02.02.2010
Zum Beten in die Ecke
Muslime wollen „Raum der Stille“ für religiöse Rituale
Muslimische Studenten können ihren religiösen Pflichten nicht nachkommen. Es gibt keine Gebetsräume auf dem Campus, sodass sie nun mehrmals am Tag in Treppenhäusern und zwischen Bücherregalen beten müssen.
Muslimische Studenten können ihren religiösen Pflichten nicht nachkommen. Es gibt keine Gebetsräume auf dem Campus, sodass sie nun mehrmals am Tag in Treppenhäusern und zwischen Bücherregalen beten.
Die Muslimische Studentengruppe (MSG) beklagt seit langem, dass sie an der Uni Heidelberg keinen geeigneten Gebetsraum zur Verfügung hat (wir berichteten) und zum Beten in die "Abstellkammer" müsste. Der MSG zufolge hat sich die Lage noch verschlechtert: Den Schnellimbiss, der als Notlösung diente, gibt es nicht mehr. Derzeit beten die Studenten in abgelegenen Bereichen wie Treppenhäusern oder zwischen Bücherregalen in der Universitätsbibliothek (UB). Die gläubigen Studenten fühlen sich in der Erfüllung ihrer religiösen Pflichten behindert. Sich meditativ zum Gebet zurückzuziehen ist an öffentlichen Orten so gut wie unmöglich.
Seit zehn Jahren bemüht sich die MSG um einen Gebetsraum an der Uni. Im Juli 2009 erhielten sie die jüngste Absage von der Abteilung für Bau- und Liegenschaften, die darauf hinwies, dass die Räume der Universität ausschließlich für Lehr- und Forschungszwecke zur Verfügung stehen und das Anliegen außerdem aus Gründen der Gleichbehandlung mit anderen religiösen Gruppen abgelehnt werden müsse.
Nicht mal bei den Islamwissenschaften kann man in Ruhe beten
Allerdings bittet die MHG nicht um einen Gebetsraum für muslimische Studenten. Sie wollen einen "Raum der Stille", der allen Studenten zu Verfügung steht. In Universitäten wie Frankfurt, Hannover oder Köln gibt es so etwas bereits. Erst vor wenigen Monaten gab das Berliner Verwaltungsgericht der Klage eines Berliner Schülers Recht, der einen solchen Rückzugsort in seiner Schule haben wollte.
Für muslimische Studenten soll dies nicht einmal am Institut für Islamwissenschaften möglich sein. Auch hier muss auf dem Flur gebetet werden. Andererseits sind staatliche Bildungseinrichtungen grundsätzlich säkular. Keine religiöse Studentengruppe hat einen solchen Raum. Auf weitere Anfragen der MSG seitdem hat die Universität nicht mehr reagiert. Eine Stellungnahme war bis Redaktionsschluss nicht zu erhalten.
Viel Verständnis aber kein Platz
Die UB hat zwar Verständnis für einen Gebetsraum im Sinne eines "Raums der Stille", kann aber keinen Raum zur Verfügung stellen. Daraufhin wandte sich die MSG mit ihrem Anliegen an die Heidelberger Stadtverwaltung und das baden-württembergische Bildungsministerium. Während sich dies bei der Stadt noch "in Bearbeitung" befindet, würde das Ministerium "das Anliegen ebenfalls gutheißen" und wolle sich darum kümmern. Auch die Fachschaftskonferenz unterstützt die Muslime. Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen hat die MSG eine Online-Unterschriftenaktion gestartet.
Doch bis auf weiteres bleibt den gläubigen muslimischen Studenten nichts anderes übrig, als sich verhältnismäßig stille Plätze in Treppenhäusern und zwischen Bücherregalen zu suchen, an denen sie ihre täglichen Rituale abhalten können.
Anmerkung: In der Printausgabe hatten wir die Muslimischen Studentengruppe irrtümlich als "Muslimische Hochschulgruppe" bezeichnet.
von Bettina Hornbach