ruprecht Nr. 53 vom 11.5.98 in einer Datei


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Uni stopft Löcher

Zusätzliche Gelder für die Lehre - ein Erfolg des Streiks?

Sang- und klanglos hat sich der Streik verabschiedet. Nur noch müde 40 Leute schafften den Weg zur letzten Vollversammlung am 30. April, mit den Streikforderungen befassen sich lediglich noch einige tapfere Arbeitskreise. Der Aufschrei der Studis blieb scheinbar unbeantwortet. Doch es tut sich mehr, als man denkt: Am 12. März wurden vom Verwaltungsrat der Universität zusätzliche Gelder zur Unterstützung der Lehre bewilligt. Vorgesehen sind 390.000 DM jährlich über einen Zeitraum von drei Jahren, beginnend mit dem laufenden Sommersemester.

Das Geld stammt aus dem "Sparbuch" der Universität. Die hier zurückgelegten Mittel werden aus vorübergehend unbesetzten Stellen geschöpft und stehen für Sachinvestitionen, Aushilfskräfte oder Lehraufträge zur Verfügung. Die insgesamt 1,2 Millionen DM, die davon jetzt in die Lehre investiert werden, sind für Hilfskräfte, Lehraufträge und Sachmittel vorgesehen. Das Geld wird nach einer Prioritätenliste des Rektorats den einzelnen Fakultäten semesterweise zugewiesen. Unterstützt werden vor allem die geisteswissenschaftlichen Institute mit hohen Studentenzahlen .

"Der Rektor hat die Lehre zu seiner Top-Angelegenheit gemacht", erklärt Dr. Michael Schwarz, Pressesprecher der Universität, "er setzt andere Schwerpunkte als seine Vorgänger". Rektorat und Verwaltungsrat reagierten nach eigenen Angaben mit der Verteilung der Mittel auf die Studentenproteste im Herbst. Rektor Jürgen Siebke steht jedoch nur teilweise hinter den Forderungen der Studis, vor allem dort, wo materielle Mängel existieren, die die Studienzeiten verlängern könnten. Mit anderen Zielen und den Formen des Protests war er größtenteils nicht einverstanden. So hält sich in den Reihen der FSK auch die Begeisterung über das zusätzliche Geld in Grenzen. "Man muß es schon loben, aber von einem Erfolg der Proteste kann man nicht reden, weil auf viel wichtigere Forderungen wie Studienreformen oder studentische Mitbestimmung gar keine Reaktion kam", meint Kirsten Heike Pistel, Sprecherin der Fachschaftskonferenz. "Solche qualitativen Veränderungen wären dringend nötig". Außerdem hätten die Gelder ihrer Ansicht nach sinnvoller verteilt werden können, wenn neben den Dekanen auch die Studierenden in die Gespräche einbezogen worden wären. So sollen die 14.100 DM, die die FSK pro Semester erhält, für die Internetseite verwendet werden, obwohl Gelder für Tutorien dringlicher gewesen wären.

"Warum fragt Siebke bei der Verteilung der Mittel nicht alle? Warum nimmt er sich nicht mehr Zeit und beteiligt die Studienkommissionen?", fragt sich Kirsten Pistel.

Die Geldspritze macht sich nur teilweise bemerkbar, da sie in den wenigsten Fällen das Angebot der Institute erweitern kann. Vielmehr ermöglicht sie das Fortsbestehen bereits existierender Einrichtungen. So konnten die Bibliotheksöffnungszeiten einiger großer Institute in der Altstadt wieder auf ehemalige Standardzeiten verlängert werden: Die Seminare für Germanistik, Übersetzen und Dolmetschen, Anglistik, Romanistik, Kunstgeschichte sowie Psychologie erhalten pro Semester 31.000 DM mehr für studentisches Aufsichtspersonal.

Bei den Politologen soll die Überfüllung der Seminare eingedämmt werden; sie erhalten 50.000 DM für studentische Hilfskräfte. Dem Historischen Seminar wurden 30.000 DM pro Semester zugeteilt, vorgesehen sind mehr Tutorien für die Anfängerproseminare. Den Juristen stehen zusätzliche 50.000 DM für Hiwis zur Korrektur in den Klausurkursen zur Verfügung. Geld für studentische Hilfskräfte in geringerer Höhe erhalten das Kunsthistorische Institut, die Anglistik, Romanistik, Soziologie, Ethnologie sowie das ISSW. An anderen Instituten sind die Mittel für Lehraufträge bestimmt. So soll im Institut für Deutsch als Fremdsprache der Überfüllung in den sprachpraktischen Übungen Abhilfe geleistet werden, die Fakultät für Orientalistik und Altertumswissenschaften bietet zusätzliche Latinumskurse an. Ebenso soll die kritische Finanzlage des Zentralen Sprachlabors entspannt werden. Weniger in das Programm einbezogen sind die naturwissenschaftlichen Institute, die Fakultäten für Mathematik, Biologie und Geowissenschaften erhalten je 16.500 DM für ungeprüfte Hiwis.

"Mit dem Geld können schon einige Löcher gestopft werden, das ist zu begrüßen", sagt Professor Wilhelm Kühlmann, Dekan der Neuphilologischen Fakultät. "Unerträglich" sei jedoch weiterhin die Situation im Zentralen Sprachlabor. Hier fehlen nach wie vor 10.000 DM, so daß ca. 600 Studenten nicht aufgenommen werden können, selbst dann nicht, wenn sie an internationalen Studienprogrammen teilnehmen möchten. Auch die Kursgebühren können da keine Abhilfe leisten.

In der Kunstgeschichte werden immerhin die katastrophalen Zustände der letzten Semester beseitigt: Die Bibliothek ist wieder bis 20 Uhr geöffnet. Noch Anfang des Jahres bestanden Zweifel, ob die Tutorien zu den Propädeutika des reformierten Grundstudiums - die mehrfach prämiert worden sind - weitergeführt werden können. Das KHI hatte monatelang immer wieder über Mißstände und Mängel berichtet. Kritisch sieht man, daß die zusätzlichen Mittel für die Zukunft nicht wirklich gesichert sind. Renate Köchling-Dietrich, Dozentin am KHI, kritisiert außerdem die Vorgehensweise bei der Mittelvergabe: "Auf die Bedürfnisse wird nicht wirklich eingegangen." Allein für die Diaproduktion und -projektion seien viele Hilfskräfte nötig: "Die Etats müssen neu überprüft werden."

In den Naturwissenschaften ist die Lage nach Ansicht von Professor Mark Stitt, Dekan der Biologischen Fakultät, besser als in den Geisteswissenschaften. Die chronische Überfüllung der Seminare sei weniger gravierend, das Studenten-Dozenten-Verhältnis günstiger. "Das unmittelbare und größte Problem der Universität liegt nicht bei den Naturwissenschaften", meint Stitt, deswegen habe er sich bei der Antragstellung für die Gelder bewußt zurückgehalten. Das Problem in den Naturwissenschaften sei, so Kirsten Heike Pistel, daß die benötigten Summen so groß seien, daß sie mit den Geldern aus dem Sparbuch gar nicht behoben werden könnten.

Guter Wille und die Rücklagen der Uni stopfen für den Moment die gröbsten Löcher in der Lehre. Eine dauerhafte Lösung kann die Finanzierung aus Kleckergeldern allerdings nicht sein. (kh, cw)


Inhalt

Was gibts?

Wer gewinnt?

Zwei Profs streiten: Wer hat das Recht auf die begehrte "Prinzhorn-Sammlung"?

Werbewirksam?
Das Autonome Zentrum plant die Störung des "Schmusewahlkampfs" von Beate Weber.

Wertvoll
Konstruktivisten streiten über das, was wir Wirklichkeit nennen.

Werdende Studis

die kleinen Racker von studentischen Eltern also, haben endlich einen Platz gefunden.

Wer ist Wer ?

Der neue Direktor des Heidelberger Zoos steht vor einer schwierigen Aufgabe.

Wertschätzung

Suum cuique - Richard von Weizsäcker bekommt im Rahmen des Altphilologenkongresses den Humanismuspreis verliehen.

Wertsteigerung

Das kleine Unterwegs-Theater profitiert vom Bau des riesigen Multiplex-Kinos.

Werbelawine

Locker-flockige Hochschulmagazine vor der Mensa.

Wertvoll

...aber geschmacklos: die letzte Seite. Diesmal: Traumjobs, Fernsehfreuden und das Horoskop.


Unsinn im Sinn?

Prüfungsordnung für das Lehramt stößt auf Widerspruch

Die Landesregierung Baden-Württembergs will eine neue Prüfungsordnung für das Staatsexamen Lehramt erlassen, die bereits ab dem Wintersemester dieses Jahres gelten soll. Die wichtigste Neuerung ist ein Schulpraxis-Semester, das direkt nach der Zwischenprüfung abgeleistet werden soll. Die Zeit des Praktikums wird dann mit dem Referendariat verrechnet. Weiterhin ist eine Erweiterung des pädagogischen Begleitstudiums von bislang vier auf dann zwölf Semester-Wochenstunden vorgesehen, die nach dem Praktikum zu absolvieren sein werden. An den Universitäten und speziell bei den Erziehungswissenschaftlern macht sich ob dieser Ankündigung Unmut breit. Dies zum einen, weil das zuständige Ministerium zwar seit Jahren mit entsprechenden Gremien der Hochschulen in Kontakt steht, die geplanten Änderungen die Empfehlungen der Gremien aber nicht berücksichtigen. Sie wirken in vielen Punkten sogar den Forderungen entgegen. Zum anderen bestehen zahlreiche Bedenken gegen die Durchführbarkeit der geplanten Verordnungen. Die Erziehungswissenschaft beispielsweise müßte bei gleichem Personalstand mit erheblich mehr Studierenden rechnen, die zusätzliche Seminare und Leistungsnachweise nachfragen werden. In Heidelberg ist aber wegen der schon jetzt überfüllten Seminare seit diesem Semester die Teilnehmerzahl auf 30 bis 40 Personen pro Veranstaltung reduziert worden. Dr. Zimmermann vom hiesigen Seminar für Erziehungswissenschaft rechnet mit langen Wartelisten und hofft darauf, daß zusätzliche Stellen zur Durchführung von Seminaren für Lehramtsstudenten geschaffen werden. Gleichzeitig sieht er in den zu erwartenden Änderungen mehr den Sparwillen der Regierung denn eine sinnvolle Umgestaltung des Lehramtsstudienganges. Das zeige schon die Anlage des Praxissemesters, das weder vorbereitet noch von der Uni aus betreut werde, und somit eher zum Abschrecken und Ausfiltern tauge.

Für die Überprüfung des eigenen Berufswunsches hält Zimmermann das Praxissemester für ungeeignet: "Das sind Erleichterungsmaßnahmen für die Selektion, und nicht Methoden zur Professionalisierung."

Aber auch in den Fachinstituten ist man unzufrieden. Das Praxissemester könnte in einigen Fächern zu unerwünschten Einflüssen auf das Studium führen. Genannt werden hier Veranstaltungen, die über mehrere Semester laufen. Das wäre gerade dann störend, wenn Kurse aufeinander aufbauen und nicht in jedem Semester angeboten werden können. Zudem gilt es als sicher, daß die Fachwissenschaften keine Abstriche zugunsten der zusätzlichen pädagogischen Veranstaltungen machen werden. Hier wird wohl einmal mehr der Student das Nachsehen haben, denn bereits jetzt steht fest, daß die Regelstudienzeiten nicht angepaßt werden, also mehr Leistungsnachweise in gleicher Zeit erbracht werden müssen.

Das Rektorat hat zu diesen Fragen eine Kommission einberufen; es ist ein offenes Geheimnis, daß auch in diesem Gremium zahlreiche Einwände gegen die Neuregelung bestehen.

In einem von Rektor Siebke unterzeichneten Schreiben an die betroffenen Seminare wird sogar offen ausgesprochen, daß durch ein Praxis-Semester vor allen Dingen die Staatskasse entlastet werde. Denn im Gegensatz zu Referendaren müßten Studenten im Praktikum schließlich nicht bezahlt werden.

Trotzdem ist nicht zu erwarten, daß der Erlaß auf dem Wege der Anhörung noch gestoppt wird. Kirsten Pistel von der FSK hält die noch anstehenden Anhörungen für eine Farce. Schließlich seien die Empfehlungen der Unis und speziell der Pädagogen in den Wind geschlagen worden, da könne man kaum Veränderungen auf dem Wege einer Anhörung erwarten. Obwohl sie dem Schreiben des Rektors weitläufig zustimmt, übt sie deutlich Kritik an Rektor Siebke: "In Fragen der Studiengebühren werden Gespräche mit dem Ministerium geführt, aber für die Belange der Lehramtsstudierenden stellt sich niemand auf die Hinterbeine".

(papa)

Kommentar


Ey

Glosse

Wir alle kennen die Situation. Ein angenehm warmer Frühlingstag, die Sonne strahlt vom unternehmungslustigen Nachmittagshimmel, und wir haben ein Rendez-vous. Stellt sich die Frage: Wohin mit der angebeteten Person? Lauschig muß es sein, und doch gesprächsanregend, schließlich kennt man sich noch nicht lange. Café? Zu altmodisch. Kino? Zu abgedroschen. Kneipe? Zu früh am Tag. Hier mein ultimativer Tip: Entführt Eure(n) Angebetete(n) in die phantastische Welt eines Neubaugebietes!

Hier könnt Ihr, umgeben vom rauhen Charme frisch angelegter Öko-Vorgärten, zwischen fertigen Gauben und halbfertigen Giebelchen gemächlich schlendern, vorbei an hüfthohen Ziermäuerchen mit Terracottaverkleidung und kreativ bemalten Briefkästen. Die zahllosen Variationen des Menschheitstraums vom Traumhaus bieten willkommene Anlässe für fröhlich plätschernde Dialoge:

"Guck mal, der komische grüne Erker da drüben! Wer läßt sich denn sowas einfallen?" - "Ja, aber dort die Terasse im Hacienda-Stil find ich eigentlich sehr gelungen."

Hämischer Spott, begründeter Tadel, aber auch kopfnickende Anerkennung angesichts der schrillsten architektonischen Neuerungen können ganz leger, sozusagen en passant, geäußert werden und schaffen eine entspannte Atmosphäre. Ganz nebenbei erfährt man viel über den Gesprächspartner selbst - nach dem Motto: Sag mir, welches Haus Du liebst, und ich sage Dir, wer Du bist.

Wenn wir ehrlich sind, wären wir doch alle gern Architekt geworden. Leider fehlte es uns immer ein bißchen am, räusper-räusper, mathematisch-technischen Verständnis. Aber dafür gibt es ja Computer, nicht wahr? Und WIR hätten bestimmt nicht so einen futuristischen Klotz, so eine verunglückte Biosphere-2, auf die Wiese da hinten gepappt. Denn um als gelegentlicher Baukritiker hier zu lustwandeln, muß man zum Glück nicht Architektur studiert haben. Und eins können sich die Herren Architekten getrost ins Stammbuch notieren: Ein paar hingeschnuddelte Giebel machen noch kein innovatives Konzept! Fand meine Verabredung übrigens auch. (kw)


Zahlen des Monats

Absturz

BAföG-Entwicklung in Deutschland
vom WS 95/96 zum WS 96/97

Rückgang der BAföG-Anträge
10 %

Rückgang der Zahl der Geförderten
18 %
Rückgang der Förderungsmittel22 S.
13 %

Quelle: Deutsches Studentenwerk


Meinung


point&counterpoint

Soll die "Prinzhornsammlung" in Heidelberg verbleiben?

Die "Prinzhorn-Sammlung" ist eine einzigartige Kollektion von über 5000 Kunstwerken geistig Behinderter, die in Heidelberg gesammelt wurde. Die Universität Heidelberg will für die Bilder in der Voßstraße ein Museum einrichten. Allerdings meldet der Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener (BPE) ebenfalls Ansprüche an: dieser plant, in Berlin ein Museum "Haus des Eigensinns" mit Exponaten der Kollektion aufzubauen.

"Nein"

Prof. Dr. Peter Raue
Freundeskreis des Museums "Haus des Eigensinns"

Die Verantwortung für die "Prinzhornsammlung" soll nicht bei der Universität Heidelberg liegen. Die Sammlung gehört in die Hände des Bundesverbandes Psychiatrie-Erfahrener e.V. (BPE), der angekündigt hat, die Sammlung einem eigens hierfür in Berlin errichteten Museum zur Verfügung zu stellen, das zugleich als Mahnmal für die vom Nationalsozialismus unter dem Stichwort "Euthanasie" begangenen Verbrechen dienen wird.

Erstens: Weder die Universität Heidelberg noch das Land Baden-Württemberg sind Eigentümer der Werke der "Prinzhornsammlung". Sämtliche Werke waren Eigentum ihrer Schöpfer, konnten aber von diesen wegen fehlender Geschäftsfähigkeit oder Entmündigung nicht rechtsgeschäftlich übereignet werden. Dies war den Ärzten, die sich die Bilder aushändigen ließen, bekannt. Weil die Ärzte der Uni Heidelberg somit bei Besitzbegründung bösgläubig waren, konnte auch kein späterer Eigentumserwerb durch Ersitzung stattfinden. Eigentümer der Sammlung sind deshalb die Erben der Künstler bzw. - wenn solche fehlen - die Bundesländer, in denen die Künstler zum Zeitpunkt ihres Todes gelebt haben.

Zweitens und wichtiger: Der BPE ist, wie H. Friedlander formuliert hat, die "legitime Stimme der Psychiatriepatienten in allen sie betreffenden Fragen". Dies gilt auch für die "Prinzhornsammlung", weil die Künstler, die die Werke dieser Sammlung hergestellt haben, Psychiatriepatienten waren und niemand anderes für sie gesprochen hat und sprechen kann. Gerade die Psychiatriepatienten gehören indes zu den Opfern des NS. So wie Opfer jüdischen Glaubens durch kollektive Interessenvertretungen ihre Stimme für die Opfer erheben können, muß dies auch für den BPE gelten. So wie die Jewish Claims Conference vermögensrechtliche Ansprüche für erbenlose jüdische Opfer im eigenen Namen geltend machen kann, so muß auch der BPE einen legitimen Anspruch auf Werke von Psychatriepatienten erheben können.

Drittens: Bei der Beurteilung des "Standortes" Heidelberg für die Aufbewahrung der Werke ist auch zu bedenken, daß die Psychiatrisch-Neurologische Fakultät der Universität mit ihrem Protagonisten Carl Schneider eine herausragende Rolle bei der Konzeption und Durchführung des Euthanasieprogramms gespielt hat. Es kommt nicht darauf an, ob der Universität nach 1945 eine überzeugende Aufarbeitung der seinerzeit begangenen Greueltaten gelungen ist. Entscheidend ist, daß die Betroffenen, deren Erben und deren "Leidensgenossen" eine Ausstellung der Werke an diesem Ort des Schreckens nicht wünschen. Dies sollten Baden-Württemberg und die Universität respektieren.

Viertens: Der Alleinbesitz- und -vertretungsanspruch der Universität demütigt die Betroffenen. Die Würde der heutigen Opfervertreter wird verletzt, weil sie keinerlei Mitspracherecht bei der Verwendung der Sammlung haben sollen und man sie mit absurden Argumenten abspeist, wonach die Sammlung Teil der "Patientenunterlagen" der psychiatrischen Fakultät sein soll.

Fünftens: Als Kunst der Opfer hat die Sammlung Anspruch auf einen authentischen Platz der Ausstellung und des Gedenkens. Das geplante Museum in Berlin bietet hierzu nicht nur eine erheblich größere Fläche, sondern ermöglicht zugleich eine parallele Ausstellung zum Gedenken an die Euthanasieopfer. Damit entsteht erst der Raum für den Menschen, der als Künstler und Opfer wahrnehmbar gemacht werden muß, um die Dimension des Versagens menschlicher und ärztlicher Ethik und des Wertes und des Leides der Betroffenen während der Nazi-Herrschaft deutlich zu machen. Dies kann nicht durch die Uni Heidelberg geschehen, sondern nur in einem von den Vertretern der Betroffenen geschaffenen Ort.

Die Sammlung sollte der Universität Heidelberg nicht dazu dienen, mit der Vergangenheit überzeugender abzurechnen, sondern dazu, die Würde der Künstler und Patienten wiederherzustellen.

"Ja"

Prof. Dr. Wolfgang U. Eckart
Direktor des Instituts für Geschichte der Medizin, Heidelberg

Soll die "Prinzhorn-Sammlung" in Heidelberg verbleiben? Diese Frage wird heftig diskutiert und sie darf mit einem überzeugten "Ja" beantwortet werden. Die einzigartige Sammlung von Bildern, Skulpturen und Texten aus psychiatrischen Anstalten der ersten zwei Jahrzehnte unseres Jahrhunderts ist zwischen 1919 und 1921 in Heidelberg zusammengetragen, gepflegt und erschlossen worden. Sie befindet sich in Landesbesitz und wird in Heidelberg im Hörsaal der alten Neurologie einen würdigen Ort der Aufbewahrung, Bearbeitung und Präsentation erhalten.

Die Gegner einer solchen Unterbringung halten nun dagegen, daß die Universität Heidelberg keine würdige Pflegestätte der "Prinzhorn-Sammlung" sei, weil der "biologistische Ansatz" Prinzhorns "in den Taten des Nachfolgers von Herrn Professor Wilmanns, Herrn Professor Carl Schneider", seine Vollendung gefunden habe. Auch stehe der geplante Aufbewahrungsort im Zusammenhang mit der verbrecherischen Hirnforschung Carl Schneiders.

Zweifellos ist die führende Beteiligung Schneiders an den Anstaltsmorden der Nationalsozialisten nicht abzustreiten. Aber was hat sie mit der "Prinzhorn-Sammlung" zu tun?

Als Hans Prinzhorn im Alter von 32 Jahren, am 30. Januar 1919, Assistent der Heidelberger Psychiatrischen Universitätsklinik wurde, beauftragte ihn der damalige Klinikleiter, Professor Karl Wilmanns, mit der Fortführung und wissenschaftlichen Betreuung einer von ihm begonnenen Sammlung von Patientenarbeiten. Dieser Aufgabe hat sich Prinzhorn sogleich mit tiefem Interesse am künstlerischen Schaffen Geisteskranker gewidmet. Als er bereits am 15. Juli 1921 Heidelberg wieder verließ, war die Sammlung auf annährend 5000 Objekte angewachsen.

Hatte man zuvor das künstlerische Schaffen Geisteskranker eher als Kuriosität, die einer wissenschaftlichen Durchdringung nicht würdig war, erachtet, so änderte sich diese Auffassung durch Prinzhorn grundlegend. Ihm ging es darum, bei Geisteskranken "die Wurzeln des Formtriebes aufzuspüren, die sich in der sichtbaren Betätigung offenbaren".

Dabei kam es ihm darauf an, künstlerische Äußerungen meist schizophrener Psychiatriepatienten als Äußerungen eines allgemein menschlichen Gestaltungsdranges zu erfassen und zu deuten. Wir müssen uns, so schreibt er, "entschlossen dem fremden Sinn hingeben, uns damit erfüllen lassen und erst dann Wort und Satz dafür suchen - anstatt vorsichtig von außen mit wohlerprobten Kategorien heranzutreten".

Ein solches wissenschaftliches Vorgehen war geprägt von der einfühlsamen, unvoreingenommenen Aufmerksamkeit des auch psychologisch phänomenologisch vergleichenden Psychiaters der Bleulerschen Schule.

Vor diesem Hintergrund eine Beziehung zwischen den Krankenmorden im Nationalsozialismus und der Aufbewahrung der "Prinzhorn-Sammlung" in Heidelberg mit dem Argument herzustellen, daß "ein Mörder niemals Eigentum am Eigentum seines Opfers" erlangen dürfe, ist historisch unhaltbar und ebenso absurd wie infam. Implizit wird so auch unterstellt, es gebe in Heidelberg keine kritische Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Medizin. Dies ist entschieden zurückzuweisen. Eine psychiatrische Arbeitsgruppe und auch die Heidelberger Medizingeschichte bemühen sich seit Jahren um die Erforschung der NS-Medizin, der Krankenmordaktion und der mit ihr verbundenen Rolle Carl Schneiders.

Am 8. Mai 1998 wurde vor dem Hauptgebäude der Heidelberger Psychiatrischen Universitätsklinik ein Mahnmal für die Opfer der nationalsozialistischen "Euthanasie" enthüllt, ein wissenschaftliches Symposium mit internationalen Referenten und Teilnehmern der Thematik gewidmet. Über den Streit um die "Prinzhorn-Sammlung" ist auch vergessen worden, daß Karl Wilmanns die Sammlung initiiert hat. Wilmanns aber entfernten die Nationalsozialisten am 30. Juni 1933 aus politischen Gründen aus dem Staatsdienst. Wenn wir heute mit allem Nachdruck für den Verbleib der "Prinzhorn-Sammlung" in Heidelberg eintreten, dann ist dies zugleich auch eine Hommage an Wilmanns und mahnendes Erinnern an die Opfer des Nationalsozialismus.

Red. "p/cp": gan


Kommentar

Fauler Zauber

von Patrick Palmer

Im Eilverfahren wird bis zum Wintersemester eine neue Prüfungsordnung für das Staatsexamen Lehramt erlassen, das ist ebenso wie sein Inhalt sicher. Und während man auf den ersten Blick positive Neuerungen zu erkennen glaubt, findet man bei eingehender Betrachtung zahlreiche Ungereimtheiten und Lücken: Begrüßenswert, wenn Studenten, die später einmal Lehrer werden wollen, noch im Studium ihren Berufswunsch überprüfen können. Sinnvoll, wenn diese Studenten verstärkt pädagogisch geschult werden. Unlauter aber, wenn all jenes so eingerichtet wird, daß es nur zu Frustration und damit leicht zum Studienabbruch führen kann. Es ist unerklärlich, daß ohne Vorbereitung und ohne pädagogische Schulung ein Semester an den Schulen unterrichtet werden soll. Denn die zusätzlichen pädogischen Veranstaltungen sollen ja erst im Hauptstudium besucht werden - also nach dem Praktikum.

Zudem wird man auch nicht lange auf die Flüche derer warten müssen, die wegen völlig überlasteter Schulen das Zwangspraktikum in weit entferten Gegenden ableisten müssen. Lange Reisewege werden unbotmäßige finanzielle Belastungen mit sich bringen, möglicherweise ist ein Umzug zwingend.

Und dann sind da noch die Erziehungswissenschaftler, die keine müde Mark und somit auch keine zusätzlichen Stellen für die zusätzlichen Seminare erhalten sollen. Wenn die bestehende Teilnehmerbeschränkung aufrecht erhalten wird, kommt auf die Studenten noch etwas anderes zu: Man könnte locker 15 Semester benötigen, um das pädagogische Begleitstudium vollenden zu können, da sich über die Wartelisten der Beginn und damit auch das Ende dieses Begleitstudiums stark verzögern wird. Hier wird es zu Auseinandersetzungen kommen, und am Ende wird wahrscheinlich die Erziehungswissenschaft zu einem Dienstleistungsbetrieb für Lehramtsstudenten umfunktioniert. Sie ist als Hauptfach ohnehin nicht gern gesehen bei Politikern, da schlüge man also zwei Fliegen mit einer Klappe.

Das Kultusministerium betreibt einmal mehr Augenwischerei. Es kommt den Forderungen von Eltern, Schulen und Hochschulen entgegen, die Lehrerausbildung zu verbessern. Zumindest wird die jetztige Reform so dargestellt. Tatsächlich handelt es sich um eine gut kalkulierte Sparmaßnahme. Gespart wird, da das Referendariat verkürzt werden kann, noch mehr Prüfungsdruck ist die Folge. Gespart wird, weil nach einem ungenügend vorbereiteten Praktikum sich viele umorientieren werden.

Sind unsere Politiker also einfach nur echte Schwaben? Nein, denn die sind zwar bekanntermaßen sparsam, aber dafür ehrlich.


Hochschule


Der Streik trägt die ersten Früchte

Auch ohne Bundesligafußball lohnt sich ein Besuch in Bielefeld

Im Herbst wurde der Gedanke des Streiks unter den Studenten ausgesät. Im Winter wollte man ihn schon fast für tot erklären (vor allem während der Weihnachtsfeiertage) . Doch jetzt - im Frühling - zeigt sich: er hat nicht nur gut überwintert, sondern besitzt sogar schon so tiefe Wurzeln, daß er anfängt Früchte zu tragen.

So fand am Anfang des Jahres der erste studentische Basiskongreß "Bildung und Gesellschaft" (BuG) statt. Das Ergebnis war zum einen ein breitangelegter Forderungskatalog und zum anderen mehrere Arbeitskreise zu verschiedenen Themen.

Wer von Zeit zu Zeit im Internet surft, hat die erste größere Aktion eines dieser Arbeitskreise - nämlich des AKs "Bundesvernetzung" - schon entdeckt: den "Gründungskongreß zum bundesweiten basisorientierten Studierendenzusammenschluß" vom 23. bis zum 27. April in Duisburg.

Ziel dieses Kongresses unter dem Motto "Freiheit durch Bildung" war ein bundesweiter Zusammenschluß aller Studierenden. Ein etwas hoch angesetztes Ziel zwar, aber zumindest eine Ausgangsidee.

Die Teilnehmer wurden in "Städte" und "Organisationen" aufgeteilt, die zwei Tage lang über Organisationsformen und Arbeitsstrukturen eines Studierendenzusammenschlusses diskutierten. Am dritten Tag wurden die Ergebnisse im Plenum vorgestellt und neue AKs gebildet.

Hier ein paar Infos über den Zusammenschluß:

-Der Studizusammenschluß ist keine Konkurrenz zu den Asten, Stupas etc. Es wird vielmehr eine Zusammenarbeit angestrebt.

-Vor allem Studis, die sich nicht organisieren lassen wollen, sollen über die Informationsmöglichkeiten, die der Zusammenschluß zur Verfügung stellt, miteinbezogen werden.

-Es existiert keine Hierarchie. Alle Meinungen stehen gleichwertig nebeneinander.

-"Mitglied" wird man durch Teilnahme an Diskussionen und Aktionen.

-Informationen erhält man über Maillinglisten, Newsgroups, Chat, das WWW, Aushänge, Kopiervorlagen, Infobüros etc.

-Einen AK "Medienarbeit" gibt es nicht . Die Presse muß von den Teilnehmern an einem Projekt selbst informiert werden.

-Finanzen: Es existiert keine bundesweite Finanzstruktur. Jede Aktion muß von den Organisatoren durch z. B. Sponsoring selbst finanziert werden. Es können auch eingetragene Vereine gebildet werden. Das ist insofern sinnvoll, da Spenden an einen e.V. steuerlich abgesetzt werden können.

Am Ende des Kongresses setzte man gemeinsam eine Liste mit Aufgaben, die von "Städten" bzw. "Organisationen" übernommen werden sollten, auf. Darauf fanden sich Themen wie:

Arbeitsloseninitiativen, technische Vernetzung, Integration von Lehrkörpern in den Streik usw. (besonderes interessant hörte sich der Punkt "Subversives Agieren" an , über den konnte ich jedoch noch keine weitern Details entdecken ).

Wer Genaueres über den Kongreß erfahren möchte, kann im Internet unter der Adresse

http://fsrinfo.uni-duisburg.de/streik/studiverband/

nachsehen. Die Aufgabenliste findet ihr auf

http://fsrinfo.uni-duisburg.de/streik/studiverband/kongreß/ergebnisse.html

Übrigens: Auch ein bundesweites studentisches Informationsnetz (BASIN) existiert bereits.

Aber nicht nur hier tut sich etwas, auch das Ausland ist nicht faul. In Frankreich z.B. fanden sich bereits am 28.2. Studenten zum "Congrès du mouvement pour le droit à l'éducation" (Kongreß der Bewegung "Recht auf Bildung"), kurz MDE, statt. Aber auch in Deutschland geht es weiter. Vom 10. bis zum 14.6. findet in Bielefeld der zweite deutsche Basiskongreß (BuG 2) statt.

Dort wird man sich besonders zweier Fragen annehmen: "Was sind die gesellschaftlichen Ursachen der Probleme, auf die die Proteste hinweisen?" und "Was für alternative Bildungsformen existieren?"

Wer mehr über den BuG 2 erfahren möchte, findet im Netz Material unter

http://hotline.net/bug_2/konzept/kon_bug2.htm

Allen Netjunkies sind sämtliche Informationen dieses Artikels natürlich längst bekannt. Aber nicht alle verbringen ihre Freizeit vor dem Computer. Darum nochmal: BuG 2 vom 10. bis zum 14.6. in Bielefeld nicht verpassen. (st)


Der Krümelmonster - Club

Kinderbetreuung am Nachmittag

Studentische Eltern können aufatmen: Endlich gibt es flexible Betreuungsmöglichkeiten für die Kleinen, während Mama und Papa nachmittags an der Uni büffeln müssen.

Im letzten Wintersemester fand sich am Psychologischen Institut eine Gruppe junger Mütter zusammen, die nach einer Alternative zu den bereits bestehenden Angeboten der Kinderbeaufsichtigung an der Universität Heidelberg suchten. Während die meisten Kinder über drei Jahren am Vormittag in einem öffentlichen Kindergarten untergebracht sind, stehen am Nachmittag weniger Plätze zur Verfügung, die zudem sehr teuer sind.

Auf der Suche nach Räumlichkeiten für eine nachmittägliche Spielgruppe stieß man auf Schwierigkeiten: Ein Pfarrer, der zunächst bereit war, die Gruppe in seinem Pfarrhaus aufzunehmen, konnte sich nicht durchringen und auch das Hinterzimmer eines Stehcafés kam nicht mehr in Frage, als dieses kurzfristig schloß. Überraschenderweise stellte schließlich der St. Chistopherus - Kindergarten in der Bienenstr. 7 gegen eine geringe Miete einen seiner Räume zur Verfügung, und nicht nur das: Auch die Spielsachen, die Außenanlagen mit Spielplatz und die Turnhalle können mitbenutzt werden - ein seltener Fall von Kooperationsbereitschaft.

Zwischen 14 und 18 Uhr besteht die Möglichkeit, seine Kinder für einen Unkostenbeitrag von 2,50 DM pro Stunde dort abzuliefern. Eine Pädagogin und eine Praktikantin beschäftigen sich mit dem studentischen Nachwuchs, der von zwei bis ? Jahre alt ist (auch Schulkinder). Das Projekt ist zunächst auf drei Monate begrenzt und kann nur dann weitergeführt werden, wenn täglich 8-10 Kinder anwesend sind. Daher wäre es zu begrüßen, wenn das Angebot rege genutzt würde.

Zwar wäre es wünschenswert, wenn sich die Besuche der Kinder während des Semesters auf bestimmte Wochentage konzentrierten, um feste Gruppen zu bilden, in denen sich die Kleinen untereinander kennen; jedoch sind auch außerplanmäßig Kinder jederzeit willkommen.

Leider wird das Angebot, das seit Anfang des Semesters besteht, bis jetzt nur von wenigen genutzt, dieallerdings sind sehr zufrieden und drängen darauf, das Projekt in Zukunft fortzuführen. Also: Bringt Kinder in Scharen. (ko, mi)

Weitere Infos im Büro der Frauenbeauftragten, Tel.: 54 76 97


Zurück in die Hängematte

Nonstop-Gesellschaft mit Erdnußeffekt

Der Klick ins Internet ist out - der ultimative Klick in die Glotze ist in. Der moderne Mensch wird sich in Zukunft nicht mehr gelangweilt durch 101 Kanäle zappen, sondern in die rasante Achterbahnfahrt durchs digitale Fernsehen einsteigen. In den "Rausch der Geschwindigkeit" also, zumindest nach Meinung des ZDF-Justitiars Dr. Carl-Eugen Eberle, einem der Referenten des diesjährigen Symposiums des Heidelberger Clubs für Wirtschaft und Kultur.

Doch, "Wo steht der Mensch?" Stehen bleiben wird er laut Eberle sicherlich nicht, denn die archaische Flimmerkiste hat ausgedient und wer mitreden will, wird sich im rasanten Tempo in höhere elektronische Gefilde emporschwingen. Am PC spurten wir zukünftig weiter über die Hindernisse des Intercasts, um schließlich am gemütlichen Schreibtisch via Web-TV in Ruhe den Mörder am 15er-Monitor zu entlarven. Die Familie sitzt gespannt drum herum. Das Arbeitszimmer vom Mittag wird abends zum heimeligen Wohnzimmer umfunktioniert. Zwei Sachen auf einmal. Und der Fernsehr kommt auf den Speicher. Oder doch nicht?

Selbst Eberle bezweifelt, daß der Zuschauer ob dieser machbaren elektronischen Revolution seine Salzstangen künftig im Arbeitszimmmer vor dem Computer knabbern wird. Aber die Beschleunigung wird forciert. Dies bestätigten die eingeladenen Referenten aus Wirtschaft und Kultur einmütig. Im Verkehrsbereich dürfen wir zum Beispiel laut Dr. Hans Christoph Atzpodien, Geschäftsführer der Magnetschnellbahn-Planungsgesellschaft, in absehbarer Zeit die Strecke Hamburg-Berlin in einer Stunde hinter uns lassen. Dank des Transrapids, der damit "Entlastungseffekte für Mensch und Umwelt" schaffe. Für die Wirtschaft präsentierte der führende Zeitmanagement-Experte, Dr. Lothar J. Seiwert, die Arbeitsformel der Zukunft: "Die Hälfte an Arbeitnehmern produziert doppelt soviel mit einer dreifachen Produktionsleistung."

Der Sog der Zeit scheint jeden mitreißen zu wollen. "Wenn du es eilig hast, gehe langsam", lautet daher der einfache Rat des Dr. Seiwert. Die "Nonstop-Gesellschaft" habe sich zum Ziel gesetzt, daß alles viel schneller und viel besser als vorher gehen müsse. Zum Innehalten bleibe keine Zeit, da uns der "Erdnuß-Effekt" einhole, d. h. die Übersättigung an Angeboten. Zu immer neuen Ufern treibe es den Menschen, weil er in seinem kurzen Leben nichts verpassen wolle. Seiwert will in seinem Heidelberger Institut streßgeplagten, dem Kollaps nahen Managern den sicheren Weg zu dauerhaften Spitzenleistungen ebnen. Voraussetzung dafür sei eine "ausgewogene Balance zwischen Speed und Downsizing." Sprich: Die Zeit zur Muße während unserer alltäglichen "Streßrallye". "Berufliche Anforderungen" seien daher mit unseren "privaten Wünschen" zu koordinieren, die Kluft zwischen "persönlichen Lebenszielen" und "gelebter Realität" zu überdenken.

Zurück in die "Hängematte" also.

Den Organisatoren des diesjährigen Symposiums muß man zugute halten, daß es ihnen gelang, namhafte Referenten für sich zu gewinnen, die die Erwartungshaltung der Teilnehmer nicht enttäuschten. Das Thema "Geschwindigkeitsrausch" und die Frage nach dem Standpunkt des Menschen wurden interdisziplinär beleuchtet und kontrovers diskutiert.

Der Club selbst beklagt allerdings, daß er bei vielen Studenten den Ruf einer konservativen, ja elitären Studentenvereinigung hätte. Auch schrecke die Veranstaltungsbezeichnung 'Symposium' ab und verstärke diese Voreingenommenheit. Allerdings sollte der Club das Urteilsvermögen vieler Studenten nicht als bloßes Vorurteil abtun und sich Gedanken darüber machen, warum viele Studenten eine distanzierte Haltung einnehmen. Während des dreitägigen Symposiums waren die Veranstalter unaufhörlich darum bemüht, den Club in ein antikonservatives Licht zu rücken.

Allerdings überspannten manche der Organisatoren den Bogen reichlich, sahen sie doch im ruprecht eine willkommene Gelegenheit, sich werbewirksam in Szene zu setzen. Auf der Wunschliste an die Redakteurin standen eine durchweg positive Bewertung des Symposiums und eine antikonservative Darstellung des Clubs ganz oben.

Objektive Berichterstattung ist aber kein Forum für Imagepflege. Überzeugungsarbeit müssen die Clubmitglieder selbst leisten. (cl)


Revolutionär

Geschichtsstudis machen 48er-Ausstellung

An die lokalen Ereignisse zur Zeit der badischen Revolution 1848/49 erinnern zur Zeit viele Städte. Heidelberg trägt seinen Teil dazu bei mit der Ausstellung "Auf dem Weg zur Paulskirche. Die Heidelberger Versammlung vom 5. März 1848" im Kurpfälzischen Museum, deren Besonderheit bisher nur wenig beachtet und gewürdigt wurde: Sie ist größtenteils aus der Arbeit einer Gruppe von Geschichtsstudierenden der Ruprecht-Karls-Universität hervorgegangen.

Diese hatten sich unter der Anleitung von Dr. Frank Engehausen, einem wissenschaftlichen Angestellten und Dozenten des Historischen Seminars, und Dr. Frieder Hepp, dem stellvertretenden Leiter des Kurpfälzischen Museums, mit dem Revolutionsgeschehen in Heidelberg sowie mit möglichen Ausstellungskonzeptionen beschäftigt. Zentrum der Arbeit im Rahmen der 48er-Revolution war die Heidelberger Versammlung vom 5. März 1848, bei der sich im Schatten der Pariser Februarrevolution 51 südwestdeutsche Liberale und Demokraten zusammenfanden, um über die Zukunft des deutschen Staates und seine politischen Formen zu diskutieren. Die Beschlüsse, die dabei gefaßt wurden, gaben entscheidende Anstöße zur späteren Bildung der Frankfurter Nationalversammlung.

Die Studis faßten ihr Mitwirken am Entstehen der Ausstellung als Chance auf, ein wissenschaftliches Thema zu erarbeiten, das nicht mit einer lustlosen Hausarbeit endet, sondern an die Öffentlichkeit gelangt. So genossen sie es sehr, einmal außerhalb der Mauern des Historischen Seminars wirksam zu werden. Sehr zufrieden sind die Studis auch mit der graphischen Umsetzung ihrer Texte und Bilder in der Ausstellung.

Zusätzlich zu der Ausstellung haben vier der 13 Studierenden Aufsätze verfaßt, die in dem Begleitband "Auf dem Weg zur Paulskirche. Die Heidelberger Versammlung vom 5. März 1948" erschienen sind.

Die Ausstellungseröffnung am 5. März wurde mit einem Festakt im Stadttheater begangen. Dabei wurde außerdem eine Gedenktafel an der Wand der heutigen Volkssparkasse, dem Gebäude des ehemaligen Badischen Hofes und Treffpunktes der Versammlung, enthüllt.

Wer die Ausstellung besuchen will, darf sich nicht entmutigen lassen: Er muß sich den Weg durch die gesamte Dauerausstellung des Kurpfälzischen Museums suchen, um zum Revolutions-Ausstellungsraum zu gelangen. Aber der Weg lohnt sich! (vb)

Die Ausstellung wurde bis zum 22. Juni 1998 verlängert. Öffnungszeiten des Kurpfälzischen Museums: täglich außer Montag 10 - 17 Uhr, Mittwoch 10 - 21 Uhr.


Sinnvolle Ökologie

Ernst-Ulrich von Weizsäcker und der Faktor Vier

Nachhaltigkeit. Ein Schlagwort, daß zur Zeit in aller Munde ist. Doch was versteht man eigentlich darunter? Kann technische Innovation zu einer ökologischen Ökonomie führen?

Fragen, die der Arbeitskreis "Ökologische Ringvorlesung" mit seiner Vorlesungsreihe im Sommersemester mit Leben zu füllen versucht. Titel: "Umwelt und Innovation - Technische Innovation: Der Königsweg zur Nachhaltigkeit?". Zu Beginn der Vorlesungsreihe konnte man einen prominenten und vielgefragten Kämpfer für die ökologische Sache gewinnen: Ernst-Ulrich von Weizsäcker, unter anderem Präsident des Wuppertaler Instituts für Klima, Umwelt und Energie sowie Mitglied des Club of Rome.

Frei sprechend und souverän auftretend zeigte der Biologe ein lebhaftes Engagement für die Sache. Im wesentlichen griff er dabei auf Thesen aus seinem 1995 veröffentlichten Buch "Faktor Vier" zurück. Erschreckende Zahlen: Daß jeden Tag (sic!) zwanzig Tier- und Pflanzenarten aussterben, mag wohl - auch wenn man es nur allzu leicht verdrängt - bekannt sein. Doch weiß man auch, daß jeder Deutsche pro Jahr fünfzig bis achtzig Tonnen Erdumwälzungen verursacht, zum Beispiel zur Gewinnung von Rohstoffen? Natürlich vornehmlich im Ausland.

Regenerative Energien. Auch wieder so ein Schlagwort, von vielen benutzt, doch nur von wenigen mit Inhalt gefüllt. Laut von Weizsäcker kann jedoch eine Verschiebung innerhalb der Energieträger allein nicht die Lösung sein - der absolute Anstieg des Energieverbrauchs würde den vermeintlichen Gewinn fast komplett aufzehren. Seine These: Nur eine Halbierung des Energieverbrauchs kann verhindern, daß die Konzentration der Emissionen in der Atmosphäre nicht noch weiter ansteigt. Daß dies im Rahmen des möglichen liegt, belegte der Umweltforscher mit Beispielen, die allesamt mindestens den Faktor Vier - Halbierung des Verbrauchs, doppelte Effektivität - erreichen. Vom Kühlschrank über das Auto bis hin zu fast vollständig recyclebarem Kunststoffgeschirr, kaum ein Bereich des alltäglichen Lebens, in dem es nicht möglich ist.

Fazit: Ein lebendiger Vortrag, viele Probleme und Möglichkeiten aufzeigend. Und: Es liegt an uns. (mg)

Die Vorlesungsreihe findet donnerstags um 19.30 Uhr in der Heuscheuer statt; 14.5.: Prof. Dr. Günther Altner (Uni Koblenz) zu Umweltethik.


Die Schlacht vor der Mensa

An den Unis kämpfen Hochschulmagazine um Studis und Werbetausender

Früher waren es wenigstens immer nur ein paar kleine Bäumchen Regenwald, die einem da vor der Mensa in Form von Flyern in die Hand gedrückt wurden. Vorbei, Vorbei. Die Flyer werden jetzt direkt in die Zwiebelsuppe geschmissen, und vor der Mensa stehen nur noch die Unermüdlichen von der "Studentenpresse" oder vom ruprecht.

Dafür aber lauern im Gebäude selbst dicke Stapel lustig buntbedruckten Papiers mit irgendwelchen mega-hippen jungen Menschen auf dem Titelbild, die sich entweder gerade irre amüsieren oder gerade tierisch sauer sind (Stichwort Studistreik!). Auf jeden Fall aber immer extrem emotional oder auch gerne das Gegenteil, extrem gelassen - ist ja auch egal, Hauptsache extrem.

Die periodischen Druckerzeugnisse nennen sich selbst "Audimax", "Unicum" oder "Uni-Compact" und firmieren als "Hochschulmagazine". Damit auch draufsteht, was drin ist, gibt es immer ein Interview mit einem - igitt, igitt - Politiker, das meistens gschamig am Heftende versteckt wird. Außerdem warten die Hochschulzeitschriften mit tollen Karrieretips, Praktikafingerzeigen und Auslandsaufenthaltshinweisen auf. Damit wäre das Thema Studium dann abgehakt, mit erleichtertem Aufatmen können sich Verfasser und Leser nun den wirklich wichtigen Dingen zuwenden, wie etwa "Party-Drogen" (Audimax 12/97) oder dem Jahr 2000 (Uni-Compact). "Audimax" ist wenigstens noch fair genug, ab und an die zeitgeistigen Zombiewörter "Trends & Lifestyle" auf den Titel zu schreiben, denn eigentlich sind die Zeitschriften genau das: Trendmagazine. Der Student als solcher ist zwar angeblich ständig knapp bei Kasse, doch die Einnahmen von CD-Läden, Kinos, Kneipen, Diskos, Konzertveranstaltern und Urlaubsanbietern strafen das beliebte Vorurteil Lügen. Und so fiel es der Industrie plötzlich ein, daß da die riesige Zielgruppe der Fun-Generation völlig ohne Werbung vor sich hinvegetiert. Okay, im Fernsehen und Kino laufen ständig Spots, aber der Student als solcher ist ja eher ein Intellektueller, der auch gerne mal ein bißchen bedrucktes Papier zur Hand nimmt. Der Werbeanteil der Magazine ist dementsprechend hoch, schließlich werden die Hefte umsonst verteilt. Auch außerhalb der Anzeigen wird kräftig Werbung gemacht - für die neuesten Platten, die neuesten Filme, die neuesten Bücher, die neuesten CD-Roms. König Konsum regiert hier unangefochten.

Der Studi wird unterdessen beim Durchblättern der Magazine zu einem merkwürdigen Spagat gezwungen. Zum einen kriegt er ständig eingepaukt, was er alles braucht, um später mal Karriere zu machen und nicht mit einem nutzlosen Abschluß Hamburger zu verkaufen. "Zusatzqualifikationen" heißt das Zauberwort - der ideale Student sollte Dutzende von Praktika absolviert, längere Zeit im Ausland verbracht und in zahlreichen Vereinen und Verbänden aktiv mitgewirkt haben. Eine Handvoll Fremdsprachen, EDV-Kenntnisse und ein bißchen was Soziales werden zumeist schon gar nicht mehr der Erwähnung für wert befunden. Sollte der Studi jetzt aber glauben, er müsse sich sofort in all diese Aktivitäten stürzen, so liegt er damit völlig falsch. Denn zuerst muß sich noch amüsiert werden: Gleich neben den Karrieretips ("Küß die Hand - Gute Umgangsformen erleichtern die Karriere", Audimax 12/97) werden die Trends, Kults und Flops der lustigen Studentenszene unter die Lupe genommen. Von In-Sportarten (Snowboarden!) über Clubbing bis zum immer wieder gerne aufgewärmten Thema Beziehungen steht alles auf dem Programm; dazu kommen aktuelle Hypes wie die momentane Schlager-Hysterie ("Ein Bett im Kult-Feld", Audimax 12/97).

Bei aller Trendigkeit und Hipness, gegen die ja an sich nichts zu sagen wäre, entpuppen sich die auf dem Cover penetrant angepriesenen Beiträge leider meist als tote Hose. Im "Reisetip" von Audimax 4/98 ("Elchtest mal anders!"), der auf Skandinavien und Island Lust machen will, zieht Gerrit Nawracala nach einer Spalte Genörgel über eine langweilige Woche im Grünen das aufregende Fazit "Schweden ist Wald." Auch dem Kollegen Thomas Pfister in Finnland fiel nicht mehr ein, als über die Weite des Landes zu staunen ("Wir hatten einfach vergessen, daß die 'Tankstelle an der nächsten Ecke' hier mindestens 100 Kilometer entfernt ist.") und andächtig Tachoanzeigen herunterzubeten: "In Turko bestiegen wir schließlich bei einem Kilometerstand von 5.083 die Fähre zurück nach Schweden." Oft werden solche vorgeblichen "Service"-Artikel noch durch launige Umfragen aufgepeppt: "Wir wollten von Euch wissen, was bei Euch auf jeden Fall zum perfekten Reisegepäck dazugehört." Das Unoriginelle der Frage wird dabei regelmäßig von der Trostlosigkeit der Antworten getoppt. So meint zum Beispiel Katharina (Italoromanische Philologie, 21): "Ich nehme gern ein Taschenmikroskop mit dreißigfacher Vergrößerung in den Urlaub mit. Damit sehe ich mir Pflanzenteile, z.B. Blattoberflächen, und alles mögliche andere an. Man kann damit in eine total andere (Micro) Welt eintauchen." Na toll.

Besonders schade ist es, wenn vielversprechende Ideen auf engstem Raum behandelt und deshalb nur die vermeintlichen Highlights in gnadenloser Hektik runtergenudelt werden. So etwa im Beitrag "Go East! Nightlife pur in Moskau, Prag und Bukarest", ebenfalls in Audimax 4/98. Auf einer Seite, auf der auch noch drei Fotos Platz finden müssen, werden alle drei Städte "vorgestellt", was gerade mal für eine Handvoll "locations" reicht. Aber vielleicht will man den Leser ja auch nicht mit seitenlangem Gequatsche nerven; schließlich muß alles schnell gehen, denn morgen ist der Trend schon wieder woanders. Das flippige Layout, das gar nicht genug bunte Kästchen, verschiedene Schrifttypen und unorthodox formatierten Text kriegen kann, tut da ein übriges, um die Infotainment-Häppchen möglichst leicht verdaulich zu machen.

Doch die Hochschulmagazine tun keinem weh, sie sind von einer erfrischenden Leichtigkeit und Unverbindlichkeit - und darin typisch für die 90er. Es läßt sich gut darin blättern, während man mit der Rindsroulade kämpft und - ich gestehe - manch wichtige Adresse und interessanter Hinweis läßt sich doch darin finden. Aber nach der Rindsroulade könnte eine "richtige" Zeitung vielleicht doch nicht schaden... (kw) Heidelberg


Heidelberg


Oh Qual der Wahl!

Die etwas anderen Kandidaten der diesjährigen OB-Wahl

Sommerzeit ist Wahlkampfzeit - und das nicht nur im Bund, sondern auch in Heidelberg, wo am 18. Oktober, just drei Wochen nach der Bundestagswahl, der neue Oberbürgermeister gewählt wird. Mit im Rennen sind diesmal nicht nur Weber, Fürniß und Co., sondern auch zwei Außenseiterkandidaten: Oliver Beßler, der selbsternannte "Vertreter der kleinen Leute", und Peter Alexander Plattmann vom Autonomen Zentrum (AZ); beide spekulieren nicht zuletzt auf Studi-Stimmen. Grund genug für den ruprecht, die beiden mal genauer unter die Lupe zu nehmen...

Bei Oliver Beßler stößt man da allerdings auf Schwierigkeiten: leider im Moment nicht in Heidelberg, außerdem generell nicht telefonisch zu erreichen, ließ "Wahlkampforganisator" Achim F. verlauten. Und damit taucht schon ein weiteres Problem auf: Wer steht eigentlich hinter Oliver Beßler? Laut Mensa-Flugblatt handelt es sich dabei um das unabhängige "Bürgerkomitee Anderes Heidelberg"; das wird wiederum unterstützt von der "Freien Arbeiter Union/Anarchistische Partei" (FAU/AP), deren studentischer Ableger "FAUST" dem aufmerksamen Mensagänger ebenfalls durch einige Flugblätter bekannt sein dürfte.

Fragt man nach den genaueren Hintergründen, gibt sich Achim F., der Kopf der Heidelberger FAU/AP, äußerst konspirativ: "Mitgliederzahlen sind nicht interessant", Komiteemitglieder sind ebensowenig zu sprechen, entweder verreist oder nicht erreichbar. Im Team des AZ-Kandidaten Plattmann munkelt man schon, daß hinter Bürgerkomitee, FAU/AP und FAUST ohnehin nur einer stehe: Achim F., Vorsitzender, Fußvolk und Organisator in Personalunion. Oliver Beßler also nur ein Scheinkandidat? Immerhin hat er, so Achim F., "das Wahlprogramm gelesen".

Das Wahlprogramm indes macht sich besonders für eines stark: für eine "gewaltsame sozialistische Revolution, denn das System hat keine Fehler - es ist der Fehler". Konkrete kommunalpolitische Vorschläge finden sich kaum (außer z.B. die "Beschlagnahmung von Verbindungs-Villen zugunsten Wohnungssuchender"), Forderungen wie die "Verbesserung der sozialen Lage der armen und arbeitenden Bevölkerung" müßten eigentlich eher an die Bundespolitik gestellt werden. Warum engagiert sich die FAU/AP dann in der Kommunalpolitik, und vor allem: warum stellt sie sich zur Wahl in einem System auf, das es doch zu beseitigen gelte? Um die Aufmerksamkeit der Bürger zu gewinnen, meint Achim F.; und gerade für Studenten sei der 35jährige Beßler mit seiner "für Heidelberg typischen Biographie" (erst Student, dann arbeitslos) genau der richtige Kandidat. Was das Verhältnis zum "System" angeht, hält Achim F. sich an Lenins Grundsatz "so legal wie möglich, so illegal wie nötig".

Auch das Ziel von Peter Plattmanns Wahlkampf ist in erster Linie die öffentliche Aufmerksamkeit, allerdings für ein sehr konkretes Problem: Die AZler sehen über ihrem Haus in der Alten Bergheimer Straße schon die Abrißbirne kreisen, und seit im letzten Herbst die Verhandlungen mit der Stadt gescheitert sind, steht auch kein Ausweichquartier in Aussicht. Die bisher eher aggressiven Proteststrategien scheinen ausgereizt, und so gilt nun die Devise "if you can't beat them, join them" - Wahlkampf ganz wie in der großen Politik, mit uneinlösbaren Wahlversprechen und jeder Menge Schwachsinn: Peter - übrigens Mathestudent - geriert sich als "Kandidat der extremen Mitte", zur Lösung der Verkehrsprobleme plädiert er für den Einsatz von Sänften, und um die Umwelt zu schonen, sollen "Politiker mit besonderer Ausstrahlung" in "Kasperbehältern" untergebracht werden. Nur ein "lächerlicher Spaßwahlkampf", wie Achim F. von der FAU/AP schimpft? "Vor allem möchten wir Beate Webers Schmusewahlkampf stören", heißt es im AZ: Die Oberbürgermeisterin soll sich nicht damit schmücken können, den "Krisenherd AZ" vermeintlich befriedet zu haben. Herbert Braun, persönlicher Referent von OB Weber, hat allerdings keine Angst vor Gegenkandidat Plattmann, und überhaupt wehrt er sich gegen einseitige Schuldzuweisungen: "Die AZler haben sich die Gespräche mit der Stadt selber abgeschnitten" - ein Vorwurf, den das AZ gerne zurückgibt.

Aber wo bleibt bei all den um Studi-Stimmen werbenden Kandidaten die Studi-Liste? "Im Moment sind wir einfach zu überlastet, um einen OB-Kandidaten aufzustellen", meint Christian Weiss, der für die Studi-Liste im Gemeinderat sitzt. Ohnehin hält er die Bundestagswahl auch aus kommunalpolitischer Sicht für wichtiger, da - so weiß er aus seiner Gemeinderatserfahrung - die Bundespolitik den finanziellen Spielraum der Kommunen immer mehr begrenze. Im OB-Wahlkampf müsse man vor allem gegen den geplanten Neckarufer-Tunnel vorgehen; denn der beanspruche so große Summen, daß darunter jeder andere Bereich leiden müsse, insbesondere der für Studenten besonders wichtige Ausbau des ÖPNV - ein Problem, das keiner der beiden Außenseiterkandidaten auch nur erwähnt.

Wen also wählen - "Phantom" Oliver Beßler oder Peter Alexander Plattmann, der in seiner Wahlkampfbroschüre bittet: "Wählt misch bloß nett"? Oh Qual der Wahl. (kebi)


Ich mache mir die Welt, widiwidiwie sie mir gefällt

Zum Kongreß "Weisen der Welterzeugung": Was Pipi Langstrumpf und die Konstruktivisten gemeinsam haben

Alte Fragen, neue Antworten. Beim Kongreß "Weisen der Welterzeugung" ging es am ersten Maiwochenende in der Stadthalle um die grundsätzlichen Probleme, die die Menschen zu jedem Zeitalter grübeln ließen und die stets rauchende Köpfe zurücklassen. "Konstruktivismus" lautet nun die Losung, unter der seit einigen Jahren Wissenschaftler verschiedener Richtungen Vorschläge zur Beantwortung der Frage liefern, was denn Wirklichkeit überhaupt ist und wie sie entsteht.

Den etwa 1200 Teilnehmern, die der Einladung der Kongreßveranstalter gefolgt waren, war der Ansatz gemein, die Antwort auf diese Frage beim erkennenden Subjekt, dem Beobachter der Welt selbst zu suchen. Über drei Tage hinweg referierten und diskutierten Wissenschaftler und interessierte Laien über verschiedene Möglichkeiten der Erschaffung von Wirklichkeiten. Dabei wurde schnell deutlich, daß es mittlerweile fast ebensoviele Spielarten von Konstruktivismus gibt wie einzelne Wissenschaftler. Während man sich in praktisch allen Disziplinen prinzipiell darüber einig ist, daß der Mensch Wirklichkeit konstruiert, ist es dafür umso umstrittener, wie sich dies genau abspielt.

Bei allen Unterschieden ist den Konstruktivisten das gemeinsam, was man das Prinzip der Selbstbezüglichkeit nennen könnte: Wenn man über Wirklichkeit redet, kann man immer nur über seine eigene Wirklichkeit reden, weil man nie die Möglichkeit hat, einen Vergleich zur "objektiven", noch nicht erlebten Wirklichkeit anzustellen. In dem Moment, wo ich etwas wahrnehme, habe ich es bereits zu meiner Wirklichkeit gemacht und kann nichts mehr darüber sagen, wie der Sachverhalt wohl gewesen wäre, wenn ich ihn nicht wahrgenommen hätte.

Aus dieser (übrigens Jahrtausende alten) philosophischen Einsicht leiten die Einzelwissenschaften zunehmend verschiedenste Methoden zur Bearbeitung von Problemen ab. Allen voran beschäftigt sich die Neurobiologie mit Möglichkeiten der Wirklichkeitskonstruktion durch das Gehirn, indem erforscht wird, wie das Hirn Daten verändert, ergänzt oder gar selbst hervorbringt. Dasselbe Problem auf ganz anderer Ebene bearbeiten in den letzten Jahren auch Psychotherapeuten, Linguisten, Medienwissenschaftler, Soziologen oder auch Historiker. In seinem Vortrag "Constructing Pasts" stellte der bekannte amerikanische Historiker Hayden White die Frage, auf welchen Grundlagen man überhaupt dazu kommt, anzunehmen, daß es in der Vergangenheit Kulturen gab, die der unsrigen prinzipiell ähnlich waren und so historischer Forschung zugänglich sind. Seine These lautet, daß Geschichtswissenschaft eine weit literarischere Tätigkeit sei, als man gemeinhin zugeben würde. Man findet in der Geschichte vor allem das, was man selbst in sie hineintut, und der Unterschied zwischen Fiktion und Wahrheit ist nur graduell.

Konstruktivismus hat den Anspruch, daß nur das wahr ist, was sich in der Praxis bewährt.Wirklich ist, was funktioniert. Er selbst versteht sich lediglich als methodischer Vorschlag, wie man Probleme besser als bisher lösen könnte. Trotzdem ist der Konstruktivismus auch eine Weltanschauung, die vor allem im Bereich der Philosophie mit anderen in Konflikt kommt.Auch Konstruktivisten pflegen ihre Feindbilder. Mitveranstalter Prof. Siegfried J. Schmidt vom Siegener L.u.m.i.s.-Institut räumt ein, daß der Konstruktivismus noch eine biologistische und relativistische Schlagseite besitzt, die es auszuräumen gilt. Aber es ist zweifellos faszinierend, daß man einer noch sehr jungen Richtung in der Wissenschaft bei der Entwicklung zuschauen kann, während man es im Studium ja häufig mit bereits abgeschlossenen Epochen zu tun hat.

Daß Konstruktivismus in ist, darüber besteht auch bei Kritikern kein Zweifel. Laut Schmidt ist es kein Zufall, daß diese Richtung, die ja auf uralten Einsichten beruht, ausgerechnet in einer postmodernen Mediengesellschaft zum Durchbruch kommt. Zwischen Ilona Christen, CNN und Cybersex kann man schon mal ins Schwimmen kommen, was jetzt zur Hölle eigentlich noch real ist. Statt schlicht "go with the flow" zu verkünden, kann der Konstruktivismus etwa fragen, wie wir eigentlich dazu gekommen sind, eine Gesellschaft zu konstruieren, in der (Ex-) Pfarrer mit Aufklebern bewaffnet an Tankstellen Wahlkampf machen können und sich nicht die gesamte Nation geschlossen an den Kopf greift. Ein Konstruktivist kann sich jedenfalls nicht damit entschuldigen, daß die Welt eben so sei, wie sie sei. Das ist sie nämlich nicht. (jba)


Brauner Heidelbürger

Hitlers Architekt Albert Speer

In der Nacht vom 16. auf den 17. Oktober 1946 wurden im Nürnberger Gefängnis zehn Nazigrößen gehenkt, die zuvor im Nürnberger Kriegsverbrecherprozeß zum Tode verurteilt worden waren. Der zeitweise zweitmächtigste Mann in Hitlers Staat war seltsamerweise nicht darunter: Albert Speer.

Vor dem Strang gerettet hat ihn wahrscheinlich die Tatsache, daß die Anklage keine klaren Beweise für Speers direkte Beteiligung an nationalsozialistischen Verbrechen vorlegen konnte und Speer als einziger Angeklagter seine eingeschränkte Schuld als Regierungsmitglied bekannte. So wurde er wegen seiner Mitwirkung am Zwangsarbeitssystem nur zu zwanzig Jahren Haft verurteilt, die er im Spandauer Gefängnis verbüßte.

Eine fast ebensolange Zeit verweilte Albert Speer in Heidelberg, wo er fünf Jahre lang die Schule besuchte und 1923 Abitur machte. Im Jahre 1918 war er als Dreizehnjähriger mit seiner Familie von Mannheim nach Heidelberg umgesiedelt, in eine große Villa im Schloßwolfsbrunnenweg. Auf dem Schulweg hinunter in die Altstadt lernte Speer auch seine spätere Frau Magret kennen, Tochter eines Heidelberger Tischlers und Mitglied des Stadtrates.

Nach seiner Schulzeit studierte Speer auf Wunsch des Vaters Architektur in Karlsruhe, München und Berlin. Im Dezember 1930 hörte er auf einer Großveranstaltung in Berlin zum ersten Mal Hitler sprechen, der sich vor seinen größtenteils akademischen Zuhörern als ruhiger und vernünftiger Redner gab. Der unpolitische Speer erlebte diese Rede als Bekehrung und trat bereits drei Monate später, im März 1931, in die NSDAP ein. Ein Jahr später machte er sich als Architekt selbständig und erhielt durch seine NS-Beziehungen viele Aufträge. So wurde auch Hitler, der selbst ein starkes Interesse an Architektur hatte, auf Speer aufmerksam und vertraute ihm immer mehr Projekte an (Reichskanzlei, Parteitag 1937). Speer gehörte schnell zur künstlerischen Gefolgschaft Hitlers und verlegte seinen Wohnsitz an den Obersalzberg. 1938 schließlich wurde Speer von Hitler zum Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt (GBI) ernannt. Er entwarf Pläne für den gigantischen Umbau Berlins, der neuen Reichshauptstadt "Germania".

Als 1942 Fritz Todt bei einem mysteriösen Flugzeugabsturz ums Leben kam, wurde Speer, dessen herausragendes Organisationstalent Hitler schon früh erkannt hatte, Todts Nachfolger in allen Ämtern, darunter das Reichsministerium für Bewaffnung und Munition. In diesem Amt hatte Speer europaweit rund 70.000 Mitarbeiter unter sich und sorgte durch die gnadenlose Ausnutzung der Zwangsarbeiter für einen deutlichen Anstieg der Rüstungsproduktion selbst noch im vorletzten Kriegsjahr. Als er Anfang 1945 die Niederlage kommen sah, schmiedete er abenteuerliche Fluchtpläne, die aber alle scheiterten.

Nach seiner Verurteilung verbrachte Speer die Jahre 1946 bis 1966 im Spandauer Gefängnis. Während dieser Zeit beschäftigte er sich intensiv mit seiner Vergangenheit, seine Aufzeichnungen wurden später Grundlage seiner "Erinnerungen"(1969) und der "Spandauer Tagebücher"(1975). 1966 kehrte Speer nach Heidelberg in sein Elternhaus zurück. Er empfing zahlreiche Besucher und gab Interviews, um die in seinen Büchern dargelegte Version seiner Beteiligung an den nationalsozialistischen Verbrechen zu verteidigen. Nach Speers Tod 1981 erschienen jedoch zwei Biographien, die nachweisen konnten, daß Speer weitaus stärker in die Verbrechen des NS-Regimes verstrickt war, als er zugeben wollte. Im Schloßwolfsbrunnenweg wohnt heute Speers Sohn Ernst, ebenfalls Architekt . (col)


Alltäglich anders

Die Fotoausstellung "Selbstbestimmtes Leben"

Was macht eine Kleinwüchsige, die ihre Wäsche aufhängen will? Wo geht ein Körperbehinderter ins Kino? Wie sieht es aus, wenn sich eine Blinde ein Kleid kauft?

Begegnungen zwischen Menschen mit und ohne Behinderung finden in den meisten Fällen eher kurz und zufällig in der Fußgängerzone oder in der Mensa statt, kaum ein Nichtbehinderter macht sich jedoch eine Vorstellung davon, wie behinderte Menschen tagtäglich ihren Alltag bewältigen.

Den Blick hinter die Kulissen ermöglicht die Fotoausstellung "Selbstbestimmtes Leben", deren Schirmherrschaft Oberbürgermeisterin Beate Weber übernommen hat.

In über vierzig berührenden Bildern dokumentieren behinderte Menschen und ihre Angehörigen positive Beispiele aus ihrem Leben, wobei auch Themen wie Sexualität und die Gleichberechtigung der Frau nicht ausgelassen werden.

Behinderte Menschen haben immer noch mit zahlreichen Benachteiligungen in der Gesellschaft zu kämpfen: Nicht alle öffentlichen Gebäude sind rollstuhlgerecht, behinderte Kinder haben Probleme, in normale Schulen integriert zu werden, und viele Möglichkeiten der Freizeitgestaltung kommen für Behinderte einfach nicht in Frage.

Die Fotoausstellung möchte jedoch nicht anklagend auf diese Mißstände hinweisen, sondern zeigen, daß mittlerweile ein soziales Klima möglich ist, in dem behinderte Menschen ihr Leben unabhängig und selbstbestimmt gestalten können. (et, stw)

Die Ausstellung "Selbstbestimmtes Leben" kann noch bis zum 25. 5. an Werktagen von 8 bis 16 Uhr auf zwei Etagen des Gesundheitsamtes bewundert werden. Kontakt: Heidelberger Selbsthilfe- und Projektebüro, Tel. 06221/ 184290


Heidelberger Profile: Der Doktor und das arme Vieh?

Der neue Direktor des Heidelberger Zoos

Keine leichte Aufgabe erwartet den neuen Direktor des Heidelberger Zoos, Dr. Klaus Wünnemann. Kritiker beanstanden schon seit einiger Zeit, der Tierpark erfülle längst nicht mehr alle Kriterien moderner Tierhaltung. Ein amerikanischer Reiseführer geht gar so weit, ihn als KZ für Tiere zu beschreiben.

Dr. Wünnemanns Büro liegt direkt neben der Nordseevoliere, einem Vorzeigegehege aus der Zeit des alten Zoodirektors Poley, und noch bei geschlossenen Fenstern sind die Rufe der Seevögel zu hören. Kein Grund für den neuen Direktor, sich von der Arbeit abhalten zu lassen, schließlich gab es davon in dem einen Monat, den er jetzt hier ist, wahrlich genug. Da blieb auch noch keine Zeit, das große Büro neu einzurichten, das in all seiner schmucklosen Kargheit an das Primatenhaus des Zoos erinnert, nicht zuletzt durch die Affenköpfe aus Ton auf der Fensterbank, die wie das Antilopenfell auf dem Fußboden wohl ebenfalls noch von Wünnemanns Vorgänger stammen.

1962 in Duisburg geboren und in Mühlheim an der Ruhr aufgewachsen, hatte Wünnemann schon immer großes Interesse an Tieren. So war er überglücklich, als seine Familie aus der kleinen Etagenwohnung in ein Haus zog und er einen Hund geschenkt bekam. Während sich seine Freunde mit Fußball und Bob Marley beschäftigten, las er Lorenz und schaute die Tierfilme von Sielmann. Er träumte von einer Karriere als Verhaltensforscher oder Tierfilmer: "Ich wollte nie Lokomotivführer oder sowas werden." So entschied er sich nach dem Abitur für ein Studium der Tiermedizin, das ihm praxisorientierter schien als etwa das der Biologie. Ersten Kontakt zum Zoo bekam er durch seine Doktorarbeit: Er studierte das Verhalten von Raubtieren wie Malaienbär und Riesenotter ("faszinierende Tiere!") in verschiedenen Zoos und kam so schließlich zum renommierten Tierpark Hagenbeck in Hamburg. Auf persönlichen Wunsch von Dr. Hagenbeck übernahm er dort verschiedene Aufgaben und blieb zwei Jahre. Danach fand er eine Stelle im Magdeburger Zoo, in dem er für fünfeinhalb Jahre die Leitung der Säugetierpflege übernahm.

Seit April herrscht er nun über ein eigenes kleines Reich: den Heidelberger Zoo. Gegründet 1934, beherbergte dieser schon früh die typischen Tierarten, die auf die Masse anziehend wirken. Trotz einiger baulicher Veränderungen hat sich dieses Konzept bis heute nicht grundlegend verändert: Zugunsten der ausgestellten Vielfalt blieb oft eine moderne, der jeweiligen Tierart entgegenkommenden Haltung auf der Strecke. Vielleicht ein Grund für den Rückgang der Besucherzahlen in den letzten Jahren?

Kritikern ist der Zoo seit langem ein Dorn im Auge. Für sie stellt sich die Frage nach der Notwendigkeit eines eigenen Tierparks in Heidelberg, bedenkt man die Nähe zu Frankfurt oder Stuttgart.

Mit Hoffnung wird deshalb von dem Neuen eine andere und zeitgemäßere Schwerpunktsetzung erwartet; eine große Last, die da auf Wünnemanns Schultern liegt. "Meine Aufgabe ist es, dazu jeweils Konzepte zu entwickeln, die sämtliche tierhalterische Anforderungen erfüllen, und auf der anderen Seite möglichst auch noch attraktiv aussehen, und die drittens nicht zuviel kosten."

Für die Familie, so Wünnemann, sei der Zoo eine wichtige Institution, aber auch Forschung, Bildung und Arterhaltung stellten heute wichtige Aufgabenfelder eines Tierparks dar. "Das Live-Erlebnis Zoo ist besser als Fernsehen."

Doch wie sieht es mit den Bedürfnissen der Tiere aus? "Bei vielen Tieren haben wir Menschen eine bestimmte Vorstellung davon, was für diese Tiere gut ist. Tierhaltung hat auch für die Tiere positive Aspekte. Die unendlichen Weiten braucht eigentlich wirklich kein Tier." (Ob das wirklich richtig ist, seht ihr, wenn das Tier ausbricht...)

Aber auch Dr. Wünnemann räumt ein, daß es durchaus Untergrenzen gibt: In Heidelberg entsprächen die Haltungsbedingungen von Affen und Elefanten nicht länger den Ansprüchen artgerechter Tierhaltung. Hier setzt der neue Direktor seine Schwerpunkte für die nächste Zeit, doch es dürfte noch eine Weile dauern, bis er auf seinem Schreibtisch keine Briefe voller Kritik mehr findet: "Ich möchte durch diesen Zoo gehen können mit dem Gefühl: Okay, so ist es gut. Das werde ich wohl mit Sicherheit erst ganz spät erreichen, weil sowas Zeit braucht. Aber wenn man sieht, daß es Schritt für Schritt vorangeht, dann ist das schon etwas, und ich möchte, daß unsere Besucher das möglichst bald auch sehen." (stw,st)

Dr. Wünnemann plant , eine Gruppe von Studenten zusammenzustellen, denen es Spaß machen würde, ehrenamtlich als "Zoopädagogen" zu arbeiten. Wer Interesse hat, melde sich bitte bei Stefanie Wegener und Esther Schallott, Tel. HD 619981.


Kongreß der Bundesverbandes der Altphilologen in Heidelberg

Kaum kehrt man aus den Semesterferien zurück und will an dem so lange vermißten Ort des Wissens den Geist des Großen bestaunen und seine innere Ruhe finden, so wird man auch wieder schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt: In der Neuen Uni herrscht , eher ungewöhnlich für die Ferienzeit, lebhaftes Treiben.

Doch nicht Studenten findet man, eher ältere Semester dominieren das Erscheinungsbild: "verschrobene Typen", wie sie sich selber bezeichnen. Wir wollen sie mit ihrem konkreten Namen titulieren: Latein- und Griechischlehrer. Anlaß: der Kongreß des Deutschen Altphilologenverbandes vom 14. bis 18. April in Heidelberg. Das Motto: Die Wurzeln unserer Kultur - Latein und Griechisch für die Jugend Europas.

Verlage belagerten mit ihren Lagerbeständen das Foyer der Neuen Uni, auch die erste Etage blieb nicht von mannigfachen Ausgaben der Reden Ciceros und Cäsars verschont. Konkret diskutiert wurde aber auch - die Themen bezogen sich vor allem auf die Probleme der Vermittlung der alten Sprachen an den Schulen in unserer Zeit. Ein Arbeitskreis zu "Lernen durch Lehren im Lateinunterricht" wurde ebenso angeboten wie "Ars nova vel alternativa linguam Latinam docendi. Latine loquamur de institutione linguae Latinae" (Häh?).

Wer an der Schule den berühmt-berüchtigten Abl. Abs. (so gesprochen, wie er geschrieben wird) kennengelernt hat und dessen Träume die Struktur eines Hendiadyoins hatten, der wird sich fragen, wie man mit so viel Begeisterung an die Sache gehen kann. Doch gefiel es den Teilnehmern offensichtlich: Die Stimmung war - so wirkte es auf einen Unbeteiligten jedenfalls - durchgehend gut.

Nach drei Tagen war nun endlich die beste Übersetzungsmöglichkeit für ein Gerundiv gefunden und man kam zum Höhepunkt der Veranstaltung: Die Verleihung des Humanismuspreises an Altbundespräsident Richard von Weizsäcker.

Die Aula war voll, obwohl die Kunde von dem Festakt in der Stadt - auch gerade unter Studenten - nicht die ihm gebührende Verbreitung gefunden hatte. Schade eigentlich. Es lohnte wirklich.

Nach einleitenden Worten rezitierte die Schauspielgruppe des Seminars für Klassische Philologie die Parodes aus Aischylos Agamemnon. Man hätte sich in das Stück hineinversetzt fühlen, am Geist der alten Zeit schnuppern können, wenn, ja wenn man des Altgriechischen mächtig gewesen wäre. Ohne Zweifel klang es gut: Diphtong folgte auf Diphtong, und es gab auch, soweit der Autor dies beurteilen kann, keinen größeren Patzer. Das Publikum war scheinbar des Griechischen kundig, man schlug die Seiten der ausgehändigten Textvorlage jedenfalls immer zur gleichen Zeit um. Ob hier auch eine Portion Gruppenzwang im Spiel war, oder ob auch die, die die Vorlage zunächst falsch herum hielten, alles verstanden haben, darüber wollen wir uns hier kein Urteil erlauben.

Die Laudatio auf Richard von Weizsäcker hielt der Stuttgarter Ex-Oberbürgermeister Manfred Rommel. Dieser machte seinem Ruf als hervorragender Redner alle Ehre. Er wolle nicht dem zu Lobenden unter besonderer Betonung der schulischen Leistungen seinen Lebenslauf vortragen, so Rommel zu Ende seiner Rede. Vielmehr führte er dem Publikum auf sehr unterhaltsame Art seine eigenen Erfahrungen mit den alten Sprachen aus. Beruhigend, daß auch andere in diesem Gebiet nicht die Hellsten waren.

Wirklich beeindruckend wurde es, als Richard von Weizsäcker ans Mikrofon trat. Einfach ein faszinierender Mensch und Politiker. Nach eigenen Worten war er nicht der Beste in Latein, dafür war Griechisch eher sein Fach. Er bekannte sich zu den alten Sprachen und ihrer wichtigen Funktion in der Schule. Ein wenig mehr Humanismus könne in unserer heutigen schnellebigen Zeit nicht schaden: "Humanismus ist kein Luxus, sondern eine unersetzliche Hilfe bei der Erfahrung mit unserer Existenz." (Dies können auch die Teilnehmer eines Lateincrashkurses bestätigen.) Erwartungsgemäß gab esnach seiner Rede langanhaltenden Beifall.

Schwierig, nun ein Schlußwort zu finden. Normalerweise würde man schreiben: Eine gelungene Veranstaltung fand hiermit ihr Ende. Eigentlich war es ja auch so. Also. Abschalten. (mg)


Feuilleton


Sie fliegen wieder ...

Der vierte Band des Joe Bar Teams

Der vierte Band des Joe Bar Teams, Europas bester gegenwärtiger Funny, ist endlich in einem vierten Album erhältlich, und, um es vorweg zu nehmen, das Warten hat sich gelohnt. Zwar gibt es statt der sonstigen "Einseiter" eine komplett durch das Album gehende Geschichte, aber trotzdem kommt immer noch am Ende jeder Seite eine Pointe, die ihresgleichen sucht.

Die Story zum Comic ist schnell eklärt: Sie schildert (vor allem) Motorraderlebnisse vierer Franzosen, die seit dem zweiten Band um drei Nachwuchsfahrer aufgestockt wurden. Basislager der sieben "Asphaltcowboys" bildet dabei Joes Bar, der mit Tat und Rat dem Team hilft, die besten Strecken, d.h. mit möglichst wenigen Ampeln und Zebrastreifen quer durch die Stadt, zu finden. Im vierten Band erfährt der Leser aber auch noch vieles über das private Leben der drei Jungen, die alle in einer Werbeagentur arbeiten, und dort z.B. mit Bürostuhlrennen für ein angenehmes Arbeitsklima sorgen. Zu verdanken ist dies alles dem französischen Duo Christian Debarre und Stéphan Deteindre, der Debarre seit dem zweiten Album mit Text und Zeichnungen unterstützt.

Joe Bar Team ist nicht einfach ein Comic für Motorradliebhaber, obwohl das Team unter diesen einen schon legendären Ruf hat und unter anderem auch in Motorradzeitschriften erscheint. Nein, es ist mehr: so finden sich z.B. im Internet zahlreiche Seiten unter dem Suchbegriff "Joe Bar Team", und zwar nicht nur Webseiten über den Comic, sondern vor allem Seiten von Motorradclubs oder einfach nur Freunden, die gemäß dem Motto des Joe Bar Teams leben: Nur ein Sieg zählt! Und der wird notfalls mit einer Mischung aus Sprit und Nitroglyzerinmethol erzwungen. Einzige Opfer, die bei solchen waghalsigen Experimenten zu beklagen sind, sind entweder die Piloten selber, deren Maschinen meistens die Torturen nicht überleben, oder Radarfallen, die in Feuer aufgehen, wenn selbst aufgebohrte Mopeds mit 140 km/h über eine Landstraße fliegen. (jr)

Erhältlich ist das Album (wie schon seine drei Vorgänger) für 16,80 DM bei der Ehapa Comic Collection.


Einer kommt nach Deutschland...

Hubert Habig inszeniert Wolfgang Borcherts "Draußen vor der Tür"

Kann Wolfgang Borcherts "Draußen vor der Tür", jenes Nachkriegsstück von 1946, heute noch gespielt werden? Und wichtiger: Kann es nach einem halben Jahrhundert noch Menschen ansprechen? Daß es das kann, haben Hubert Habig (Regie) und Christian Schönfelder (Dramaturgie) mit ihrer Adaption "Draußen [vor der Tür]" bewiesen.

Die Inszenierung im Zwinger3 verknüpft Borcherts "Stück, das kein Theater spielen und kein Publikum sehen will" mit der Idee des "Universal Soldiers": Der Soldat Beckmann ist als "einer von denen" charakterisiert, er steht bei Borchert exemplarisch für den deutschen Heimkehrersoldaten, der versucht, sich in einer Welt zurechtzufinden, die nicht mehr die seine ist, die den Bezug zu ihm ebenso verloren hat wie er zu ihr.

Die Adaption hebt Beckmanns Exemplarcharakter darüber noch hinaus: Er ist auch der Soldat, der im Vietnamkrieg gekämpft hat, in Bolivien, Kuwait oder Sarajewo, er bewegt sich durch die Kriege der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts, wobei sich die Handlung von Szene zu Szene auf die Gegenwart zuschiebt und dem Zuschauer damit immer näher rückt. Beckmann ist auch der ewige Verlierer, wobei es keine Rolle spielt, ob er im Krieg auf der Seite der "Sieger" steht. Beckmann ist einer und jeder, nie derselbe, aber immer der gleiche.

Diese Idee ist szenisch hervorragend umgesetzt: Nacheinander schlüpfen fünf verschiedene Schauspieler (Gedeon Berger, Felix Würgler, Uwe Neumann, Johannes Szilvássy und Massoud Baygan) in die Beckmann-Rolle. Die Figuren werden austauschbar und verschmelzen dadurch zu der Figur des "Universal Soldiers". Wer eben noch Beckmann als "der Andere" gegenübergestanden hatte (als Antworter, "Alter-Ego", aber auch als der Gegner an der Front, Ermordeter oder Mörder), verwandelt sich im nächsten Moment selbst in Beckmann, indem er seinen Mantel und die Gasmaskenbrille übernimmt.

Einer von ihnen ist jener "backman" aus dem Vietnamkrieg, der unerwünscht in das Eßzimmer seines Generals platzt, um ihm die Verantwortung für die Massaker an der Zivilbevölkerung "zurückzugeben".

Die Szene gewinnt dadurch an Kraft, daß sie gewollt in einer sanft-seichten Seifenopernstimmung beginnt - die Ami-Familie ist extrem überzogen dargestellt - und sich auf den grausigen Alptraum Beckmanns hin beklemmend zuspitzt. Dessen Schilderung wirkt - selbst gekürzt und verändert - gerade vor dem amerikanischen Kitsch-Hintergrund umso erschreckender. Die Szene bewegt sich als ein bizarrer Balance-Akt zwischen Belustigung, peinlicher Berührung und Grauen.

Schade, daß das Stück gegen Ende gravierend vom Original-Text abweicht, ohne daß hier wie in den anderen Fällen die Aktualisierung Anlaß dazu gegeben hätte. Wenn Beckmann an der Seite des traurigen Gottes die Rampe hinauf dem Licht entgegenläuft, läßt das die Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit des Ausgangs des Borchert-Stückes vermissen. Dort ist "der alte Mann, der sich Gott nennt" abwesend, und Beckmanns Ruf "Gibt denn keiner, keiner Antwort???" verhallt verzweifelt in der Leere.

Gelungen ist dagegen eine Art Vorspiel zu Beginn: Fünf Männer zielen mit Steinen in einen Wassereimer, sehr schnell entwickelt sich aus dem Spiel ein Streit: Der Krieg kann überall entstehen, und der Verlierer wird auf den Namen Beckmann getauft, jedesmal von neuem.

Schauspielerisch überzeugen vor allem Massoud Baygan in seiner Rolle als Bestattungsunternehmer, als der überfressene Tod, der ununterbrochen rülpsen muß, und sein Gegenpart Felix Würgler als altgewordener Gott, der ohnmächtig um seine verlorenen Kinder trauert. Gut gelöst ist auch die schauspielerische Darstellung der personifizierten Elbe. Wie stellt man auf der Bühne einen Fluß dar, der in weiblicher Gestalt in Erscheinung treten muß? Eine Röhre in der Seitenwand der Bühne bildet die Quelle, aus der sie "strömt", Daniela Zähl kommt die Rolle der Elbe zu, mit nassen Lappen verschleudert sie ihr Wasser, während sie sich über die Holzbohlen rollt.

"Draußen [vor der Tür]" ist Theater, wie es sein sollte. Es führt uns die ungemütliche Welt des Regens und der Kälte vor Augen, die Welt des Ausgegrenztseins, die wir irgendwie alle schon einmal erlebt haben. (cw)

"Draußen [vor der Tür]" im Zwinger3: 13.05. und 15.05., jeweils 20 Uhr; 14.05., 11 Uhr


Ein verlorener Sohn?

"Der Held der westlichen Welt" im Stadttheater

In einer dunklen Nacht, alleingelassen von den Männern, die zu einer Totenwache gehen, kommt der dahergelaufene Christopher (Christy) Mahon der jungen Kneipenwirtin Pegeen als Gesellschafter gerade recht.

Sie überzeugt ihren Vater Michael, James Flaherty, den Fremden, als Schankburschen anzustellen. Christys zögerliches Geständnis, er habe seinen Vater im Streit umgebracht, sorgt jedoch keineswegs für Entsetzen und Ablehnung, sondern läßt die Achtung der Dorfbewohner beträchtlich steigen. Die unvorhergesehene Bestätigung verleitet den jungen Mann dazu, immer phantasievollere Einzelheiten zum besten zu geben, um sich das Interesse der Leute zu sichern. Dies ist nur der Anfang der Erfolgsgeschichte von John Millington Synges "Held der westlichen Welt": Im Licht der allgemeinen Bewunderung entwickelt sich Christy zu einem Frauenschwarm und erfolgreichen Sportler. Doch bevor es zu einer Hochzeit mit Pegeen kommt, taucht sein totgeglaubter Vater auf. Lediglich dessen Kopfverband liefert einen kleinen Echtheitsbeweis für die Geschichte, rettet Christy aber auch nicht, denn als der Vater die Vorkommnisse aus seiner Perspektive schildert, erscheint alles in neuem Licht. Die Stimmung im Dorf schlägt um, und plötzlich ist die Witwe Quin, deren Zuneigung Christy zurückwies, seine einzige Verbündete.

Die irische Tragikomödie wurde Ende des letzten Jahrhunderts geschrieben, ihr Thema ist jedoch zeitlos: Ein bisher unscheinbarer junger Mann wird durch eine Verzweiflungstat unverhofft zum Helden, erst die grenzenlose Bewunderung der Allgemeinheit verhilft ihm zu Selbstbewußtsein und Erfolg. Doch so schnell, wie er zum Helden gemacht wurde, wird er wieder fallengelassen. Alle Versuche, sein Ansehen zurückzuerlangen, schlagen fehl. Er ist gebrandmarkt als Versager. Fazit: Ein sehr amüsantes Schauspiel, dessen Akteure überzeugen. (mi)

"Der Held der westlichen Welt" im Stadttheater Heidelberg: 15. 05., 20 Uhr; 25.05., 20 Uhr


Emanzipation auf dem Campus

Premiere von David Mamets "Oleanna" im Nationaltheater Mannheim

Auf nicht restlos gefüllten Rängen erlebten die Besucher in Mannheim eine beeindruckende Inszenierung des 1992 uraufgeführten Dramas um den spätestens seit Wortmanns "Campus" wieder hochaktuellen "political correctness"- Konflikt.

Carol, eine vom Lernstoff überforderte Studentin, sucht das Büro ihres Dozenten (John) auf, um das Resultat ihrer Seminararbeit zu erfahren. John versucht, Carol schonend die Ungenügsamkeit der Arbeit klarzumachen und reagiert verständnisvoll auf deren Verzweiflung. Carol ist ihm sympatisch, und er bietet ihr seine Hilfe an. Er möchte sie unterrichten und verspricht ihr als Belohnung eine Eins in ihrer Arbeit. Unterbrochen wird der Dialog mehrmals vom Läuten des Telefons, Gespräche mit Frau und Rechtsanwalt lassen den Zuschauer von der anstehenden Professur auf Lebenszeit und einem geplanten Hauskauf erfahren. Etwa vier Wochen später liegt gegen John eine Anzeige wegen "paternaler Überheblichkeiten", "Sexismus" und "pornographischer Redeweise" vor. Carol, zuvor noch verschüchtert, erscheint im zweiten Akt deutlich verändert. Ihr Auftreten ist entschlossen, ihre Erscheinung auffällig. John, dessen Professur in weite Ferne gerückt ist,wirkt zerstreut und verunsichert. Mit Unverständnis reagiert er auf die Vorwürfe Carols und hofft, die bestehenden Mißverständnisse in einem Gespräch klären zu können. Carol jedoch ist für seine behutsamen Appelle an ihr Gewissen und Mitleid völlig unempfänglich. In ihrer fanatischen Selbstge-rechtheit und den emanzipatorischen Zielen ihrer "Gruppe" gefangen, ist sie immun gegen jegliche Anrufung des Gefühls. John hält sie fest, um sie zum Bleiben zu bewegen, was ihm wenig später eine Anzeige wegen versuchter Vergewaltigung einbringt. Im dritten Akt signalisiert Carol John bei einer erneuten Begegnung die mögliche Revidierung ihrer Aussage, verlangt jedoch die Änderung des verbindlichen Bücherkanons, einschließlich seines eigenen Buches, aufgrund darin enthaltener frauenbeleidigender Äußerungen. Die sich bisher rein verbal äußernde Aggression schlägt in Handgreiflichkeiten um. Die Möglichkeit zum Kompromiß ist für John endgültig gestorben, und alle aufgestaute Wut und Enttäuschung bricht orkanartig aus ihm hervor...

Werner Galas (John) und Susanne Weckerle (Carol) beeindrucken in dem neunzigminütigen Stück durch faszinierendes Verständnis der Nuancen von Mamets Sprache. Bewußt wissen sie, Pausen auszukosten, um einzelne Aussagen zu intensivieren, und verfahren ebenso geschickt bei der pointierten Setzung einzelner Wortfetzen. Vortrefflich gelingt es ihnen dadurch, genau den Ton der kontinuierlich in der Luft liegenden Spannung zu treffen. Das karge, in blau gehaltene Bühnenbild zwingt den Zuschauer zu völliger Konzentration auf den Dialog, hinter dem sich ein ungeheurer Facettenreichtum verbirgt. Wort für Wort öffnen sich neue Türen in den Charakteren, und nach und nach erforscht der Zuschauer die subtilen Zusammenhänge, gelingt die Formung eines Gesamtbildes.

Das zentrale Thema der "political correctness" erscheint in einer erschreckenden Karrikatur, doch wird nicht Partei bezogen. Am Ende steht ein Unentschieden: John hat den für ihn sehr wichtigen materiellen Gewinn, sein Prestige und sein Haus verloren; doch auch Carol erreicht nicht ihr Ziel, die Änderung des Bücherkanons. Ihr neues Selbstbewußtsein entbehrt jeglicher Empathie, der sich menschlicher Fehlbarkeit durchaus bewußte John verliert die Pfeiler seiner bisherigen Existenz und offenbart die Unbeständigkeit materieller Werte. Das Stück wirft viele Fragen auf und öffnet eine Diskussionsbasis für die kritische Betrachtung zentraler Themengebiete der Gegenwart. Absolut sehenswert! (ko)

"Oleanna" im Nationaltheater Mannheim: 18.05., 20 Uhr; 30.05., 19 Uhr


ruprecht goes to the movies

Filmtips - und vor allem Meinungen

(in Klammern die Anzahl der ruprechte)

ruprechts Notenskala:

kein ruprecht - nicht empfehlenswert
ein ruprecht - mäßig
zwei ruprechts - ordentlich
drei ruprechts - empfehlenswert
vier ruprechts - begeisternd

Auf der Jagd (2)

Die Fortsetzungs-Manie in Hollywood nimmt kein Ende. Nach Axel Foley (Eddie Murphy) und John McLane (Bruce Willis), die bereits ihre dritte Fortsetzung absolviert haben, darf nun auch Tommy Lee Jones als Samuel Gerard wieder auferstehen. (Alle, die bisher Harrison Ford für den Helden des ersten Teils "Auf der Flucht" hielten, werden in "Auf der Jagd" eines Besseren belehrt.)

Das Abenteuer beginnt dieses Mal mit einem Routine-Job: Sam soll einen Gefangenentransport von Chicago nach New York begleiten. Im Flugzeug befindet sich unter anderem der wegen brutalen Mordes an zwei Geheimagenten verurteilte Mark Roberts (Wesley Snipes), der nach einer Notlandung des Fliegers - verursacht durch einen Mordanschlag, der ihm galt - die Gelegenheit zur Flucht ergreift. Dies wiederum ermöglicht es dem Chief Deputy Gerard, mit seinem bewährten Team mal wieder erbitterte Jagd auf einen Entflohenen zu machen, der verzweifelt versucht, seine Unschuld zu beweisen.

Für Action-Fans ein durchaus unterhaltsamer Film, wenn auch etwas verdorben durch die vielen coolen Sprüche. (mi)

Mister Magoo (-)

Leslie Nielsen ist an sich ja ein Garant für gelungene Filme, die vor allem durch ihre Komik bestechen, aber "Mr. Magoo" unterbietet alle Grenzen. Der Film ist so schlecht, daß erst der Abspann mit seiner Auflistung der mißlungenen Szenen dem Zuschauer ein müdes Lächeln entlockt. Aber das ist keinen Besuch im Kino wert, auch nicht wenn Nielsen in der Rolle des stark kurzsichtigen Mr. Magoo tolpatschig von einem Mißgeschick ins nächste stolpert und damit letztendlich immer als Gewinner dasteht. Und die Story ist nicht einmal so schlecht: Ein gestohlener Rubin gelangt unwissentlich in seinen Besitz und wird von Gaunern und Polizei gesucht. Jedoch ist es Stanley Tong, ein Vertreter des rasanten Hong-Kong-Kinos, nicht gelungen, diese Geschichte halbwegs packend dem Zuschauer zu vermitteln. Slapstick-Szenen wechseln sich mit Action-Sequenzen ab, aber was in "Police Story 4" einen guten Film hervorbrachte, wirkt in "Mr. Magoo" nur schlecht. Selbst ein Auftritt Malcolm McDowells als, was sonst, Bösewicht kann keine Sympathien der Zuschauer gewinnen, und so fragt man sich danach, wieso man nicht einfach zu Hause geblieben ist. (jr)

Der Strand von Trouville (4)

Der schüchterne Philosoph und Klavierlehrer Lukas (Boris Aljinocic) verliebt sich Hals über Kopf in Nathalie, eine rothaarige Schönheit, deren Telefonnummer er nach dem ersten Rendezvous leider verliert. Mit dem Mut des Verzweifelten macht er sich auf die Suche nach ihr in einer fremden Stadt. Dreh- und Angelpunkt ist dabei ein gigantisches Einkaufszentrum, das Lukas zu einem neuen Lebensraum und -inhalt wird. Um sich über Wasser zu halten, arbeitet er hier als Wurstverkäufer und lernt nebenbei die Käsehäppchenanbieterin Elenor (Katja Zinsmeister) und deren Bruder Bill (Lars Rudolph) kennen, der täglich über einem Puzzle namens "Strand von Trouville" brütet. Außerdem gibt es da noch die freche und wechselhafte Parfümverkäuferin Alice, die sich unsterblich in Lukas verliebt. Doch Gefühle zuzulassen fällt ihr schwer, denn er kann Nathalie nicht vergessen. Trotzdem nimmt Alice in Lukas' Leben immer mehr Nathalies Rolle ein, und auch er scheint nicht länger abgeneigt. Doch als er seiner ehemals Angebeteten wiederbegegnet, droht die neue Liebe zu Alice, die daraufhin nach Trouville flüchtet, zu zerbrechen. Für wen wird sich Lukas entscheiden?

Endlich mal Ehrlichkeit auf der Leinwand, fernab jeglicher Mainstream- Gefühlsduselei. Der Regisseur Michael Hofmann hat in seinem Debütfilm die Kamera nicht vor Schwächen und Häßlichkeit der Charaktere halt machen lassen, sondern schafft mit großer Einfühlsamkeit authentische Helden, die der Zuschauer von nebenan zu kennen scheint. Das Einkaufszentrum als Mikrokosmos eröffnet dem Zuschauer eine kleine Welt voll symbolischer Dichte. Liebe und Verletzlichkeit bestimmen den Alltag der Protagonisten, aber auch der Humor kommt nicht zu kurz und zeigt sich von seiner schwärzesten Seite. Das Ganze wird stimmungsvoll von den "Sternen"und "Tocotronic" untermalt. (et)


Karl!!!

Großer, nicht der Große

Vom 30. April bis zum 3. Mai fanden auch in diesem Jahr wieder die Heidelberger Film- und Videotage zum nunmehr achten Mal (zum dritten Mal im Kommunalen Kino im Karlstorbahnhof) statt. Die Film- und Videotage sollen vor allem Nachwuchs-Filmemachern ein Forum bieten, in dem sie ihre Produktionen vorstellen und mit anderen Filmemachern ins Gespräch kommen können. Außerdem wird ein mit 1000 DM dotierter Preis an den vom Publikum auserkorenen besten Film vergeben.

Aus 150 Einsendungen hatte die Jury 63 Filme vorausgewählt, die in neun Blocks gezeigt wurden und vom Publikum bewertet werden konnten. Grundsätzlich kann jeder Nachwuchsfilmemacher am Festival teilnehmen; nicht Perfektion und Kommerz, sondern Originalität und Idee sollen im Vordergrund stehen. Dieses Jahr hatten die Organisatoren erstmals ein Zeitlimit - 40 Minuten - für die Filme angesetzt, um so das Augenmerk stärker auf Kurzfilme zu richten. Außerdem hatte man auf eine thematische Festlegung der einzelnen Blöcke verzichtet, so daß Dokumentar-, Kurz- und Animationsfilme gleichberechtigt nebeneinander standen. Der Professionalitätsgrad der Filme ist ebenfalls sehr unterschiedlich: Neben Experimentals und Erstlingswerken sind Abschlußfilme aus Filmhochschulen zu finden - eine faire Konkurrenz? Die Auswahl zeigte, daß geistreiche Erstlingswerke durchaus neben technisch perfekten Diplomabschlußarbeiten bestehen können. Unerwarteterweise gelangten drei Dokumentarfilme in die Endausscheidung, wodurch sich der Finale-Block zu einem wahren Marathon entwickelte. Wieviele Engel können auf einer Nadelspitze tanzen? von Carsten Fiebeler (Potsdam) dokumentiert Jugendliche im Strafvollzug im gekonnten Wechsel zwischen Hoffnungslosigkeit und der Poesie von Knastmusik. Wer ist der Letzte - Who's last in line von Uli Gaulke (Berlin) ist die Dokumentation eines schizophrenen kubanischen Trompeters, die den zweiten Platz in der Auswahl wohl hauptsächlich dem sympathischen Lachen eben dieses Trompeters und einigen poetischen Worten des Klinikchefs verdankt. Im einzigen in der Endausscheidung vertretenen Animationsfilm von Alain Gsponer (Ludwigsburg) zerschlägt Heidi in drei Minuten mit wenigen brutalen Handlungen das Klischee vom braven Schweizer Mädel. Auch Fake! von Sebastian Peterson (Berlin) erfüllte die Forderung nach Originalität; nichts an dem Film ist "neu", aber er ist ein postmoderner Zusammenschnitt aus Sprüchen und Typen der Werbung, der durchaus seinen Reiz hat. Als Publikumsfavorit wurde schließlich der 17-minütige Mooman von Nils Loof (Hannover) mit dem "Großen Karl" ausgezeichnet. Zwei Menschen, ein Mann und eine Frau, begegnen sich, sprechen miteinander, küssen oder schlagen sich, das weiß man vorher nie so genau, und sie selbst wissen das auch nie so genau. Sie treffen sich im Bus, im Supermarkt oder im Tapetenmuseum, in stets banalen, aber oft absurden Situationen, mit denen Loof den Zuschauer in jeder Minute neu verblüfft. Ein Film, der die Auszeichnung verdient hat; ob es nächstes Jahr dann ein Nils Loof Retro-Intro geben wird? Wir warten schon gespannt darauf. (cw)


Multiplizierende Kinositze

Wann beginnt das Buhlen um die Kinogänger ?

Wer auf den Heidelberger Bahnhofsplatz tritt, sieht erst einmal gelb: Bulldozer graben die Erde auf, Baumaschinen machen Lärm und Gestank, der Verkehr muß umgeleitet werden. Der Ausbau des Firmensitzes der Heidelberger Druckmaschinen ist nur das erste einer ganzen Reihe von Großprojekten in Bergheim: die Pläne gehen vom Abriß des AZ zugunsten eines Wohnkomplexes bis zu gleich mehreren Großprojekten in Hauptbahnhofnähe. Unmittelbar steht nun der Baubeginn des langangekündigten Heidelberger Multiplex bevor.

Schon 1996 beschloß der Heidelberger Gemeinderat, die UFA ein Multiplex auf dem Gelände des Unterwegs-Theaters bauen zu lassen. Inzwischen sind laut UFA auch die grundstücksrechtlichen Streitigkeiten beigelegt, die den Baubeginn um zwei Jahre verzögert hatten. Im Frühjahr, spätestens Sommer nächsten Jahres werden die Bagger anrücken.

Der Bau von Multiplexkinos boomt. In den letzten acht Jahren sind in Deutschland 62 dieser Vergnügungsriesen, die manchmal bis zu 15 Säle mit insgesamt etwa 5000 Sitzplätzen beherbergen, aus dem Boden geschossen. Das Besondere dieser Kinos ist aber weniger die Programmvielfalt, denn die großen Säle zahlen sich nur aus, wenn sie massenweise besucht werden: Also wird vornehmlich Massenware gespielt. Wichtig ist vor allem das Drumherum: In den großzügigen Foyers sind Restaurants und Verkaufsstände zu finden, Einkaufszentren oder ähnliche Anziehungspunkte sind meist nicht weit, und die Kinosäle selbst sind mit der neuesten Technik ausgestattet. Entsprechend hoch sind die Eintrittspreise.

Braucht Heidelberg ein Multiplex? Für die Investoren könnte die Lage günstiger nicht sein, obwohl die Region schon zwei Großkinos hat: Seit Jahren führt Heidelberg die Liste der Städte mit den eifrigsten Kinogängern an. Die Programmvielfalt ist ausgeprägt, die Kinolandschaft gewachsen. Doch das Geschäft ist ein Kampf hart an der Rentabilitätsgrenze: Bleiben Publikumsmagneten wie "Titanic" aus, sind auch in Heidelberg die Säle nur halb gefüllt.

Die Heidelberger Stadtväter erteilten der UFA den Zuschlag nur, weil die bereit war, zahlreiche Auflagen mitzufinanzieren. So wird der Komplex auch Wohnungen, einen Supermarkt "der etwas gehobeneren Preisklasse", ein Jugendhotel sowie einen Bürgersaal einschließen. Vor allem soll das Unterwegs-Theater ausgebaut werden. Die Kosten der UFA allein für das Theater sollen ca. 1 Million Mark betragen - alles in allem eine bürgerfreundliche Lösung.

Bei der Zahl der Kinositzplätze war der Heidelberger Gemeinderat verhältnismäßig zurückhaltend: Sie wurde auf 1800 beschränkt. UFA-Projektleiter Vogel meint: "Eigentlich handelt es sich bei dem Heidelberger Projekt um ein Multiplexchen. Wir hätten es größer gebaut." Daß das Multiplex die Zahl der Heidelberger Kinositze auf einen Schlag fast verdoppelt und in Viernheim schon ein anderes Multiplex existiert, an das zumindest das autofahrende Publikum bereits gewöhnt ist, läßt die UFA nicht an der Rentabilität ihres Projektes zweifeln: "Heidelberg verträgt noch mehr Sitze,", sagt Vogel dazu, "Multiplexkinos ziehen besonders Leute an, die bisher lieber zu Hause geblieben sind." Die alten Heidelberger Lichtspieltheater sieht er deswegen nicht gefährdet. Ein Kinosterben hält er für unwahrscheinlich. Diese Auffassung teilt das Stadtplanungsamt: In Freiburg habe das Multiplexprojekt schließlich auch nicht zu großen Veränderungen der Kinolandschaft geführt, so der zuständige Sachbearbeiter Vierneisel.

Doch es gibt auch andere Beispiele: Seitdem in Nürnberg das Cinecitta, ein Multiplex der Oberklasse, eröffnet hat, haben die beiden alten großen Kinos, das Admiral und das Atlantik, nur noch selten volle Säle. Der für das Atlantik zuständige Leiter Egenolf ist sich deshalb sicher, daß es so nicht lange weitergehen kann. Ob das die Schließung zur Folge haben könnte, wollte er aber nicht bestätigen. "Die Multiplexkinos haben einen Staubsaugereffekt. Die Zuschauer werden von den alten Kinos abgesogen", meint Frau Güß, Pressesprecherin der UFA in Düsseldorf, der auch das Atlantik angehört. Herr Egenolf, der die UFA-Kinos in Süddeutschland betreut, hält die Situation von Heidelberg und Nürnberg aber nur für begrenzt vergleichbar: Nürnberg sei viel größer und habe ein anderes Publikum.

Frau Maurer, der das Gloria-Kino in der Hauptstraße gehört, ist sich sicher, daß sich die Kinolandschaft Heidelbergs sehr verändern wird. "Wir sind davon überzeugt, daß die UFA nicht alle ihre Kinos halten wird." Das Gloria werde zumindest Einbußen davontragen. Denn wenn Lux und Harmonie auch zu Programmkinos werden, wird ein Wettbewerb um das Filmkunstpublikum ausbrechen. "Wenn das Multiplex gebaut ist, wird es in der Stadt regelmäßig zwei Kopien eines Films geben. Und davon muß noch nicht einmal eine bei uns laufen." Denn zwar hat die Stadt von der UFA einen Bestandsschutz für das Gloria gefordert, aber nicht ausgeführt, was das zu bedeuten habe. Frau Maurer fühlt sich von der Stadt unfair behandelt, hofft aber, daß ihr Kino nach der Multiplex-Eröffnung bestehen kann: "Immerhin haben wir die Altstadtlage und unser Stammpublikum."

Gebaut wird das Heidelberger Multiplexkino auf jeden Fall - und zumindest das Unterwegs-Theater hat großes Interesse daran, daß dies bald geschieht. Denn da der Zuschauerraum in der ehemaligen Autowerkstatt, wo das Tanzensemble spielt, inzwischen baufällig geworden ist, wird das Theater seinem Namen mehr gerecht, als ihm lieb ist: Ein Jahr lang gastierte die Truppe im Zwinger Theater, ein Tanzfestival Anfang Juni findet in der Klingenteichhalle statt. Konzentriertes Arbeiten ist aber auf Dauer so unmöglich, und die verbesserten Spielbedingungen als Teil des Multiplex werden heiß ersehnt. (gan)


ruprecht on the record

Musiktips

Herbert Grönemeyer: Bleibt alles anders

Das Titelstück "Bleibt alles anders" wird als erste Auskopplung aus der neuen CD von Herbert Grönemeyer in allen deutschen Radiosendern rauf und runter gespielt - ein Zeichen für Qualität? Beim ersten Hinhören wirkt besonders der Text und eigentlich auch die mit neuester Soundtechnik bearbeitete Musik für Grönemeyer-Hörer etwas befremdend. Versucht sich der Autor da an einem neumodischen Stil und verkalkuliert sich, indem er alte und neue Effekte dilettantisch vermengt? Beim Zuhören wird klar, daß er weder laienhaft noch gekünstelt ans Werk ging, sondern mit "Bleibt alles anders" eine eigene und sehr homogene Interpretation geschaffen hat, die einerseits völlig neu und andererseits typisch Grönemeyer ist. Die übrigen Stücke auf der CD knüpfen in ihrer Ästhetik nahtlos an den Titelsong an, der den interessantesten und reifsten Grönemeyer ankündigt, den es je gab. (rk)

Tobsucht: Zum Lachen in den Keller gehen

Wenn selbst Grönemeyer, die gute alte Ruhrpottcurrywurst, ein bißchen Avantgarde in seine Texte und Klänge mischt und der fantastische Thomas nicht nur mit Nina Hagen einen betont leisen Song produziert, sondern der auch noch im Radio alle zwei Tage einmal gesendet wird: dann ist vielleicht der richtige Moment gekommen für eine Band, die nicht nur auf den Ideenklau poppiger Samples setzt. Tobsucht sind sieben Musiker aus Darmstadt, "Zum Lachen in den Keller gehen" ihre neue Single. Der Text ist so tief, daß er das Hirn nicht wie ein Ohrwurm mit Schleimspuren verklebt, sondern der Kopf weiter rapt. Leider wird die Single wohl trotzdem kein Hit werden, denn wenn die Masse der Musikbegeisterten ihr gutes Geld für Scheiben von Guildo Thomas Bohlen oder dem Musikantenstadel ausgibt, kann kein Song Erfolg haben, der im Refrain unlösbare Probleme stellt.

Eigentlich schade, daß auf der Single kein Platz für eine Liveversion war. "Zum Lachen in den Keller gehen" hört sich an, als seien die beiden Versionen auf der Scheibe nur zwei von vielen möglichen Interpretationen, und genauso wirkt das etwas schnellere "Engel jagen", das ein bißchen an Selig und vom Text an einen Drogen-"Tatort" erinnert. Solche Fähigkeit zur Abwechslung ist ein sicheres Zeichen für eine Band, die man auch gerne mal undigitalisiert erleben würde. (gan)

Scott Weiland: 12 Bar Blues

An dieser Platte ist vieles verwunderlich, vor allem, daß sie überhaupt entstanden ist. Scott Weiland, seines Zeichens Sänger der Stone Temple Pilots, hat sich nach mehreren abgebrochenen Drogentherapien endlich aufgerafft. Doch bevor er sich wieder seiner Band zuwendet, läßt er uns alle wissen, durch welche Hölle er gegangen ist. 12 Bar Blues ist das Tagebuch eines Junkies, eine Achterbahnfahrt ohne Sicherheitsbügel. Verstörende Low-Fi Krachpassagen wechseln sich mit zärtlichen Streicherarrangements ab, die Stimmungen kippen unvermittelt und lassen einen verunsicherten, aber zunehmend faszinierten Hörer zurück. Weiland nutzt verschiedenste Genres, mal lasziven Rythm 'n Blues, dann wieder relaxten Hip Hop oder intime Akustikmomente. Bei alledem hat er zum Glück sein Gespür für eingängige Melodien nicht verloren, mancher Song entwickelt sich gar zum Ohrwurm. Ein ehrliches, faszinierendes Album. (jba)


Kino

für Arme

Ein schöner Sommerabend und Ebbe im Portemonnaie? Das Studi-Kino hilft: DM 3,50 für Ersttäter, 3,- für Wiederholungstäter.

MOVIE

jeden Mittwoch um 19.30 Uhr im HS 13 in der Neuen Uni:

13.05. Die Cannes-Rolle
20.05. Ganz oder gar nicht
27.05. Kolya
03.06. Scream
10.06. Jenseits der Stille
17.06. Men in Black
24.06. Knockin' on Heaven's Door
01.07. Die Hochzeit meines besten Freundes
08.07. Nuovo Cinema Paradiso

KINO IM FELD

jeden Donnerstag um 20.30 Uhr in der Aula INF 684:

14.05. Der Krieg der Knöpfe
21.05. Out of Rosenheim
28.05. Der Morgen stirbt nie
04.06. Die neuen Leiden des jungen W.
11.06. Yellow Submarine
18.06. Der Mieter
25.06. Die üblichen Verdächtigen
02.07. Alexis Sorbas
09.07. Der Postmann
16.07. Der letzte Kaiser


Verschiedenes


Blut für die Welt

Aktion Albert Schultheiß findet Fortsetzung

Die Erkrankung führt in vielen Fällen zum Tode - das weiß Albert Schultheiß. Um dem an Leukämie erkrankten Heidelberger Studenten zu helfen, riefen seine Freunde die "Aktion Albert Schultheiß" ins Leben: Sie hofften auf einen geeigneten Spender, dessen Knochenmark ihm das Leben retten würde (ruprecht berichtete).

Ihre Hoffnung war nicht vergebens: Dank des Engagements seiner Freunde wurde tatsächlich ein Spender gefunden. Obwohl ihr Ziel damit zwar erreicht ist, hat sich die Aktion dennoch nicht zur Ruhe gesetzt. Durch ihren schnellen Erfolg ermutigt und sich und anderen ein persönliches Schicksal vor Augen haltend, setzt sie ihr Engagement fort, denn noch viele andere Menschen warten auf eine geeignete Knochenmarkspende.

Aus diesem Grunde veranstaltet die Aktion in Zusammenarbeit mit der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) am Samstag, dem 16. Mai, von 9 - 17 Uhr im Deutsch-Amerikanischen Institut (DAI) Heidelberg einen Bluttest. Dabei werden den potentiellen Spendern einmalig 10ml Blut abgenommen und untersucht. Sollte ein passender Kandidat darunter sein, so wird diesem durch Punktion aus dem Beckenknochen Knochenmark entnommen. Wer gerne helfen möchte, aber noch Fragen zu dem Thema hat, sollte den Infoabend im DAI am Donnerstag, dem 14. Mai, 20 Uhr nicht verpassen. Und wer lieber - oder zusätzlich - sein Konto bluten läßt: Spendenkonto Nr. 13 12 421, Sparkasse Heidelberg (BLZ 672 500 20), Stichwort: "Aktion Albert Schultheiß".

Allgemeine Informationen zum Thema Leukämie:

http://www.leukaemie.de

(rk)


Leserbriefe

Hier habt ihr das Wort

Alles geregelt?! - Zentrale Anmeldefristen für Magisterprüfungen, Nr. 52, S.1:

In dem Artikel "Alles geregelt?!" wird der Eindruck erweckt, mit der Einrichtung des Gemeinsamen Prüfungsamts der Philosophisch-Historischen Fakultät, der Neuphilologischen Fakultät und der Fakultät für Orientalistik und Altertumswissenschaften hätten sich ab dem 1. Januar 1998 die Anmeldefristen für Magisterprüfungen geändert. Das ist nicht korrekt. Die monierten Fristen zur Anmeldung von Studierenden mit dem ersten Hauptfach in den beiden erstgenannten Fakultäten in der ersten Februar- und der ersten Julihälfte entsprechen der bisherigen Praxis. Nach Gesprächen zwischen den Magisterprüfungsausschußvorsitzenden und mir wurde der Fakultät für Orientalistik und Altertumswissenschaften der Vorschlag unterbreitet, sich ebenfalls an diesen Fristen zu orientieren. Die Fakultät hat in ihren hierfür zuständigen Gremien darüber beraten und entschieden, es bei der bisherigen Regelung zu belassen. Dies ist ein ziemlich normaler Vorgang. Niemand hat der Fakultät etwas "verkündet" (S.1). Es gelten daher auch nicht "vorläufig wieder freie Anmeldezeiten" (S.4) - es galten nie andere.

In dem Artikel wird behauptet, die Fristen wirkten studienzeitverlängernd, da man sich de facto erst ein Semester, nachdem man alle Scheine abgelegt hat, anmelden könne. Das ist nicht korrekt. Scheine, die im Semester der Anmeldung erbracht werden, können ohne Probleme nachgereicht werden, was beinahe den Regelfall darstellt. Dies ist den Anmeldeunterlagen und dem Merkblatt zu entnehmen sowie den Fachstudienberatern und allen (wie mir scheint fast allen) Prüfungskandidaten bekannt. Meldet sich also ein "Studi beglückt zur Prüfung an" (S.1), erlebt er keine böse Überraschung.

Eine prinzipielle Anmerkung zu den Anmeldefristen. Sie wurden nicht zuletzt eingerichtet, da es in der Prüfungsordnung Fristen zur Fertigstellung der Magisterarbeit und zum Ablegen der weiteren Teilprüfungen gibt, jeweils sechs Monate. Da aber die Prüfer nicht verpflichtet sind, in der vorlesungsfreien Zeit zu prüfen (und es infolge auswärtiger Verpflichtungen und Urlaub in vielen Fällen auch nicht tun bzw. nicht die Möglichkeit dazu haben), drängt sich diese Frist auf, die Studierende vor bösen Überraschungen bei der Vereinbarung von Terminen für die mündlichen Prüfungen bewahren hilft.

Dr. Achim Hopbach, Leiter des Gemeinsamen Prüfungsamtes

Cynthia hat Dich lieb! Und sie sucht Dich!

Hallo!

Vielleicht könnt Ihr mir weiterhelfen?! Es ist so: Letztes Wochenende hab' ich in Würzburg verbracht und da jemanden kennengelernt, der in HEIDELBERG studiert und zwar POLITIK UND SPORT. Sonst weiß ich nicht viel von ihm, außer daß er einen Kumpel in Würzburg besucht hatte und ca.1,75 m groß ist und braune Haare hat.
Tja, vielleicht hab' ich nun Glück und Ihr kennt denjenigen?

Cynthia

Sachdienliche Hinweise nimmt die Redaktion Heidelberg entgegen: leserbriefe@ruprecht.exchi.uni-heidelberg.de oder Lauerstraße 1, 69117 HD oder Tel.: HD / 54- 24 58


Personals

Gnu! Du siehst heute so rauhaardackelig aus! - Der Löwe
Bernd! Bist Du jetzt etwa erwachsen?! So richtig? - Die Ungläubigen
Guildo! Hast Du jetzt schon fertig? - Der Nußecken-Backclub
Denkerin! Du mußt schon schneller denken! - Die Schnelltipperin
gan! Weil Du so ein lieber Kerl bist. - Die Hobby-Psychologin
Pigro! Cosa farai il prossimo mese? - La studentessa
Redakteur a. D.! Die Telefonrechnung war so hoch. - Noch 'ne a. D.
Krokodil! Warum geht die Luft aus Dir raus? - Der enttäuschte Kleine


Termine

Seid dabei

Im Dokumentationszentrum Deutscher Sinti und Roma:

Dienstag, 26.Mai, 19.00, Bremeneckgasse 2: Willi Dreßen: Die Verfolgung von NS-Verbrechen durch die Justiz in der Bundesrepublik Deutschland.

Infoabend in der Neuen Universität:

7.Juni, Neue Uni, 19.00: Infoabend über das 1. Staatsexamen für Lehramt am Gymnasium

Vortragsreihe zur Revolution 1848/49, Friedrich-Ebert-Gedenkstätte:

Dienstag, 19.05., 19.30 Uhr:
Beatrix Bouvier spricht über Sozialdemokratische Märzfeiern im Kaiserreich.

Dienstag, 26.05, 19.30 Uhr:
Dr. Christoph Strupp: Erbe und Auftrag. Bürgerliche Revolutionserinnerung im Kaiserreich.

Theologischer Gesprächsabend, KSG (Edith-Stein-Haus)

"Fastfood oder Rohkost?"- Wie glaubwürdig ist der christliche Glaube?
Referent: Markus Eisele (Dipl.-Theologe, Freiburg)

Tanzfestival mit dem UnterwegsTheater, Klingenteichhalle:
Mittwoch, 03.06 - Samstag, 06.06., jeweils 20.30 Uhr: Tanz international '98. Achtes Festival zeitgenössischen Tanzes in Heidelberg.

Theater im Romanischen Keller:

Mittwoch, 20.05 - Sonntag, 24.05. und Mittwoch, 27.05 - Sonntag, 31. Mai:
"Der Totmacher" von Romuald Karmkar und Michael Farin.

Evangelische StudentInnengemeinde Heidelberg:

Mittwoch, 20.05., 20.15 Uhr:
Celtic Folk Rock mit den Forgotten

Freaks.

Hochschulpolitische Veranstaltungen:

Donnerstag, 14.05., ab 10 Uhr:
Dies academicus der Uni Mannheim unter dem Motto "150 Jahre Badische Revolution".

Mittwoch, 03.06, 17.30, Zentrales Fachschaftenbüro: die Grüne Hochschulgruppe lädt ein: Dieter Salomon, MdL und Angelika Köster-Lossack, MdB im Gespräch über hochschulpolitische Themen.

Ausstellung im Foyer der Alten Uni:

Dienstag, 12.05. - Freitag, 19.05.:
Hermann von Helmholtz. Klassiker an der Epochenwende.

Vortragsreihe für Schwule und Lesben im Juni.

Peter Freytag: "Was uns bewegt - kollektive Identität und soziale Bewegung" (Eigene Identifikation mit der 'Gruppe' der Schwulen als Grund zum Handeln, Studie leider nur über Schwule)

Hans Flory: "Homosexualität und Alter."
Thomas Heinrich: "Stereotypen" (Ort und Zeit werden ausgehängt.)

Pink Party

Das Ereignis in Heidelberg: Die größte schwul-lesbische Party der Stadt.
Samstag, 23.05. im Autonomen Zentrum, Alte Bergheimer Straße 7a.
Ab 15 Uhr Café, ab 17 Uhr laufen SchwuLesBIsche Filme;
Party ab 21 Uhr bis zum Morgengrauen.


Impressum

Wer wir sind

ruprecht, die Heidelberger Student(inn)en Zeitung, erscheint drei Mal im Semester, jeweils Anfang Mai, Juni, und Juli, bzw. November, Dezember und Februar. Die Redaktion versteht ruprecht als unabhängiges Organ, das keiner Gruppierung oder Weltanschauung verpflichtet ist. MitarbeiterInnen und RedakteurInnen sind willkommen; die Redaktion trifft sich während des Semesters jeden Montag um 20 Uhr im Haus der Fachschaften in der Lauerstr. 1, 3. Stock. Für namentlich gekennzeichnete Artikel übernimmt der/die AutorIn die Verantwortung.

V.i.S.d.P.: Gabriel A. Neumann, Heugasse 1, 69117 Heidelberg

Redaktionsadresse: ruprecht, Lauerstr.1, 69117 Heidelberg, Tel./Fax 06221/542458

E-Mail: ruprecht@urz.uni-heidelberg.de

Druck: Caro-Druck, Frankfurt

Auflage: 12.000

Graphiken: jr, papa

Finanzen: st, kebi

Layoutleitung: gan

Die Redaktion: John Philipp Baesler (jba), Verena Bopp (vb), Christian Collet (col), Marc Goergen (mg), Katharina Hausmann (kh), Kerstin Hilt (kebi), Martina Imkeller (mi), Carola Leube (cl), Gabriel A. Neumann (gan), Harald Nikolaus (hn), Katrin Osterkamp (ko), Patrick Palmer (papa), Jannis Radeleff (jr), Sandra Thoms (st), Stephanie Vetter (sv), Stefanie Wegener (stw), Klaus Werle (kw), Claudia Wente (cw), Bernd Wilhelm (bw), Gundula Zilm (gz)

Freie Mitarbeiter(innen): Barbara Diehl (bd), Christiane Hoyer (hoy), Robert Kobelt (rk), Esther Schalott (et)

Red.-Schluß für Nr. 54: 01.06.1998

ISSN: 0947-9570

ruprecht im Internet:

http://ruprecht.fsk.uni-heidelberg.de


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