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Interview


"Wir wußten nicht, daß wir so intelligent sind!"

Das hessische Komikerduo "Badesalz" spricht über Kalauer, Klischees und Kritiken

"Se meking of" heißt die Show, mit der das Komikerduo "Badesalz" zur Zeit durch ganz Deutschland tourt. Spätestens seit der ARD-Fernsehserie "Och joh" und ihrem Debutfilm "Abbuzze" sind sie einem breiten Publikum bekannt und haben über die hessischen Landesgrenzen hinaus eine große Fangemeinde gefunden. Henni Nachtsheim und Gerd Knebel, beide aus dem Frankfurter Raum, sind die Erfinder der Kultfiguren Richie und Headbanger und von Herrn Seiler.

ruprecht: Wie war das Konzert gestern? Wart Ihr zufrieden mit dem Publikum?

Henni Nachtsheim: Von der Gesamtatmosphäre her sind wir total zufrieden. Das Publikum wirkte an beiden Abenden sehr flexibel. Bei einem Kalauer sind sie sich nicht zu schade zu lachen, aber kapieren auch Sachen, die in eine andere Richtung gehen. Man hat es ja manchmal, daß die Leute, hart gesagt, nur über Witze "unnerum" lachen, dann aber bestimmte Rollen überhaupt nicht kapieren, oder wenn es ihnen zu schwarz wird, die Luft anhalten. Das wirkt hier überhaupt nicht so.

[Henni Nachtsheim]
Henni Nachtsheim: "Der Hesse ist immer Fachmann. Weiß immer zu allem alles zu sagen, ob er Ahnung hat oder nicht."

Foto: kh    

ruprecht: Bezogen auf die Omas, die, weil sie das beste aus dem Tod ihrer Männer machen wollen, deren Organe und Körperteile zu Musikinstrumenten verarbeiten, stellt sich die Frage, ob es Grenzen für Euch gibt, wo Ihr sagt, das machen wir nicht?

Henni: Ja. Wir gehen zwar relativ weit, aber es gibt sicherlich Grenzen. Eine wichtige Grenze zum Beispiel ist, daß man auf der Bühne nicht eine einzelne Person, die wirklich existiert, anpißt. Das ist nicht unser Ding. Bei "Samstag Nacht" zum Beispiel kann ich es nicht leiden, wenn sich einer über das alte Gesicht von Inge Meysel lustig macht, es mit einer Lederhandtasche vergleicht. Das ist eine tolle Frau, die ein tolles Leben gehabt hat, die sich ganz spät als Lesbe geoutet hat. Und die hat es nicht verdient, nur weil jemand alt wird oder Falten kriegt. Wir würden zum Beispiel keinen Witz auf Kosten von so jemandem machen. Es sei denn, er ist 'ne Riesendrecksau.

ruprecht: Und wo nehmt Ihr die Ideen her?

Henni: Das ist eine Riesenmischung. Also teilweise Phantasie, sammeln, aufschnappen, weiterspinnen, auch auf der Suche nach eigenen skurrileren Ideen. Wie so Märchen. Es gibt dafür kein Format. Du hast ständig so einen Kassettenrekorder im Kopf an. Das haben wir jetzt schon seit über zehn Jahren.

ruprecht: Sind die Hessen ein liebenswertes Volk ?

Henni: Klar gibt es irgendwas, was wir an ihnen total mögen, aber es gibt auch teilweise was ganz Zynisches oder Schoppiges. Aber ich würde jetzt nicht sagen, der Hesse ist prinzipiell nur liebenswert.

Gerd: Der ist auch ein Stinkstiefel.

Henni: Der Hesse ist immer Fachmann. Weiß immer zu allem alles zu sagen, ob er Ahnung hat oder nicht. Das ist zum Beispiel sehr faszinierend.

ruprecht: Was habt Ihr vor Badesalz gemacht?

Henni: Also, ich war bei den "Rodgau Monotones" und der Gerd bei "Flatsch".

ruprecht: Habt Ihr eine Berufsausbildung ?

Henni: Nein, ich habe keine Berufsausbildung, nur ein ziemlich schlechtes Abitur. Und das war's. Ich war mal ein sehr guter Garantiesachbearbeiter bei Simca. (lacht). Ne, da gibt es nicht viel zu erzählen.

Gerd: So normal gearbeitet halt. Alles mögliche.Vom Fensterputzer bis nochwas. Kreuz und quer.

Henni: Also klischeemäßig. Ich les' immer hinten auf den Buchrücken bei irgendwelchen Schriftstellern, er war Fensterputzer. Aber das ist auch ganz gut, weil der Gerd dann immer bei mir am Auto noch die Fensterscheiben putzen muß, bevor wir losfahren. Da profitieren wir jetzt noch von.

ruprecht: Sind Eure Sachen gesellschaftskritisch?

Gerd: Wir legen es auf jeden Fall nicht so an. Wenn ich sehe, was die Leute teilweise so reininterpretieren, da gibt es ganz schlaue Sprüche drüber, was wir machen und ganz dumme. Da gibt es Sprüche, da haben wir gesagt, toll was die da alles denken, war gar nicht so gedacht. Es gibt ganz abstruse Abhandlungen darüber, in allen Zeitschriften vom Spiegel bis zur Zeit.

Henni: Wir wußten gar nicht, daß wir so intelligent sind.

Gerd: Man geht so an die Sache ran wie beim Komponieren, wie wenn du ein Stück machst. Daß einer nachher sagt, da hast du jetzt die und die Akkordwendung gemacht. Man kriegt ein Timing für eine kleine Form von einem Sketch oder einer Episode, manchmal sind's ja nur noch ganz kleine Einheiten, Gedankengänge. Das "obbe-unne" zum Beispiel. Es gibt so eine Form von Sturheit von zwei Leuten. Die Vorstellung, daß zwei Leute nie aus dem Haus kommen, weil einer immer den Pullover wechselt. Das werden wir auch demnächst als Kurzfilm drehen.

Henni: Es gibt zumindest nicht diesen Anspruch zu sagen, wir wollen das mit aller Gewalt machen.

ruprecht: Da ist doch zum Beispiel die Szene in dem Film, wo Ihr über die Sicherheitsleute in der U-Bahn-Station herzieht...

Gerd: Vordergründig gibt es schon Sachen, die drängen sich auf.

Henni: Aber es steht nicht in Neonschrift über unsern Köpfen. Wenn wir Lust haben in einer Ecke zu kalauern, dann machen wir das genauso und lassen uns nicht davon irritieren, wenn jemand sagt, das ist ihm zu platt. Wir sind eben kein klassisches Kabarett, das immer eine bestimmte Zielvorgabe hat.

ruprecht: Man hört oft, Badesalz sei niveaulos.

Gerd: Das ist ziemlich engstirnig oder klein betrachtet. Wenn Du jetzt ein paar gezielte Witze über CDU-Politiker machst, da sagt jeder klasse. Aber das ist mir zu einfach. Es gibt so viele Kabarett-Formen, die mich zu Tode langweilen und mir ist es egal, ob die da irgendwelche hochtrabenden Politikerwitze machen. Es gibt viel schlimmere Sachen im kleinen. Alltagsformen. Wenn Du so willst, politischer eigentlich. Ein komischer stinkiger Nachbar oder ein Drecksack, der das letztlich doch immer wieder ausführen wird, in irgendeiner Form.

Henni: Es gibt ja auch so eine Weite, wie man etwas sehen kann. Man kann ja auch von der Stimmung her rangehen. Ein Beispiel. Diese Squaw Ingrid aus dem Indianerclub. Die mißbrauchen diesen Indianerclub und diese Tradition, die in meinen Augen auch sehr wertvoll und interessant ist, bis hin zum Swingerclub. Und machen aus ihrem Scheißverein einen schlechten Campingplatz. Wenn jetzt jemand böswillig ist, sagt er, da machen sie Witze mit Fickwam und "unnerum", und kann sich da echauffieren. Unser Ausgangspunkt ist aber eher, daß da ein Indianerclub fast zum Swingerclub mißbraucht wird, weil sie dann doch wieder ihren Scheiß durchziehen und sich aber trotzdem ernsthaft im Moment damit vergleichen wollen. Wenn dann einer sagt, für mich ist das nur ein "unnerum"-Witz, dann werde ich ihn nicht mit aller Gewalt davon überzeugen wollen, daß es nicht so ist.

Gerd: Dann gibt's da noch was, was die Leute auch nicht begreifen, komischerweise. Die Sache, daß das bestimmte Rollen sind, bestimmte Positionen. Ich werd jetzt deswegen auch nicht über Robert de Niro sagen: "Der ist ganz schön niveaulos, daß der seine Frau in Regent Bull schlägt, für mich ist das'n primitiver Typ. Und wie der auch da aussah am Schluß, da wurd der auch noch so fett." Da kommt auch keiner d'rauf, weißte. Und hier verlangen die Leute, daß du gleich nebendran 'n Schild hältst, sagst: "Paß auf, ich mach jetzt hier eigentlich nur'n Sketch. Ich spiel jetzt grad den Prol, der sagt ficken, Futt und so, ich bin's aber privat meistens net. Glaub mir's bitte, bitte glaub mir des". Das ist auch ganz extrem in Deutschland, daß die Leute immer sofort die Rolle eins zu eins sehen, das ist ganz absurd.

Henni: Das heißt dann oft in den Kritiken, sie sind unanständig, proletarisch oder primitiv oder sonstwas, das wird dann auf uns beide als Personen bezogen, und gar nicht mehr das Geschehen interpretiert.

Gerd: In Extremform, weißte, die eine Freundin von dem Klaus aus Gießen, da saß die da abends in 'ner Kneipe neben uns, da kamen wir in's Diskutieren, da guckt die uns mit so riesigen Augen an, so nach dem Motto "Ihr seid ja ganz anders." Ich sach: "Was, ganz anders...?" "Ja, das hätt' ich jetzt gar nicht gedacht, daß Ihr Euch für sowas interessiert, über was Ihr alles so redet..." Sach ich: "Ja, was ist denn?" - "Ja, Ihr habt doch das und das gestern da gesagt..." Hab ich zu der gesacht: "Glaubst Du, wir sind genauso wie auf der Bühne, oder was?"

Henni: Wir sind doch nicht Richie und Headbanger, wir...

Gerd: Das war so 'ne Germanistik-Studentin, oder Philosophie, oder was weiß ich was. Ganz ernsthaft saß die da mit ihrer Brille, plötzlich war sie ganz angetan und sachte, wie toll sie das fände, daß sie sich mit uns hier unterhalten hat. Sach ich: "Aber, du kannst doch mit mir nicht auf der Bühne diskutieren". Das ist ganz absurd.

[Gerd Knebel]
     "Ich spiel jetzt grad den Prol, der sagt ficken, ich bin's privat aber net. Bitte glaubt mir des."Foto: kh   

ruprecht: Vielleicht können die Leute das nicht trennen, weil ihr solche Szenen aus dem Leben greift.

Gerd: Ja, und weil die Leute selbst auch keine Berührungspunkte haben zu diesen Menschen, das finde ich eigentlich fast kriminell. In ihrem Leben kennen sie vielleicht gar nicht solche Leute direkt oder meiden die so extrem, haben ihre eigenen Kreise, ihre eigene Kultur, ihre eigenen Studenten, Weinkeller, weiß 'te, alternatives Fest. Und ham gar keine Berührung zu irgendwelchen Vertretern oder zu Typen, die ganz merkwürdig sind, oder 'nem Autohändler. Wir kennen ja alle möglichen Leute, wo du sagst, das ist ja ganz skurril. Dieses Panoptikum, wenn so zehn, zwanzig Leute zusammensitzen. Gerhard Polt sagt immer: "Es ist eigentlich ein Verbrechen, wenn jemand keinen Versicherungsvertreter kennt." Die Leute kapieren oft ganze Zusammenhänge nicht, wenn die immer in ihren Kreisen bleiben.

Henni: Aber es gibt ja genug Leute, die's auf die Reihe kriegen.

ruprecht: Habt Ihr schon mal Streit mit anderen Künstlern gehabt, ich denke zum Beispiel jetzt an diese Geschichte mit Stefan Raab und dem Moses P. Peter Maffay kam jetzt mal vor...

Gerd: Der wird sich wahrscheinlich drüber aufregen, weil er sich über alles aufregt. Also, das ist einer, wahrscheinlich der Humorloseste von allen. Ja gut, wir lassen uns auch nicht auf solche Geschichten ein, daß wir jetzt so die extremen Namensgeschichten machen.

Das wär was anderes, wenn wir jetzt so was Tägliches machen würden. So wie Schmidt oder so. Aber wir spielen ja auch länger so'n Programm, da werden Sachen auch schnell altbacken.

ruprecht: Was findet Ihr komisch außer Badesalz? Könnt Ihr über Eure Sachen auch nach längerer Zeit noch lachen?

Henni: Wenn wir eine Platte schreiben gibt's Momente, wo wir uns gegenüber sitzen, wo's viel zu lachen gibt. In dem Moment, wo wir's aufgenommen haben vielleicht auch nochmal, aber dann ist das eigentlich relativ bald gegessen. Ich kann über 'ne Menge Sachen lachen...

ruprecht:

Auch über irgendwelche bestimmten Komiker oder Filme?

Henni: Harald Schmidt ist zum Beispiel im Moment so 'n Favorit von uns, das gucken wir beide extrem gern. Diesen Standup-Teil, also so die erste halbe Stunde, halte ich im Moment so im Komik-Bereich für das Beste. Der macht das einfach aus seiner Sendung heraus, das bewundern wir beide total. Darüber kann ich zum Beispiel herzhaft lachen. Es gibt 'ne Menge Leute. Wir waren vor 'n paar Jahren auf der Helge-Schneider-Tour. Da haben wir auch unter 'm Stuhl gelegen. Wir können auch durch die Fußgängerzone in Heidelberg laufen und da gibt's viel zu lachen, viele skurrile Figuren. Es ist immer schwer, seinen eigenen Humor so zu definieren...

ruprecht: Gibt es irgendwas, weswegen Ihr gradverücktwern könntet?

Henni: Dieses Gesicht vom Lafontaine unter der Cyberspace-Maske, das ist zum Beispiel was, wo ich heute morgen grad verrücktwern konnte. Der ist auf 'ner Messe und hat so eine Cyberspace-Maske auf. Ich ertrag den irgendwie schlecht.

ruprecht: Was habt Ihr tagsüber in Heidelberg gemacht?

Henni: Lange gefrühstückt, im Hörnchen. Und Schallplatten geguckt, Zeitungen gekauft... Es ist schön, es ist 'ne gute Atmosphäre.

ruprecht: Habt Ihr irgendeine Meinung zu Studiengebühren?

Henni: Da kenn ich mich nicht aus.

Gerd: (lacht) Ich glaub, das gibt's ja wohl eigentlich net, ne.

Henni: Tut mir leid, da muß ich jetzt leider passen.

ruprecht: Was habt Ihr als nächstes geplant?

Gerd: Es gibt verschiedene Projekte, die so in der Schwebe sind...

Henni: Es gibt einen Kurzfilm und die Platte. Das sind die beiden Sachen, die ganz konkret geplant sind. Anfang Juli drehen wir den Film. Das ist so 'n Liebhaberprojekt, wo's erstmal gar nicht so um eine kommerzielle Geschichte geht. Der Kurzfilm ist eine Form, die auf uns total zugeschnitten ist, weil wir sowieso immer in kurzen Episoden erzählen. Danach machen wir die nächste Platte, die kommt konkret im Oktober raus. Da ziehen wir uns dann zurück und schreiben. Die Ideen, die im Laufe des Jahres aufgekritzelt wurden, werden weitergesponnen.

Henni: Und das Back For Good, unsere letzte Zugabe, das kommt als Liveversion ungefähr in einer Woche als Vorab-Single. Wir fanden 's mal ganz gutgerade als Gegenstück zu der ganzen überladenen Musik, die man hört. Das gefällt uns, daß man nur dieses Kladderading hört und den Gesang.

ruprecht: Wir danken Euch für das Gespräch. (te,kh)


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