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Allerhand


Leserbriefe

zum Interview "Aus für Freud?" mit Publizist Ludger Lütkehaus, ruprecht 47

Wer, wie Ludger Lütkehaus, Freud und seiner Psychoanalyse Antiquiertheit vorwirft, wenn auch nur in der harmlosen Form eines Verdachts, der fällt dieser selbst anheim. Denn es ist eine Binsenweisheit, daß wissenschaftliche Entwürfe sich ständig aufgrund ihrer sowohl theoretischen als auch inhaltlichen Weiterverarbeitung im Wandel befinden. Solange die Tiefe, die die Theorie selbst zeigt, nicht ausgelotet ist, gerät Kritik schnell zum bloßen Abschaffungspostulat. (...) Sicherlich traf Freud höchst problematische Zuordnungen zwischen subjektiven Erfahrungen und den als objektiv vorgestellten Energieabläufen, als er die aus der Praxis eines therapeutischen Interaktionsprozesses entwickelten Kategorien in ein Energieverteilungsmodell übertrug. Solch ein methodologischer Irrweg läßt sich aber als fruchtbarer Irrtum (Lorenzer) lesen. (...) Wer Freuds Triebkonzept als "hangover" des 19. Jahrhunderts behandelt, bleibt bei der vulgären Triebtheorie einer Dampfkesselfunktion stehen.

Bemerkenswert ist, daß Ludger Lütkehaus in seinem Interview nicht dem Trend subjektivistischer Erklärungsansätze, die allgemein als Reaktion auf einen überspitzten Objektivismus gesehen werden können, zu folgen scheint. Er entdeckt als Forschungsobjekt "das Innenleben der Dinge". Während er hier aber lediglich auf der Ebene sozialintegrativer Prozesse verbleibt, die das Individuum normativ einbinden, wird dem Interessierten vorenthalten, was denn eigentlich das Wesen des "Innenlebens der Dinge" ist. Er vermeidet zu benennen, was es erklären könnte, nämlich Marxens Entdeckung des Doppelcharakters der Ware. Sie stellt das Einfallstor jenes Bereiches dar, in dem der Wirkzusammenhang von Warenstruktur und handelndem Subjekt analysierbar wird. Hier ist die allgemeine Fetischisierung der Warengesellschaft, also jener Fetischcharakter der Ware - als subjektives Verhaltensbewußtsein - zu nennen, dessen objektive Ursache in der ökonomischen Struktur verankert ist und jenes notwendig falsche Bewußtsein produziert, das die subjektive Sicht in objektive Verhältnisse versperrt.

Lütkehaus schüttet schließlich das Kind mit dem Bade aus, wenn er, getreu dem Motto: Brauchen wir den Menschen noch?, eine "Antiquierungsgefahr des Menschen" heraufbeschwört, ja die Humanwissenschaft unter "Antiquierungsverdacht" stellt, weil er im Zuge der Entwicklung heute, "an die Stelle des Subjekts Mensch mehr und mehr die Dinge treten" sieht. Wissenschaft veraltet nicht, wenn ihr Forschungsgegenstand gegen Kritik immun zu sein scheint. Es gilt vielmehr die Analyse und Kritik der objektiven Verhältnisse selbst dergestalt fortzusetzen, so daß das Subjekt im Sinne der Verwirklichung des Humanums wieder zur Geltung kommt. Alles andere ist Zynismus.

Dr. Klaus Irmer, Frankfurt a.M.

zum Artikel "Flaues Gefühl bei schmucker Elite - Symposium über Ausbildung", ruprecht 47

Man kann nur hoffen, daß der Artikel versehentlich auf die falsche Seite gerutscht ist und normalerweise unter der Rubrik "kleiner Scherz am Rande" aufgetaucht wäre. Ansonsten ist es völlig unverständlich, wieso in einer Studentenzeitung ein anti-elitärer Artikel erscheinen kann. Dem Blatt, das mehr Wert darauf legt, Studenten die Möglichkeit zu geben, ihre unüberlegte Meinung zu verbreiten, anstatt sich um ein journalistisches Gesamtkonzept zu bemühen, scheint entgangen zu sein, daß die Elite, die es für das Übel unserer hoch entwickelten und technisierten Gesellschaft hält, notwendige Voraussetzung für diese ist. Der politische, gesellschaftliche, wirtschaftliche, kulturelle und persönliche Standard, den jeder in unserer Gesellschaft genießt, wäre ohne die entsprechende Elite gar nicht möglich. Ohne sie wäre auch eine Entwicklung unvorstellbar und wir alle würden ein geregeltes Dasein als Selbstversorger führen. Dem Autor mag die Aussicht, eine Jäger- oder Sammler-Existenz zu fahren, vielleicht romantisch erscheinen, aber jeder, der schon einmal in den Genuß einer Blinddarmoperation oder einer Altantiküberquerung im modernen Großraumflugzeug gekommen ist, sollte seine unüberlegte Anti-Haltung (auch wenn sie gerade sehr 'in' ist) vielleicht noch mal überdenken. (...)

Unser gesellschaftliches Prinzip beruht auf Arbeitsteilung. Jeder macht oder versucht das zu machen, wozu er fähig ist. Für uns heißt das, jeder ist auf jeden angewiesen. Wir auf die Elite, genauso wie die Elite auf uns. Eine Gesellschaft kann deshalb genausowenig nur aus Elite bestehen wie aus Durchschnitt. Auffällig daran ist, daß die Menschen, die wir als Elite bezeichnen, dies zu verstanden haben scheinen, aber leider nicht umgekehrt. (...)

Wenn also unbedingt eine völlig überflüssige Eliten-Diskussion stattfinden soll, dann doch bitte über die Frage, warum der Begriff Elite selbst unter Studenten immer noch ein Tabu ist und die nötige Förderung, die Begabte erhalten müssen, in Deutschland - ganz im Gegensatz zum Rest der Welt - verpönt ist!

Dieter Kurtze

Heidelberg


Termine

Tragische Opfer

[Plakat an die deutschen Mütter]

Vom 19. Juni bis 9. Juli 1997 zeigt die Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte die Ausstellung "Deutsche Jüdische Soldaten - Von der Epoche der Emanzipation bis zum Zeitalter der Weltkriege", die vom militärgeschichtlichen Forschungsamt in Potsdam erarbeitet wurde. Sie zeigt einen Ausschnitt jüdischen Lebens in Deutschland, der immer von den beiden Gegensätzen Patriotismus und Antisemitismus gekennzeichnet war. Eine besondere Tragik liegt darin, daß gerade die Opferbereitschaft für Deutschland, die Deutsche jüdischen Glaubens im Ersten Weltkrieg gezeigt hatten, viele Juden zunächst nicht an die tödliche Konsequenz der Verfolgung durch die Nazis glauben ließ.

Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte, Pfaffengasse 18. Geöffnet täglich, außer montags, von 10.00 bis 18.00 Uhr, donnerstags bis 20.00 Uhr. Eintritt frei.

Diverses

2.-20. Juni: 5. Heidelberger Poetikdozentur - Brigitte Kronauer (Seminare, Vorträge, Lesung), Info: Germanistisches Seminar, Tel. 543230 (Di. und Mi. 11-13 Uhr)

3. Juni: Informationsveranstaltung für Staatsexamenskandidat(inn)en um 19 Uhr im Hörsaal 8, Neue Uni.

6. Juni: Autorenlesung von Daniel Chavarría (Havanna) aus "Die Wunderdroge" (ein lateinamerikanischer Politthriller), 20 Uhr, Buchhandlung Himmelheber.

9. Juni: Prof. Dr. Peter Ulmer, "Ich rechne ab", 15 Uhr, INF 684 (Klausenpfad-Aula). Im einzig öffentlich tagenden Uni-Gremium legt der Rektor vor seinen Kollegen und Untergebenen seinen Rechenschaftsbericht ab. Erlebt, wie sie dabei umgehen. Spontane Publikumseinlagen sind, wie Nachfolger Jürgen Siebke bei der letzten Versammlung erleben mußte, möglich, aber nicht für alle erheiternd.

13. Juni: Frauentag am Psychologischen Institut, 9-18 Uhr - nicht nur für Frauen. (siehe S. 2)

15. Juni: Projekttag Altertumswissenschaften.

17. Juni: Uniwahlen (siehe S. 2).

18.-23. Juni: Aktionswoche - Agitation von Fete bis Hochschulkritik.

Bis jetzt haben einige Fachschaften, ein paar FSK-Referate und -Arbeitskreise, die Jusos, das Aktionsbündnis "Zahltag", "Appel un' Ei", die Fahrradwerkstatt "URRmEL" und die KSG Aktivitäten angekündigt.

Koordinationstreffen: dienstags 18 Uhr bei der FSK, Lauerstr.1.

Immer erreichbar, ob im Juni oder in einem anderen Monat: Nightline - Studierende helfen Studierenden, Telefon 184708, montags, mittwochs, freitags 21-2 Uhr.


Personals

Harald? Schön, daß du bei uns mitmachen willst. Haben wir deine Telephonnummer schon? - Red.

Felix! Ich schließ' mich Ugo an: Willkommen, Sonnenstrahl. - Gunni.

Gundula! Des Bild bleibt so! - papa.

A.! Tut mir leid. - B.

Bernd! "Kuchen gegessen" habt ihr, hm? Im Park? Respekt, Mann! - The Greek Team.

bpe! Wieso bestellst du immer zwei Studententeller? - papa.

papa! Weil es von mir erwartet wird. - bpe.

SweetShoulders! When the heavens thy substance did engender / 'Twas meant to be devoured, and in plenty spent. - bpe.

Steffi! Sista moon will be ah guide. - papa.


Impressum

ruprecht, die Heidelberger Student(inn)en Zeitung, erscheint drei Mal im Semester, jeweils Anfang Mai, Juni, und Juli, bzw. November, Dezember und Februar. Die Redaktion versteht ruprecht als unabhängiges Organ, das keiner Gruppierung oder Weltanschauung verpflichtet ist. MitarbeiterInnen und RedakteurInnen sind willkommen; die Redaktion trifft sich während des Semesters jeden Montag um 20 Uhr im Haus der Fachschaften in der Lauerstr. 1, 3. Stock. Für namentlich gekennzeichnete Artikel übernimmt der/die AutorIn die Verantwortung.

V.i.S.d.P.: Gundula Zilm, Schiffgasse 9, 69117 Heidelberg

Redaktionsadresse: ruprecht, Lauerstr.1, 69117 Heidelberg, Tel./Fax 06221/542458

E-Mail: ruprecht@urz.uni-heidelberg.de

Graphiken: jr, bw, papa

Druck: Caro-Druck, Frankfurt

Auflage: 12.000

Die Redaktion: Julia Bonstein (jb), Helge Cramer (hpc; Ressort Anzeigenakquisition), Hedwig Ebinger (hee), Bertram Eisenhauer (bpe), Thilo Elsässer (te), Katharina Hausmann (kh), Jörg Heyd (jh), Jochen Maul (jm), Gabriel Neumann (gan), Harald Nikolaus (hn; Hochschule), Patrick Palmer (papa; Fotos), Jannis Radeleff (jr; Anzeigenlayout), Robert Thielike (rot), Claudia Wente (cw), Felix Wiesler (fw; Kultur), Bernd Wilhelm (bw), Gundula Zilm (gz)

Freie Mitarbeiter(innen): Carina Börries (cab), Kerstin Henke (ke), Andreas Hüske (ah), Lena Kempmann (lk), Danilo Suntal, Holger Traupe (hot), Melanie Ziegler (mz)

Red.-Schluß für Nr. 49: 27.06.1997

ISSN: 0947-9570

ruprecht im Internet: http://www.uni-heidelberg.de/stud/presse/ruprecht/


Nebenbei...

Plakate haben eine kurze Lebenserwartung: Kaum sind sie aufgeklebt, werden sie schon brutal abgerissen. So auch die Plakate für die ruprecht-Fete: Kaum bin ich um die Ecke gegangen, um das nächste Plakat zu befestigen, ist das vorige verschwunden. Sisyphos läßt grüßen. Wer macht so was bloß? Nun, wenn an denselben Stellen, wo vorhin noch unsere Plakate hingen, plötzlich welche hängen, die für die Soziologen-Fete werben, drängt sich ein Verdacht auf. Und tatsächlich begegnen mir zwei Soziologen, die ein zerknülltes ruprecht-Plakat in den Händen halten. Sie schauen mich schuldbewußt an. Wir hätten ja damit angefangen, ihre Plakate abzureißen, behaupten sie. Ich gebe das Kompliment zurück, aber was soll's? Ob nun das Huhn oder das Ei... - wir einigen uns auf Waffenstillstand: Sie lassen die Finger von unseren und wir von ihren. Als dann immer noch ruprecht-Plakate in der Mensa verschwinden, erklärt mir eine Angestellte, ich bräuchte nichts aufzuhängen, da sie es sowieso wieder abreiße. "Da brauche Se ä schriftlische Genehmigung!", weiß sie. Alles Verhandeln nützt nichts - auch auf die Frage, wen das denn störe, wenn das Plakat bis heute abend hängenbleibe, fällt ihr nichts ein als "schriftlische Genehmigung!" Wenn ich mir ihr Gesicht ansehe, wird mir klar, daß sie mir ohne schriftlische Genehmigung nicht mal die Uhrzeit sagen würde. Ich sollte sie besser nicht überfordern. Beim nächsten Plakat erwischt mich ihre Kollegin, doch die erweist sich als kooperativer. Sie müsse leider alle Plakate abreißen, weil sie sonst von ihrem Chef auf den Deckel bekomme. Aber "mittags kannst Du die aufhängen, das geht". Na, das ist doch ein Angebot. Auf meine Frage, ob sie nichts Wichtigeres zu tun habe, folgt die nächste Belehrung: "Des isch verbode!" Waren wir nicht schon mal so weit? Und es grüßt wieder Sisyphos... (ah)


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