Ein Stück Mannheim
Hässlichste Orte Heidelbergs (3): Friedrich-Ebert-Platz
Ein traumatischer Anblick: Der graue Alltag auf dem Friedrich-Ebert-Platz. / Foto: Seraphina Rekowski
Eine jede Stadt ist darauf bedacht, ihre Söhne und Töchter, die es zu etwas gebracht haben, in Form von Platz- und Straßennamen zu ehren. Womit Friedrich Ebert den gleichnamigen Platz in der Heidelberger Altstadt verdient hat, bleibt jedoch ein Rätsel.
Im Grunde genommen ist der Friedrich-Ebert-Platz das Gegenteil von dem, was die meisten Menschen an der Stadt schön finden. Er ist ein Stück Mannheim in Heidelberg. So fehl am Platz, als hätte sich ein alliierter Bomber 1945 auf dem Weg nach Mannheim verirrt und aus Versehen einen Krater in die Häuserreihen der Altstadt gerissen, der dann schleunigst gestopft werden musste. Und zwar auf die einzige Art, die man in Deutschland kannte: Symmetrisch, unorganisch, grau auf grau.
Die Wahrheit ist eine andere. Bis 2006 fungierte der Platz, der nach dem zweiten Weltkrieg den Namen des ehemaligen Reichspräsidenten geschenkt bekam, hauptsächlich als Parkplatz. Erst 2010 wurde der Platz in seiner heutigen trostlosen Gestalt der Öffentlichkeit präsentiert. Seitdem wird nicht mehr auf, sondern unter dem Ebert-Platz geparkt und dessen Bildnis prangt gemeinsam mit einer Info-Tafel an einem der gläsernen Eingänge der Tiefgarage.
Ganz unauffällig schmiegt sich der Platz zwischen Plöck und Friedrich-Ebert-Anlage, fast als wäre es ihm peinlich. Architektonisch ein blinder Fleck, umringt von prächtigen historischen Bauten, fällt er den meisten nur durch seine Bushaltestelle und seine deprimierende Leere auf.
Umzäunt ist er von einigen Bänken, auf denen niemand sitzen will und schmalen, hochgewachsenen Bäumen. Die Wüste aus glatten, grauen Pflastersteinen wird in aller Regel nur von Studierenden der Rechtswissenschaften betreten, die auf dem Weg vom juristischen Seminar in die Neue Uni eilen, hastigen Schrittes, um ja nicht zu lange in der Ödnis zu verweilen.
Nur dienstags und donnerstags begibt sich regelmäßig eine größere Ansammlung von Menschen auf das Areal, denn dann findet auf dem Friedrich-Ebert-Platz ein Wochenmarkt statt. Ein buntes Treiben, das in geradezu bizarrem Kontrast zum kalten, kahlen Platz steht. Ist die letzte Wurst verkauft und die Stände abgebaut, wird er wieder allein gelassen, sei es im Regen oder in der Sonne. Echte Einsamkeit kennt keine Jahreszeiten.
Doch verbringt man an einem ruhigen Tag einige Minuten allein auf einer der unbesetzten Bänke, erkennt man, dass dem Platz eine gewisse Poesie innewohnt. Es ist die Poesie der Tragik, die zum Vorschein kommt, wenn der Markt wieder abgebaut ist und die Juristen im Hörsaal sitzen. Hört man genau hin, kann man den Friedrich-Ebert-Platz leise weinen hören.