Heidelberg


Jung und Grün

30 HeidelbergerInnen politisieren alternativ

Um sich über die üblichen Flugblattaktionen und Podiumsdiskussionen hinaus in die Politik einzumischen, bildete sich Anfang November dieses Jahres eine Gruppe von ca. 30 jungen HeidelbergerInnen.

Die "Jungen bei den Grünen", wie sie sich vorläufig nennen, sind aus dem Arbeitskreis von Bündnis 90/ Grüne "Recht und Demokratie" hervorgegangen, den es schon länger in Heidelberg gibt. Der harte Kern der Gruppe, deren Mitglieder unterschiedlich vertraut mit der politischen Arbeit sind, bringt also schon einige Erfahrung auf diesem Gebiet mit.

Die "Jungen bei den Grünen" sind offiziell kein Arbeitskreis von Bündnis 90/ Grüne, können sich aber auf deren Unterstützung verlassen. In ihrer ersten Sitzung haben sie ihre zukünftige Arbeit unter das Thema "Europa" gestellt, da sie durch gute Kontakte zu Grünen-Politikern, wie dem Europasprecher der Landtagsfraktion, Dietrich Hildebrandt, und der Sprecherin im Bundestag für Internationales, Angelika Köster-Lossack, ihre Resultate in die öffentliche Debatte einbringen können.

Der weitgesteckte Rahmen "Europa" läßt die Beschäftigung mit vielerlei Ressorts offen. So werden sie sich zunächst durch Referate über Themen wie Währungsunion, Finanzen, Inneres, Sicherheit und Justiz kundig machen, um sich über ihre Einflußmöglichkeiten klar zu werden und thematische Ansatzpunkte herauszuarbeiten. Die "Jungen bei den Grünen" definieren sich nicht über die Hochschulpolitik, sind aber für diesbezügliche Fragen offen und zur Unterstützung von Aktionen der Hochschulgruppen wie der FSK oder dem Bündnis Zahltag bereit. (te/kh)

Kontakt: Rainer Keil, 60197 oder Peter Siller, 16058
Treffen: alle 14 Tage mittwochs, 20.00 Uhr im Essighaus/1.Stock; nächstes Treffen am 4.12.


Make Money fast!

Kettenbriefe jetzt auch im Internet

Das Internet wird von immer mehr Leuten als neues Medium erkannt und in den verschiedensten Gebieten eingesetzt. Jetzt gibt es auch die elektronische Form eines alten Systems - Kettenbriefe!

Wohl allen Teilnehmern von Newsgroups oder Mailinglisten dürfte in letzter Zeit aufgefallen sein, daß Meldungen mit dem Betreff MAKE MONEY FAST oder ähnlichem den Posteingang erheblich vollzumüllen beginnen. Der Wortlaut variiert, aber die dargelegte Grundidee ist immer dieselbe: Man erhält eine Liste mit einigen Adressen, an die man einen gewissen (kleinen) Geldbetrag schicken soll. Dann setzt man seinen Namen an das Ende der Liste, löscht dafür den ersten und schickt seinerseits diese Mail an mindestens 200 Newsgroups. Alle Versender versichern, daß man auf diese Art und Weise innerhalb weniger Wochen 20000$ oder mehr erhalte. Daß dies nur den Initiatoren zugute kommt und schon nach wenigen Stationen zum Stillstand kommt, dürfte klar sein. Denn es können nicht alle gewinnen, das Geld kommt schließlich nicht aus dem Nichts!! Das System KANN nicht auf Dauer funktionieren, denn wenn 200 Leute an 200 Leute schreiben, die wieder an 200 Leute schreiben usw., dann würde bald jeder erreicht sein. Und wer bezahlt dann die große Anzahl der Leute, die unten in der Pyramide stehen und die brav an Leute gezahlt haben, die entzückt ob der Gutgläubigkeit an der Spitze der Pyramide stehen? Wer auf solche Mails hereinfällt, hat nicht nur selbst Schuld, sondern macht sich darüberhinaus auch noch strafbar, denn in Deutschland und in vielen anderen europäischen Ländern ist dieses Kettenbriefsystem verboten.

Doch auch wenn es bei den Mails, die kursieren, keine großen Beträge sind, die man investiert und deshalb der Gedanke aufkommen mag, daß man im Falle eines Mißerfolgs nicht viel verliert, sollte man zumindest bedenken, daß solche elektronischen Kettenbriefe das Internet im wahrsten Sinne verstopfen.

Wie kann man sich gegen diese Mails wehren? Da Zensur und Internet nicht zusammenpassen, sollte man gar nicht erst daran zu denken wagen, Newsgroups auf derartige Inhalte hin überwachen zu lassen. Man könnte sicherlich versuchen, den Versender mit Mails zu überhäufen, aber so beeinträchtigt man den Datenfluß. Gute Mail-Programme besitzen Filter, mit denen man solche Mails schon mehr oder weniger zuverlässig aussortieren kann. Aber auch ohne diese technische Lösung kann man diese Mails ungelesen dorthin befördern, wohin Müll gehört - in den Papierkorb. Das dauert nicht lange und so besteht zumindest die Hoffnung, daß die Initiatoren irgendwann merken, daß hier kein Geld zu machen ist! (hpc)


Sylvester auf der Straße

Wird das Autonome Zentrum bald geräumt?

Das Autonome Zentrum ist seit fünf Jahren ein Treffpunkt und Veranstaltungszentrum der linken Kultur Heidelbergs. Außer Konzerten und anderen kulturellen Veranstaltungen ist es auch bekannt für die Möglichkeit der kostenlosen Fahrradreparatur und füreine "Volxküche" zum Selbstkostenpreis, die auch Obdachlosen und anderen sozialen Randgruppen zur Verfügung steht.

Mit solchen Aktivitäten übernehmen die Mitglieder des Zentrums ehrenamtlich Sozialarbeit, die andernfalls teuer von der Stadt finanziert werden müßte. All das hat sich bewährt - im AZ kommen politische und kulturelle Gruppen zusammen, für die es in Heidelberg sonst keinen Platz gibt.

Mitte des Jahres hat die Stadt Heidelberg dem AZ gekündigt. Am Neujahrstag soll das Gebäude geräumt sein. Dies geschieht im Rahmen einer Umstrukturierung des Stadtteils Bergheim, die das Viertel durch sozialen Wohnungsbau und eine Einkaufsstraße attraktiver machen soll. Die Stadt, die dem AZ Mietfreiheit gewährt hatte, hielt sich die Möglichkeit zur kurzfristigen Kündigung offen.

Im Sommer wurde den Autonomen durch die Stadt eine Alternative angeboten; ein Gebäude in Wieblingen war im Gespräch. Doch obwohl sogar schon ein Ortstermin stattfand, wurde das Angebot von der Stadt zurückgezogen. Statt dessen schlug das Rathaus als Übergangslösung drei Büroräume im Pfaffengrund vor, in denen aber nach Meinung eines AZ-Vertreters die Weiterführung der Arbeit in dem bisherigen Rahmen nicht möglich sei.

Da die Mitarbeiter des AZ durch diesen Ablauf der Verhandlungen das Gefühl haben, hingehalten zu werden, versuchen sie nun mit verstärkter Öffentlichkeitsarbeit, Aufmerksamkeit auf ihr Raumproblem zu lenken und so Druck auf die Stadtvertreter auszuüben. Die Mittel dazu sind bisher hauptsächlich eine Plakataktion mit den Statements linker Prominenter und eine Demonstration, die am 14. Dezember am Hauptbahnhof stattfinden wird. Die Möglichkeit, gegen die Kündigung zu klagen, hielten die Vertreter des AZ für wenig sinnvoll, da dies wohl nur einen Aufschub von einigen Monaten bedeuten würde. In erster Linie hofft man auf die Kompromißbereitschaft der Stadt.

Ein solcher Kompromiß müßte nach Meinung der Autonomen einen adäquaten Ersatz beinhalten, also Gruppenräume, einen Saal für kulturelle Veranstaltungen und Platz für eine Werkstatt - am besten in Fahrradnähe, die die einfache Erreichbarkeit des Zentrums gewährleisten soll.

Die Stadt ist gesprächsbereit: So äußerten sich bei einem Treffen mehrere Stadträte für einen Erhalt der Einrichtung. Dem ruprecht gegenüber wollte sich das Büro der Oberbürgermeisterin nicht festlegen, zeigte sich aber aufgrund von "AZ bleibt"-Schmierereien besorgt, daß die Diskussion an Sachlichkeit verlieren könnte.

Das Echo auf die Aktionen der Autonomen bleibt unterdessen nicht aus. Die Ethnologen riefen sogar zur Urabstimmung und erzielten bei vergleichsweise hoher Wahlbeteiligung ein nahezu 100prozentiges Ergebnis für die Beibehaltung des AZ.

Bleibt zu hoffen, daß sich Rathaus und Autonome doch noch auf eine günstige Lösung in beiderseitigem Interesse einigen können: Sonst steht ein wichtiger Teil der kulturellen und politischen Szene Heidelbergs auf der Straße. (gan/cab)


Der überall zu Hause war

Hermann von Helmholtz (1821-1894) in Heidelberg

Er war einer der Wegbereiter der Physik und der Physiologie. Doch berührten seine Forschungen auch die Ästhetik und Philosophie. Zu den wichtigsten Schaffensperioden zählt seine Zeit als Ordinarius an der Heidelberger Universität.

Einer der genialsten Naturwissenschaftler des neunzehnten Jahrhunderts: So sahen Hermann von Helmholtz schon seine Zeitgenossen. Die wilhelminische Geschichtsschreibung erhob ihn salbungsvoll zum "Reichskanzler der Physik" - vor allem wegen seiner Tätigkeit als Leiter der von ihm angeregten Physikalisch-Technischen Reichsanstalt in Berlin. Doch befaßte sich der Wissenschaftler im Laufe seines Lebens mit einem sehr viel breiteren Forschungsspektrum.

Tatsächlich ist es fast unmöglich, die ganze Spannweite seiner Forschungsergebnisse zu erfassen. Seine Neigungen hatten ihn ursprünglich zum Studium der Physik hingezogen, doch dieser Wissenschaftszweig war damals noch kaum erschlossen und wurde als brotlose Kunst angesehen. So machte er sich zunächst - nach einer medizinisch orientierten Ausbildung - als Physiologe einen Namen. Die Arbeit "Ueber die Erhaltung der Kraft" hatte ihm 1847 zum Durchbruch verholfen, und vor seiner Berufung nach Heidelberg im Jahr 1858 war er an den Universitäten von Berlin, Königsberg und Bonn tätig.

In der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts führte die Etablierung der empirischen Wissenschaftsmethodik als Folge der Aufklärung zu einem Bedeutungszuwachs der Naturwissenschaften innerhalb der Universitäten. Das Großherzogtum Baden, zu dem Heidelberg damals gehörte, investierte dementsprechend zur Jahrhundertmitte in den Ausbau der Naturwissenschaften. So wurden nicht nur fast alle außerordentlichen Gelder für den Bau von neuen Labors und Instituten verwendet, sondern auch bei der Personalauswahl wurden Zeichen gesetzt: In die Zeit der Berufung von Helmholtz fallen auch die des Chemikers Bunsen und des Physikers Kirchhoff.

Das große Interesse an der Naturwissenschaft erklärt das für damalige Verhältnisse exorbitante Jahresgehalt von 3600 fl., das Helmholtz neben einem Institutsneubau zugesagt worden war. Die Professoren der Philosophischen Fakultät konnten zur gleichen Zeit nur mit Zuwendungen von etwa 1500 fl. rechnen - dieses Verhältnis der Gelderzuteilung hat bei der Drittmittelvergabe bis heute Tradition.

Durch seine privilegierte Stellung hatte Hermann von Helmholtz ideale Forschungsmöglichkeiten: die Heidelberger Zeit war eine seiner produktivsten Schaffensperioden. Er erzielte große Erfolge in der Grundlagenforschung der Sinneswahrnehmung, vor allem in den Bereichen der Akustik und Optik, aber auch in der Geometrie und in der Hydrodynamik, wo ihn besonders Reibungsphänomene in Flüssigkeiten interessierten. Dabei wandte er auch den Energieerhaltungssatz von 1847 wieder an.

Die Integration von Erkenntnissen verschiedener Wissenschaften war ein wichtiger Teil der Methodik von Helmholtz. Bei seinen Studien verfolgte er oft wissenschaftliche Probleme, die an der Grenze von zwei oder mehr Wissenschaften standen, und wandte die Methoden oder Techniken der einen Wissenschaft an, um die Probleme der anderen zu behandeln. Dabei verschloß er sich auch der Verbindung von Philosophie und Naturwissenschaft nicht, sondern versuchte, naturwissenschaftliche Erkenntnisse in der Philosophie anzuwenden.

Eines der letzten Projekte von Helmholtz in Heidelberg, das schon seine endgültige Orientierung hin zur Physik erkennen läßt, veranlaßt den Freund und Elektrophysiologen, Emil Du Bois-Reymond 1870 so auch zu der Äußerung: "Deine [...] neuere Veröffentlichung über die Theorie der Elektrizität geht leider über meinen Horizont. Es würde mich monatelange Arbeit kosten, die Sache zu bewältigen. Es ist nur Dir gegeben, überall zu Hause zu sein [...]".

So erfolgreich und anerkannt Helmholtz in der Forschung war, so unglücklich war er in der Lehre. In Heidelberg überließ er den Großteil der Lehraufgaben seinen Assistenten, und in den ersten Monaten seiner Tätigkeit empfand er den starken Zustrom an Laboranten in erster Linie als Belastung. Über seine späteren Vorlesungen in Berlin urteilte Max Planck: "Wir hatten das Gefühl, daß er sich mindestens ebenso langweilte wie wir."

Mit dem Ende der 1860er Jahre schwand bei Hermann von Helmholtz das Interesse an der Physiologie. Einer der Gründe mag die schließlich erfolgte Durchsetzung des Kausalitätsprinzips in diesem Wissenschaftsgebiet sein, die Helmholtz als Kantianer ein vordringliches Anliegen gewesen war. Heidelberg verlor damit für den nunmehr eher physikalisch orientierten Akademiker an Attraktivität. 1871 wechselte er nach Berlin, wo er bis zu seinem Tode blieb. (gan)

ruprecht-Serie "Heidelberger Profile"


Kino fürs Fernsehen

Kabel, Licht und Film: Gert Steinheimer

Gert Steinheimer ist Drehbuchautor und Regisseur. Er dreht schwarze Komödien, die sich von der Durchschnittskost im Fernsehen durch ausgefeilte Storys mit viel Humor und eine eher an das Kino erinnernde Machart abheben. Ausgezeichnet wurde er mit dem europäischen Drehbuchpreis in Silber beim Festival du film in Monte Carlo (1988, "Zweikampf”) und mit dem Adolf Grimme-Preis für Drehbuch und Regie (1989, "Atlantis darf nicht untergehen”).

Eigentlich wollte der heute 52jährige nie Regisseur werden. Mit 14 war er gerade von der Schule geflogen, als er Science-Fiction-Hörspiele schrieb, die er über ein Mikrophon und eine eigens geschaffene Leitung zu seiner Cousine ein Stockwerk tiefer übertrug: "Meine Mutter hat mich da sitzen sehen, hat die Kabel gesehen und gedacht: Der Bub muß Elektriker werden." Noch während der Lehre entdeckte er seinen Hang zum Schreiben. Schließlich landete er beim Theater. Zunächst als Statist, dann als Beleuchter, worin er sein Meisterdiplom erwarb. Nebenher schrieb er Stücke, die auch einen Verlag fanden und in einigen Städten zur Aufführung kamen. Das genügte ihm nicht, er wechselte die Perspektive und wurde Regieassistent, um die Erfahrungen aus der praktischen Arbeit für seine Autorentätigkeit nutzbar zu machen. Da er von Theaterstücken nicht leben konnte, begann er mit dem Schreiben von Hörspielen. Eher zufällig kam er dann zum ZDF: "Ich besuchte einen Freund, der Grafiker war. Ein Redakteur sagte, er brauche jede Woche eine kleine Satire. Mein Freund sagte, das schaffe er nicht. 'Aber der da, der ist vom Theater, der kann das'. So kam ich zum Fernsehen." Zwischen 1980 und 1985 drehte er dann über 150 Kurzfilme bis zu 30 Minuten Länge.

"Irgendwann dachte ich mir, das kann's nicht sein, und habe dann einen abendfüllenden Stoff geschrieben." Der Südwestfunk nahm das Drehbuch an, Steinheimer drehte "Zweikampf". Der Film wurde ein Erfolg, auch bei den Filmfestspielen in Hof. Seither hat Steinheimer kein Drehbuch mehr abgegeben. Allerdings, wie er betont, nicht aus Angst vor einer schlechten Verfilmung. Die Regie sei eigentlich immer selbstverständlich ihm selbst zugefallen, als eine Art Folgeerscheinung. Er sieht sich jedoch nicht als Autorenfilmer wie Wenders oder Herzog. "Ich verändere mein Wesen, wenn ich die Metamorphose durchmache vom Autor zum Regisseur. Sobald ich die Regie übernehme, ist das Drehbuch für mich ein Fremdkörper, in dem eine Menge Quatsch drin steht. Auch wenn's von mir ist!" Dabei schreckt er auch nicht davor zurück, Drehbücher anderer Autoren, die er gelegentlich verfilmt, umzuschreiben oder gar neu zu schreiben. Der Publikumsliebling "Schwarz greift ein" mit Klaus Wennemann wurde von ihm beispielsweise mit einem komplett neuen Pilotfilm versehen. Der Erfolg gibt ihm Recht: seine Produktionen erreichen ohne weiteres 10 Millionen Zuschauer. Trotz dieser Erfolge ist einer seiner großen Wünsche nie wahr geworden: Der Sprung ins Kino. Die Ambition ist nicht zufällig: Seine Filme sind von der Machart her Kinofilme; weniger Nahaufnahmen, mehr Atmosphäre als im Fernsehen üblich. "Ich mache eigentlich nur Kinofilme, Kinofilme für's Fernsehen (lacht). Fernsehdramaturgie, das sind große Köpfe, hell ausgeleuchtet: langweilige Bilder." Bereits drei Filme hat er bei der Filmförderung eingereicht. "Mein erster Film wurde abgelehnt mit der Begründung: 'Wer will schon den Zweikampf zweier alter Herren sehen?'." Doch nach dem Erfolg von "Zweikampf " bemerkte Steinheimer, daß er über das Fernsehen erheblich mehr Zuschauer erreichen kann: "Ich trat über das Fernsehen vor ein Millionenpublikum in Konkurrenz zu anderen um 20.15 Uhr, wo ich mich behaupten mußte. Das hat mir gefallen, danach hat mich das Kino nicht mehr so interessiert. Jetzt, denke ich mir, ist es an der Zeit, einen neuen Versuch zu starten."

Seine Herkunft vom Theater läßt sich seinen Filmen noch heute anmerken. Er hat im Vergleich zu den meisten anderen Regisseuren auffällig wenig Schnitte in seinen Filmen. "Es geht mir um eine psychologische Spannung zwischen den Schauspielern. Ich riskiere lange Einstellungen, um die Zuschauer in den Sog zu ziehen." Dabei betont er, daß er wert legt auf eine gute Story: "Wenn die Geschichte gut ist, kann ich gerne auf einen Star verzichten. Die Geschichte ist der Star." Seit Steinheimer in Heidelberg wohnt, nimmt diese Umgebung Einfluß auf seine Geschichten. Einer seiner nächsten Filme spielt zentral in einer Wohnung in der Plöck. Er fühle sich hier wohl, auch sei Heidelberg für seine Schreibarbeit ein guter Ort. Er mag die studentische Atmosphäre, Maler, Künstler und den liberalen Charakter: "Eine Stadt, nicht allzu groß, aber eben kein Dorf."

Was den Quotenzwang angeht, so ist er unbesorgt. Kann er auch sein. Dennoch wehrt er sich gegen die allgemeine Tendenz, Quoten führten zu anspruchslosen Produktionen: "Ich bin nicht der Meinung, daß der Zuschauer nur gewonnen werden kann durch platte, triviale Filme. Ich glaube an den Zuschauer. Er kann bei anspruchsvollen Filmen vielleicht nicht alles analysieren, aber er kann es spüren. Anspruchsvolle Filme haben gute Chancen." Diese Perspektive hat er auch für die Zukunft des deutschen Kinos: "Zunächst mal finde ich es toll, daß die deutschen Filme überhaupt wieder gesehen werden. Noch vor wenigen Jahren blieben die Kinos leer, da liefen sogar noch die Stühle mit raus. Jetzt wird es Zeit, daß neben den Boulevardkomödchen unterhaltsame, anspruchsvolle Filme in die Kinos kommen."

Auf die Frage nach seinem Humor erzählt Steinheimer, daß er eigentlich ernste Geschichten erzählen will. Grelle, absurde Geschichten ins Alltägliche geholt, man lacht nicht selten über sich selbst. Kein Klamauk, das mag er nicht. Er schätzt Loriot, für Hallervorden hat er nicht viel übrig. Und der schwarze Humor? "Ich wußte nie, daß ich schwarzen Humor mache, das wurde mir dann von der Redaktion gesagt (lacht). Ich zeige dem Zuschauer, daß er selbst leicht zum Mörder werden kann, aus ganz alltäglichen Gründen."

Nebenbei ist er immer wieder als Dozent für Drehbuchschreiben an der Filmakademie in Ludwigsburg tätig. Eines will er auf jeden Fall vermitteln: "Man muß seine Figuren lieben. Alle. Auch die Mörder. Gerade die! Figuren dürfen nicht lächerlich gemacht werden, sie müssen erklärbar sein."

Zuletzt drehte Gert Steinheimer ein fremdes Drehbuch. "Bis dann" heißt der Film, für den er im Moment im Schneideraum in Mainz sitzt, eine Liebesgeschichte zwischen einem alten Mann und einem jungen Mädchen mit Martin Benrath in der Hauptrolle. (papa/cab)


Bei Anruf Rikscha

Neuer Transport-Service in Heidelberg

Mal eben Urlaub machen - das wär's doch jetzt. Weg vom deutschen Herbstgrau, die Uni für ein paar Tage vergessen. Leichter gesagt als getan, zumal Reise und Geld immer eine unzertrennbare Symbiose eingehen. Was tun?

Man begebe sich zum Telefon und wähle Heidelberg 83 90 01 oder 71 29 54, und es meldet sich Wolfgang Pierro beziehungsweise Ingo Fath. Und genau diese beiden können Abhilfe leisten, denn diese Herren betreiben seit diesem Jahr einen Rikscha-Service und lassen dadurch Heidelberg in einem ganz anderen fernöstlichen Licht erscheinen. Ein Hauch von asiatischem Ambiente weht durch Heidelbergs Gassen. Grund für dieses "Feeling" sind die exotischen bunt bemalten Gefährte, genannt Rikscha. Die Entstehung dieses Dreirads ist nicht mehr so ganz nachvollziehbar, anscheinend soll es im Jahre 1869 von einem gewissen Izumi Yosuke erfunden worden sein. Sicher ist lediglich, daß sich Rikscha von "jin-riki-sha" herleitet, was soviel wie "Mensch-Kraft-Fahrzeug" bedeutet. Ursprünglich handelte es sich um zweirädrige Karren, wie man sie heute noch beispielsweise in Kalkutta sieht, die von einem Menschen gezogen werden. Heutzutage sind die Rikschas überwiegend dreirädrig, der Fahrer sitzt entweder hinter oder vor den Fahrgästen. Darüber hinaus gibt es auch motorbetriebene Rikschas.

Daß alternative Fortbewegungsmittel mehr und mehr im Kommen sind, beweist unter anderem die Tatsache, daß mittlerweile auch schon in Deutschland Rikschas hergestellt werden. Ein solches Gefährt - Made in Germany - kostet um die 10 000 DM, verglichen mit asiatischen Modellen viel Geld. Deren Kosten liegen bei 300 bis 500 Mark, zuzüglich Überführungskosten, die den Kaufpreis meist übersteigen. Kein billiger Spaß also.

Wolfgang besitzt zwei Rikschas, eine indische und eine vietnamesische, Ingo kann eine indonesische Rikscha sein Eigen nennen. Was liegt also näher, als die Rikschas nicht nur im privaten Bereich einzusetzen. Als dann vor einigen Monaten der "Kutschen - Expreß" in der Hauptstraße eingestellt wurde, sahen Ingo und Wolfgang eine Marktlücke, um ihr Steckenpferd in Bares umzusetzen und "gerade in Heidelberg einen schönen Beitrag zur ökologischen Mobilität zu liefern" , so Ingo. Bisher im Angebot sind Stadtrundfahrten, Einkaufsfahrten und auch Transportdienste. Jedoch liegt noch keine Konzession für die Hauptstraße vor, aber man wird sich weiterhin bemühen, "wo ja die Kutsche viel schneller fuhr als wir", meint Wolfgang. Der Amtsschimmel muß also noch überzeugt werden, da selbst Beate Weber das Angebot einer Freifahrt dankend ablehnte, mit der Begründung, sie wolle keine anderen Menschen für sich arbeiten lassen. Diese Ausrede schien Wolfgang etwas fadenscheinig. Aber genau da liegt der Hase im Pfeffer: "Das ist genau das, was in den deutschen Köpfen drin ist. Das Image der Rikscha ist immer noch verbunden mit kolonialer Ausbeutung.", so Ingo. Wolfgang kann da nur zustimmen, er zieht überhaupt keine Trennungslinie zwischen Dienstleistungen, "schließlich wird ja beispielsweise Teppichboden auch von Menschenhand verlegt. Außerdem zwingt uns niemand, dies zu tun, niemand braucht also ein schlechtes Gewissen zu haben."

Ganz einfach ist es aber dennoch nicht mit den rund 90 Kilogramm schweren Fahrzeugen umzugehen . Man müßte schon Herkuleskräfte aufbringen, um das Schloß mittels einer Rikscha zu besichtigen. Die alte Brücke ist gerade so zu schaffen. Auch die Akzeptanz der Autofahrer und sonstigen Verkehrsteilnehmer sei groß, und das in Heidelberg (die Radfahrer wissen, was ich meine). Noch nicht ein motorisierter Verkehrsteilnehmer habe sich aufgeregt oder auch nur gehupt. Und die Passanten nehmen die exotischen Gefährte entweder mit einem Grinsen auf oder bekommen den Mund nicht mehr zu vor Staunen. Ingo faßt zusammen: "Wir erzielen eine positive Wirkung, die Leute schmunzeln, haben aber keinen Gedanken an Groll".

Die zwei Chauffeure blicken also positiv in die Zukunft, freuen sich schon auf den nächsten Sommer und hoffen auf viele Aufträge. Man denkt auch darüber nach, bei einer Expansion eventuell Studierenden eine Möglichkeit zu bieten, als Rikschafahrer ihr Sparkässchen aufzufüllen. '''S wird auch notwendig sein. (jh)


Gentechnik im Feld

Erstes US-Labor Deutschlands in Heidelberg

Seit Ende Oktober steht es fest: Mit der Unterzeichnung eines 100-Millionen-DM-Vertrages zwischen der BASF AG Ludwigshafen und Lynx Therapeutics Inc. Kalifornien kommt das erste Mal eine amerikanische Gentechnikfirma nach Deutschland. Mit dieser Trendumkehr will die BASF auch ein Zeichen setzen, daß Deutschland trotz aller Diskussion attraktiv für Zukunftstechnologie bleibt.

Auf Heidelberg als Standort fiel die Wahl nicht nur, weil sich die Zentrale Forschung Toxikologie der Mutter BASF in der Nähe befindet. Heidelberg gilt als eines der weltweit führenden Forschungszentren auf dem Gebiet der Biowissenschaften. Im Science Citation Index, einer Rangliste der Zitierungen von Veröffentlichungen in wissenschaftlichen Magazinen, liegt Heidelberg durch das Europäische Molekularbiologische Labor (Platz 4), das Deutsche Krebsforschungszentrum (Platz 11) und die Universitätsinstitute (Platz 23) mit vorne. Die BASF erhofft sich hier unkomplizierte Zusammenarbeit von Wissenschaftlern.

Durch das Joint Venture entsteht eine komplett neue Firma, die BASF-Lynx-Bioscience AG, in die Lynx seine neue DNA-Sequenzierungstechnik, das Massively Parallel Signature Sequencing, und die BASF das technische Know-How einbringt. Zunächst werden 50 Mitarbeiter eingestellt, die Hälfte davon Wissenschaftler. Zudem wird die Firma nach amerikanischem Vorbild mit einem wissenschaftlichen Beirat versehen, in dem auch Heidelberger Wissenschaftler zu finden sein werden. Sitz der Firma, die zunächst nur Auftragsforschung leistet, wird der Technologiepark "Forschung und Entwicklung" Im Neuenheimer Feld 517-519 sein, das sich nördlich dem Uni-Gelände anschliesst, und in dem sich seit 1985 schon 14 Hightech-Betriebe der Biologie-, Medizin und Umweltforschung angesiedelt haben.

Die Forschungsarbeit in den gentechnischen Labors der höchsten Sicherheitsstufe wird sich zunächst auf drei Schwerpunkte konzentrieren. Durch die Entwicklung von Testsystemen zur Erkennung unerwünschter Nebenwirkungen von Chemikalien kann die weitere Entwicklung solcher Verbindungen frühzeitig aufgegeben werden. Das Aufspüren pharmakologisch interessanter molekularer Ziellstrukturen der menschlichen Zelle könnte die Entstehung und den Verlauf von Krankheiten auf molekularer Ebene mit einer bislang nicht möglichen Genauigkeit analysieren. Dritter Schwerpunkt bildet die Entwicklung von Mikroorganismen zur Massenproduktion von Feinchemikalien, z.B. Vitaminen. Bei entsprechendem Wachstum wird die Firma durch eine Produktionsabteilung erweitert, die vielleicht im Technologiepark "Produktion" auf dem Gelände der ehemaligen Heidelberger Schlachthöfe in der Nähe von ABB angesiedelt wird. (jm)


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