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Gebührend boykottiertTausende Studierende überweisen am Minister vorbei
Die Entscheidung fällt am 10. Februar: Überweisen bis dahin 8000 Heidelberger Studierende die neuen "Verwaltungsgebühren nicht an die Unikasse, sondern auf das Treuhandkonto, wird Wissenschaftsminister Klaus von Trotha das Geld so schnell nicht sehen. Das Kalkül der Boykotteure: Einige wenige Studierende kann der Minister wie angedroht exmatrikulieren lassen; den Rauswurf Zehntausender im ganzen Land wird er nicht wagen. Denn überall in Baden-Württemberg wollen Studierende die neuen Gebühren boykottieren. Die sonst so zerstrittenen hochschulpolitischen Gruppen sind sich erstaunlich einig: Die Verwaltungsgebühr müsse in organisierter Form boykottiert werden, weil sie anstatt den Hochschulen zunächst dem Land zufließt, während sich die Studienbedingungen weiterhin verschlechtern. Vor allem aber wird die neue Gebühr als "politischer Testfall für die Einführung allgemeiner Studiengebühren (so der Arbeitskreis "Treuhandkonto der Fachschaftskonferenz) gesehen. Der Boykott ist nicht das einzige Mittel, mit dem studentische Aktivisten der Hochschulpolitik des Wissenschaftsministers Kontra geben wollen: Am 4. Februar führt um 13.00 Uhr ein Sternmarsch Studierender von der alten PH, dem Neuenheimer Feld und dem Uniplatz aus zu einer Kundgebung auf den Bismarckplatz. Philosophie-Studierende verkauften ihre Hausarbeiten in der Fußgängerzone, um Geld für ihren Fachbereich zu sammeln. Telefonaktionen nach dem Motto "Ich telefoniere gern (mit dem Ministerium) beschäftigen Landesbeamte. Eine Arbeitskreis der Jura-Fachschaft bereitet eine Klage und eine Landtagspetition gegen die Gebühren vor. Nicht nur an der Universität, auch anderswo in der Stadt hat die FSK Informationsstände aufgebaut. Die Studierenden wehren sich mit den größten Protesten der letzten acht Jahre, und selbst Rektor Ulmer gibt sich wenig begeistert von der Verwaltungsgebühr. Er sähe das Geld lieber direkt im Hochschulsäckel statt in den schwarzen Löchern des Landeshaushalts verschwinden.
Der zuständige Dezernent Eckhard Behrens wies darauf hin, daß Verwaltungsrat, Rektorat und Senat schon seit längerem vergeblich einen Globalhaushalt fordern. Würde die Universität über einen solchen verfügen, könnte sie selbst über die Mittelverteilung bestimmen. Erst dann hätte sie wirklich einen Vorteil von der direkten Einnahme der Verwaltungsgebühr, die sie so nach eigenem Gutdünken verwenden könnte. Auch bestünden, so Behrens, keine Verträge zwischen Land und Universität, die die Finanzierung auf längere Sicht absicherten, wie dies in anderen Bundesländern (z.B. Niedersachsen) der Fall ist. Das läßt vermuten, daß die Universitätsverwaltung sich durch die kurzfristigen Mehreinnahmen durch Einschreibegebühren vom Land Zugeständnisse in Sachen Reform der Hochschulfinanzierung verspricht. Diesen Zusammenhang sah Rektor Ulmer auf Nachfrage allerdings nicht. Während die FSK gehofft hatte, daß die Verwaltung bereit wäre, Informationsmaterial über das Treuhandkonto zu verschicken, warnte Behrens in einer Pressemitteilung, Flugblättern und sogar auf der studentischen Vollversammmlung vor dem Boykott. Auf unsere Anfrage hin begründete Behrens dies mit der Informationspflicht gegenüber den Studenten: "Wir können euch das Risiko nicht abnehmen.
Erst in letzter Minute kam die endgültige Absage des Rektorats bezüglich der Infobriefe. "Das ist doch reine Verunsicherungstaktik! sagte FSK-Vertreter Tobias Horn, "anderswo hat die Verwaltung auch nicht zur Revolution aufgerufen, aber der Treuhand-Aktion zumindest keine Steine in den Weg gelegt. In Tübingen und Stuttgart hatten die zuständigen Dezernenten auf den Vollversammlungen neutral über die Risiken informiert und auf die Möglichkeit der Hochschulen hingewiesen, die Mahnungszustellung zu verzögern. Das Rektorat in Karlsruhe geht noch einen Schritt weiter: es verteilt Plakate, die auf die Gefahrlosigkeit der Boykotteilnahme bis kurz nach Erhalt der Mahnung verweisen. Wissenschaftsminister von Trotha hat schon sehr gereizt auf die Boykottankündigungen und den damit verbundenen Presserummel reagiert: "Wer glaubt, ein demokratisch beschlossenes und sachlich gerechtfertigtes Gesetz durch einen Boykott aushebeln zu können, muß die Konsequenzen tragen. Inwiefern ein solches Gesetz tatsächlich "sachlich gerechtfertigt ist, bleibt umstritten. In einer Empfehlung des Rechnungshofes wird die durchschnittliche Bearbeitungszeit für eine Rückmeldung zwischen 1,3 und 3,6 Minuten angesetzt. Dazu MdL Carla Bregenzer (SPD): "Eine Rückmeldegebühr von 100 DM für einen Verwaltungsakt von 1-3 Minuten ist, gelinde gesagt, ein stolzer Preis. Ein guter Ansatzpunkt für Gerichtsverfahren über die Rechtmäßigkeit der Gebühren. Aber warum eigentlich die Aufregung um einen "Peanuts-Betrag von hundert Mark? Mit etwa neunzig Pfennig pro Tag im Semester könnten die Studierenden, so von Trotha, "einen moderaten Finanzierungsbeitrag ... zu den unter Finanznot leidenden Hochschulen leisten. Immerhin hat die Hochschule zur Zeit noch gravierendere Probleme als die Einführung von Gebühren zu diskutieren: die Schließung ganzer Institute, den Umgang mit Kürzungen bei Personal und Einrichtung, steigende soziale Ungleichheit bei den Studierenden oder auch die Aufhebung des Beamtenstatus für den Lehrstuhl. Deshalb sind für Rektor Ulmer die Verwaltungsgebühren auch nicht das "zentrale Thema. Die Motivation der Proteste beschränkt sich jedoch nicht nur auf eine private Sparmaßnahme. Sie ist eine politische Aussage: Auch wenn Trotha jetzt nicht von allgemeinen Studiengebühren sprechen will, hat er diese noch im Herbst für das Jahr 1998 in Aussicht gestellt. Die Treuhandidee steht also in einem größeren Zusammenhang. Sie wird zeigen, ob sich die Studierenden als Gruppe in die Hochschulpolitik einschalten können und wollen. Richtig spannend wird die Sache erst, wenn die Mahnungen verschickt sind. Wer sich jetzt am Boykott beteiligt, riskiert gar nichts. Sind am Stichtag, dem 10. Februar, noch keine 8000 Überweisungen eingetroffen, werden die Beiträge an die Universitätskasse überwiesen. Damit hätten sich die Verwaltungsgebühren jedoch endgültig etabliert. (cw, gan, hn) Weitere, garantiert nicht neutrale Informationen gibt es auf der Seite des Treuhand-Arbeitskreises der Fachschaftskonferenz.
KonkurrenzlosDer Volkswirt Jürgen Siebke wird neuer Rektor
Die Kassen sind leer, ein Volkswirt muß her. Am 10. Februar soll der Wirtschaftswissenschaftler Jürgen Siebke zum neuen Rektor der Universität Heidelberg gewählt werden. So hat es die "Rektorfindungskommission beschlossen, die dem Großen Senat Kandidaten zur Wahl vorschlagen soll. Die vorzeitige Kür eines Rektors wird nötig, weil der bisherige Amtsinhaber Peter Ulmer - wie Eingeweihte erwartet hatten - Ende September aus Altersgründen ausscheiden möchte. Einen Gegenkandidaten wird Siebke nicht haben; den mußte seit zwei Jahrzehnten keiner seiner Vorgänger fürchten. Die Amtsanwärter werden von der "Ruperto Carola, der stärksten Professorenfraktion in den Senaten, vorgeschlagen, der Rest der Professorenschaft pflegt sich an den Vorschlag zu halten. Im Großen Senat, dem formalen Wahlort, sitzen in Heidelberg sieben gewählte Vertreter der Studierenden, des Mittelbaus und der sonstigen Mitarbeiter, außerdem 21 Professoren, die 15 Dekane, der Rektor, die drei Prorektoren und der Kanzler: eine solide Mehrheit also für die Professoren. Der Rektor muß C4-Professor sein und wird für vier Jahre gewählt. Seine Amtszeit beginnt am 1. Oktober. Daß nur ein Kandidat zur Auswahl präsentiert wird, ist nicht überall so: Andere Universitäten des Landes kennen konkurrierende Kandidaten. Geboren wurde Siebke 1936 in Hannover. Er studierte Volkswirtschaftslehre in München, Kiel und Bonn. Nach seiner Promotion 1965 und Habilitation 1971 wurde er Professor für theoretische Volkswirtschaftslehre in Kiel. 1975 wechselte er nach Essen, bevor man ihn 1983 schließlich auf den Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik in Heidelberg berief. Sechs Jahre lang war er Mitglied des Wissenschaftsrates, wurde 1988 für zwei Jahre Dekan seiner Fakultät und ist es wieder seit 1995. Nimmt man seine bisherigen Äußerungen als Anhaltspunkt, dürfte Siebke Wissenschaftsminister Klaus von Trotha bei der Einführung von Studiengebühren kaum im Wege stehen. Er hat sich in der Hochschulpolitik vor allem als Befürworter von "Bildungsgutscheinen engagiert und steht Studiengebühren prinzipiell nicht abgeneigt gegenüber. Er hält es für selbstverständlich, daß sich Studierende an der Finanzierung universitärer Leistungen beteiligen und Gebühren, z.B. für EDV- oder Sprachkurse, zahlen. In jedem Fall werden die Königsmacher damit rechnen müssen, daß Siebke sein neues Amt aktiv ausfüllen wird und es nicht als die lästige "Unterbrechung der Forschungstätigkeit auffaßt, als die es Ulmers Vorgänger Volker Sellin sah. Wer Siebke kennt, prophezeit auch eine "Amerikanisierung der Universität: stärkeres Leistungsdenken, weniger Verständnis für "Orchideenfächer, deutlichere Ausrichtung der Universität auf die Bedürfnisse der Wirtschaft - auch, um im Gegenzug mehr Geld in die Hochschule zu holen. Studierende, die mit Siebke im Rat seiner Fakultät zu tun hatten, sehen schlechte Zeiten anbrechen: "Anträge, die wir gestellt haben, hat er mehrmals einfach abgebügelt, sich gar nicht erst damit befaßt. Es fällt ihm schwer, mit uns zu reden. Fast könnte man meinen, er hätte Angst vor Studierenden. (gz)
Ey!
Ja ja, ich weiß, ich hätte auf meine Mutter hören
sollen. Schon früher schärfte sie mir ein: Mach nie
die Tür auf, wenn du nicht weißt, wer davor steht!
Aber nein, ich wollte ja nicht hören.
Zahlen des MonatsBeteiligung der Studierenden am Boykott der Verwaltungsgebühren: http://wwwrzstud.rz.uni-karlsruhe.de/~px01/Boykott/index2.html
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