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28.01.2012

Kunst und Wissenschaft im Dialog

Die neue Direktorin des Kunstvereins Susanne Weiß spricht über ihre Pläne

Susanne Weiß. / Foto: Uta Neumann

Seit dem 1. Januar ist Susanne Weiß neue Direktorin des Heidelberger Kunstvereins. Mit dem ruprecht sprach sie darüber, wie sie Nachwuchskünstlern eine Plattform bieten möchte und wie sie sich die zukünftige Kooperation mit der Universität vorstellt. 

Das Gespräch führte Anna Wüst.

ruprecht: Frau Weiß, Sie haben in Städten wie London, Jerusalem und Dresden gearbeitet, kürzlich sogar in den Arabischen Emiraten. Was hat Sie nach Heidelberg verschlagen?

Susanne Weiß: Das Glück - und das Interesse und die Erfahrung, dass man sozusagen in der Peripherie viel spannender arbeiten kann. Mein Bruder hat unter anderem hier studiert, dadurch war ich öfter in Heidelberg. Für mich war es auch spannend in den Südwesten zu gehen, nachdem ich in Deutschland eher im Nordosten tätig war. Und gleichzeitig hat es mich wirklich gereizt, dass Heidelberg viel verdecktes Potenzial hat. Man sieht ja im Grunde nur die Hauptstraße, und gar nicht, dass hier ja wirklich die halbe Welt zu Hause ist. Jetzt habe ich gerade jemanden aus Neu Delhi getroffen, der am SAI zu Gast ist. Da ist es auf jeden Fall mein Interesse, in den verschiedensten Formen mit der Universität zu kooperieren. 

Dadurch, dass die Universität so einen großen Teil der Stadt ausmacht, ist das ja auch gut möglich. 

Genau, das hat auf jeden Fall einen wahnsinnigen Vorteil. Einer meiner Augenmerke liegt auf dem Wissen der Stadt - was ist die Geschichte Heidelbergs? Was wird gerne verdeckt, wie vielleicht die Thingstätte, und damit die NS-Periode in Heidelberg. Das ist schon spannend. 

Sie haben es auch grade schon angesprochen. Die Kunstszene in Heidelberg ist ja doch relativ klein. Wie würden Sie diese Szene einschätzen als Neuankömmling? Es gibt hier ja doch auch Projekte wie die breidenbach studios, in denen Künstler Räume mieten können. 

Ja, davon habe ich bereits gehört - und, dass es eine Musiker-WG in der Altstadt gibt. Man muss natürlich sagen, hier sind es eben die Kunstgeschichtsstudenten, die Sozialwissenschaftler, Geisteswissenschaftler und Kulturtheoretiker, die sich natürlich alle nach Möglichkeit für das Programm interessieren sollen. Gleichzeitig habe ich das Gefühl, dass es in der Stadt sehr viel Begeisterung gibt. Wenn einem einmal etwas gut gefällt, dann ist er dafür auch Feuer und Flamme.

„Übermorgenkünstler II“ wurde durch ihren Vorgänger Johan Holten ins Leben gerufen. Wird es denn ein „Übermorgenkünstler III“ geben, oder haben Sie sich etwas anderes überlegt, was in die selbe Richtung geht - junge Künstler hier her zu locken, vielleicht gerade die Studenten der Akademien zu unterstützen. Haben Sie da schon Pläne für die Zukunft?

Das ist eine gute Frage. Prinzipiell bleibt das Format natürlich erhalten. Wie Sie aber schon gesagt haben, kann man das natürlich verifizieren, dass eben der Heidelberger Kunstverein eine Plattform sein sollte für den Nachwuchs aus der Region, für die wichtigen Kunsthochschulen, die sich eben in der unmittelbaren Nachbarschaft befinden. Davon bin ich total überzeugt. Das möchte ich definitiv sehr gerne beibehalten. Und es gab das Open Space Lab, was von freien studentischen Mitarbeitern des Hauses initiiert wurde. Ich finde es sehr wichtig, dass der Kunstverein ein Experimentierfeld bleibt, und auch eine Bühne für den Nachwuchs sein kann. Ob das dann tatsächlich wieder Übermorgenkünstler heißt – das weiß ich noch nicht.

Haben Sie denn schon weitere Vorstellungen, was sie machen wollen? Sie wollen die Kooperation mit der Universität antreiben, was haben Sie sich da vorgestellt?

Ich arbeite an einer Vortragsreihe, die ich „Langer Atem“ getauft habe. Da geht es darum, dass künstlerische Forschung ins Blickfeld gerückt wird. So zum Beispiel von einem Künstler, der auf seine Art und Weise anthropologisch arbeitet, gepaart mit jemandem aus der Ethnologie. Das soll kein „Blind Date“ werden, sondern etwas, wobei die Personen sich vorher schon getroffen haben, sich ihre Arbeiten und Ansätze vorgestellt und ein gemeinsames Format, möglicherweise auch ein experimentelles Vortragsformat gefunden haben. Kunst im Dialog mit der hiesigen Wissenschaft. Eröffnet wird die Reihe am 25. April mit dem Vortrag „Phänomen Ai Wei Wie“ von Prof. Birgit Hopfener, Gastprofessorin am Institut für Kunstgeschichte Ostasiens im Dialog mit Vera Tollmann, Kulturwissenschaftlerin und Kuratorin. 

Dann gibt es ein Format, das ich „buchstabieren“ getauft habe. Da geht es um eine gemeinsame, detaillierte Bildbetrachtung, ein klassisches Format, das in unserer schnellen Zeit immer wichtiger wird. Eine Stunde ein Werk ganz genau anzuschauen und neben einer Analyse das ganze Subjektive mit einfliessen zu lassen, das ist wichtig, auch eine Gleichberechtigung beim Sprechen. Da würde ich mich zum Beispiel freuen, mit Seminaren zusammen arbeiten zu können, zum Beispiel dem Kunsthistorischen Seminar oder der PH. Da gab es auch schon erste Gespräche. Das sind die zwei Formate, die neben der Führung stattfinden werden. Dann wird am 9. März die erste Ausstellung eröffnet, bei der wir an einem Abend gerne mit der Studentischen Theatergruppe zusammen arbeiten wollen. Das ist allerdings noch in Planung. 

Die Ausstellung „Kopfkino“, welche Sie 2008 in Dresden kuratiert haben, befasste sich mit dem jungen Comic. Kurz darauf kam die Ausstellung „Under Influence“, welche sich mit dem Umgang mit Drogen beschäftigte. Beide Ausstellungen behandeln Themen, die junge Leute eher ansprechen als vielleicht eine Dürer-Ausstellung. Dieses Frische, etwas Außergewöhnliche ist ihnen ja offenbar sehr wichtig. Können wir also ähnliches hier erwarten?

Auf jeden Fall. Unsere erste Gruppenausstellung im Sommer heißt „Die Liebhaber“. In der werden wir das Verhältnis von Amateur und Profi untersuchen. Und gegen Ende des Jahres wird die Ausstellung des Melton Prior Instituts eröffnet. Melton Prior war Reportagezeichner im 19. Jahrhundert. Ein Reportagezeichner war damals politisch missioniert unterwegs. Er zog aufs Schlachtfeld und dokumentierte die Sachlage. So prägte er den ethnologischen Blickwinkel, brachte Bilder des Exotischen und Fremden mit nach Hause. Das werden überwiegend Zeichnungen sein, nicht nur historische, sondern auch aktuelle. Das wird dann sozusagen die erwachsene Variante der Kopfkino-Ausstellung, bei der ich ja den Comic-Nachwuchs präsentiert habe. Aber generell ist es mir eben sehr wichtig, nicht an meinem Publikum vorbei zu arbeiten, sondern zu schauen, wer ist denn hier und wen interessiert was. Das ist im ersten Jahr natürlich auch viel Vermuten.

Frau Weiß, vielen Dank für das Gespräch. 


 

Kommende Ausstellungen:

Ulf Aminde - Der Noth gehorchend, nicht dem eignen Trieb

Die Eröffnung findet am 9. März, um 19 Uhr statt und ist ab dann noch bis zum 20. Mai zu sehen.

 

Zur Person: Manon de Boer, Günther Gaus/Hannah Arendt und Kerry Tribe

Nach der Eröffnung am 9. März, um 19 Uhr kann man die Ausstellung noch bis zum 15. April besuchen.

 

 

 

   

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