Die Reinwaschung des Nazi Buchheim oder: Die zweite Ermordung Ossietzkys

Offener Brief an die Redaktion "Ruprecht"

An "gan", "fw" und alle Leute von der Ruprecht-Redaktion.

Nein, dies ist kein Leserbrief. Das wäre mir zu wenig. In der Ausgabe 45/Dez.96 wird auf Seite 9 Lothar-Günther Buchheim aus Anlaß seines Nachdrucks "Jäger im Weltmeer" von 1943 interviewt, außerdem dieses Buch besprochen, Tenor und letzter Satz des Ganzen: "Der Nazi Buchheim" existiert nicht. Außerdem - dies gehört zu diesem Offenen Brief - wird in der gleichen Ausgabe, auf Seite 11 Sternburgs Biographie über Carl von Ossietzky vorgestellt.

Ich werde zunächst eine möglichst rationale Analyse der faschistisch-militarisierten Männlichkeit von Buchheims Sprache vor allem des ersten Kapitels von "Jäger im Weltmeer" versuchen und danach auch etwas über meine Gefühle schreiben, die diese Veröffentlichung in mir hervorgerufen hat. Beides gehört zusammen und ohne diese Emotionen würde ich dies bestimmt nicht schreiben. Und: ich fordere euch auf, dazu Stellung zu nehmen. In meinen Augen habt ihr eine Grenze überschritten. Es muß was passieren, ich nehme das jedenfalls nicht einfach so hin!

Die Reinwaschung des Nazi Buchheim

Ich analysiere "Jäger im Weltmeer" mit dem Begriffsinstrumentarium von Klaus Theweleits m.E. immer noch grundlegenden emanzipatorischen Werk "Männerphantasien", das ich euch allen von der Redaktion zur Lektüre empfehle. Theweleit hat die Sprache von Frontkämpfersoldaten im 1. Weltkrieg wie etwa Ernst Jünger und von Leuten aus den ersten faschistischen Freikorps in den Jahren direkt nach der Revolution 1918/19 untersucht. Die Freikorps wurden damals zur Niederschlagung von ArbeiterInnenaufständen eingesetzt, an denen sich überraschend viele proletarische Frauen beteiligten, die selbstbewußt, selbständig und mit einer die faschistischen Soldaten verstörenden Emotionalität auftraten. Damit kamen die Soldaten nicht zurecht und spalteten ihr Frauenbild in das Bild der Heiligen, womit sie ihre asexuelle, im Haus eingeschlossene, hilfsbedürftige, domestizierte Ehefrau, wenn sie überhaupt eine hatten, oder ihre Mutter meinten, und in das Bild der Hure, deren sie sich bei Gelegenheit bedienten, die sie aber abschätzig mit Schmutz und Dreck identifizierten, zum Abschuß freigegeben. Die faschistischen Männer spalteten somit ihre Sexualität auf in Frauen als asexuelle Gefühlsverehrung (Heilige, Mutter) und in Frauen, deren Sexualität in ihren Augen gefühlos war bzw. nicht mit Gefühlen verbunden war (Hure). Die selbstbestimmte Sexualität der ArbeiterInnenfrauen war jedoch die Verbindung von Gefühl und Sexualität. Das jedoch hatten die faschistischen Soldaten weder in ihrer Erziehung noch an der Front gelernt. Die gefühlvolle Sexualität dieser Frauen bedrohte ihre Vorstellung von männlicher Dominanz. Sie wehrten sich gegen das Aufgehen ihrer männlichen Sexualität in einem Meer von Gefühlen. Sie wurden dadurch nicht nur noch unfähiger zu gefühlvoller Sexualität, sondern bildeten geradezu einen "Körperpanzer" (Theweleit), sie verfestigten sich in ihrer faschistischen Männerkameradschaft und gossen den Haß über ihre Unfähigkeit, gefühlvolle Sexualität leben zu können, auf alles aus, was ihren Körperpanzer bedrohte, was ihn auflösen konnte, was ihre männlichen Härte umwandeln konnte in menschliche Gefühle, Gewissen, Moralität des eigenen Handelns: und so haßten sie die Arbeiterfrauen, die "Roten". Sie identifizierten alles, was sie bedrohte, mit Verflüssigung ihres Körperpanzers, mit Flüssigem: die ArbeiterInnen wurden zur "Roten Flut". Dagegen zogen sie sich in den hierarchisierten Männerbund faschistischer Freikorps zurück, der ihnen Sicherheit vor dieser Bedrohung durch Verflüssigung bot: Härte, aber auch Führung durch die klare, geordnete Hierarchie (der einzelne war nichts, der Männerbund alles). Der faschistische Mann wird im faschistischen Männerbund zum Rädchen in der Maschine, nur als solches fühlt er sich geborgen, angstlos und stark - und endlich fähig, den äußeren Bedrohungen etwas entgegenzusetzen. Deshalb identifizierten diese Männer den faschistischen Männerbund mit harten Symbolen wie etwa dem "Fels", der sich gegen die "rote Flut" stemmt - diese Gegensatzsymbole von Härte (Körperpanzer) und Flüssigkeit (Verbindung von Gefühl und Sexualität, Fähigkeit zu Empfindung, Zärtlichkeit, Gewissen) ist zentral für faschistische militarisierte Männlichkeit und wird in faschistischer Literatur in tausenden von Metaphern wiederholt. Männliche Sexualität verwandelt sich im faschistischen Mann, da sie von der Fähigkeit Gefühle auszudrücken abgekoppelt ist, in Mordlust. Das Töten, die Lust am Töten, ist beim faschistischen Mann nach Theweleit die sexuelle Explosion des Körperpanzers, der faschistische Orgasmus. Theweleit hat untersucht, wie die Frontkämpfer und die Freikorps ihre Formen von Sexualität umschrieben - wenn sie überhaupt darüber schrieben, typisch war die Vermeidung des Themas - und dabei festgestellt, daß Sexualität nahezu ausschließlich mit Genitalfixiertheit und Gefühllosigkeit beschrieben wurde, schlimmer: insbesondere die Penetration wurde in Begriffen des Kampfes, des Gegeneinander (nicht Miteinander!), des Krieges, des Frontkampfs beschrieben, der männliche Penis "drang ein", "durchbohrte", "stieß", "stemmte sich gegen", "wühlt von allen Hemmungen befreit" usw. usf.

Diese kurze Zusammenfassung mag genügen, um zu verdeutlichen, warum die Metaphern des Harten gegen Flüssiges immer wieder mit rechtsextremem Gedankengut zu tun haben. Wenn etwa das Immigrieren von Menschen aus anderen Ländern mit "Ausländerfluten", gegen die mann sich entgegenzustemmen, abzuschotten usw. habe, gleichgesetzt wird, dann ist das die Sprache des Körperpanzers.

Die Schriften Buchheims hat Theweleit nicht analysiert. Doch sein ganzes Buch bietet eine Fülle von Belegen für die Sprache faschistischer militarisierter Männlichkeit. Ich gehe jetzt das 1. Kapitel von "Jäger im Weltmeer" analytisch durch. Alle Beschreibungen Buchheims über den Kampf seines stahlumgürteten U-Bootes gegen die Wellen des Meeres sind plastische Theweleitsche Metaphern. Gleich am Anfang finden wir sie. Das U-Boot bietet in Buchheims Sprache

"... den Wogen keine Aufbauten, die sie zertrümmern, keine Luken, die sie einschlagen könnten. Furchtlos können wir auf unserem Boot die Stürme, die 'Herrscher in Ost und West' herausfordern, ungestraft die Wut der Seen verachten. Der Aufruhr des Wassers kann uns mit wandernden Bergen umstellen und unsere Sicht begrenzen. Die tobenden Seen können uns schütteln und den Einsatz unserer Waffen beschränken: überwältigen können sie uns nicht. Selbst nach den schwersten Wogenschlägen richtet sich unser Boot wieder auf, schüttelt den Gischt von seinen Flanken und läuft gegen die nächste Woge an." (S.9)

Hier ist sie, die Metapher des "Fels" gegen die "Fluten", die immer als bedrohlich dargestellt werden. Ich springe kurz zum Kapitel "Sturm", weil Buchheim hier die Metaphern der Penetration nach den Männerphantasien patriarchaler Sexualität Theweleits geradezu reihenweise auftischt. So sieht also Buchheims faschistischer Orgasmus aus (und das ist auch das Motiv, weshalb diese Männer die Gefahr in den U-Booten suchen, weshalb sie sich freiwillig zur Marine melden, wie Buchheim):

"Hörst du, wie sich der Bug schon wieder einbohrt, wie er sein spitzes Horn in die nächste Woge einrennt? - Wie die Maschinen wühlen! Das Boot zittert heftig und arbeitet schwer. - Nun rasen die Schrauben wieder los, wie von einer hemmenden Gewalt befreit!" (S.47) Oder:

"Wir fahren schräge Hänge hoch, stoßen mit dem Bug ins Leere, rasen hinab, tauchen durch Klüfte, wieder hinauf, wieder hinunter, hinein in das grüne Fleisch der Wellen, daß sie aufbrüllen." (S.48) Wellen können rein semantisch nicht "aufbrüllen", der dem Orgasmus in seiner faschistischen Männerphantasie nahe Buchheim aber schon:

"Ich merke, daß ich brülle. (...) Dieser auf und ab geschleuderte Stahlkörper, der nicht unterzukriegen ist, der sich schüttelt und bäumt und immer neue Ausfälle macht - hinein in den Geifer, in die schwarzgrünen Mäuler." (S.51)

Ich könnte hierzu so viel sagen, zum Beispiel wird in der faschistischen Sprache bei Vergewaltigungen die sich wehrende Frau immer wieder als "Geifernde" beschrieben. Oder: In den Phantasien "brüllt" die Welle beim "Stoßen" und Hinab"rasen" "auf" - so wollen sie auch die Frau bei Orgasmus erleben, können es aber nicht; das Wort "aufbrüllen" ist typisch und hat etwas mit Schmerzen assoziiertes an sich; eine Frau, die beim Orgasmus wirklich Schönes empfindet, sollte mit anderen Begriffen beschrieben werden usw. usf. Aber kehren wir zum 1. Kapitel zurück.

Buchheim beschreibt eine Szene, in der ein U-Boot hilflos sinkt und bei den Männern eigentlich alle Hoffnung vergeblich wäre (sie werden dann doch gerettet). Was haben diesen Männer nun? Angst um ihr Leben? Im Gegenteil, Spannung:

"Im Munde bildete sich der bittere Geschmack äußerster Gefahr" (S.10) Und:

"...die Mystik des Unvorhergesehenen und Ungewissen - das Abenteuer, erfüllt ganz unser Dasein." (S. 11) Und nach einem Angriff:

"Kein Wort von der fast unerträglichen Spannung, die sich erst löste, als das Boot wieder in tieferem Wasser stand." (S.14)

Immer wieder wird die Spannung, das Abenteuer, der Mut der Männer beschrieben, kaum deren Angst, wie Buchheim auch im Interview behauptet. Nur einmal überhaupt taucht das Wort "Angst" - eine Gefühlsregung innerhalb faschistischer Männlichkeit, die nach Theweleit ausgetilgt werden muß, sie könnte das ganze Unternehmen gefährden, wenn sie sich verbreitet - bei Buchheim auf, auf S.57 heißt es lapidar:

"Jetzt muß jeder auf seine Weise mit der Angst fertig werden."

Ist das eine literarische Beschreibung der Angst, die auch zu einer "realistischen" Beschreibung des Krieges gehört? Zur Nazi-Ideologie gehörte es, über Angst gar nicht erst zu schreiben, sie auszutilgen, Verängstigte könnten Schwächlinge, gar Feiglinge werden; wenn überhaupt, dann sollte Angst in Mut verwandelt werden. Für Buchheim war das nicht nötig. Er schrieb 1943 nicht über Angst, im Gegenteil. Typisch für das ganze Boot ist eine nekrophile Sexualität des faschistischen Mannes, die im Grenzbereich des Todes ebenfalls einen Orgasmus sucht und diese Grenzbereiche gerade deshalb immer wieder aufsucht. Ganz deutlich wird das bei Torpedoangriffen und nachfolgenden Wasserbomben. Buchheim läßt seinen von ihm vergötterten Kommandanten vom Angriff schwärmen:

"Und wenn dann der Torpedo trifft - nein, das kann sich keiner vorstellen! (...) Dann können die Wasserbomben kommen! Dann können sie ruhig schmeißen, immer brav und gottesfürchtig! Da weiß man wenigstens, warum man sie aufs Haupt bekommt. 'Schön', sagt man dann, 'nun auch ein paar Dutzend Wasserbomben!' - Ja, wenn die Torpedos treffen! Es gibt nichts Tolleres! Auf der ganzen Welt nichts Tolleres - hach ja!" (S.42) Kurz, der Feind kann nicht schrecken:

Faschistische Männlichkeit ist nekrophil, sie sucht die Lebensgefahr, weil sie Spannung, Abenteuer, den Rausch des Existentiellen verspricht - von Angst ist da keine Rede, sie wird tagtäglich überwunden. Ihre Überwindung ist die Voraussetzung für jeden Angriff. Für diese Männer ist der Angriff ein Erlebnis, eine "Jagd", wie schon der Titel sagt. Wasserbombenangriffe, bei denen in der Erinnerung die Angst doch vorherrschen müßte, werden so geschildert:

"Da sagte der blutjunge Fähnrich: 'Die Bomben! Toll! Das war wie Weihnachten! Wie eine Bescherung!'" (S.16) Ist das etwa Angst?

Sie sind nicht etwa "Mörder", wie es richtig heißen sollte, wenn schon behauptet wird, die Realität zu beschreiben, nein sie sind "Jäger im Weltmeer". Der ganze Text ist durchsetzt mit Jagdmetaphern, sie "suchen nach Beute" (S.13), wollen Jagdtrophäen ("Erfolgswimpel", S.14), beim Angriff gibt es ein "Heranpirschen" (S.14), Frachter laufen den Jägern "vor die Nase" (S.15), wenn sie Geleitzüge treffen, haben sie eine "Herde zersprengt" (S.16), später ist sogar von "Jagdgier" (S.29) die Rede.

Buchheim hat sich an die Nazi-Ideologie gehalten: er hat keine Angst beschrieben. Im Gegenteil: die "Jagdgier" der faschistischen Männer führt zur Pflichtübererfüllung. Sie sind eben mit dem Herzen Nazis. Die angeblich Angst der Männer hat Buchheim erst in seinem Romanen nach dem Krieg beschrieben. Nun aber hatte die Beschreibung der Angst eine andere politische Funktion: sie diente der Täterentlastung. Aus Tätern wurden Opfer: auch sie hatten Angst. Einmal von dieser politischen Funktion abgesehen, ist es zudem zynisch, auf dieser Angst zu insistieren, die, selbst wenn sie real war, mit der ständigen Todesangst etwa jüdischer Menschen im Herrschaftsbereich der Nazis überhaupt nicht verglichen werden kann. Doch zurück zur Textanalyse der Pflichtübererfüllung:

Von Seite 12 bis Seite 15 beschreibt Buchheim begeistert solche

"... ans Übermenschliche grenzende Zeugnisse soldatischer Pflichterfüllung" (S.12) Das können nur Deutsche. Sie sind halt doch Übermenschen. Wie hieß das im Ruprecht? "Herrenrasse ausgelassen" (gan)?

Da werden Schiffe trotz ausgefallener Sehrohre, die eigentlich zum Rückmarsch zwingen, angegriffen. Keine Nazi-Vorschrift würde soviel Enthusiasmus verlangen. Goldhagen mit seiner These von der freiwilligen Übererfüllung von Befehlen kommt mir da in den Sinn. Oder: Ohne Torpedos, mit Defekten im Schiff auf der Rückfahrt wird trotzdem ein Damper angegriffen (S.15). Andernorts:

"Völlig unglaubhaft aber will es uns erscheinen, daß der Siegeswille dieser Bootsbesatzung das schwerbeschädigte Boot noch hartnäckig zu mehrfachem Angriff und Erfolg geführt hat." (S.13) "Siegeswille" ist natürlich reinster Nazi-Jargon.

Bei Wasserbombentreffern ist die Mannschaft nicht etwa ängstlich, sondern verhält sich nach den Aufzeichnungen des Kommandanten "kaltblütig und arbeitete unerschütterlich" (S.12) und konnte so das Boot retten:

"Der Kommandant, der dies schrieb, spendete damit seiner Besatzung mehr als ein Lob. Dieses 'kaltblütig' und dieses 'unerschütterlich' bedeuten mehr als ein Attribut, sie sind das im Tone des knappen Berichtes gegebene Zeugnis tapferster Pflichterfüllung, die den Menschen in seine königliche Stellung setzt." (S.12) Nazi Buchheim im Jahre 1943.

In Theweleit'schen Kategorien: "Unerschütterlich" ist klar - die Sprache des Körperpanzers, "kaltblütig" ist interessant: Blut ist das einzig Flüssige, das der faschistische Männerkörper nie als Bedrohung beschreibt, seine Mordlust führt ständig zu Bluträuschen, aber am besten und höchstes Lob zollend ist Blut doch in kaltem Aggregatszustand: "kaltblütig". So knapp, aber allen ob ihrer Auszeichnung verständlich, sind die Worte des Kommandanten auch in des Kommandanten Kriegstagebuch, wenn er von erfolgreichen Abschüssen berichtet (S.60-62). Deswegen ist das Protokollhafte dieser Aufzeichnungen nicht etwa der Verzicht auf die Beschreibung von Torpedoangriffen, sondern ihre Essenz. In der Knappheit des ausgesprochenen Lobs wird die höchste im Männerbund aussprechbare Ehre deutlich.

Zurück zur beschriebenen Pflichtübererfüllung sowohl von Kommandant wie Besatzung. Es ist diese Pflichtübererfüllung, die Buchheims dem Buch voranstehendes Verszitat von Ernst Jünger erläutert:

"Die Pflicht ist selbstverständlich,
aber das rechte Gewicht gibt erst
das Herz, das freiwillig in die
Waagschale geworfen wird." (S.7)

Faschistische Männer wie Jünger und Buchheim waren - wie es Goldhagen erläutert hat - nicht einfach Nazis, sie haben Befehle mit männerbündischem Enthusiasmus ausgeführt, sie haben Pflichten nicht nur erfüllt, sie haben sie übererfüllt, sie waren nicht einfach nur 100%ige Nazis, sie waren - und sind, weil sich Buchheim nie davon distanziert hat und heute noch meint, der Text beweise seine "Widerständigkeit", was für ein Quatsch! - 150%ige Nazis! An der Ostfront eingesetzt hätten solche Leute jüdischen Menschen so freiwillig und übereifrig gequält und hingeschlachtet, wie es Goldhagen von den dortigen Nazis beschreibt.

Leute wie die U-Boot-Fahrer oder Buchheim hatten eine Wahl, sie hatten die Wahl, gar nicht erst zur Marine zu gehen. Buchheim wäscht sich im heute geschriebenen Vorwort rein, er habe sich freiwllig gemeldet, weil er schon mehrere Gestellungsbefehle zum Heer bekam und dort nicht hinwollte - lächerlich, er hätte noch flüchten können, wenn es ihm ernst gewesen wäre. Er hat sich freiwllig zur Marine gemeldet, weil er mehr Abenteuer wollte! Zumindest hätten die Kommandanten der übereifrigen Pflichterfüllung eine Wahl gehabt, als sie keine Torpedos mehr hatten oder sonstwie beschädigt waren und eigentlich zurück zur Reparatur fuhren. Doch auch dann noch griffen sie an! Nicht einmal diese Wahl trafen Kommandant oder Mannschaft - obwohl sie völlig gefahrlos für alle gewesen wäre! Doch was schreibt Buchheim in seiner heutigen Widmung?

"Denen gewidmet, die in ihrer Jugend keine Wahl hatten und die Kriegsschrecken ertragen mußten, ob sie wollten oder nicht."

Das hat die heutige politische Funktion der Reinwaschung der Wehrmacht, die völlig falsch ist, wie die Beteiligung der Wehrmacht an der Ostfront am Holocaust, die mittlerweile erwiesen ist, zeigt. Auch an der Westfront gab es die dafür notwendige Übererfüllung der Pflichten, gerade die Freiwilligkeit des U-Boot-Kriegers wird durch den Jünger-Vers von 1943 hervorgehoben. Dessen Intention widerspricht Buchheims heutige Widmung zentral, aber heute sollen die Soldaten ja auch Opfer sein. Nein! Mörder waren sie! Mörder!

Weiter in der Textanalyse:

Bleiben wir beim Kommandanten, den Buchheim heute noch süß den "Alten" (siehe Ruprecht-Interview) nennt. Er war der Schlimmste, das haben die Textauszüge schon gezeigt. Er symbolisiert aber auch den hierarchischen Aufbau des Männerbundes wie überhaupt der faschistischen Kameradschaft, ob im Krieg oder in der Gesellschaft. Der Kommandant ist der Führer:

"Niemand ist so nur auf sich gestellt wie der Kommandant des Unterseebootes. Er trägt allein die volle Last verantwortungsschwerer Entschlüsse. (...) Er führt die Getriebe der toten Materie, die vielfältigen Funktionen von Maschinen und Waffen zu einer einzigen Wirkung zusammen, während die Besatzung nichts vom Gegner sieht und nur gewissenhaft in ihrem Dienstbereich die Befehle des Kommandanten ausführt." (S.11)

Trotzdem fühlen sich die Leute gleichzeitig aufgehoben und doch wichtig, als Rädchen in der Maschine. Zwar ist der Kommandant der Führer, aber:

"Den Gesetzen des Kampfes untertan, leben sie in der gleichen Enge, sind sie gleichen Gefahren ausgesetzt und leiden gleiche Entbehrungen. Das gleiche Schicksal hat sie zu einer geschlossenen Einheit zusammengeschweißt. (...) Jeder ist dann mitverantwortlich für den Erfolg des Bootes, einer dem anderen auf Gedeih und Verderb verbunden. Das Versagen des einzelnen kann den Sieg zunichtemachen und das Leben der ganzen Besatzung gefährden." (S.12) Das ist reinste Propaganda nazistischer Männerkameradschaft, deren idyllische, aber vor allem "zusammenschweißende" (Maschinen, Körperpanzer schweißt man zusammen!) Momente Buchheim andernorts im Kapitel "Normalalltag" ausführlich beschreibt. Und von dem "auf Gedeih und Verderb", darauf weist Buchheim selbst im Vorwort hin, hat er sich bis heute nicht distanziert, "das waren damals keine leeren Worte" (S.X) - ganz bestimmt nicht! Wie war das, Ruprecht: keine Nazi-Propaganda?

Kommen wir weiter zu einer ganz wichtigen Komponente des "Wirklichkeitsbeschreibers" Buchheim: den Opfern. Im ganzen 1. Kapitel tauchen die Opfer praktisch nicht auf, im ganzen Buch nur nebenbei, im Kriegstagebuch des Kommandanten etwa muß ich sie mir halt denken:

"Sinken einwandfrei gehorcht" (S.61) Andernorts und gleichzeitig das allerhumanste im ganzen Buch:

"Rettungsboote treiben leer, Zerstörer offenbar mit Tankerbesatzung abgelaufen." (S.62)

"Offenbar" - soll heißen: ist nicht weiter wichtig, Suchen nach Opfern lohnt nicht, kann mann eh nicht retten, will es auch nicht.

Daß da Menschen mitsinken, die Toten der Torpedoangriffe, das kommt. Muß ich mir da Buchheims Zynismus vorhalten lassen, sein Buch sein realistische Kriegsbeschreibung? Aber, es kommt noch schlimmer: die einzige Stelle im ersten Kapitel und auch im ganzen sonstigen Buch (bis auf das Schlußprotokoll des Kommandanten von erfolgreichen Angriffen), an der von den Opfern der Angriffe gesprochen wird, lautet:

"Wie Affen sind die Leute in die Boote gestürzt." (S.15) Sie sind selbst als Opfer keine Menschen, sondern verhalten sich "wie Affen". Wie war das im Ruprecht? "Von deutscher Herrenrasse ist hier nichts zu sehen." (gan)

Direkt an dieser Stelle geht es mit einem Halbsatz weiter, der auf Humanes schließen lassen könnte:

"Ich habe ihnen Zeit gelassen...", den "Affen" in den Booten also. Doch wozu hat der Kommandant ihnen Zeit gelassen? Der Satz geht so weiter:

"... und bin auf die andere Seite gegangen, damit ich das Boot vor die See bekam." (S.15) Um es also besser abschießen zu können, schließlich war das eines dieser Beispiele der übereifrigen Nazis, die Schiffe ohne Torpedos angriffen, nur mit Artillerie.

Die Opfer in diesem Beispiel - dem einzigen, wo sie, wie gesagt, im Buchheim-Text auftauchen - sind nun gerade Opfer eines Einzeldampfers, haben um ihr Leben Angst, werden wohl in der Weite des Ozeans auch in ihren Booten kaum Rettung finden. Doch beschrieben werden sie vom Kommandanten - und von Buchheim selbstverständlich unkommentiert so belassen - "wie Affen"!

Die Bilder, die wir von der Verfilmung des "Boots" kennen von um Hilfe rufenden Opfern, die im Meer schwimmen, und von der Stummheit der U-Boot-Soldaten, die das mitansehen müssen, sind ebenfalls retrospektiv und sollen den Kriegsfilm zum Antikriegsfilm umpolen, die Täter zu mindestens zur Tat Gezwungenen. Doch in "Jäger der Weltmeere" jubeln alle Deutschen nach Treffern, das zeigt schon die ganze Fotosequenz am Ende des Buches. Um die Opfer und ihre Qual machen sie sich keinen Moment Gedanken.

Halten wir bei dieser schon für sich selbst sprechenden nazistischen Scheußlichkeit inne und vergleichen direkt, wie Buchheim üblicherweise die Waffen der U-Boote, die Torpedos beschreibt:

"Der Torpedo ist jedoch kein Geschoß. Er wird nicht mit Explosivkraft, sondern mit Preßluft aus dem Rohr gestoßen. Mit Motor, Schraube und Ruder versehen, ist der Torpedo selbst ein hochentwickeltes Unterseeschiff, das unbemannt seinen Kurs dicht unter der Oberfläche nimmt. Statt von Menschenhand, wird es von einem feinnervigen Uhrwerk gesteuert, und als Last trägt es Sprengstoff in seiner Stahlhülle." (S.14)

Überhaupt wird der Torpedo immer als "Aal" beschrieben. Die Verharmlosung des Schreckens dieser Waffe ist Programm: technisch korrekt, wie Buchheim ja immer sein will (hinter der Faszination an technisch korrekten Details verbirgt sich nur die Theweleitsche Mann-Maschine!), ist der Torpedo gar "kein Geschoß", er trägt den Sprengstoff "als Last", der Arme!, und seine Steuerung ist "feinnervig" - wie fein und sensibel so ein Torpedo doch ist! Die Maschine, die tödliche Waffe wird gefühlvoll geschildert - die getroffenen Opfer "wie Affen". Das ist Buchheim - und sonst nichts! Der faschistische militarisierte Körperpanzer geht in der Maschine auf, er liebt die Maschine, weil er selbst zur Maschine geworden ist - vollständig gefühllos. Die Körpermaschine ist unabdingbare Voraussetzung für das gefühllose Hinmetzeln im Holocaust gewesen. Bei Buchheim im U-Boot werden diese Voraussetzung geradezu gezüchtet!

Zum Abschluß der Analyse noch ein Wort zur Wirklichkeitswahrnehmung des angebliche Wahrheiten schreibenden Buchheim: die U-Boot-Leute sind immer aufrecht, heldenhaft im Kampf, sie kämpfen immer ehrlich, ganz im Gegensatz zum Feind:

"Gegen die Tücken seiner Abwehr steht unser Mut." (S.16)

Der Feind ist tückisch, sie selbst nicht.

"Mit U-Boots-Fallen sucht er uns zu locken und zu täuschen. Als harmlos getarnte Dampfer setzen plötzlich zum Rammstoß an und eröffnen das Feuer aus verborgenen Geschützen." (S.16)

Der Feind ist verschlagen und heimtückisch, gerade so wie im Nazi-Reich sonst nur "der Jude". Kein Herrenrassen-Jargon?

Dagegen die Kampfesweise des U-Boots. "Mut" hatten wir schon oder die ritterlichen Metaphern der "Jagd":

"Das Unterseeboot ist eine Waffe und Maschine in höchster Potenz, sein eigentliches Wesen ist der Angriff. Unbemerkt können wir uns an die Schiffe des Feindes heranschleichen und ihm in der Deckung der Tiefe unsere Waffen entgegentragen. Überall sind wir und nirgends. Wir beunruhigen den Feind in allen Meeren und zwingen ihn zu dauernder Defensive. Mit dem Auge unseres Sehrohres verfolgen wir seine Bewegungen und warten, bis die Stunde reif ist." (S.14)

Das ist natürlich aufrecht gekämpft, das U-Boot ist eine ehrliche Waffe, "Maschine in höchster Potenz", die nicht anders kann als anzugreifen. Waffen werden "getragen", der Feind nicht hinterrücks oder heimtückisch angegriffen, sondern "beunruhigt", zur Defensive "gezwungen". Auch das "warten, bis die Stunde reif ist", ist heldenhafter Edelmut, nicht etwa verschlagenene und gemeinste Kriegsführung. Wie würde Buchheim wohl einen U-Boot-Angriff beschreiben, wenn die Nazis auf dem Dampfer wären und die Alliierten in den U-Booten? In jedem zweiten Satz würde der Gegner mit dem nazistischen Jargon von jüdischer Heimtücke semantisch überschüttet! Das ist die Wahrheit, die Wirklichkeit des Krieges - und nicht Buchheims nazistisches Geseier.

Die zweite Ermordung Ossietzkys

Also: Buchheim ist ein Nazi gewesen, durch und durch - und er ist es noch heute. Buchheims "Jäger im Weltmeer" ist das Werk eines faschistischen, militarisierten Mannes. Buchheim ist auch ein Mörder! Mit seiner Ideologie der übereifrigen Pflichterfüllung ist das Buch im Jahre 1943 als schlimmste Durchhaltepropaganda eines im Grund bereits angezweifelten, wenn nicht verlorenen Krieges, anzusehen. Literarisch ist das Buch Schrott, wie überhaupt Buchheims Geschreibsel überhaupt nichts wert ist - es ist eine Landsersprache, Dreigroschenromanniveau. In ein "Landser"-Kriegsheftchen gepackt, würde das neben den anderen Landserromanen überhaupt nicht auffallen. Aber die offizielle Literatur verkauft es wie Jüngers Machwerke als anspruchsvolle Weltliteratur. Und der Hoffmann & Campe Verlag bringt es als großformatigen Bildband heraus. Das ist der Literaturbetrieb von heute!

Warum aber mache ich mir die Arbeit dieser Analyse und versuche euch in der Ruprecht-Redaktion - wahrscheinlich völlig sinnloserweise - davon zu überzeugen, daß ihr hier einen Nazi weißgewaschen habt? Es könnte mir doch egal sein, was im Ruprecht steht und ich gebe zu, es ist mir oft egal. Wenn ich einen Ruprecht an der Mensa zufällig in die Finger kriege, blättere ich durch und frage mich, was diese Zeitung soll, außer journalistisch interessierten StudentInnen ein erstes Experimentierfeld zu bieten, eine erste Sprosse auf der Karriereleiter. Bei manchen Artikeln zur Universitätsgeschichte finde ich den Ruprecht gar sinnvoll, bei Sachen wie etwa dem Schäuble-Interview (der ja sonst nirgendwo interviewt wird!) ist es mindestens dümmliche Gier nach Promis und dem Anschein eigener Wichtigkeit, schlimmstenfalls ein Regierungsblatt von unten. Auch da, nach dem Schäuble-Interview, fühlte ich mich nicht bemüßigt, euch zu schreiben, gar gegen eure Intention ein besprochenes Buch anders zu analysieren. Was also hat mir den letzten Kick gegeben?

Ich muß zugeben, es war Wut! Ich habe mir lange überlegt, ob ich darauf reagieren soll, ob ich nichts Besseres zu tun habe und nicht darauf hoffen soll, daß der Ruprecht eh kaum gelesen und eh nicht so wichtig genommen wird. Nein, ich habe nichts Besseres zu tun, es ist mir nicht egal, was an der Mensa verteilt wird und als jemand, der in den 80er Jahren 5 Jahre AStA-Arbeit gemacht hat, ist es mir auch nicht egal, was heute so in den AStA-Räumen verbrochen wird.

Ist euch eigentlich allen klar, was ihr da gemacht habt? Ihr sprecht Buchheim nicht nur bei seinem Nazi-Werk von 1943 von Nazi-Ideologie frei, nein, ihr besucht ihn aus Anlaß dieses Buches auch noch in Bayern, in Feldafing und befragt ihn auch noch untertänigst nach sonstigen Rechtfertigungen. Und was passiert zwei Seiten später? Da wird dann eine neue Biographie von Carl von Ossietzky besprochen, nicht ohne unerwähnt zu lassen, daß Biograph von Sternburg meint (ein Adliger, der seinen Stand verteidigt, aha!), Ossietzky sei "in seinem Herzen ein Patriot" gewesen. Schöner Patriot. Er hat sich für den heute so aktuellen Spruch - über dessen Anwendung ich heute gerne mit mir diskutieren lasse, zu Buchheims "Jäger"-Zeit aber nicht! - "Soldaten sind Mörder!" schon in Weimar vor Gericht verantworten müssen und wurde von den Nazis u.a. dafür ermordet. Als Ossietzky den Friedensnobelpreis bekam, hat Hitler extra einen patriotischen deutschen Gegenpreis initiiert.

Als Graswurzelrevolutionär fühle ich mich unter anderem der radikalpazifistischen Tradition Carl von Ossietzkys verbunden. Wenn Ossietzky wüßte, daß er zusammen mit Buchheim besprochen wird, nur zwei Seiten weiter, würde er sich im Grabe umdrehen!! Ich kann das nicht ertragen, daß der von Nazis Ermordete und einer, dessen ideologisch offenbarte Grundlagen mit Sicherheit darauf schließen lassen, daß er 1943 Ossietzky jederzeit ermorden hätte könne, wenn dieser denn noch lebte, in einer Zeitung erscheinen und beide auch noch gelobt werden. Was habt ihr euch eigentlich dabei gedacht? Ist das schon mal die Einübrung bürgerlicher Toleranz, die in der modernen Pressewelt heute so gefragt ist. Schon bei den Feiern zum 50. Jahrestag der Befreiung von NS-System war in jeder Zeitung auf der einen Seite ein Artikel, warum das jetzt Befreiung war, und auf der andern, warum das ein "Zusammenbruch" war, jedenfalls kein Grund zum Feiern. Kohl ist von triefenden Gedenkfeieren direkt zur Huldigung von Jüngers 100. Geburtstag gefahren. Auch Buchheims "Festung" wurde gefeiert. Das ist keine Toleranz, sondern das Öffnen der bürgerlichen Medien und Presse für faschistische Inhalte unter dem Deckmantel der Toleranz. Herbert Marcuse hat diesen Mechanismus früher einmal "repressive Toleranz" genannt. Und deshalb verbitte ich mir Artikel über Ossietzky und Buchheim, in denen letzterer reingewaschen und interviewt wird, in der gleichen Ausgabe! Ermordeter und Anhänger der Mördersippe schließen sich aus! Der Journalist Ralph Giordano hat einmal über die Verdrängung der Aufarbeitung der NS-Zeit und die Reinwaschungstendenz der Nazis ein Buch geschrieben mit dem Titel: "Die zweite Schuld". Analog empfinde ich eure Veröffentlichtung der Ossietzky-Rezension als so etwas wie "die zweite Ermordung Ossietzkys"!

Gibt es für euch so etwas wie journalistische Ethik, wenigstens Pietät? Oder ist in euch schon die Lust des Tabubruchs erwacht, die in der heutigen bürgerlichen Presse so gefragt ist und viel zum Aufstieg des Rechtsextremismus in den 90er Jahren beigetragen hat?

Warum muß ich überhaupt so viel schreiben, um zu belegen, daß Buchheims Buch Absatz für Absatz, durch und durch, nazistisch ist? Warum genügt euch nicht die Tatsache, daß wer als Kriegsberichterstatter 1943 in Nazi-Deutschland publizieren konnte, notwendig ein Nazi war (ob mit oder ohne Parteibuch) und daher auch ein Nazi genannt werden muß? Ab wann findet denn "gan", daß aus einem Frontberichterstatter - und alle Frontberichterstatter waren für die Nazi-Propaganda ungeheuer wichtig - automatisch ein Nazi wurde, ab 1944, ab 1945, kurz vor Kriegsende? Das ist lächerlich, nach diesen Kategorien hätte es nie Nazis gegeben, wären sie nie an die Macht gekommen. Buchheim schreibt selbst die Pioniertat seiner U-Boot-Berichterstattung im Vorwort:

"Die wenigen Bücher, die erschienen waren, schwiegen sich über die Besonderheiten dieses Krieges aus." (IV)

Wie hätte da ein U-Boot-Berichterstatter für die Nazi-Propaganda kein Nazi sein können? Buchheims Berichte waren ja überhaupt die erste Nazi-Propaganda von diesem "heldenhaften" Krieg!

Warum tischt ihr auch noch diesen Rechtfertigungsmythos von der Suhrkamp-Geschichte auf, genauso wie Buchheim sie sehen will. Was erfahren wir aus dem Buch über Suhrkamp? Er hat zunächst einmal den jüdischen S.Fischer-Verlag unter seinem, Suhrkamps, Namen übernommen, als "dessen jüdische Besitzer zur Emigration gezwungen waren" (Nachwort von A. Rost, VII) Suhrkamp war also Profiteur der Arisierung der Wirtschaft. Und als Buchheim sein Buch bei Suhrkamp herausbringen sollte, ging es ihm, wie wir von Buchheim selbst erfahren, darum, mit seinem Verlag als "kriegswichtig" (Vorwort, IV) eingestuft zu werden. Warum wollte er das, wenn er nicht Nazi war? Er war es halt doch, da kann das Andreas-Zitat im Klappentext noch so lügen, Suhrkamp hätte mit den "Nazis nichts im Sinn" gehabt. Wir erfahren von Buchheim auch, daß Buchheim von der angeblichen Verfolgung Suhrkamps zur Zeit der Veröffentlichung des Romans gar nichts wußte. Interessant ist auch, daß Buchheim bei Bekanntwerden Suhrkamps durch die Nazis 1944 überzeugt war, hier handle es sich um einen Irrtum, Suhrkamp habe mit den Vorwürfen nichts zu tun. Suhrkamp war ein halbes Jahr im KZ, ja, aber das weist ihn keineswegs als Widerstandskämpfer aus. Es gehört eben zu den nazistischen Selbstverständlichkeiten, daß Nazis auch Nazis ermordeten oder sie fälschlicherweise des Verrats bezichtigten oder sie in Ungnade fallen ließen. Das ist auch Jünger passiert oder Heidegger. Röhm und seine Mannen wurden schon 1934 von anderen Nazis ermordet, müssen wir deshalb Respekt vor Röhm haben oder ihn als Widerstandskämpfer feiern? Das wäre lächerlich. So weist sich auch Suhrkamp allein dadurch, daß er ein jüdisches Verlagshaus skrupellos übernommen hat und im Kriegsjahr 1943 alles daran setzte, um für seinem Verlag das Prädikat "kriegswichtig" aufgestempelt zu bekommen, als Nazi aus. Was denn sonst?

Andererseits erfahren wir, daß Suhrkamp Buchheim überredet hat, sich an Dönitz ranzumachen -wegen des Vorworts, das Buchheim dann selbst geschrieben hat, von Dönitz unterzeichnen ließ, aber es uns heute vorenthält. "Sie müssen Ihren Dönitz aktivieren!" (VI) "Ihren" Dönitz, den Buchheim selbst den "eingeschworenen Gefolgsmann des Führers" nennt! Buchheim hatte also nachweislich gute Kontakte zum zweitwichtigsten Nazi überhaupt. Aber was meint "gan"? "Der Nazi Buchheim existiert aber nicht." Ist das nicht geradezu grotesk?

Heidegger hat mal nach dem Krieg seine Vorlesungen während der Nazi-Zeit selbst veröffentlicht (und sie vorher entscheidend umgeschrieben, was Habermas damals öffentlich gemacht hat), sozusagen vorauseilend und wohlwissend, daß andere die Texte in den Archiven finden könnten und dann die ganze Peinlichkeiten seiner Nazi-Befürwortung ans Tageslicht käme. Aus nichts anderem als aus denselben Motiven hat Buchheim jetzt das Buch veröffentlicht. Nur hat er nichts mehr gefälscht - anscheinend läßt die öffentliche Diskussion es heute selbst zu, daß dieses Nazi-Buch als "widerständiges Buch" verkauft werden kann. Aber sein selbst geschriebenes und von Dönitz nur unterzeichnetes Vorwort hat er weggelassen. Was da wohl an Nazi-Propaganda noch zusätzlich drinstehen wird? Mir egal, mich interessiert nur der Vorgang und was daraus zu schließen ist. Den Dönitz mag der Buchheim heute nicht mehr, bezeichnet ihn als "gnadenloser Totschläger" (X), aber damals war es "Ihr Dönitz!" Das sagt alles!

Ich will nicht mißverstanden werden. Wenn ich sage, Leute wie Jünger und Buchheim, sind auch noch heute Nazis, Mörder und Schuldige, dann will ich ihnen nicht an den Kragen. Albert Camus hat einmal gesagt, Entnazifizierung bedeute, daß die Täter in den Berufen, in denen sie ihre Taten verrichteten, keine Anstellung mehr finden und auch sonst keine gesellschaftlich wichtigen Posten mehr übernehmen dürfen. Würden Leute wie Buchheim oder Jünger von allen Verlagen boykottiert und ihnen jede größere Vertriebsmöglichkeit verwehrt, könnten sie vielleicht noch ihren U-Boots-Kameradschaften ihre Elaborate kopieren, mehr nicht. Leute wie Jünger können meinetwegen 200 Jahre alt werden, aber sie sollten nicht ihr unglaubliches Geseiere als "Literatur" anerkannt bekommen. In der Tat: wären Leute wie Jünger und Buchheim publizistisch geächtet worden, hätte Jünger längst schon allein aufgrund der Aufregung, die ihm das verursacht hätte, das Zeitliche gesegnet.

Lest einmal hintereinander das Goldhagen-Buch und dann den neuen Buchheim - und ich garantiere euch, euch wird genauso schlecht wie mir. Zumindest wäre das zu hoffen, denn wer den Buchheim so bespricht wie geschehen und die ganze hier belegte Nazi-Ideologie nicht wahrnimmt, der ist, ja was ist er? Entweder blind oder selbst ein Nazi! Es ist aber nicht nur so, daß ihr in der Ruprecht-Redaktion die letztes Jahr zeitgleich mit eurem Buchheim-Besuch tobende Goldhagen-Debatte anscheinend nicht mitbekommen habt und deren Implikationen scheinbar spurlos an euch vorüber gezogen sind, nein, ihr habt als Heidelberger studentisches Lokalblatt auch noch die Energie aufgebracht, extra nach Bayern zu düsen, um ihn interviewen zu können, anstatt daß ihr nach Duisburg gefahren wärt und zumindest die Leute befragt hättet, warum sie denn Buchheim die Ehredoktorwürde aberkennen wollen. (Recht haben sie!) Warum dieser Energieaufwand? Und, die Frage möchte ich doch stellen: Wer hat diese Reise denn bezahlt? Habt ihr sie selbst bezahlt, geht der Idealismus für Buchheim so weit? Oder habt ihr Uni-Gelder veruntreut? Ich wüßte es schon gerne. Wenn es aus den Ruprecht-Einnahmen bezahlt wurde, war das eine gesamte Redaktionsentscheidung - und ich finde, die müßt ihr rechtfertigen!

Ich fordere euch also auf, die Diskussion in der Redaktion zu führen. Ich fordere euch auf, eure Maßstäbe journalistischer Ethik offenzulegen (wie weit würdet ihr gehen? Würdet ihr Zitelmann interviewen? Leute aus der "Jungen Freiheit"? Würdet ihr Auschwitzleugner interviewen? Das ist gar nicht so weit hergeholt, wenn man/frau bedenkt, was der ideologische Nazi-Lügner Buchheim so alles als wirklichkeitsgetreue Beschreibung des Krieges ausgibt) Hat dieser Offene Brief für euch zukünftig irgendwelche Konsequenzen? Zumindest würde ich eine Entschuldigung bei den LeserInnen erwarten - ob sie euch nun so gründlich lesen und sich soviel Mühe machen wie ich oder auch nicht.

Ich jedenfalls halte die Veröffentlichung des Buchheim-Interviews und der Besprechung selbst schon für einen rechtsextremen Akt, für den m.E. die ganze Redaktion verantwortlich ist. Es ist beschämend und skandalös, daß das in den AStA-Räumen produziert wurde. Es mag etwas abgelutscht klingen und ich vermeide solche Sätze im allgemeinen lieber, aber bei sowas muß ich doch sagen: in meiner AStA-Zeit wäre das unmöglich gewesen.

Reinhard (Red. Süd der Graswurzelrevolution, Schillerstr. 28, 69115 Heidelberg)

P.S.: Dieser offene Brief geht mit gleicher Post als Kopie an:

- Redaktion Unimut
- Antifa-Gruppe der FSK
- Fachschaftskonferenz

(alle Lauerstr. 1. Die Leute sollen wissen, was in ihren Räumen so produziert wird und was andere davon halten)


*Zur ruprecht-Titelseite