November zu einer Gesprächsrunde geladen hatte. Die "Bereinigung des Studentenbestandes" hatte man dort schon früher zum Programm erhoben; und die peinliche Landtagsanfrage, die Heidelberg als die Universität mit dem größten Anteil an Langzeitstudierenden geoutet hatte, hatte man wohl auch noch in Erinnerung.

Trotz versteckter Drohungen und unklarer Urheber: Manche Gespräche, das berichteten nicht nur Studiendekane, sondern auch studentische Vertreter, haben den Beteiligten wirklich etwas gebracht ("manche waren schon froh, daß sie wieder von jemandem bemerkt wurden", formulierte es ein Studiendekan). Auch werden nicht alle Studienkommissionen von Rektorat, Verwaltung oder Studiendekan überfahren; es gibt Beispiele für fruchtbare Diskussionen.

Dennoch müssen sich auch die, die nicht nur "bereinigen", sondern helfen wollen, fragen, ob eine mit versteckten Drohungen und Halbwahrheiten gespickte Vorladung das Vertrauen schafft, mit dem solche Gespräche Erfolg haben können.

Die diesjährige Aktion hatte, wie auch in der Universitätsverwaltung unter der Hand zu erfahren war, zunächst einmal den Sinn, berufstätige Langzeitstudierende herauszufiltern - wer mehr als 83 Stunden im Monat arbeitet, darf exmatrikuliert werden. Langsam aber gewöhnt man die Studierende an "Beratungsgespräche" - bis sie eines Tages auch rechtlich zu Zwangsvorführungen werden können. Der Universität ist durch dieses Sieben (oder "Bereinigung") natürlich nicht geholfen - kein einziger Seminarplatz wird durch die Streichung einer Karteileiche frei. Das Klima an der Hochschule aber verschlechtert sich wieder ein Stückchen. (hn/hpc)


Will Stimmzettel haben jetzt!

Am 24. März ist Wahl im Ländle. Alle, die wählen wollen, dann aber nicht in Heidelberg sind, können die Briefwahlunterlagen ab Ende Februar in den Bürgerämtern abholen. Wer sie jetzt schriftlich anfordern möchte, schreibt dem Bürgeramt Mitte, Wahldienststelle, Bergheimer Str. 69, 69115 Heidelberg , seine Heidelberger Anschrift, das Geburtsdatum und die Adresse, unter der er ab der letzten Februarwoche erreichbar ist. Als Begründung für den Wunsch nach Briefwahl reicht: "Ich bin am Wahltag nicht da."


Gründlich durchgecheckt

Evaluation von Lehre und Studium am Anglistischen Seminar

Was in anderen Ländern schon gang und gäbe ist, steckt hierzulande noch in den Kinderschuhen: die Untersuchung und Beurteilung von Lehre und Studium, Evaluation genannt. Eine Vorreiterrolle durfte in diesem Semester u.a. das Anglistische Seminar in Heidelberg spielen. Denn das Ministerium für Wissenschaft und Forschung Baden-Württemberg hat im Sommer letzten Jahres die Anglistischen Seminare in Tübingen und Heidelberg damit beauftragt, sich selbst zu evaluieren.

Das Ministerium untersucht das Anglistische Seminar in Heidelberg und das Englische Seminar in Tübingen als Beispiele einer typischen Geisteswissenschaft sowie die Informatik als Beispiel einer Technik-/Naturwissenschaft in Stuttgart und Karlsruhe. Das kostet zwar so allerhand, doch immerhin - so vermutet Burkhard Remppis von der Anglistik-Fachschaft - kann das Ministerium so erste Bemühungen vorweisen, die universitäre Lehre verbessern zu wollen. Prof. Dr. Andreas Höfele, geschäftsführender Direktor des Anglistischen Seminars Heidelberg, und Dr. Monika Müller, eine der Heidelberger Evaluationskoordinatorinnen, sehen in dem Projekt aber vor allem den Wunsch des Ministeriums, sich umfassend über die Lage und Probleme der Lehre bei den hiesigen Anglisten zu informieren.

Die gesamte Lehrevaluation hatte zwei Etappen, eine mit internen und eine mit externen Gutachtern. Die erste Etappe dauerte dabei deutlich länger. Die Untersuchungsvorbereitungen begannen bereits im August 1995. Fragebögen wurden erarbeitet, die im September und Oktober seminarintern an Dozenten und Studierende sowohl des Grund- als auch des Hauptstudiums, verteilt wurden; nach der Auswertung dieser Umfrage fanden Gesprächsrunden mit Studierenden, Mittelbau und Professoren statt (November 1995). Die Hauptarbeit leisteten bei alldem die beiden Evaluationskoordinatorinnen Frau Dr. Müller und Regina Wehrle, die die Fragebogenaktion durchführten, die Gespräche protokollierten und im Dezember 1995 schließlich einen Bericht erstellten, der für die zweite Runde als Grundlage diente.

Koordiniert und begleitet wurde das Heidelberger Projekt von der Hochschul-Informations-System GmbH (HIS) in Hannover, die mit ihrem Leitfaden für die interne Selbstevaluation den Ablauf des Verfahrens vorgab. Denn der Einstieg in dieses Projekt war gar nicht so leicht. Etwas Derartiges hat in Heidelberg noch nie, in Deutschland bisher selten stattgefunden; Frau Dr. Müller wußte nur von einer Lehrevaluation bei der Germanistik der Universität Hamburg.

Stufe zwei der Evaluation lief im Januar 1996 ab. Dazu besuchten am 15. und 16. Januar vier auswärtige Anglistikprofessoren, von den Heidelberger und Tübinger Anglisten gemeinsam als Gutachter ausgewählt, das Seminar in Heidelberg und untersuchten und bewerteten die dortige Lehre. Die Gutachter konnten sich trotz engem Zeitplan in Gesprächen mit den Lehrenden und in einer Gesprächsrunde mit den Studierenden ein recht gutes Bild von den hiesigen Anglisten machen. In der Diskussion mit den gut dreißig Studierenden wurde u.a. über die Fachschaft und ihre Arbeit, die Atmosphäre am Institut und die mehr oder weniger vorhandenen didaktischen Fähigkeiten der Professoren gesprochen. Eine weitere Frage der Gutachter zielte auf das Interesse der Studierenden an eher exotischen Seminarthemen anstelle des durch die Prüfungsordnung festgelegten "Mainstream".

Am Nachmittag des zweiten Tages präsentierten die vier Gutachter in einer Art Abschlußveranstaltung den anwesenden Dozenten und Studierenden ihre gewonnenen Eindrücke und Ergebnisse, noch etwas pointiert und - wie die Gutachter auch selbst zugaben - noch nicht nuanciert. Für den Bericht, den die Gutachter dem Ministerium schreiben, werde das noch genauer formuliert.

Die Professoren lobten am Institut beispielsweise den gute Bestand der Seminarbibliothek, die Raumausstattung und die Arbeit der Fachschaft. Besonders überrascht waren sie vom angenehmen Arbeitsklima, das im Vergleich zu anderen Seminaren, auch ihren eigenen Instituten, bemerkenswert sei.

Sie äußerten ihren Respekt vor der Heidelberger Universitätstradition und ihrer Bewahrung, doch Bedenken zeigten sie, an einem eher traditionellen Lektürekanon in der Literaturwissenschaft festzuhalten. Eine Kritik, die Literaturwissenschaftler Höfele nicht im Raume stehenlassen wollte. Das genaue Gegenteil sei der Fall, so Höfele, es würden ebenso neue periphere Richtungen der Literatur und der Literaturtheorie diskutiert und in Kursen behandelt.

Einen anderen Kritikpunkt der Gutachter wollte hingegen kein anwesender Dozent von der Hand weisen: die vernachlässigte Behandlung der Landeskunde. Dieser Bereich der englischen Philologie, als fünftes Rad am Wagen bezeichnet, bilde eine Randfunktion mit der Folge, daß die Studenten allein Experten in den Gebieten der englischsprachigen Literatur und der englischen Sprache würden, aber nicht im Bereich der englischsprachigen Kultur.

Die Erkenntnis, daß die Anglistik in Heidelberg deutlich "understaffed" ist, also zu wenig Dozenten hat - vor allem im Bereich der Sprachpraxis -, ist allen Beteiligten nicht neu, und am Anglistischen Seminar ist man froh und dankbar, daß dieser Tatbestand im Bericht der Gutachter nachdrücklich Erwähnung finden wird.

Für das Seminar selbst sieht Prof. Höfele die Evaluation (auch wenn der Antrieb dafür seminarextern war) als einen "heilsamen Prozeß der Selbsterforschung", der an sich nicht unbekannte Probleme akzentuiert und zu intensiven Gesprächen der verschiedenen Gruppen geführt habe. Für ihn interessant sei dabei vor allem die Erkenntnis, die Anglistikstudierenden wünschten sich vor allem im Grundstudium mehr Veranstaltungen mit der Vermittlung von Überblickswissen und Grundlagenkenntnissen.

Die Untersuchung habe auch zu "statistisch interessanten Ergebnissen" geführt, so Höfele, denn das Anglistische Seminar habe mehr Absolventen, "als das Statistische Landesamt sie führt" - ein für den Literaturwissenschaftler positives Zeichen für die hiesige Lehre. Interessant ist die Datenerhebung aber auch, da sie in solcher Ausführlichkeit noch nie durchgeführt wurde.

Ob die Evaluation zu Veränderungen am Seminar führen wird? Prof. Höfele kann sich dies seminarintern schon vorstellen, aber Frau Dr. Müller warnt vor illusorischen Hoffnungen: es sei doch sehr unwahrscheinlich, daß das Ministerium Geld für mehr Stellen zur Verfügung stellen werde.

Daher scheint die Hypothese mancher Anglistikdozenten, der Bericht werde "doch (wieder) nur in einer ministeriellen Ablage landen und nichts zu einer Verbesserung der Situation beitragen", nicht so abwegig zu sein. Um so mehr sollten die Anglisten ihre Chance nutzen: sie sollen den Bericht für das Ministerium kommentieren. (mab)


Demnächst im Äther

Die Arbeitsgemeinschaft Funk der Universität Heidelberg, Treffpunkt für radiojournalistisch interessierte Studierende, hat auch in diesem Semester wieder eine Magazinsendung mit Musik und Berichten rund um die Uni erstellt. Sie ist zu hören am Samstag, 24.2.1996, von 10.05 bis 11.00 Uhr im Kurpfalzradio des Süddeutschen Rundfunks, UKW 104,1 MHz. Themen sind u.a. "Magister in den Beruf", die Heidelberger AIDS-Beratung, Langzeitstudent Peter und die Arbeitslosigkeit nach dem Studium; außerdem wird ein Interview mit Prof. Peter Ulmer zu hören sein.

Auch der AK Medien möchte jetzt endlich, nach einigen Verzögerungen und trotz anhaltender Geräteprobleme, die Studentenschaft beglücken: Ab der ersten Sommersemesterwoche sollen die Mensen in Heidelberg (evtl. auch in der PH) und Mannheim - dort vielleicht auch die Musikhochschule und die FH Technik - mit einem einstündigen, wöchentlich wechselnden Programm beschallt werden.


Klagen und Kämpfe

Ausländische Studierende machen Mund auf: Beschwerden über die Jobvermittlung und deutsche Behörden

Shohred* gehört nicht zu den Frauen, die sich so leicht entmutigen lassen. "Jetzt habe ich schon zwei Monate durchgehalten, da werde ich nicht einfach aufgeben!" Diese Worte kommen aus dem Munde einer ausländischen Studentin, die den Kampf mit den deutschen Behörden aufgenommen hat - und verlor. Doch sie will weiterkämpfen.

Das David-Goliath-Spielchen begann, als Shohred ein Praktikum machen wollte. Für ihr Studium der Erziehungswissenschaften ist dies vorgeschrieben, und so fand sie auch ziemlich schnell eine Stelle im Kindergarten des Studentenwerks. Zwei Stunden pro Tag sollte sie dort arbeiten, möglichst für ein Jahr. Die Sache sah sehr gut aus, wenn da nicht ein kleines Problem wäre: Shohred kommt aus dem Iran. Für ausländische Studierende aus Nicht-EU-Staaten gelten nämlich andere Gesetze. Sie dürfen laut der "Verordnung über die Arbeitserlaubnis für nichtdeutsche Arbeitnehmer", die am 30. September 1994 geändert wurde, nur noch drei Monate pro Jahr arbeiten. Es ist schon ärgerlich genug für die Betroffenen, daß sie nicht mehr die ganzen Ferien, wie es vorher erlaubt war, arbeiten dürfen, doch Shohred hat doppelt Pech. Sie braucht ihr Praktikum für ihren Studienabschluß und hat darüber inzwischen auch von allen erdenklichen Stellen Bescheinigungen eingeholt, doch ihr Dilemma ist noch größer: Die Behörden selbst sind sich nicht einig, ob Shohred nun eine Arbeitserlaubnis erhalten darf oder nicht. Aus diesem Grund wurde sie vom Ausländeramt zum Arbeitsamt geschickt, vom Arbeitsamt zum Ausländeramt, und so weiter, bis es nicht nur ihr, sondern auch einem Herrn vom Ausländeramt zu bunt wurde. Er riet ihr, doch einfach ohne Bezahlung zu arbeiten. Shohred war inzwischen schon so verzweifelt, daß sie diesen Vorschlag annahm, doch selbst ihr guter Wille brachte sie nicht weiter: Man könne sie ohne Arbeitserlaubnis nicht arbeiten lassen, da dies illegal sei und der Kindergarten die Verantwortung für sie habe, falls ihr etwas passiere.

Nun steht Shohred also genau da, wo sie vor über zwei Monaten schon war, doch ans Aufgeben denkt sie noch lange nicht. Sie versucht ihr Glück jetzt mit Unterstützung eines anderen Professors, erhofft sich eine Klärung der gesetzlichen Lage vom Ausländerrat, bei dem sie ihr Problem vorgebracht hat, und vielleicht bekommt sie Hilfe vom Kultur- und Sozialbürgermeister Dr. Beß. Dieser hat sich ihre Klagen bei der letzten Sitzung des Ausländerrates angehört und ihr Hilfe versprochen.

Klar, Shohred versteht die Welt nicht mehr, zumindest die deutsche. Sie versuchte noch, wenigstens eine Erlaubnis für drei Monate zu erhalten, doch selbst die bekam sie nicht. "Die sind wirklich überhaupt nicht kompromißbereit!" Das einzige, was sie erreichte, war - nach mehrmaligem Drängen - ein schriftlicher Ablehnungsbescheid vom Ordnungsamt, auf eine Begründung wartet sie jedoch bisher vergeblich.

Dies ist einer der Fälle, mit dem sich der Ausländerrat z. Z. beschäftigt, seit sich mehrere ausländische Studierende dort beschwert haben. Die meisten Klagen kamen über die Arbeitsvermittlung des Studentenwerks. Dort würden sie diskriminierend behandelt worden sein, meinten einige, andere empfanden die beiden Damen einfach nur als unfreundlich. "Irgendwie versuchen sie, freundlich auszusehen, aber ich habe das Gefühl, daß sie uns diskriminieren", sagt Saniye aus der Türkei. Mit den Gefühlen ist das allerdings so eine Sache, darauf kann man kaum eine Anschuldigung aufbauen. Dies ist auch eines der Probleme des Ausländerrates, der den Studierenden natürlich helfen will, aber nur auf deren Aussagen die Beschwerden stützen kann, die er an die entsprechenden Stellen schicken wird. Eine Klärung der Lage ist allerdings dringend nötig, denn viele Probleme entstehen durch Unklarheit über den Umgang mit dem neuen Gesetz. "Allein die Voraussetzungen für Ausländer, eine Arbeit zu bekommen, sind schon sehr schlecht", erklärt Memet Kiliç, der Vorsitzende des Ausländerrates. "Laut deutschem Gesetz muß eine Arbeitsstelle nämlich zuerst von einem Deutschen besetzt werden, wenn dieser sie nicht will, von einem EU-Bürger, und erst dann kommen die restlichen Ausländer an die Reihe, von denen diejenigen, deren Heimatland ein besonderes Abkommen mit Deutschland hat, noch vorgezogen werden." Logisch, daß für Shohred und Saniye auf diese Weise kaum etwas übrig bleibt.

Die Beschwerden, die über die Jobvermittlung beim Ausländerrat eingingen, sind vielfältig. Shoreds Freundin Jaleh war darüber verwundert, daß gute Deutsch-Kenntnisse für eine Putzstelle erforderlich seien oder man Computer-Kenntnisse brauche, um bei der Inventur auszuhelfen. Daß sie so etwas nie geäußert hätten, sind sich jedoch die Vermittlerinnen des Studentenwerks einig. "Mit den meisten Ausländern kommen wir bombig klar", hält Frau Bender den Anschuldigungen entgegen, "aber einige kommen schon richtig aggressiv herein. Die haben von vornherein die Einstellung, daß wir für sie sowieso keine Arbeit hätten. Deren eigene Landsleute sagten, daß sie sich für die schämen würden." Ob nun aggressiv oder nicht, zu Mißverständnissen kommt es sicher immer mal wieder, sei es, weil man die Sprache nicht so gut beherrscht oder das System nicht versteht. Einige Ausländerinnen berichteten, daß ihnen immer gesagt wurde, die Arbeit, die draußen hängt, sei schon vergeben. Dies passiert jedoch genauso den Deutschen: Ein Angebot, das einmal einem Bewerber gegeben wurde, bekommt kein zweiter, solange die Arbeitsvermittlung von jenem keine Rückmeldung erhalten hat. "Deshalb sagen wir den Leuten immer, sie sollen am nächsten Tag noch mal anrufen", erklärt Frau Bender. Wer dies nicht richtig verstanden hat, kommt sicher schnell zu dem Schluß: Die wollen mich nicht! Daraus den Angestellten vom Studentenwerk oder auch den ausländischen Studierenden einen Vorwurf zu machen,ist problematisch.

Die Ursache für ein eventuelles Mißverständnis ist jedoch bei den folgenden Behauptungen nur schwer auszumachen. "Ich wollte im März ein paar Tage arbeiten, aber die Frau von der Jobvermittlung sagte mir, daß dies als ein voller Monat angerechnet würde. Das habe ich nicht verstanden", meint Saniye. Frau Bender versteht das auch nicht: "Das haben wir nie gesagt. Wir raten den Studenten meist, daß sie lieber während der Ferien jobben sollen, da sie dann mehr Stunden am Tag arbeiten und somit mehr verdienen können. Denn egal ob zwei oder acht Stunden, beides zählt als ein Arbeitstag."

Das einzige, was hier klar zu sein scheint, ist, daß es noch eine Menge Unklarheiten bei dem Thema gibt. Es wird sicher nicht schaden, wenn der Ausländerrat die betroffenen Stellen zusammenführt und versucht, Licht in das Dunkel der Gesetze - und vielleicht auch in die verschiedenen Aussagen - zu bringen. Wichtig ist vor allem erst einmal, daß das Ausländeramt, das Arbeitsamt und das Studentenwerk sich einig werden, wie denn nun die neue Verordnung angewendet werden muß. Dann hat Shohred vielleicht doch noch Chancen auf ihr Praktikum. (gz)

*Alle Namen Studierender wurden von der Red. geändert.


ruprecht-Serie: Revolte in Heidelberg

Wer "Studentenbewegung" sagt, meint meistens nur: 1968. Nicht so der ruprecht. In einer vierteiligen Serie beschäftigen wir uns mit - gänzlich unterschiedlichen - Formen studentischer "Revolte in Heidelberg" während der 70er Jahre: mit dem "Sozialistischen Patientenkollektiv" 1970/71 (vgl. ruprecht Nr. 35), mit den Unruhen bei Mathematikern, Juristen und Germanisten in der zweiten Haelfte des Jahrzehnts (ruprecht Nr. 37) - und, im hier zu lesenden dritten Teil der Serie, mit dem Ende des "Collegium Academicum" 1978, das auch das Ende der Revolte signalisiert. Ein abschließender Artikel im naechsten ruprecht blickt zurueck auf die pragmatischeren 80er Jahre, den "Unimut"-Winter 1988/89.

"So ist aus dem Haus ein Mythos geworden"

Vom Ort der "re-education" zum Hort der Rebellion - in einer Generation: das Collegium Academicum (1945-78)

Wenn Heidelbergs Studenten heute in den Räumen derZentralen Universitätsverwaltung in der Seminarstrasse 2 erscheinen, um sich den bürokratischen Ritualen ihres Daseins zu unterwerfen, ahnen die wenigsten unter ihnen, daß sie Boden betreten, der einst ihnen gehörte. Zwischen 1945 und 1978 beherbergte das ausgedehnte Gebäude im Herzen der Altstadt ein selbstverwaltetes Studentenwohnheim, das "Collegium Academicum" ("CA"), das gut 120 Studenten Heimstatt bot.

Gegründet in einer Zeit, da sich die Universität nach Weltkrieg und Nationalsozialismus um einen Neubeginn bemühte, sollte das CA der "demokratischen Selbsterziehung" seiner Bewohner dienen. Für anderthalb Jahrzehnte gab es akademische wie kulturelle Impulse, bevor es in den Sog der Studentenbewegung geriet, sich zu viele Gegner schuf und - als letzte Bastion der Revolte geradezu demonstrativ - geschliffen wurde. Geblieben von dem einmaligen Experiment ist so gut wie nichts.

Das Ende kommt im Morgengrauen, in Form mehrerer Hundertschaften der Polizei. Gegen 6 Uhr früh dringen Einsatzkräfte des baden-württembergischen "Sonder-Einsatzkommandos" und eine Hundertschaft der uniformierten Polizei durch die hinteren Türen in das Wohnheim ein. Weitere vier Hundertschaften riegeln die Umgebung ab. Behelmt und bewaffnet mit Sturmleitern, Äxten und Motorsägen, verwüsten die Polizisten die Räume und kippen die Möbel durch die Fenster. Innerhalb kurzer Zeit ist der Bau geräumt; die gut 150 übermüdeten Bewohner - sie haben die Nacht über im Gebäude gewacht - versammeln sich im Hof und, so will es die RNZ gesehen haben, ziehen "im engen Block durch die Seminarstraße liedersingend ab". "Dann", so erinnert sich der Schriftsteller Michael Buselmeier in seinem Buch "Der Untergang von Heidelberg", "wurden die Fenster mit Latten zugenagelt. Dem lebendigen Geist."

Umrisse.

Was da am Morgen des 6. März des Jahres 1978 - einem Montag - sein Ende findet, ist bei seiner Gründung ein halbes Menschenleben zuvor ein mit hohen Hoffnungen befrachtetes Projekt gewesen. Die Geschichte beginnt im Oktober 1945: Der Krieg ist für die Deutschen kaum ein halbes Jahr vorbei, die Universität steht kurz vor ihrer Wiedereröffnung, im ersten Semester werden sich gut 2.600 Studenten einschreiben - aber sie drohen ohne Wohnung dazustehen. Der neugewählte Rektor, der Chirurg Karl Heinrich Bauer, überzeugt die amerikanische Besatzungsmacht, der Universität die "Alte Kaserne" in der Seminarstraße als Wohnheim zu überlassen. In dem Barockgebäude, das seit seiner Erbauung um 1750 schon Jesuiten, Katholiken, Geisteskranke, Grenadiere, Schutzpolizisten, SA-Leute und die Soldaten des Wehrbezirkskommandos beherbergt hat, will er "das große Experiment eines ersten deutschen College... wagen". Bald hat es auch seinen Namen: "Collegium Academicum", "CA".

Schon in der ersten Novemberhälfte ziehen die ersten Studenten ein. Unter ihnen ist Wolfgang Helbing, Jahrgang 1917, der nach langer Odyssee als Reserveoffizier nach Heidelberg kommt. Helbing erinnert sich: "Von den Bewohnern war etwa die Hälfte in meiner Situation: Kriegsteilnehmer; ein Drittel hatte irgendeinen Offiziersgrad. Die andere Hälfte waren Studienanfänger, Vorsemester oder solche, die das Studium wegen des Krieges hatten abbrechen müssen." Die älteren Jahrgänge - noch 1950 werden unter 135 Collegiaten 100 ehemalige Soldaten sein - prägen die Atmosphäre, Männer wie Bruno Schwalbach: "Ein ehemaliger U-Boot-Kommandant."

Die Einrichtung des Collegiums ist dürftig. Hermann Weisert, Jahrgang 1925, der im Mai 1946 einzieht und bis 1953 im CA wohnt, weiß noch: "Ein Spind, ein Bett, jeder noch einen Schreibtisch - und damit hatte es sich schon. Man mußte schon jung sein, um das auszuhalten. Die Glühbirnen mußten wir hüten, das Zimmer haben wir immer abgeschlossen." Der Umgangston ist eher distanziert-bürgerlich: "Man blieb auch auf dem Zimmer lange beim 'Sie'. Wir wollten das 'Du' nicht, das hatten wir beim Kommiß." Ende Januar 1946 kann der Leiter, Joachim G. Boeckh, dem Rektor berichten, daß 185 Studenten, in der Mehrzahl Mediziner, untergebracht sind - in Zwei-, Drei- und Vier-, "einige" auch in Fünf-Bett-Zimmern. 65 Zimmer seien eingerichtet, "wenn auch nur in allerprimitivster Form".

Noch während die CA-Bewohner mit den Widrigkeiten des täglichen Lebensbedarfs ringen, organisieren sie jenes Gemeinschaftsleben, das das CA in jenen Jahren zu einem einmaligen Experiment macht. "Das CA", erzählt Wolfgang Helbing, "war kein Studentenhotel und keine WG im heutigen Sinne, sondern eine Form dazwischen - eine geistige Heimat für solche, die nicht nur ein Schmalspurstudium betreiben wollten." So entstehen schon bald die ersten Arbeitsgemeinschaften, "fächerübergreifend, ohne richtige Tutoren, nur mit Lebenserfahrung - das kam aus uns heraus, nicht von außen." Helbing erinnert sich: "Da fand kein outing statt, da wurde etwa die Frage erörtert, ob es wirklich viele Leute gegeben hatte, die keine Ahnung hatten, was im Dritten Reich geschah." Jeden Samstag- und Sonntagsabend veranstaltet der Leiter in seiner Wohnung "Offene Abende", zu denen sich jeweils etwa 30 Bewohner einfinden, einer Lesung - Herodot, Thukydides, Büchner, Rilke - zuhören und diskutieren. "Diese Besprechungen", so schreibt Boeckh, "sind das Wichtigste, das Fesselndste und das Schwerste. Sie gehen meist bis gegen Mitternacht und sind von einer solchen Lebendigkeit, Offenheit und Ehrlichkeit, daß die Meinung mancher Menschen, die künftige Jugend sei dumpf und uninteressiert, als völlig unzutreffend zurückgewiesen werden muß." Collegiat Helbing empfindet solche Diskussionen als "geistige Befreiung" - "weil ich jetzt mit Leuten wieder vernünftige Gespräche führen konnte".

In diese Frühzeit des CA fällt auch der Beginn der CA-organisierten Vortragsreihen, die später für das "Studium generale" der Universität stilprägend wirken werden. Zur Premiere spricht in der neu hergerichteten Aula des CA der Jurist Gustav Radbruch über die Frage "Was ist Demokratie?"; Karl Jaspers diskutiert einen Abend lang über seine Vorlesung "Zur Idee der deutschen Universität", ein Studentenpfarrer referiert über "Gewalt und Recht", die Frage "Können Söhne von Arbeitern und Bauern an der Hochschule studieren?" wird erörtert.

Neben Arbeitskreisen und Vorträgen wird schnell die Selbstverwaltung zur dritten Besonderheit des CA. Als Joachim Boeckh im Oktober 1945 "Leitsätze" für das CA postuliert, steht an erster Stelle der Satz "Das viel gebrauchte Wort von der Demokratie muß zur Tat werden." Diese Anregung aufnehmend, entwerfen die Collegiaten eine Grundordnung für das CA: "Außer dem amerikanischen Konzept war da nichts, wir haben bei Null angefangen", erinnert sich Wolfgang Helbing. Zentrales Organ des CA wird der "Konvent", die Vollversammlung der Collegiaten, der die "Regierung" und die übrigen Organe der Selbstverwaltung wählt: den "Senior" als Vertreter des ganzen Hauses, den "Präfekten" als Betreuer des Hauswesens sowie beider Stellvertreter. In den folgenden Jahren wird die Selbstverwaltung zunehmend erstarken - und das Haus in gelegentliche Sinnkrisen stürzen.

Sinnsuche.

Anfang der 50er Jahre nämlich machen die Bewohner des CA eine merkwürdige Erfahrung: Die Selbstverwaltung, die, so Boeckhs Nachfolger Prof. Walther Peter Fuchs, "weiter geht als jede verwandte Organisation in der Welt", ist, wie es ein Senior formuliert, "saturiert". In der Folge begeben sich die Collegiaten auf die Suche nach dem, was sie in einer immer wiederkehrenden Formulierung "die Mitte" des Hauses nennen: "Wäre es nicht unsere Aufgabe", fragt etwa ein Senior 1951 in seinem Rechenschaftsbericht, "nachdem wir uns bisher fast ausschließlich mit unseren internen Problemen beschäftigt haben, nun mehr in das Gesamte der Universität hineinzuwirken?" Die Auseinandersetzung mit dem Dritten Reich ist, wie Wolfgang Helbing resigniert feststellt, "nicht erfolgt"; Gerd Steffens, der von 1963 bis 1970 im CA wohnt, kommentiert heute: "Das CA hatte, nicht anders als die bundesrepublikanische Gesellschaft jener Jahre, die Bedingungen seiner Herkunft verdrängt."

Auf ihrer Sinnsuche sind die Collegiaten schließlich erfolgreich. Beginnend mit dem Besuch einer Leipziger Theatergruppe im Sommer 1956, werden für die folgenden fünf Jahre die sogenannten "Ostkontakte" des CA, vor allem Studienfahrten nach Berlin, zur "Mitte". Bei dem ersten Treffen haben die Collegiaten die "für uns doch ziemlich peinliche Erfahrung" gemacht, daß die Gesprächspartner aus dem Osten ihnen in der Debatte überlegen sind. Das Resultat: Im CA beginnt eine zaghafte Marx-Rezeption; Arbeitsgemeinschaften diskutieren das "Kapital", Ernst Bloch spricht zweimal im CA. Als nach dem Bau der Mauer im August 1961 die DDR-Kontakte entfallen, wenden sich die Collegiaten einer osteuropäischen Alternative zu: Zwischen 1964 und 1968 treffen sich Heidelberger Studenten und - zum ersten Mal auch - Professoren zum Meinungsaustausch mit ihren Gegenübern von der Prager Karls-Universität. Erst das Ende des "Prager Frühlings" und die sich zuspitzende hochschulpolitische Situation in Heidelberg wird 1968 diesen "west-östlichen, westdeutsch-tschechoslowakischen Dialog" (Steffens) beenden.

In den sonst eher geruhsamen 50er Jahren kündigt sich auch schon eine Entwicklung an, die das CA schließlich die Existenz kosten wird: Das Haus öffnet sich zunehmend nach außen, in die Universität hinein. Seit Mitte der 50er Jahre kommen die AStA-Vorsitzenden häufig aus dem CA, bildet das Haus bei studentischen Debatten und Aktionen - etwa um die Wiederbewaffnung oder die Wiederzulassung der Korporationen - eine Art Kristallisationskern, prägen Collegiaten auch die Heidelberger Studentenzeitschrift forum academicum, wird das "Theater im Gewölbe" zu einer der besten deutschen Studentenbühnen.

Allem politischen und kulturellem Engagement zum Trotz: Als sich in den späten 60er Jahren auch in Heidelberg die Studentenbewegung regt, bildet das CA "keineswegs eine Vorhut, sondern eher den Nachtrab" (Steffens). Ein Doktorand der Soziologie, der 1966/67 das CA zum Thema seiner Dissertation macht, findet, "eine politische Figur wie beispielsweise der Berliner SDS-Führer Dutschke wäre im Collegium Academicum völlig undenkbar" - und tatsächlich steht die Mehrzahl der CA-Mitglieder der Studentenbewegung anfänglich allenfalls neugierig gegenüber. Doch seit Anfang 1968 finden sich auch im CA immer mehr Studenten, die sich engagieren wollten, und seit Mitte 1970 werden die Selbstverwaltungsorgane weitgehend von Sympathisanten der APO gestellt; als die Heidelberger Polizei am 10. Januar 1969 den AStA stürmt und 12 Studenten verhaftet, sind darunter vier Collegiaten.

Die Revolte erfaßt auch die Binnenstruktur des Hauses: 1969 werden erstmals Frauen aufgenommen, werden die Räume im Erdgeschoß und die Aula im ersten Stock studentischen Gruppen verschiedenster Provenienz für Treffen und Veranstaltungen geöffnet. Das neue CA-Statut von 1971 stärkt die Autonomie des Hauses - und verpflichtet die Bewohner, "ein kritisches Bewußtsein von Wissenschaft und Gesellschaft (zu) erarbeiten und wirksam (zu) machen"; die Aufnahmekommission ist sich einig, nur "Sozialisten im weitesten Sinne" zuzulassen.

Reservat.

Selbst als die Studentenbewegung sich nur noch in Rückzugsgefechten findet und das konservative rollback beginnt - schon Anfang der 70er Jahre, mit Macht ab 1975 -, bleibt das CA ein linkes Reservat. Hier besuchen linke Studenten Arbeitskreise zu "Marxismus und Psychoanalyse" und sehen im Kellerkino Filme, "die im aktuellen Bezug sowohl zur gegenwärtigen Situation in Indochina wie auch zu den momentanen Kämpfen der internat(ionalen) Arbeiterklasse stehen". Reinhard Bütikofer, der beim Kommunistischen Bund Westdeutschlands (KBW) Politik macht und später zu den Grünen geht, wird sich erinnern: "Das CA hat ein Stück weit die alte Stärke konserviert, als es drumherum schon ziemlich düster aussah. Ich kann mich nicht erinneren, daß wir 1977, 1978 irgendwas Intelligentes zustandegebracht hätten. Im CA ließ sich das ein bißchen leichter vergessen."

Das "letzte befreite Gebiet" CA (Michael Buselmeier) ist freilich schon Jahre vor seiner Schließung überständig. Tatsächlich ist schon seit der Wahl des konservativen Prof. Hubert Niederländer zum Rektor Ende 1972 die Trendwende unvermeidlich. Im Sommersemester 1973 versagt das neue Rektorat - erstmals in der CA-Geschichte - die Genehmigung für zwei Tutorenarbeitskreise (ein symptomatischer Vorgang, der sich wiederholen wird). In den Augen der Öffentlichkeit sind schon lange alle Aktivitäten, für die das CA eingedenk seiner toleranten Tradition Raum gegeben hat, dem Haus selbst zugeschrieben worden, und so ist es nicht nur im Jargon der Heidelberger Polizei zur "Roten Zelle" der Heidelberger Studentenschaft geworden. Daß im CA nicht die Kader-Linken, sondern eher Undogmatische und Unorganisierte den Ton angeben, ist für viele Beobachter eine zu subtile Differenzierung.

Folgerichtig beschließt am 18. Februar 1975 der Senat, das Gebäude zu renovieren und der Universitätsverwaltung zu überlassen; über das CA heißt es: "Mit Beginn der Renovierung wird die jetzige Institution aufgelöst." Die Collegiaten wehren sich mit Demonstrationen, Offenen Briefen an den Rektor, Leserbriefen in Tageszeitungen, Eingaben an den Senat, einem Brief an die Bevölkerung, einem Protest-Fest im Innenhof; 18 Collegiaten treten gar in einem dreitägigen Hungerstreik. Es hilft nichts: Nach einem Rechtsstreit erfolgt am 6. März, im Morgengrauen, die Räumung, die die Niederlage der Studentenbewegung symbolisch besiegelt. Reinhard Bütikofer kommentiert: "Wenn man das CA gelassen hätte, hätte das Modell nicht überlebt. So ist aus dem Haus ein Mythos geworden."

Epilog.

Erstaunlich ist, wie wenig Spuren bleiben. Victor Hugos romantisch-historischer Roman "Der Glöckner von Notre Dame" beginnt mit jener Episode, in der der Erzähler in einem finsteren Winkel der Kirche das mit der Hand in der Wand eingegrabene griechische Wort für "Verhängnis" entdeckt - letzte Spur des Schicksals eines Menschen, der, so Hugo, "seit Jahrhunderten aus der Mitte der Geschlechter getilgt" ist. Auch das CA hat "außer dem gebrechlichen Andenken" (Hugo) ehemaliger Bewohner kaum mehr als ein solch hilfloses Zeichen hinterlassen: Auf der Herrentoilette des Seminars für Alte Geschichte kann man, an der Wand in Augenhöhe zwischen zwei Pinkelbecken, einen kleinen, verblaßten gelben Aufkleber bemerken. Er ruft für den 26. Januar 1978 zu einer Demonstration auf. Das Motto der Kundgebung: "Das CA bleibt da!" (bpe)

Quellen u.a.: W. Schmitthenner, "Studentenschaft und Studentenverbindungen nach 1945", in: W. Doerr (Hrsg.), Semper Apertus; E. Wolgast, Geschichte der Universität Heidelberg; Denkschrift 1985-1985 & Denkschrift 1985-1992, hrsgg. v. d. Vereinigung ehemaliger Mitglieder des CA; H. U. Störzer, "Das Collegium Academicum der Universität Heidelberg", in: Ruperto Carola 55/56, 1975; H. Schweitzer, Kollegienhaus in der Krise; G. Steffens, "Collegium Academicum 1945-1978 - Zur Lebensgeschichte eines ungeliebten Kindes der Alma mater Heidelbergensis", in: K. Buselmeier (u.a. Hrsg.), Auch eine Geschichte der Universität Heidelberg; Zeitzeugen: M. Buselmeier, R. Bütikofer, W. Helbing, H. Weisert, J. Wolfinger (Dank); RNZ (Dank ans Archiv); Uni-Archiv (Dank an Frau Hunerlach).


CA und Studentenbewegung - Ein Gespräch mit Michael Buselmeier

"Das letzte befreite Gebiet"

ruprecht: Sie sind schon Mitte der 50er Jahre, als Schüler, im CA ins "Theater im Gewölbe" gegangen. Noch wichtiger aber wurde das CA für Sie natürlich '68...

Buselmeier: Ja, als das CA sozusagen unser Hort war, wo viele wichtige teach-ins und Gespräche mit Peter Brückner, mit Ernest Mandel - mit den großen Leuten, die uns unterwiesen, was wir denn eigentlich zu machen hätten - stattfanden, aber auch Mitglieder-Versammlungen des SDS (des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes, d. Red.), die sehr spannend waren...

ruprecht: Wo genau war das?

Buselmeier: In der Aula im 1. Stock, vom Mittelgang links, gelegentlich auch in der Mensa im Erdgeschoß, wenn man reinkam, gleich rechts. Zu den SDS-Versammlungen kamen gelegentlich prominente Gäste, wie Hans Jürgen Krahl aus Frankfurt; der redete zwei Stunden ohne Punkt und Komma. Die Genossen, die ihn aus Frankfurt gebracht hatten, weil er nicht autofahren konnte, sagten, so, wir gehen jetzt eine Pizza essen, dann holen wir dich wieder ab. Nach zwei Stunden kamen sie wieder, packten ihn ein und gingen.

ruprecht: Sie sagten, das CA sei ein Hort gewesen...

Buselmeier: Sie müssen sich vorstellen, daß die Studentenbewegung in Heidelberg unglaublich stark war im Verhältnis zu anderen mittleren Städten...

ruprecht: Sie dauerte auch länger...

Buselmeier: Ja, sie hat relativ lange angehalten, über die Notstandsgesetzdebatte im Mai '68 hinaus. Das war nicht unsere Niederlage...

ruprecht: Die kam später...

Buselmeier: Ja, unsere Niederlage kam später, mindestens ein Jahr später, und selbst dann konnte sich die Bewegung fortsetzen, in die verschiedenen Nachfolgeorganisationen. In den frühen 70ern, nach der Spaltung (der Studentenbewegung, d. Red.), gab es im CA Tutorien, die sehr fortschrittlich waren - Musik, Theater, Philosophie. Ich habe drei Jahre lang, bis '74, ein Tutorium gemacht...

ruprecht: Die Tutorien kamen aus den 50er Jahren...

Buselmeier: Die hatten wir am Ende noch. Und dann: Wenn wir bei Demonstrationen von den Bullen durch die ganze Stadt verfolgt wurden - das war manches Mal nicht so ein arger Spaß -, war der Vorhof des CA, der ja historisch ein Ehrenhof ist, sozusagen tabu; wenn wir da drin waren, sind die Bullen nicht nachgekommen, das war befreites Gebiet. Dahin konnten wir uns zurückziehen. Darum war das CA der Ort, wo die heroischen Debatten stattfanden, wo später die Leute vom KBW (vom Kommunistischen Bund Westdeutschlands, d. Red.)das Sagen hatten, später auch die Spontis sehr stark waren mit ihrem KOZ, ihrem Kommunikationszentrum, mit dreisten Festen, wo man die Herrschenden verarscht hat...

ruprecht: Der AStA war ja gleich um die Ecke...

Buselmeier: In der Grabengasse, gleich neben dem Ziehank...

ruprecht: Wo heute die Mensa ist...

Buselmeier: Im 3. Stock. Ja, das CA - Ort der Debatte, der Feste, der Ort, an den wir uns massenhaft zurückziehen konnten - und zunehmend auch der Ort der Drogen. In den frühen 70er Jahren war die Untere Straße eine der Drogenmeilen Deutschlands gewesen; das war wirklich wild. Das wurde eine Weile toleriert, bis der Zundel...

ruprecht: Der damalige SPD-Oberbürgermeister Reinhold Zundel...

Buselmeier: ... Sauberkeit reinbringen wollte. Er schmiß die Drogenszene da raus, modelte die Altstadt um, vertrieb die Studenten, die da wohnten, und zerschlug gleichzeitig - mit Hilfe des Rektorats, der "Rhein-Neckar-Zeitung", des Landgerichtspräsidenten und anderer - die Studentenbewegung. Die linksradikalen Studenten lungerten auf der Straße rum, die Penner waren da, und die Drogenszene war da - und das schwappte jetzt alles in das CA rein. Das war ja das letzte befreite Gebiet. Auch halbkriminelle Elemente... Ich erinnere mich noch an die letzten Tage des CA, wenn man da ein Treffen machte, hörte man oft im Nebenraum Leute Regale aus der Wand reißen oder Möbel abschleppen...

ruprecht: Im Frühjahr 1978, als schon klar war, daß es zu Ende geht?

Buselmeier: Ja. Ich habe nicht arg geheult um das Ding, soll es weg sein, es war arg vergammelt, und da lagen die Penner in den Gängen herum, die Drogentypen, und man konnte kaum eine Sitzung machen, immer torkelte einer herein und störte...

ruprecht: Und die Schließung?

Buselmeier: Wir wollten das CA 'organisiert' schließen, mit einer Lyriklesung in der Aula - aber dann kamen die Bullen doch nicht. Wir dachten jeden Abend, die kommen, hoffentlich kommen die bald, damit das mal aufhört...

ruprecht: Was am 6. März geschah...

Buselmeier: Es gab eine Telephonkette. Ich wohnte ja nicht im CA, da wurde ich angerufen, nachts, recht dramatisch, der Boden dröhnt, hieß es, die Bullen nahen, massenhaft Bullen, (lacht) die ganze Autobahn ist voller Bullen, der Boden dröhnt - und das stimmte irgendwie. Als ich mit dem Fahrrad von Rohrbach, wo ich damals wohnte, in die Stadt radelte, hörte ich auch so ein Dröhnen, und auch als die Polizei dann vor dem CA ankam, war dieses Dröhnen da. Wir waren höchstens 200 Leute, oben in der Aula, und immer wieder stieg einer auf den Tisch und sagte was - und da habe ich zum ersten Mal den Bütikofer gesehen...

ruprecht: Reinhard Bütikofer, damals noch beim KBW...

Buselmeier: Der stand auf dem Tisch und sagte, Genossen, wir müssen das Haus verteidigen. Auf dem Hof stand ein alter, vergammelter VW, der sollte vor das Tor gestellt werden, um den Vorhof abzuriegeln. Und der Bütikofer sagte, wir müssen uns wehren - und das war vollkommen sinnlos. Dann kamen die Bullen, stellten vor dem Tor Wagen auf, die Flutlichtmasten ausfahren konnten, und strahlten das Gebäude an. Derweil kamen die Eliteeinheiten - das waren 1.500 Bullen, unfaßlich, wegen uns 200 lächerlichen Leuten - von hinten geentert, wo das Gelände höher liegt, und während sie reinkamen, gingen wir vorne schon raus. Die Polizisten haben sofort die Möbel aus den Fenstern gekippt, und es waren Handwerker da, die die Fenster zunagelten. Ich weiß gar nicht mehr, ob ich mit den anderen mitmarschiert oder nach Hause gefahren bin. Es war das Symbol der totalen Niederlage.

ruprecht: Sie sind nicht allzu traurig über den Untergang des CA?

Buselmeier: Es war sowieso aus. Wir hatten ja nichts von unseren Positionen verteidigen können. Wir haben sie relativ lange verteidigt, fast zehn Jahre über '68 hinaus waren bestimmte Bastionen der Universität immer noch befreite Gebiete, etwa das Pädagogische Seminar. Irgendwann war es dann vorbei...

ruprecht: Und die Linke...

Buselmeier: Wir verloren Schritt um Schritt jeden Raum. Vorher beherrschten wir die Institutsgruppen, die Studenten nahmen sich den Hörsaal 13, wenn sie ihn brauchten, und verhinderten, daß Professoren Vorlesungen hielten oder Zundel einen Vortrag. Es schleppte sich so dahin, aber spätestens ab '75 ging es langsam zu Ende. Es hatte keinen Sinn, ein leeres CA zu verteidigen - gegen wen? Sie hatten gewonnen, und das war ihr gutes Recht. Jetzt kommt diese Heuchelei, die Zentrale Universitätsverwaltung "Carolinum" zu nennen, wo man schon die Geschichte des "Seminarium Carolinum" kennen müßte, der Pflanzschule der Jesuiten, die das Gebäude mal war - aber "Seminarium" wollen sie lieber nicht hinschreiben, "CA" schon gar nicht. Wer versteht schon "Carolinum"? Aber "CA" soll nicht mehr kommen, und "ZUV" klingt wie DDR. Es war alles aus, und das war gut so.

ruprecht: Und danach?

Buselmeier: Die Niederlage war so gründlich, daß anschließend die völlige grüne Friedfertigkeit ausgebrochen ist. Die Szene ist sozialdemokratisiert. Ich merke bei Führungen, daß die Menschen keine Ahnung mehr haben, vielleicht muß das auch nicht sein, aber irgendwann wird es wieder kommen, daß die Leute fragen, was haben die damals gemacht - die haben die Uni beherrscht, die haben sogar ein wenig die Stadt beherrscht... (Interview: bpe)


ruprecht-Serie: Uni-Geschichte

Meyerhof

Kaum einer kennt ihn heute noch, und doch war er einer der größten Wissenschaftler und Denker dieses Jahrhunderts, durchaus vergleichbar mit Albert Einstein, Max Planck oder Niels Bohr: Otto Fritz Meyerhof. Dabei war Otto Meyerhof ein echtes Universalgenie: interessiert in Geschichte und Archäologie und bewandert in Literatur und Kunst. Er schrieb Gedichte von überraschender Schönheit und Tiefe. Sein wichtigstes Steckenpferd neben der Forschung blieb aber immer die Philosophie. Als Anhänger der Schule Jakob Fries und Leonard Nelson publizierte er jahrelang Arbeiten in den "Abhandlungen der Fries'schen Schule". Er stellte seine gesamte Forschung daher immer unter das Wissen, daß Chemie und Physik nur ein Aspekt der Welt seien.

Meyerhof wurde am 12. April 1884 in Hannover als Sohn von Felix Meyerhof, einem jüdischen Kaufmann, und seiner Frau Bettina geboren, zog aber früh mit seiner Familie nach Berlin um. Er litt an einer schweren Nierenerkrankung, die ihn für Monate ans Bett fesselte. Zur Erholung kam der junge Meyerhof vier Monate nach Ägypten zu seinem Onkel Max, einem berühmten Augenarzt und Ägyptologen. Damals dürfte sein Interesse für Archäologie geweckt worden sein.

Zurück in Berlin machte er 1903 das Abitur. In dieser Zeit kam es wohl zum ersten Kontakt mit dem Philosophen Leonard Nelson, mit dem Meyerhof bis zum Tod eine freundschaftliche Beziehung hatte. Nach dem Abitur studierte Meyerhof Medizin in Freiburg, Berlin, Straßburg und schließlich in Heidelberg, gemäß der alten Tradition, mehrere Studienorte zu besuchen. In Heidelberg, wo er sich auch neben seinem Studium als Armenarzt betätigte, machte er dann Ende 1908 sein Staatsexamen - trotz größter Zweifel an seinen eigenen Fähigkeiten, oder wie er es selbst in einem Brief an Nelson ausdrückte: "Ich habe von Medizin nicht die geringste Ahnung." Zwei Jahre später promovierte er mit einer psychologischen Arbeit über die verschiedenen Symptome bei geistigen Störungen, die er in strenger Anlehnung an die Fries'sche Schule durchführte.

Denn seine biochemische Ader wurde erst kurz danach von Otto Warburg geweckt, den er in der von Ludolf von Krehl geleiteten Heidelberger Klinik traf. Zusammen mit Warburg arbeitete er an der Zoologischen Station von Neapel, ging dann aber schließlich nach Kiel, wo er 1913 habilitierte und als Assistent am Physiologischen Institut arbeitete. Dort lernte er auch die Malerin Hedwig Schallenberg kennen, die er 1914 heiratete; das Paar hatte drei Kinder.

Durch seinen schlechten Gesundheitszustand wurde er im ersten Weltkrieg zum "Landsturm ohne Waffe" gemustert und diente als Arzt 1918 an der Französischen Front. Nach dem Krieg begann er mit seinen Forschungen über die Muskelkontraktion und die dabei entstehende Wärmebildung, für die er 1923 zusammen mit seinem englischen Freund Archibald V. Hill den Nobelpreis für Medizin erhielt.

Im April 1924 wurde Meyerhof Leiter der Forschungstelle Physiologie des Kaiser-Wilhelm-Instituts (KWI) für Biologie in Berlin. Das KWI, später in Max-Planck-Institut umbenannt, war ein Beispiel interkultureller wissenschaftlicher Zusammenarbeit. Dort arbeiteten zu der Zeit auch andere Nobelpreisträger wie sein Freund Otto Warburg, Carl Neuberg, Fritz Haber oder Otto Hahn. Es kam deshalb nicht selten vor, daß mehrere Nobelpreisträger an Diskussionen an Habers Kolloquien teilnahmen. Aber auch unter Meyerhofs Schülern am KWI waren nicht weniger als drei künftige Nobelpreisträger: die beiden Deutschen Hans Krebs und Fritz Lipmann und der Spanier Severo Ochoa.

Am 6. Sept. 1929 wurde Meyerhof ordentlicher Honorar-Professor und Direktor der Physiologischen Abteilung am KWI für Medizinische Forschung in Heidelberg. Seine darauffolgende Heidelberger Zeit war wohl wissenschaftlich die wichtigste Periode. Am 31.12.1935 wurde ihm auf Betreiben der NS-Studentenschaft aus rassischen Gründen die Lehrbefugnis als Honorarprofessor vom Rektor entzogen. 1938 entschloß sich Meyerhof zur Flucht mit seiner Familie aus Deutschland. Über die Schweiz kam er nach Paris, wo er seine Forschung als Mitarbeiter am Institut der Biologie et Physico-Chimique Paris unter ziemlich widrigen Umständen weiterführen konnte. Als dann aber die Deutschen 1940 in Frankreich einfielen, floh Meyerhof weiter nach Südfrankreich und über die Pyrenäen nach Spanien. Mit Hilfe der Rockefeller Stiftung kam er schließlich nach Amerika. Obwohl ihm in Pennsylvania nur ein kleines Labor zur Verfügung stand, brach er seine Forschungen nicht ab, sondern publizierte weitere 50 Artikel von seinen insgesamt 400 Publikationen.

Sein ungebremster Forschungsdrang erhielt 1944 einen schweren Schlag, als er in Folge eines Herzinfarktes zehn Monate im Krankenhaus verweilen muß. 1949 wurde er erneut ordentlicher Honorar-Professor in Heidelberg. Dieses Ereignis blieb jedoch im Schatten der Aufnahme als Mitglied in die "National Academy of Sciences". Zuvor wurde er in die "Royal Society" in London aufgenommen, was für Nicht-Engländer schwieriger zu erreichen war als den Nobelpreis.

Otto Meyerhof starb am 6. Oktober 1951 während der Arbeiten in seinem Labor in Philadelphia. Seine Forschungen endeten aber damit nicht. Zahlreichen Schüler, von ihm inspiriert, erlangten weltweit Ruhm, sie waren die sogenannte "zweite Meyerhof Generation". Es ist nur traurig, daß Meyerhof auch hier in Vergessenheit geriet, obwohl seine Heidelberger Epoche mit zu den wichtigsten zählt. (jr)


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