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Wir müssen draußen bleiben

EWS beschließt Aufnahmestop - zuviele Magister, zuviele Lehrer

Zum ersten Mal schließt ein Institut in Heidelberg wegen Überfüllung seine Pforten - zumindest für jene, die im Wintersemester 96/97 anfangen wollen, dort zu studieren. In einem Akt der Notwehr hat die Leitung des Erziehungswissenschaftlichen Seminares unterstützt vom Mittelbau einen Aufnahmestop für 2 Semester beantragt. Der Fakultätsrat der Sozial- und Verhaltenswissenschaften hat schon zugestimmt und auch der Senat der Universität wird wohl sein Plazet geben.

Die Fachschaft des EWS ist zwar gegen diesen "NC von 0,0" - die studentischen Vertreter im Fakul-tätsrat waren folglich fast die einzigen, die gegen den Aufnahmestop stimmten. Doch auch sie sind ver-zweifeltgenug über die Lage, um die Reaktion nachvollziehen zu können.

Was die Situation am EWS so schwierig macht, ist die Tatsache, daß dort nicht nur Magisterstu-dierende - 900 Haupt- und 700 Ne-benfächler - lernen. Auch die 3000 Lehramtsstudierenden Heidelbergs machen dort allgemeinpädagogische und fachdidaktische Seminare. Dies - und ein regelrechtes Ausbluten der Lehrstühle in den letzen Jahren - führt dazu, daß das EWS unter den überfüllten Instituten Heidelbergs das allerüberfüllteste ist.

Natürlich gibt es verschiedene Meinungen darüber, wie man dieser Situation begegnen sollte. Der Aufnahmestop trifft nur eine kleine Gruppe - man setzt da an, wo man zunächst die wenigsten Rücksichten nehmen muß. Die Institutsleitung aber mußte sich auf dem Aktionstag, den die Studierenden vor zwei Wochen zu diesem Thema veranstalteten, die Frage gefallen lassen, ob sie genug getan hat, um die weggefallenen und wegfallenden Stellen auszugleichen. Nicht nur Fachschafter, auch Vertreter des Mittelbaus werfen der geschäftsführenden Institutsdirektorin Christiane Schiersmann (die allerdings erst seit einem halben Jahr vertretungsweise im Amt ist) vor, zuwenig nach Ausgleichstellen und Lehraufträgen gebohrt zu haben.

Die Universität und die anderen Fakultäten, vor allem aber das Wissenschafts- und das Kultusministerium stehen im Verdacht, die Versorgung der Lehramtsstudieren-den auf Kosten des EWS sicherstellen zu wollen. Denn die Frage, wie und wo angehende Lehrer ihre Päda-gogikseminare machen sollen, hat noch niemand richtig beantwortet.

Die Frage "Wohin mit den Lehramtsstudierenden?" wird immer drängender: Bald sollen künftige Gymnasiallehrer - wie in anderen Bundesländern - im Rahmen des pädagogischen Begleitstudiums doppelt soviel Pädagogik und Didaktik machen wie bisher; das EWS müßte also pro Veranstaltung noch mehr Leute versorgen. Angesichts dieser Erweiterung haben schon jetzt viele Lehramtstudenten mehr Scheine abgelegt, als verlangt. Auf die bereits hohe - und durch das Begleitstudium weiter forcierte - Auslastung des EWS mit Lehramtsstudenten hat das Institut aber keinen Einfluß. Denn über deren Zulassung entscheiden die Fakultäten, an denen diese ihr Fachstudium absolvieren, so daß dem EWS gewissermaßen nur der "Zugriff" auf die Magister bleibt.

Am zu 190 % überlasteten EWS erwartet die Studierenden eine tiefgehende quantitative Verschlechterung des Lehrangebots. Der Lehrstuhl "Allgemeine Pädagogik" ging an die Gerontologie und die verbliebenen fünf Lehrstühle sind eigentlich nur drei: Prof. Kaltschmid ist erkrankt und wird dieses Jahr vielleicht nicht mehr lehren; ohnehin fällt seine Professur in drei Jahren weg. Zusätzlich werden die Stellen von Prof. Schiersmann und Prof. Cube in zwei Wochen wieder zusammengelegt. De facto wird das EWS also mit drei Professuren auskommen müssen - in einer Situation, die schon mit fünfen kaum zu bewältigen war.

Dem vom Kultusministerium geplanten Begleitstudium setzte Wissenschaftsminister v. Trotha zwar das Versprechen von landesweit sechs neuen Pädagogik-Professuren entgegen, ob diese aber an die "6 großen Unis", also auch Heidelberg, (Schiersmann) oder aber an die, "die noch keine Fachpädagogik haben", gehen, also nicht Heidelberg, (Axel Zimmermann, Akad. Rat), steht in den Sternen. Gewiß ist nur, daß bis zur Landtagswahl auf Ministerialebene wohl nichts passieren wird.

Überhaupt wird die von Frau Schiersmann artikulierte Hoffnung auf ein "Sonderlehrprogramm" mit neuen Professuren weder vom Rektorat noch vom Mittelbau des EWS geteilt. Daß mindestens eine neue Professur am EWS benötigt wird, ist am Institut unumstritten, doch: Woher nehmen? Eine Umwidmung innerhalb der Fakultät, wie sie durch den momentan vakanten Lehrstuhl für Pädagogische Psychologie von der Psychologie zum EWS möglich wäre, ist unwahrscheinlich. Wer gibt schon gerne einen Lehrstuhl her? Auch inneruniversitär erscheint eine Umschichtung fiktiv. Nachvollziehbar ist der Vorschlag, eine geeignete Stelle von einer Fakultät mit vielen Lehramtsstudenten einzuforden.

Ein Teil des Problems wäre wohl gelöst worden, wenn die geplante Integration der PHs vor zwei Jahren geglückt und daraus eine Kooperation zwischen PH und EWS entstanden wäre, in der die (auch schon ausgelastete) PH einen Teil des Begleitstudiums für Gymnasiallehrer geleistet hätte. Unter den jetzigen Umständen erscheint eine Kooperation kaum vorstellbar, obwohl beide Rektorate Gespräche bestätigen.

Gibt es andere Lösungen als den Aufnahmestop? Zimmermann klagt ein "massives Auftreten" des Instituts ein: z.B. Einstellung von Veranstaltungen, um auch auf Kosten eines Disziplinarverfahrens auf die Mißstände hinzuweisen. Vielleicht hätte auch einer der mit der Begründung "Bringt eh nix"nicht gestellten Anträge für neue Stellen Erfolg gehabt. Die Lösung "NC" scheint - einvernehmlich - vom Tisch; von studentischer Seite befürchtet man aber, daß der Aufnahmestop nur die Einführung eines NC für die nachfolgenden Semester vorbereiten wird.

(jk/hn)


Widerliche Bundesbrüder

Burschenschaften gründen einen neuen Dachverband

Die harte Front bröckelt. Was den einen zu links ist, ist den anderen zu rechts. Schon lange vorbei ist es mit der großen Eintracht. Sechs Burschenschaften hatten nun endgültig genug von den despotischen Grundsätzen der "Deutschen Burschenschaft" (DB), die immer noch nach einem großdeutschen Reich strebt und Ausländer und Zivis ablehnt. Sie gründeten in Hannover den Dachverband "Neue Deutsche Burschenschaft". Statt harter Gesetze und Willkür bei Sanktionen setzen sie auf Autonomie der einzelnen Verbindungen und Basisdemokratie.

"Der alte Dachverband hat die Grundsätze pervertiert," kommentiert Christian Albinus, Pressesprecher der Neuen Deutschen Burschenschaft, die Abspaltung. "Früher waren alle Burschenschaften in der DB, doch nach und nach traten immer mehr aus, weil ihnen deren Gesetzeskatalog zu undemokratisch war." Der neue Verband ist nur noch fakultativ schlagend und läßt auch Ausländer und Zivis zu. An Südtirol oder Ostpreußen melden sie keinerlei Ansprüche an, sondern sehen die deutsche Einheit als vollzogen und setzen auf den Europagedanken.

Die Heidelberger hielten sich bisher zurück, doch einige Burschenschaften - besonders diejenigen, die schon vor Jahren aus dem DB ausgeschieden sind - denken über einen Beitritt nach. Einzig für die Normannen ist dies überhaupt kein Thema.

Christian Albinus rechnet mit der Verdopplung der Mitgliederzahl innerhalb eines Jahres. Seine Verbindung, die Brunsviga Göttingen, hatte 1991 den Vorsitz auf dem jährlichen Treffen der DB und versuchte, den Dachverband von innen heraus zu reformieren, was jedoch scheiterte. Albinus wäre sofort ausgetreten; sein schlichter Kommentar zu dem Treffen: "Das war echt widerlich!" (gz)


Und wieder auf die Straße...

Am 8. Februar ist wieder "Zahltag"-Demonstration

Organisator der Demonstration ist das Aktionsbündnis "Zahltag", das sich aus Vertretern der FSK, des "roten Splitters", der LHG, der PH und der Hochschulgruppen der Jusos, der GEW und der PDS zusammensetzt. Um 12.30 Uhr ist Treffpunkt am Bismarckplatz. Von dort startet der Demowagen unter Spruch-Skansionen zum Uniplatz, wo in einem symbolischen Akt die "Chancengleichheit" zu Grabe getragen und bestattet werden soll. Die Positionen des Bündnisses sollen in einer Grab- bzw. Eröffnungsrede kurz erörtert werden. Geplanter Höhepunkt der Demonstration wird die Übergabe einer überdimensionalen Quittung an MdBs und MdLs sein, auf der die Zahl der Unterzeichner des "Heidelberger Aufrufs zur Hochschulreform" vermerkt ist.

Das Aktionsbündnis "Zahltag" wurde im November letzten Jahres gegründet, um den Plänen des Rüttgers-Ministeriums für eine Verzinsung des Darlehensanteils beim Bafög sowie denen der HRK für eine Erhebung von Studiengebühren den Kampf anzusagen. Zwei Aktionen sind seitdem schon gelaufen: am 23.November wurde das Elefantenplüschtier Ayla auf der Uniplatz-Kundgebung zur Gegenrektorin ausgerufen (ruprecht berichtete, siehe Dezemberausgabe 95), und am 18.Dezember fand die Demo vor den Parteibüros statt. Anfang dieses Jahres dann schien sich im Bündnis der Gedanke durchzusetzen, den Protest nicht alleine auf den Hochschulbereich zu beschränken, sondern gesellschaftlich auszuweiten, da sich auch die aktuellen Pläne der Regierung zur Hochschulreform in die derzeitige Politik eines allgemeinen Sozialabbaus einfügten. In diesem Sinne ist für den 1. Mai eine Solidaritäts-Demonstration mit dem DGB geplant.

Der RCDS, seit November noch mit im Aktionsbündnis dabei, nahm an einer weitgehenden Zusammenarbeit mit dem DGB Anstoß, da ein Bündnis aus Studenten und Arbeiterschaft nicht das Selbstverständnis des RCDS repräsentiere. Ein freilich tragischer, aber auch typischer Kommunikationsfehler war für den RCDS allerdings erst der endgültige Anlaß, das Aktionsbündnis zu verlassen: es herrschte nämlich bezüglich des Termins, an dem der "Heidelberger Aufruf zur Hochschulreform" ausformuliert werden sollte, ganz offensichtlich Verwirrung. Die Vertretung des RCDS nahm erst am 16.1. wieder an einer Sitzung des Bündnisses teil, der "Aufruf" aber war zu diesem Termin bereits fertig ausformuliert. Der RCDS konnte sich - wie auch immer - mit den Forderungen, insbesondere der Forderung einer "ausreichenden, elternunabhängigen Förderung aller Studierenden", mit dem Aufruf zum gemeinsamen Protest sowie der Solidaritätserklärung "mit allen, die - auch außerhalb der Hochschulen - (...) zur Förderung einer demokratischen und sozialen Gesellschaft" beitragen wollen, nicht identifizieren und schied aus. "Wir sehen einfach nicht ein, warum der Protest gegen die Situation der Hochschulen einen gesamtgesellschaftlichen Protest zur Folge haben sollte", sagt Fabian Magerl (RCDS) und bedauert gleichzeitig den Bruch des Bündnisses. Und negativ verbucht auch die Gegenseite den Ausstieg des RCDS. Es sei schade, daß nun die Vertretung einer breiten Studentenschaft vom Bündnis abgefallen sei, meint Christoph v. Friedeburg (Juso-HSG).

Trotz allen Bedauerns kann jedoch kein wirklicher Wille zur Kooperation bestanden haben, denn warum sollte es nicht möglich gewesen sein, den "Aufruf" eben wegen dieses Kommunikationsfehlers kurzerhand zu revidieren und konsensfähig zu machen, anstatt ein Bündnis aufzukündigen, das doch ursprünglich durch gemeinsame Ziele definiert war. Wie die Alten, so die Jungen! Natürlich ist es einfacher, zu polarisieren, als zu integrieren, aber das geheimnisvolle Paradoxon der Politik besteht doch darin, beides gleichzeitig zu tun. Wenn schon ein aus jungen Parteifunktionären bestehendes Aktionsbündnis an der Hürde eines potentiell relativ einfach zu erzielenden Konsenses scheitert, werden auch in dreißig Jahren die gleichen Politiker wie heute die verkrusteten Fronten bilden, wenn es um Asylkompromisse, "Bündnisse für Arbeit" oder auch die Hochschulpolitik geht.

Außerdem ist Heidelberg, genau gesehen, nur ein klitzekleiner Teil Deutschlands, auf den nur verhältnismäßig wenige blicken. Und wenn man dann als Angehöriger einer Partei die Vorgaben der Parteiväter verteidigen will, anstatt als Student gegen Bafög-Verzinsung und Studiengebühren zu protestieren, gehen die Stimmen in verschiedene Richtungen, werden nicht Stuttgart erreichen und erst recht nicht Bonn.

Der RCDS hat sich bisher noch nicht für oder gegen eine Teilnahme an der Demonstration am 8.2. entscheiden können. Das braucht er auch gar nicht zu tun. Gehe doch ein jeder am besten, wenn seinem eigenen Kopf der Sinn danach steht. Und gegen Bafög-Verzinsung und Studiengebühren sind wir doch eigentlich alle, oder? (th)


Ey!

Der Student
Ermahnet und bezahlet
Vom Papa (Homburg / Saar)
Kömmt er und wohnt und löhnet
Achttausend Mark im Jahr.
In Hörsäle er hastet
Und nimmt des Trugs nicht wahr
Glaubt an den Herrn Professor,
An Rektor Ulmer gar.
Hält stammelnd Referate,
Schläft ein im Seminar,
Und am Semesterende
Ist überhaupt nichts klar.
Zu einem Scheinlein kömmt er

Durch Fügung wunderbar
Weil Streber Jochen Kluve
Der Prüfungsnachbar war.
Der Hausarbeiten Thema
Ist Wissenschaft für sich
Er zweifelt an der Fachwahl
Und schreibet keinen Strich.
Die Zeit von März bis Juni
Da hat er keine Zeit

Da hat er keine Uni
Da liebt er eine Maid.
Zwei Wochen mit Beate
Zwei Wochen Germanist
Zwei Wochen Uni-Fasching
Danach dann: Kommunist.
Er ändert die Garderobe,
Trägt rot und grünes Haar
Und eh´ er sich´s versiehet
Studieret er vier Jahr´.
Mit Inter-Rail ist Essig
Die Krankenkasse streikt,
Der Herr Papa wird pampig
Das Erbe ist vergeigt.
Nun wechselt er die Wohnung,
Die Freundin gleich dazu
Einzig das Prüfungsamte
Läßt ihn noch nicht in Ruh´.
So quält er aus dem Bett sich
Und bringt sein Tränlein dar
Täglich um zwölf Uhr aufstehn:
Um zwei ist Seminar.
Er frequentiert die Mensa,
So schlimm er dabei fühlt:
In seiner Wohngemeinschaft
Wird nicht mehr abgespült.
Zum dreißigsten Geburtstag
Steht mannhaft der Entschluß:
Entweder mit dem Leben
Oder mit Studium Schluß.
Die vielen Jahre Denken
sind für die Prüfung Fluch:
Was Prüfer wissen wollte,
Steht nur in Prüfers Buch.
Er schwitzt, schwätzt und
bestehet
mit Gnaden, wunderbar

Und alles dieses währte,
Wenn´s kurz kommt, 13 Jahr´,
Dann setzt er sich ins Arbeitsamt,
Zu seinen Vettern nieder
Dort bleibt er auch,
Zur Uni kömmt er nimmer wieder.

[Ein allerletzter Dankesgruß von (step) an Em Punkt Claudius!]


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