Meinung


Verstärkte Profilbildung?

point& counterpoint: Brauchen wir eine spezialisierte Universität?

Ganz Deutschland spart - jetzt soll auch die Uni effizienter werden. Im Hinblick auf den immer stärker werdenden Wettbewerb zwischen den Hochschulen fordert das Rektorat eine ver-stärkte Profilbildung, z. B. die Schaffung von Forschungsschwerpunkten und Förderung der Graduiertenkollegs. Es bleibt die Frage, ob im Kampf um Drittmittel nicht die Bildungsvielfalt untergeht.

(red."point/counterpoint": saw, gan)

"Ja"
Prof. Dr. med. Wilhelm Kriz

Institut für Anatomie und Zellbiologie der Universität Heidelberg

Es war für Universitäten über Jahrhunderte hinweg selbstverständlich, ein eigenes Profil zu haben, sich von anderen Universitäten zu unterscheiden. Man studierte in Berlin, um bei Hegel Philosophie zu hören, um bei Robert Koch die Bakteriologie zu lernen. Herausragende Professoren prägten das Profil einer Universität. Dies hielt sich bis weit in unser Jahrhundert hinein, in manchen Fächern bis in die jüngere Vergangenheit. In der Medizin ist die Unterscheidbarkeit der Universitäten nach dem zweiten Weltkrieg dagegen zunehmend verschwunden. Dies hatte vor allem zwei Gründe. Einmal zwang die zunehmende Fülle des Stoffes, eine Auswahl zu treffen, und diese Auswahl wurde aufgrund der zentralen medizinischen Prüfungen für alle Universitäten zunehmend gleich. Zum anderen nahm die Zahl der Studierenden derart zu, daß die Universitäten nur noch ein mageres Einheitsgericht anbieten konnten. Auch das Ergebnis wurde zunehmend gleich. Schaut man sich die Prüfungsergebnisse der zentralen medizinischen Prüfungen an, dann sind die Unterschiede nicht erheblich. Würde man sie statistisch überprüfen, könnte man Unterschiede zwischen verschiedenen Populationen von Studierenden finden, kaum aber zwischen Universitäten.

Die hier gestellte Frage, ob Universitäten wieder eine stärkere Profilbildung anstreben sollten, möchte ich von der Medizin her beleuchten und mit einem klaren "Ja" beantworten.

Zunächst zur Lehre: Es wird zunehmend schwieriger, ja wahrscheinlich bald unmöglich, eine für alle verbindliche Auswahl eines medizinischen Grundwissens aufzustellen. Das auch unter strengen klinischen Gesichtspunkten relevante medizinische Wissen nimmt derart rapide zu, daß bald auch die intelligentesten Studentinnen und Studenten überfordert sein werden, dieses Wissen in allen Bereichen zu beherrschen. Die Situation zwingt zur Auswahl, zum Verzicht auf vieles, damit anderes richtig erlernt werden kann. Abgesehen von ganz grundlegenden Wissensinhalten, wird eine solche Auswahl je nach Blickwinkel sehr unterschiedlich ausfallen. Dies sollte man als Chance sehen und nicht der Illusion eines "allround-gebildeten" Mediziners hinterherhecheln, sondern eine an Schwerpunkten orientierte Ausbildung anbieten. Dabei ist es durchaus wünschenswert, daß sich die Schwerpunkte von Fakultät zu Fakultät unterscheiden. Damit gewönne jede Fakultät zwangsläufig ihr eigenes Profil.

In der medizinischen Forschung stellt sich die Situation ähnlich dar. Auch hier werden die Fakultäten gezwungen sein, Schwerpunkte zu bilden. Die finanziellen Ressourcen werden knapper, gute Forschung zunehmend teurer, so daß ein effizienter Einsatz der vorhandenen Mittel nur durch Schwerpunktbildung möglich sein wird. Hinzu kommt, daß bei der fortschreitenden Komplexität der Probleme eine Lösungschance nur dann besteht, wenn man sich gleichzeitig von mehreren Seiten her dem Problem nähert. Für die Bearbeitung einer relevanten wissenschaftlichen Frage muß eine kritische Masse an Wissenschaftlern, an nichtwissenschaftlichem Personal, an Infrastruktur, an Geräten und Verbrauchsmaterial vorhanden sein, damit überhaupt eine Chance besteht, daß gute Forschung gemacht wird.

Es ist einsichtig, daß Schwerpunktbildungen in der Lehre und in der Forschung nicht unabhängig voneinander erfolgen werden und auch nicht sollten. Auf dem Gebiet, auf dem ein Forschungsschwerpunkt besteht oder sich entwickelt, sollte sich auch ein Schwerpunkt in der Lehre herausbilden. Dies klingt bei den heutigen noch sehr hohen Studentenzahlen illusorisch. Für die Zukunft bei vernünftigeren, reduzierten Studentenzahlen könnte man sich aber durchaus vorstellen, daß z.B. ein Student, der später Neurologe werden will, sich eine Universität aussucht, die die Neurowissenschaften als Schwerpunkt hat.

"Nein"
Prof. Dr. phil. Eike Wolgast

Historisches Seminar der Universität Heidelberg

Eine Universität lebt von dem wissenschaftlichen Ansehen, das sie im In- und Ausland genießt. Dieses Ansehen zu erhalten und zu mehren, ist Aufgabe aller, die forschend und lehrend an ihr tätig sind.

Von den Heidelberger Professorinnen und Professoren weiß sich eine sehr große Mehrheit ihrer Hochschule verpflichtet und trägt durch ihre Arbeit zu dem Profil der Universität bei. Was soll nun verstärkte Profilbildung heißen? Gemessen wird die wissenschaftliche Leistung von Institutionen heute vorwiegend quantitativ - man muß die Zahl der Sonderforschungsbereiche und Graduiertenkollegs oder den Umfang der Drittmittel nennen, um sich als auf der Höhe der Zeit stehend auszuweisen. Unbeachtet bleibt bei diesen Kriterien die Einzelforschung, von der auch heute noch wenigstens die Geisteswissenschaften im wesentlichen leben. Innovation im Fach und Denkanstöße ergeben sich in den sog. Buchwissenschaften zumeist nicht durch organisatorische Bündelung intellektuellen Potentials, sondern als Individualleistung in "Einsamkeit und Freiheit" als den an der Universität "vorwaltenden Principien" (Humboldt).

Verstärkte Profilbildung verbindet sich nach heutiger Tendenz der Wissenschaftspolitik mit Prioritätensetzung, was bedeutet: Abstoßen auf Fächer und Disziplinen. Im Rechenschaftsbericht des Rektors über das Amtsjahr 1995/96 sind dafür Kriterien genannt: Fächer sollen aufgegeben werden, für die es zu wenig Studenten gibt, die nicht in das interdisziplinäre Forschungsprofil passen oder die an anderen Hochschulorten konzentriert werden können. Glücklicherweise wird hinzugefügt, daß sich "ins Gewicht fallende Nachteile für Forschung und Lehre" mit einer solchen Flurbereinigung nicht verbinden dürfen.

Es kann gewiß nicht darum gehen, den gegenwärtig vorhandenen Fächerbestand um jeden Preis festzuschreiben, ebensowenig darf aber um einer imaginierten Profilstärkung willen der Kosmos der Wissenschaften reduziert werden. Universität bedeutet "universitas magistrorum et scholarium" und "universitas litterarum". Wer Fächer abschafft oder verlagert, die nicht zu dieser universitas gehören, begibt sich, ob er will oder nicht, auf eine schiefe Ebene, an deren Endpunkt die Spezialhochschule steht. Trotz aller Alltagsbelastung und Spezialisierung müssen die Professorinnen und Professoren die Gelegenheit behalten, interdisziplinär zu kommunizieren - es gibt in Heidelberg nicht wenige Kreise, in denen sich informell Vertreter höchst unterschiedlicher Fächer zu lebendigem Gedankenaustausch zusammenfinden.

Die Kultus- und Finanzbürokratie sieht gegenwärtig offenbar im Bildungssystem der untergegangenen DDR ihr Ideal: Universitäten vor allem als Lehranstalten, möglichst - siehe Ministerpräsident Teufel bei der letzten Jahresfeier - mit Vermittlung handfest-praktischer Kenntnisse, Verlagerung der Forschung in außeruniversitäre Einrichtungen, Konzentration von Fächern an bestimmten Hochschulen. Was dabei herausgekommen ist, haben wir erlebt.

Bei der Aufgabe, den Kosmos der Wissenschaften in Heidelberg unangetastet zu behaupten, ist aber auch die inneruniversitäre Solidarität gefragt. Um die universitas zu erhalten, müssen wir zu Opfern bereit sein und nicht lediglich Besitzstände konservieren wollen. Relativ gut ausgestattete große Fächer müssen notfalls etwas zurückstecken, um die kleineren Gesprächspartner nicht zu verlieren. Nur so werden wir erreichen, daß "der Name Universität" auch künftig "anzeigt, daß keine Wissenschaft ausgeschlossen seyn ..." (Humboldt) oder dem Moloch einer Profilierung geopfert wird.


Alle reden vom Frieden...

Drei Studenten aus dem Nahen Osten sprechen über die Zukunft des Friedensprozesses in Israel

Die Versprechen, die Israels Wahlsieger und neuer Ministerpräsident Netaniahu der religiösen und nationalen Rechten gemacht hat, gefährden den Friedensprozeß. Der geplante Aus- und Neubau jüdischer Siedlungen (auch im besetzten Westjordanland) sowie die Weigerung, über die Rückgabe der Golanhöhen zu verhandeln und die Truppen aus Hebron abzuziehen, sind klar gegen Peres' bisherige Friedenspolitik und die Osloer Abkommen gerichtet. Prediger in Hebron und Gaza rufen bereits wieder zu einer neuen Intifada auf. Ist der jüdische Staat an einem Wendepunkt angelangt?
ruprecht sprach mit drei Studenten aus dem Nahen Osten. Yair aus Jerusalem, Ritha aus Syrien und Mohammed, Palästinenser aus dem besetzten Gaza-Streifen, sprechen über die Stimmung der jungen Generation, die neue Politik Netaniahus und die Aussichten auf Frieden. Aus Furcht vor Repressionen wurden keine Fotos gemacht und die Namen der arabischen Interviewten von der Redaktion geändert.

ruprecht: Die Gräben zwischen Israelis und Palästinensern scheinen tiefer zu werden, anstatt sich durch den Friedensprozeß zu schließen. Dabei kennt man häufig den "Feind" gar nicht. - Kennt Ihr Israelis bzw. Araber?

Ritha: Ich kenne keine Israelis. Meiner Meinung nach ist es aber egal, ob jemand ein Deutscher, Araber, Israeli oder sonstwas ist. Die Hauptsache ist, daß wir in Frieden leben können.

ruprecht: Sind Israelis für Dich also keine Feinde?

Ritha: Nicht direkt Feinde. Es gibt politische Probleme. Die sind aber Sache der Politiker.

ruprecht: Yair, hast du schon in Israel Palästinenser kennengelernt?

Yair: Man muß zwischen Arabern, die in Israel leben und die israelische Staatsbürgerschaft haben, und den Arabern aus Ost-Jerusalem, den Westbanks und dem Gaza-Streifen unterscheiden. Mit den letztgenannten sind die Beziehungen schwer. Die Chance, daß wir diese Palästinenser kennenlernen können, ist sehr gering. Zwischen israelischen Arabern und den Juden gibt es im allgemeinen sehr gute Beziehungen. In meiner Universität sind 20% Araber. Ich hatte dort arabische Freunde. Natürlich gibt es auch Spannungen. Aber wir leben zusammen. In meinem Wohnheim lebte zum Beispiel neben mir ein Araber.

Mohammed: Ich kenne viele Israelis. Mit denen verstehe ich mich sehr gut. Ich bin im Gaza-Streifen geboren, und während der Intifada-Zeit durften die Leute ja nicht nach Israel. Trotzdem kenne ich viele Israelis aus Tel Aviv, weil mein Vater geschäftlich viel in Israel zu tun hatte. Vor der Zeit der Intifada war der Kontakt zwischen Israelis und Palästinensern einfacher als jetzt. Ob man Juden kennenlernt, kommt auf den einzelnen an. Manche sind sehr religiös. Sie wollen grundsätzlich nicht mit Juden reden, egal ob sie aus Israel, Amerika oder Deutschland sind. Aber wenn man liberal und für den Frieden ist, dann kann man Kontakt mit Israelis haben; man redet dann über Politik und andere Dinge.

ruprecht: Wie schätzt Ihr die Haltung der Jugend in Euren Ländern ein?

Ritha: Die Jugend will Frieden. Es gibt da aber keinen Unterschied zu der älteren Generation.

Mohammed: Die älteren Leute, die 1948 aus Israel vertrieben worden sind, sagen, daß sie dieses Land zurück haben wollen - durch Frieden oder durch Kampf gegen Israel. Sie sagen aber auch, daß sie viel Schlimmes in diesem Kampf erlebt haben. Es gibt Leute, die zur PLO gehören und Palästina durch Frieden aufbauen wollen. Die andere Hälfte gehört zur Hamas. Sie meint, der Friede ist Quatsch und lohnt sich nicht. Sie wollen gegen Israel kämpfen oder es vernichten. Diese Aufteilung geht quer durch die Generationen und ist keine Frage des Alters.

Yair: Bei uns ist die Mehrheit für Frieden. Die Jungen sind vielleicht ein klein wenig mehr dafür. Auch die Wahl Netaniahus zeigt den Friedenswillen. Zwar hatte er eine komische Ansammlung von widersprüchlichen Versprechen gegeben. Doch insgesamt hat er nur gewonnen, weil er auch versprochen hat, den Frieden fortzusetzen. Ich kenne viele, die ihn gewählt haben, weil sie glauben, daß er auf seine Art den Frieden fortsetzen wird. Viele haben bezweifelt, ob Peres' Weg zum Frieden der richtige ist: sie glaubten, daß es zu schnell geht, daß es noch nicht genug Rückhalt im Volk gibt und sich der Frieden nur auf äußere Verträge stützt. Die Wahl war auch eine Frage der Persönlichkeit und des Wahlmanagements. Netaniahu hat das viel besser gemacht. Die Anschläge und der kleine Krieg im Libanon haben Peres auch sehr geschwächt. Einige Wochen vorher hatte er noch einen großen Vorsprung gehabt. Man kann also nicht aufgrund dieser Wahl sagen, daß die Israelis gegen den Frieden sind. Im Gegenteil. Das Problem ist allerdings, daß wir jetzt eine Regierung haben, die man noch nicht einschätzen kann. Was will Netaniahu wirklich?

ruprecht: Ein Sprecher der Hamas meinte: "Die Mehrheit der israelischen Gesellschaft hat den Frieden abgelehnt. Das Wahlergebnis ist eine Kriegserklärung an die Palästinenser."

Mohammed: Die Israelis wollen mehr Sicherheit und nicht jede Woche oder jeden Monat ein Attentat von Hamas. Aber die Wahl ist keine Kriegserklärung. Die Israelis und die Palästinenser wollen keinen Krieg mehr. Hamas ist jedoch eine islamische Partei. Die sind klar gegen die Juden.

ruprecht: Netaniahu will 100.000 neue Siedler in den Westbanks ansiedeln und für Siedlungen eine Milliarde Dollar ausgeben. Auch sonst hat er einiges angekündigt, was klar gegen die Osloer Abkommen verstößt.

Mohammed: Ich finde es sehr gefährlich, was Netaniahu da tut. Die Palästinenser wollen die Westbanks und den Gaza-Streifen ohne Siedler und ohne die israelische Armee. Es kann für die jüdischen Siedler gefährlich werden. Das alles ist sehr schlecht für den Frieden.

Yair: Wenn Nataniahus diesen Schritt macht, wird das eine Katastrophe. Das wäre das Ende des Friedens. Ich hoffe sehr, daß er das nicht macht. Doch ich denke, auf internationalen Druck hin wird er sich zurückhalten.

ruprecht: Ist Nataniahu durch seine Koalition denn nicht zu solch extremen und friedensgefährdenden Maßnahmen gezwungen?

Yair: Nein, das stimmt nicht. Seine Koalition ist eigentlich gar nicht so extrem. Selbst die Religiösen sind teilweise sehr moderat, was den Friedensprozeß betrifft. Sharon (Hardliner im neuen israelischen Kabinett; Anm. d. Red.) ist zum Beispiel viel extremer.

ruprecht: Eben. Sharon ist ja auch in der Regierung...

Yair: Ja, aber Netaniahu hat alles so arrangiert, daß die Macht letztlich in seiner Hand bleibt. Die Koalition ist wirklich nicht extrem. Der Außenminister beispielsweise ist auch sehr moderat. Man muß einfach abwarten. Zum Beispiel hat Begin mit dem konservativen Likud-Block 1978 den Frieden mit Ägypten ausgehandelt und hat den gesamten Sinai zurückgegeben, obwohl er sich vorher ausdrücklich dagegen gewandt hatte. Ich denke, Netaniahus Meinung selbst ist ziemlich extrem, aber er ist auch ein Politiker, und er will Erfolge. Er sieht, daß er unter Druck ist: wenn er extreme Maßnahmen ergreifen würde, würde die Wirtschaft in Israel zusammenbrechen, es gäbe keine Sicherheit - alle seine Versprechungen würden scheitern.

Die Likud ist nicht gegen den Frieden. Es gibt zwei Richtungen: die Linken mit Peres, die meinen, man müsse für den Frieden so schnell wie möglich Abkommen mit den arabischen Nachbarn machen. Sie denken auch, daß man die Fundamentalisten mit einer guten Wirtschaft besiegen kann. Die Rechten meinen, daß wir noch in einer sehr fundamentalistischen Umgebung leben, die noch nicht ganz reif für den Frieden ist; sie glauben, man müsse den Friedensprozeß langsamer angehen, mit viel Sicherheit.

Das ist die Philosophie der Likud. Die Likud glaubt an den Frieden, aber an einen, der nur auf einem sehr langen und harten Weg zu erreichen ist. Das ist die Hauptauseinandersetzung. Natürlich gibt es auch Extremisten, die ganz gegen den Frieden sind. Aber sie sind eine kleine Minderheit.

Ritha: Netaniahus Programm im Wahlkampf war Schwachsinn, aber es kann geändert werden. Wenn er Druck von außen bekommt, wird er entsprechend reagieren.

ruprecht: Wie schätzt ihr die Rolle Arafats ein? Ariel Sharon meinte, Arafat sei eine "Kreatur”, mit der er niemals verhandeln werde. Seit der Nazi-Zeit gebe es niemanden, an dessen Händen soviel jüdisches Blut klebe.

Mohammed: Friede ohne Arafat wäre sehr schwierig. Sein Gegner, die Hamas, will ja die Autorität in Palästina und keinen Frieden.

Yair: Arafat ist ein großer Mensch. Er wurde von seinem Volk und von den Israelis viel kritisiert. Aber er hat sich bewiesen. Er ist sehr, sehr wichtig für den Frieden. Ich denke, die Mehrheit in Israel sieht Arafat nicht als einen Feind; Sharons Meinung ist für die Mehrheit nicht akzeptabel.

Ritha: Bei einem Frieden mit Israel darf kein arabisches Land im Alleingang gehen. Die ganze Arabische Liga muß bei einem solchen Abkommen zustimmen. Arafat hatte meiner Mienung nach eine breite Unterstützung der arabischen Länder. Aber nicht von allen. Das ist ein Fehler Arafats. Außerdem bekommt Arafat Druck von der westlichen Welt. Die USA und Europa werden Arafat bestimmen. Als erstes geht es dabei ums Geld.

ruprecht: Arafat also als Handlanger der USA?

Ritha: Ja, in diese Richtung.

ruprecht: Syriens Staatschef Assad schlägt einen sehr harten Kurs ein, härter als die meisten anderen arabischen Staaten. Er will beispielsweise als Vorbedingung für die Verhandlungen den Golan - ohne irgendwelche Konzessionen seinerseits. Ist diese Haltung richtig?

Ritha: Ja, die Haltung ist ganz richtig. Wir sind stolz auf diesen Präsidenten. Der Golan ist unsere Erde. Bevor wir unsere Erde nicht zurückbekommen, können wir keinen Frieden abschließen. Wir hatten öfters gesagt, daß wir für den Frieden arbeiten. Aber zuerst müssen wir unser Land zurückbekommen, dann werden wir den Frieden unterschreiben.

Mohammed: Frieden mit Israel wäre für Assad ein Problem. Wenn die Grenzen zwischen Israel und Syrien offen wären, wäre das sehr gefährlich für seine Diktatur. Das syrische Volk sieht dann, wie modern Israel ist. Es sieht die israelische Demokratie, seine Industrie und Wirtschaft.

Yair: Was Syrien betrifft, bin ich ein bißchen pessimistisch. Assad hat bis jetzt noch nicht bewiesen, daß er richtig für den Frieden arbeitet. Er ist nicht zu Kompromissen bereit. Seine Forderungen sind viel zu hoch: Die Golanhöhen, einen Teil des See Genezareth - und auch die israelischen Sicherheitsforderungen will er nicht beachten. Dahinter steckt, daß Assad sich in der Öffentlichkeit als moderat und friedliebend darstellen will. In Wirklichkeit will er aber keinen Frieden.

ruprecht: Werden sich Araber und Juden je wieder freundschaftlich begegnen können, oder wird es allenfalls zu einer kalten Koexistenz mit einem palästinensischen Staat kommen?

Mohammed: Die Politiker werden sich wohl relativ schnell einig sein. Aber das Problem liegt bei den Völkern. Der Haß sitzt sehr tief. Sehr schwierig wird es auch mit Jerusalem. Alle wollen diese Stadt.

Yair: Es wird einen palästinensischen Staat geben. Er müßte mit Jordanien zusammengeschlossen werden. Palästina selbst ist zu klein. Die meisten Palästinenser wohnen auch in Jordanien. Ich bin mir sicher, daß es in der Zukunft sehr gute Beziehungen zwischen Israel und den Palästinensern geben kann. Die Mentalität ist nicht so unterschiedlich. Ich bin da sehr optimistisch.

Was die Palästinenser in den letzten vier Jahren geschafft haben, war der wichtigste Schritt. Es gibt mehr psychologische als wirkliche Probleme. (Interview: hee, lk)


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