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 Feuilleton
13.06.2011

Illegaler wird Mensch

Die Autobiografie „Im Meer schwimmen Krokodile“

Als Enaiat zehn Jahre alt ist, sagt seine Mutter zu ihm „khoda negahdar“ – Lebe wohl. Sie hatte ihn aus der afghanischen Heimat wenige Tage zuvor nach Pakistan gebracht. Dort verlässt sie ihn und kehrt alleine zurück.

Als Enaiat zehn Jahre alt ist, sagt seine Mutter zu ihm „khoda negahdar“ – Lebe wohl. Sie hatte ihn aus der afghanischen Heimat wenige Tage zuvor nach Pakistan gebracht. Dort verlässt sie ihn und kehrt alleine zurück.

Enaiat ist zu groß geworden für das Erdloch, in dem er sich und seinen kleinen Bruder regelmäßig vor den Taliban verstecken musste. Enaiat gehört zur Minderheit der Hazara und ist in seiner früheren Heimat nicht mehr sicher.
 Als seine Mutter ihn zurĂĽcklässt, beginnt fĂĽr den Jungen eine Irrfahrt, die von Pakistan ĂĽber Iran, TĂĽrkei, Griechenland bis nach Italien reicht. Enaiat ist einer, vor dem sich Europa fĂĽrchtet, vor dem Europa Schutzwälle errichten möchte – ein illegaler Einwanderer.

Doch die wahre Geschichte von Enaiatollah Akbari, verfasst in Zusammenarbeit mit dem Journalisten Fabio Geda, zeigt vor allem, was Enaiat wirklich ist: ein allein gelassener Junge, der versucht zu ĂĽberleben.

 DafĂĽr arbeitet er bis zur Erschöpfung unter menschenunwĂĽrdigen Bedingungen auf Baustellen im Iran, dafĂĽr kriecht er in Pakistan in Latrinen, dafĂĽr ĂĽberquert er die Grenze in die TĂĽrkei während eines einmonatigen Gewaltmarsches, bei dem einige FlĂĽchtlinge erfrieren oder verhungern.

In einer kindlichen Einfachheit erzählt Geda die Geschichte aus der Ich-Perspektive. Die Erfahrungen, von denen Enaiat erzählt, lassen jedoch alles Kindliche der Sprache vergessen. Naivität wird dann zu einer Welterfahrenheit, die niemand bei einem Jugendlichen erwarten würde.

„Im Meer schwimmen Krokodile“ ist kein literarisch überwältigendes Werk. Es ist ein Buch, das Beachtung verdient, weil es wachrüttelt. Es fragt: Was passiert vor unserer Festung Europa, was lassen wir zu, um uns vor illegaler Einwanderung zu schützen?

Geda schafft es, eine Geschichte von Träumen, Wünschen und einem unveräußerlichen Recht zu erzählen: dem Streben nach Glück. Er schafft es auch, illegale Einwanderer, die von uns zum Abstraktum degradiert wurden, zurück zu verwandeln in das, was sie sind: Menschen mit den selben Träumen wie wir. Nach fünf Jahren kommt Enaiat in Italien an und findet ein neues Leben.

Dass dieses Happy-End ein Einzelschicksal bleibt und die meisten Geschichten anders enden, können wir regelmäßig in den Nachrichten verfolgen – nach jedem neuen Flüchtlingsunglück auf dem Mittelmeer.



Fabio Geda: „Im Meer schwimmen Krokodile“,
Knaus Verlag, 192 Seiten, 16,99 Euro

von Julia Held
   

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