ruprecht in kleinen Häppchen


Titel


Meinung


Hochschule


Heidelberg


Feuilleton


Verschiedenes


Sport


Ernsthaftes


Titel


Den Prüfling im Visier

In der Altstadt entsteht das Sozio-Geist-Geo-Amt für Magister-Kandidaten

Nachdem die Geisteswissenschaften mit der Überwachung des Grundstudiums und der Zwischenprüfung bereits seit letztem Semester stärker reglementiert werden, stehen die Zeichen für Magisterstudiengänge der Geistes-, Sozial- und Geowissenschaften zukünftig weiter auf rauh bis stürmisch. Bisher konnten Magister-Studis Prüfungsthemen, -termine und -fristen mit ihren Prüfern absprechen. Keine zentrale Instanz gab Rahmenbedingungen vor. Dies soll nun anders werden.

Für Rektor Peter Ulmer scheint die Einrichtung eines gemeinsamen Prüfungsamtes für die Magisterstudiengänge der Geistes-, Sozial- und Geowissenschaften unumgänglich. In einem Rundschreiben an die betroffenen Fakultäten betonte er, das neue Unigesetz schreibe die Zentralisierung der Prüfungsverwaltung vor - eine irreführende Behauptung, die man ihm in mancher Fakultät übelnahm, denn im Gesetz steht nur eine "Kann"-, keine "Muß"-Bestimmung.

Alles fing damit an, daß das Wissenschaftsministerium 1993 die "Hayek Engeneering AG" mit einer Prüfung der Wirtschaftlichkeit in den Landesuniversitäten beauftragte. Einen Mangel sahen die Consultants in der unzureichenden Zentralisierung der Prüfungsorganisation. Auch der Landesrechnungshof empfahl ein "zentrales Prüfungsamt".

Als Reaktion auf diese Empfehlungen beauftragte Ulmer Prof. Klaus-Jochem Mattheier, mögliche Konzepte für ein gemeinsames Prüfungsamt der Geistes- und Sozialwissenschaften zu finden. Jetzt liegt das Gutachten vor. Auf 32 Seiten werden die Vorteile eines Super-Amtes erläutert und ein Konzept für die Umwandlungen erarbeitet. Selbst um Räume für das zukünftige "Magister-Sozio-Geist-Geo-Prüfungsamt" hat sich Mattheier schon gekümmert.

Für ein gemeinsames Prüfungsamt sprechen dem Bericht nach u.a. eine Entlastung der Dekanate, eine Angleichung an die zentrale Prüfungsorganisation von Staatsexamensprüfungen, eine geringere Personalintensität, rationellere Arbeitsabläufe sowie eine Stärkung der Lehre aufgrund der Entlastung wissenschaftlichen Personals von prüfungsverwaltenden Aufgaben. Als Nachteile erwähnt man den Verlust des persönlichen Kontakts und der Nähe zu den KandidatInnen, ein Verlust der fachlichen Kompetenz, ein unangemessen geringer Einfluß der Fachbereiche auf die Prüfungsabläufe und einen verlängerten Entscheidungsweg.

StudivertreterInnen sehen in der Zentralisierung nur für die Verwaltung eine Erleichterung: "Für die Studis wird durch die Bürokratisierung des Studienablaufes alles komplizierter, eine persönliche Prüfungsbetreuung wird unmöglich."

Und Themenabsprachen mit den Prüfern und individuelle Fristenverlängerungen gehören dann zur guten alten Zeit. (asb)


Ey!

Wunder gibt es immer wieder. In nur 14 Tagen ist der Schreiber dieser Zeilen in die glückliche Si-tuation gelangt, der Welt mitteilen zu können, wie die UNO funk-tioniert. Seit dieser Zeit nämlich werden am Haus mir gegenüber drei schadhafte Sandsteine im Mauerwerk ausgewechselt. Ge-wöhnlich beginnt alles mit einer Vollversammlung um halb acht Uhr morgens. (Die Akteure brüllen glücklicherweise so laut, daß ich auch von meinem Bett aus mithören kann). Nach einer herzlichen Begrüßung kommt der Kapo ohne Umschweife zur Sache: "Die sollen sich doch eingraben lassen, die vom KSC!" Herbert und Max signalisieren lebhaft Zustimmung, so daß nach kaum einer Stunde der Tagesordnungspunkt "Arbeit" aufgerufen werden kann. Das Wort hat der Vertreter der Liberalen, Max: "Wenn mia do neie Schtei neimache wolle, misse ma erscht die alde nausmache." Der konser-vative Flügel hat Einwände: "Ha, die alde sehe doch noch gut aus!" Abstimmung. 2:1 Stimmen, die ab-solute Mehrheit ist für Auswechseln. Das Ergebnis muß gefeiert werden, und Max geht Bier holen. Jetzt tritt der zweiköpfige Sicherheitsrat zusammen und beschließt, um nicht das Veto eines Gründungsmitglieds (des Kapos) zu provozieren, daß die Lasten gerecht auf alle verteilt werden (ausgen.: Grdgsmtgld.). Herbert vertritt folgerichtig das Prinzip der konzertierten Aktion: "Der Max soll mim Nausreiße afange un dann sääma weida."

Max, der mit dem Bier gerade rechtzeitig zur Mittagspause wiederkommt, hat allerdings schon im März einmal begonnen und jetzt wäre eigentlich der... -Halt! Die Preßlufthämmer fehlen! Das Wort hat die Budgetkommission: "Soll kaana glaawe, isch faar uff eigene Koste nach Dossene, nur wege dene Hämma!" Um halb vier fällt der Beschluß über die schnelle Eingreiftruppe: Der Kapo und Herbert trinken abends sowieso in Dossenheim ("Blau-Helm-Einsatz"), da sollen sie für morgen doch schnell die Hämmer greifen. Für heute bleibt nur PR-Arbeit: Ein kleines Loch wird gemeißelt, "sunsch glaawe ja die Leid, mia däde nix schaffe!" Das Exekutivkommitee vertagt sich auf "morgen halb acht", und uns bleibt das Fazit: UNO humanum est. Aber es soll ja immer wieder Wunder geben...

(step)


Abschließend behandelt ...

Kommt das neue Biochemie-Zentrum nun oder nicht?

Das Thema war den versammelten Honoratioren sichtlich unwillkommen. Aber da man das erste Pressefrühstück der Universität nicht mit dem Ruch der Mauschelei umnebeln wollte, versuchten sich Rektor Ulmer und "seine" Dekane in guten Mienen. Von den vier anwesenden Studenten aufgebracht, wurde das geplante Biochemie-Zentrum HD auch von den Vertretern der Lokalpresse und des Rundfunks als Diskussionsgegenstand bereitwillig aufgenommen, und die Rektoratsvertreter sowie Prof. Petzold, Prodekan der Medizinischen Fakultät hatten alle Hände voll zu tun, möglichst wenig mit möglichst vielen Worten zu sagen, denn: "Ein Projekt in der Planungsphase sollte nicht in der Öffentlichkeit breitgetreten werden" (Petzold). Der Rektor ließ sich da schon mehr entlocken: "Das Thema wird am Dienstag im Senat abschließend behandelt."

So? Obwohl die Chemie, wie es in der Senatsvorlage heißt, "Vorbehalte äußert"? Obwohl die Pharmazie schon abgesprungen ist? Obwohl der Fakultätsrat der Mediziner keineswegs schon über das Projekt abgestimmt hat, auch wenn Prorektorin Heym das auf jenem Frühstück vor versammelter Presse dreist behauptete? Der Rat tagt wieder am 13. Juli, eine Woche nach der "abschließenden" Senatssitzung. Auf der Tagesordnung: das Biochemiezentrum...

Die Initiative "Biochemie-Zentrum" der FSK wird am Dienstag im Senat den autokratischen Führungsstil der "Macher" anmahnen, viel mehr bleibt ihr nicht. Ihr Recht auf Mitsprache "einklagen" könnten nur die Fakultätsräte. Aber die scheinen nicht zu wollen. (gvg)


Konservative Studierende

Sie wählen immer die gleichen Gesichter

Mit 58% hat die Fachschaftskonferenz (FSK) wieder einmal die absolute Mehrheit der studentischen Stimmen bekommen. Die Jusos gewannen 21% der Stimmen, der RCDS 19%. Die "Freiheit der Andersdenkenden" (FdA), eine Liste von Mitgliedern der Burschenschaft "Normannia" - einer davon ein ehemaliger "Republikaner" -, bekam nur 3 %.

Damit hält die FSK wieder im Kleinen Senat zwei, im Großen Senat fünf Sitze; die Jusos bekommen in beiden Gremien einen Sitz, der RCDS einen Stuhl im Großen Senat. Die Wahlbeteiligung erreichte mit 8,9 % ein Rekordtief. Wie auch in den letzten Jahren, wurden weibliche Kandidaten auf höhere Plätze gewählt, als sie auf den Listen innehatten. Wieder wird die FSK mit ihrer Mehrheit den "AStA", der sich aus den studentischen Mitglieder im Großen und Kleinen Senat zusammensetzt, genau einmal tagen lassen und dann die Entscheidungen in ihre Konferenzen verlagern. Die 5 Nicht-FSKler können nicht einmal ein erneute Einberufung durchsetzen - ein natürlich nicht unumstrittenes Verfahren.

Zu Fakultätsratswahlen traten nur in Jura andere als Fachschafterlisten an: Die Gruppe JustIn - eher konservativ-liberale Kommilitonen, unter anderem vom RCDS - gewann einen von drei studentischen Sitzen.

Nicht vergessen: Ohnehin stellen die studentischen Vertreter in den Senaten und Fakultätsräten eine so verschwindende Minderheit dar (z.B. 3 von 38 Mitgliedern im Kleinen Senat), daß sie der professoralen Übermacht ohnehin nur mit Worten entgegentreten können. (hn/kirk)


Heidelberg


ruprecht-Serie "Heidelberger Profile"

Zivilcourage

Nicht nur Zeitzeugin: Marianne Meyer-Krahmer

Ein Datum ist Marianne Meyer-Krahmer wichtiger als der 20. Juli 1944. Zwei Tage vorher, am 18. im Morgengrauen, kam ihr Vater da zu ihr, um Lebewohl zu sagen. Es war die Art und Weise, wie dies geschah, die Atmosphäre, die sie wissen ließ: Deinen Vater siehst du nie mehr wieder. Sie war damals 25. Aber vieles ist ihr noch wichtiger geworden in ihrem Leben. Nicht nur Tochter von Carl Goerdeler zu sein, dem Oberbürgermeister von Leipzig, Widerstandskämpferin von Anfang an, schließlich Mitorganisatorin des Attentats auf Hitler am 20. Juli 1944. Nein, auch und vor allem ihre eigene Erfahrung, der Umgang mit dieser Zeit, ihrer Arbeit als Lehrerin. Wichtig, was Zeitgenossen nie so richtig klar war, was Generationen danach nie so richtig verstehen konnten. Zum Beispiel das Bild des anderen Deutschland. Das Deutschland, das nicht den braunen Massen hinterhergelaufen ist. Um daraus den Mut zu schöpfen für ähnliche Situationen: "Wenn Hitler mehr Widerstand gespürt hätte, hätte er manches zurückgeschraubt." Und doch blieb es bei Einzelaktionen. "Im Bewußtsein der Deutschen spielt der Widerstand kaum eine Rolle, wenig nur wird über ihn gewußt." Resignation nach langer Aufklärungsarbeit, ein bißchen Angst auch, daß der Mut irgendwann wieder einmal fehlt. Diese Aufklärung hat ihr aber auch selber geholfen, die Zeit nach dem 20. Juli zu bewältigen, ein Ereignis ihres Lebens zu verarbeiten. Obwohl sie die Rolle des Vaters ahnte, schon beinahe kannte, war die Vorstellung des 'Danach' zu neblig, zu schwach, um sich wirklich darauf einzustellen: "Als ich den Namen Stauffenberg am Morgen des 21. las, dachte ich, 'Oh Gott, Deinen Vater haben sie sicher auch schon' " - Schrecken, Angst um den Vater, und doch war sie sehr gefaßt. Die Option war schon immer da: "Ich bin dann zu Freunden gegangen und habe darüber nachgedacht, was jetzt zu tun wäre. Die Gestapo kommt doch bestimmt gleich zu Hause vorbei." Und doch hat sie die Notwendigkeit gebraucht, sich als Lehrerin von Anfang an mit diesem Stoff auseinanderzusetzen. Flucht in die Theorie vielleicht, viel mehr aber die Notwendigkeit, nach der Enteignung durch die Nationalsozialisten und Aufenthalte in KZs Geld für die Familie, die verarmte Verwandtschaft zu verdienen. Wichtig ist ihr auch, nie das Vertrauen in Deutschland, in seine Menschen verloren zu haben. Nie hat sie mit dem Gedanken gespielt, Deutschland zu verlassen. Nie hat sie den Ort hassen gelernt, nur manchmal die Menschen: "Ich habe die Bevölkerung eines Dorfes gehaßt, in das wir nach unserer Befreiung aus dem KZ gebracht wurden. Hier waren wir die Kinder eines Vaterlandsverräters." Viel zu unvoreingenommen, offen geht sie auf andere zu, hat viel zu viel Sinn für die Schwachen, die verführten, betrogenen Kinder der Rabenmutter Nationalsozialismus. "Das war doch alles hin, woran die mal tief geglaubt hatten." Dieses Gespür hat sie, weil sie weiß: Intelligenz war kein Schutz gegen die Verführung, hereinfallen konnte jeder. Die Verführung des goldenen Scheins berauben, die Leichtgläubigkeit bekämpfen, und nicht nur in Gedenksituationen gehört werden, das will sie. Ein bißchen Resignation begleitet einen dabei immer. Auch Frust ob der verlorenen ersten 30 Jahre, erst 1986 begannen sich die Medien wieder zu interessieren. Und jetzt, 1995, wächst die Angst wieder, daß alles irgendwann einmal wieder aus den Köpfen weg ist, vergessen. Alles umsonst?

Marianne Meyer-Krahmer hat ihren Vater verehrt, in ihren Gedanken wird er immer leben, gerade aufgrund seiner Opposition, seiner Zivilcourage. Besonders beeindruckt hat sie dabei jene Geschichte: Vor dem Gewandhaus in Leipzig stand bis 1936 eine Statue von Mendelssohn-Bartholdy, dem christlich getauften Juden. Sollte diese Statue entfernt werden, so war klar, war für Goerdeler sein Weg des politischen Widerstandes am Ende. Sie war das Symbol seines Einflusses auf politischer Ebene. Die Figur wurde entfernt, Goerdeler reichte sein Pensionierungsgesuch ein. Er war kein Held, kein Märtyrer. Er hat nur von sich eine konsequente Verfechtung seiner Ideale gefordert und diese Einstellung an seine Kinder weitergegeben. Soll der Weg nach zwei Generationen schon beendet sein? (rot)


Haltung bewahren

Die Enthüllung eines universitären Kunstwerks steht bevor

Als letzten Herbst der Innenhof der Uni erneut aus seiner gerade wieder eingekehrten Ruhe gerissen wurde, nachdem er zuvor einige Jahre von Baulärm erfüllt gewesen war, kamen in manch älterem Semester ungute Erinnerungen hoch. Bilder von Höllenmaschinen, die sich in die Erde des Innenhofs hineinfraßen, Preßlufthämmer, die den Hexenturm erzittern ließen und bei den Historikern zu Seminarunterbrechungen führten; der Dozent, der in seiner Verzweiflung ein Fenster des Hörsaals aufriß und um Gnade schrie, nur um resigniert festzustellen: "Die haben ja Kopfhörer auf!"

Wer oder was hatte nun die neuen Wühlarbeiten ausgelöst? Antwort: die Kunst. Oder besser, die Kunst am Bau. So heißt ein Gesetz zur Kunstförderung, das vorschreibt, daß zwei Prozent der Bausumme eines öffentlichen Gebäudes für Kunst ausgegeben werden müssen. Nachdem das Tiefenmagazin 19 Millionen DM verschlungen hatte, machte das Land als Finanzträger deswegen noch einmal 400.000 DM für Kunst locker. Nach Ausschreibung eines Wettbewerbs entschied sich 1990 eine Kunstkommission (darunter Rektor Ulmer) für die "Waage des Cusanus", eine Plastik von Michael Witlatschil, Bildhauer und Zeichner aus Köln.

Für ein gewisses Aufsehen sorgte dann der zunächst auf dem Lüftungsschacht des Tiefenmagazins angebrachte erste Teil der Waage des Cusanus, der ein heiteres Spekulieren (ein Knochen?) auslöste. Nachdem im letzten Oktober ein riesiger Kran das Gerüst des zweiten Teils der Plastik über das Dach des Historischen Seminars in die ausgehobene Grube gehoben hatte, war so mancher Zyniker zur Stelle, der das Gebilde als neuerlichen psychologischen Beitrag zur Studienzeitverkürzung auslegte, als Hohngelächter gewissermaßen auf die ästhetischen Befindlichkeiten der Studierenden, bis dato vor allem durch architektonische Verbrechen à la Triplex-Mensa in Mitleidenschaft gezogen. Und: Ließ nicht der Knochen, der nun auch von der Spitze des neuen Gerüsts emporragte, apokalyptische Vorahnungen aufsteigen?

Nun, der "Knochen" ist indes eine römische Eins, und beruhigt können wir an dieser Stelle seine wahre Bedeutung kundtun: Zur "Waage des Cusanus" inspiriert wurde Witlatschil durch Nikolaus von Kues (Cusanus), Universalgenie des 15. Jahrhunderts (Hauptwerk: "Idiota"; erwähnt seien auch seine Überlegungen zur Quadratur des Kreises), der versucht hat, in seiner Gedankenwelt Philosophie, Mathematik und Theologie zu vereinigen. Die Zahl Eins stellt bei Nikolaus von Kues die göttliche Zahl dar. Der Bezug zu Heidelberg ergibt sich aus Nikolaus' Studienzeit an der hiesigen Alma Mater anno 1416/17.

Bei Teil 1 der Plastik "Die verlorene Ruhe" findet sich die Zahl Eins auf einem Straßenstück wie "verloren" liegengelassen wieder. Bei Teil 2 "Die gewonnene Haltung" steht sie senkrecht auf einem sich aufbäumenden Stück Straße. Im Innenhof soll mithin zwischen Ruhe und Aufbäumen die Spannung erzeugt werden, in der der Mensch Haltung bewahrt und Stellung bezieht.

Dem Universitätsbauamt oblag die Logistik bei der Installation der Plastik, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme allererster Güte ganze Heerscharen Heidelberger Handwerker beschäftigte. Bauamt und Handwerker hatten sich mit den Wünschen des Künstlers, der nur die Idee lieferte und nie selbst Hand anlegte, auseinanderzusetzen, etwa als er verlangte, der Befestigungspunkt der Eins bei Plastik 2 habe unsichtbar zu sein. Daß auch hier die Quadratur des Kreises nicht gelang, verhinderten unter anderem Sicherheitsüberlegungen.
Damit alles seinen gebührenden Rahmen erhält, soll das Werk demnächst einem staunenden Universitäts-Publikum enthüllt werden. Falls die Enthüllung von Rektor Ulmer persönlich vorgenommen wird, ist zu erwarten, daß er auch dabei nicht die Ruhe verliert, sondern vielmehr Stellung bezieht und insgesamt Haltung bewahrt. (ck)


ruprecht-Serie "Heidelberger Ecken"

Zwischen Kirche und Drittem Reich

Wer an einem heißen Tag seine Zeit mal nicht im Freibad verbringen will, dem sei ein Spaziergang auf dem Heiligenberg östlich von Handschusheim empfohlen. Seine Höhe und das reiche Grün trotzen selbst den hohen Temperaturen der kommenden Wochen. Abgesehen von vielen Wandermöglichkeiten auf gut gepflegten Wegen, nix mit rauf und runter, lohnt der Berg wegen seiner vielfältigen Sehenswürdigkeiten und dem guten Blick auf die Altstadt.

Für letzteres bietet sich der 1885 errichtete Aussichtsturm besonders an. Die ersten Spuren auf dem Heiligenberg hinterließen schon 400 v. Chr. die Kelten. Sie legten eine Fliehburg an, von der noch heute die zwei erhaltenen Ringmauern zeugen. Die Funktion, des ebenfalls auf sie zurückgehenden 55m tiefen "Heidenlochs", gleich neben dem Aussichtsturm gelegen, läßt immer noch Platz für die verrücktesten Spekulationen. Sicher scheint nur, daß die Römer es vertieft, und als Brunnen gefaßt wohl auch benutzt haben.

Vom nahe gelegenen 1090 erbauten Stephanskloster stehen nur noch die Grundmauern, da die Steine für den Bau des Aussichtsturmes verwendet wurden.

Auf dem Weg zur nördlichen Kuppe gelangt man zur 1934-35 errichteten Thingstätte. Selbst für die geplanten nationalsozialistischen Thingspiele selten genutzt, steht sie nach Jahrzehnten der Ruhe heute unter Denkmalschutz und dient hauptsächlich Konzertaufführungen. Die 56 Zuschauerreihen des Ovals steigen 25m hoch an und bieten bis zu 20.000 stehenden Zuschauern Platz.

Den besten Blick in die Rheinebene hat man vom Turm des ehemaligen Michaelsklosters. Von der Abtei Lorsch um 870 auf der höchsten Erhebung des Heiligenberges erbaut, bestand es bis etwa 1530. Von diesem Zeitpunkt an dienten die Steine der Ruine den Handschusheimer Bauern zum Bau ihrer Häuser. (bw)


Meinung


"Das Ministerium steht stramm"

Greenpeace-Campaigner Andreas Bernstorff über TV-Kameras, Quäker und Ogoni

Wenn sich Greenpeace-Aktionisten mit Fahrradschlössern an Brücken und Schornsteine hängen, hat er die Schlüssel in der Hosentasche. Der Heidelberger Andreas Bernstorff, Jahrgang 1945, ist 'Campaigner' - Leiter der Kampagne "Giftmüllexporte" bei Greenpeace. Als er im Herbst 1989 bei Greenpeace die weltweite Kampagne durchsetzte, hatte er bereits ein Studium der osteuropäischen Geschichte und Soziologie an der Uni Heidelberg und mehrere Jahre Arbeit als Journalist und Landtagsabgeordneter der Grünen in Baden-Württemberg hinter sich.

ruprecht: Besteht bei den Aktionen von Greenpeace nicht die Gefahr, daß sich Menschen von ihrer individuellen Verantwortung für ökologische Zusammenhänge entlastet fühlen - nach dem Motto: "Greenpeace kümmert sich schon darum"?

Bernstorff: In der Tat sind wir eine Organisation, an die man Dinge politisch delegiert. Wir sind eine Projektionsfläche für Wünsche, die nicht artikuliert werden können oder bei denen Leute vielleicht selbst nicht wissen, was sie machen können. Man darf das aber nicht diskreditieren. Delegation per Spende, per Auftrag ist ein legitimes Verfahren. Ich würde immer verteidigen, was wir tun, aber gleichzeitig kritisieren, daß es sich Leute zu leicht machen können, wenn sie nur spenden.

ruprecht: Symbolische, publicityträchtige Aktionen verstellen den Blick auf die ganz alltäglichen, aber nicht weniger gravierenden Probleme der Umwelt. Ein Tribut an die Mediengesellschaft?

Bernstorff: Das sehe ich etwas anders. Spektakuläre Aktionen gehen quasi als Selbstläufer durch die Medien. Hinter ihnen verschwindet oft alles, was wir sonst noch machen. Das ist schade, aber schwer zu ändern. Hinter den Kulissen laufen aber selbstverständlich andere Geschichten, in die wir viel mehr Geld und Grips stecken. Zum Beispiel versuchen wir, die chinesische Industrie zu überzeugen, FCKW-freie Kühlschranke und Benzinsparautos zu bauen. Denn dort sind die großen klimarelevanten Absatzmärkte. Aber damit können Sie kein Fernsehbild machen, höchstens einen Kinospot. Das sind Aktionen, die uns sehr wichtig sind, die jedoch weitaus weniger öffentliches Echo finden. Ich lege auch Wert darauf, daß die Leute bei den spektakulären Aktionen auch wirklich mitdenken und sich fragen: Warum machen wir so etwas? Das passiert leider viel zu selten.Wichtig ist aber, daß uns Aktionen wie "Brent Spar" bekannt machen und daß die Verantwortlichen Respekt vor uns bekommen. Im Moment etwa können wir auf anderen Ebenen im Stillen durch den "Brent Spar"-Erfolg viel mehr durchsetzen als noch vor ein paar Monaten. Spannende Aktionen sichern uns die breite Unterstützung der Öffentlichkeit und machen damit die weniger spektakulären, aber - vom rein ökologischen Standpunkt aus betrachtet - wichtigeren Aktionen erst möglich. Wenn ich heute in ein Ministerium komme, stehen alle stramm. Aber wenn man ein halbes Jahr nichts von uns hört, dann spricht man in diesen Kreisen auch nicht mehr von uns.

ruprecht: Wie erklären Sie sich, daß gerade die "Brent Spar"-Geschichte so hohe Wellen geschlagen hat?

Bernstorff: Die "Brent Spar"-Geschichte haben wir am Anfang total unterschätzt. Für uns galt es, aufzupassen, wann die erste Plattform versenkt wird. Das mußte verhindert werden, weil noch 400 weitere kommen. Ein Präzedenzfall also. Daß aber eine so große Öffentlichkeit auf diese Weise daran Anteil nimmt, das haben wir nicht erwartet.

ruprecht: Wie stand Greenpeace zu dem Boykott?

Bernstorff: Wir sind sehr zögerlich. Wir haben nicht zu diesem Boykott aufgerufen, wir haben ihn aber dokumentiert.

ruprecht: Warum nicht?

Bernstorff: Wir hätten gleichzeitig zum Boykott gegen "Esso" aufrufen müssen, weil denen die Hälfte der Plattformen gehört. Ich persönlich hätte lieber eine Firma - auch "Shell" - boykottiert, weil sie ein Volk, die Ogoni in Nigeria, im Zuge der Ölförderung mißhandelt und umbringt. Da werden Milizen eingesetzt gegen die Ogoni, denen das Land gehört. Das ist für mich boykottwürdiger als eine dumme Plattform in der Nordsee. Wir dürfen ja auch unseren humanitären Grundansatz nicht vergessen. Die Denkfigur ist: Hoffentlich ist die Ökologie-Arbeit von Organisationen wie uns irgendwann überflüssig. Im Mittelpunkt steht der Mensch. Und darum fällt es mir schwer, wegen solcher Anlässe wie "Brent Spar" zu Großaktionen gegen Firmen aufzurufen. Das hat was Heuchlerisches und Plattes.

ruprecht: Wie weit gehen Sie als Koordinator beispielsweise von Ankettungsaktionen?

Bernstorff: Ich habe es nie übertrieben. Ich weiß aber von einer Aktion in Südfrankreich, dem Versuch, einen Modellversuch zur Kernschmelze zu verhindern. Die Polizei hat das Lager der Aktionisten gestürmt und hat die Leute entsetzlich verdroschen. Wenn man absehen kann, daß am Ende Schwerverletzte oder gar Tote übrigbleiben, dann sollte man das Ganze bleiben lassen. Ich finde es wichtig, an die Tradition der Quäker zu denken, die Greenpeace 1971 gegründet haben. Die Quäker hatten eine lange Tradition des zivilen Ungehorsams, des passiven Widerstandes. Das heißt: Es wird niemals zurückgeschlagen, wenn jemand dich schlägt. Unsere Siege müssen moralisch errungen werden.

ruprecht: In den Medien sieht es oft sehr brutal aus...

Bernstorff: Ja, selbstverständlich, das sind ja die Szenen, die am liebsten gezeigt werden. Aber die Medien übernehmen auch eine für uns sehr wichtige Schutzfunktion. Wenn die dabei sind, wird in der Regel nicht hart zugeschlagen. Der ukrainischen Polizei habe ich einmal bei einer Abführaktion nicht so ganz getraut. Aber wir hatten ein ARD-Team dabei, und die habe ich gebeten, bei der Aktion bis zum Schluß draufzuhalten und nicht dann aufzuhören, wenn sie ihre Bilder im Kasten haben, damit unsere Leute unterwegs nicht verhauen werden. Ohne Kamera hätte ich es nie soweit kommen lassen, hätte die Aktion vielleicht gar nicht gemacht.

ruprecht: Was sind das für Leute, die sich bei Aktionen an Giftmüllcontainer ketten, sich von der Polizei verprügeln und von Wasserwerfern bespritzen lassen?

Bernstorff: In Deutschland nehmen daran nur genau ausgesuchte, geschulte Leute teil, die wir seit Jahren kennen. Die haben alle unsere speziellen Trainings absolviert: Klettertraining, Schlauchboottraining, Rollenspiele, etwa "Polizei und Greenpeace": Da geht es zum Beispiel darum, wie man auf Provokationen reagiert. Natürlich muß man auch der Typ für so etwas sein. Ich könnte das nicht. Wenn ich mit einem Fahradschloß um den Hals irgendwo angekettet wäre und einer würde mich hart anpacken, dann träte ich dem rein reflexhaft in den Bauch.

ruprecht: Und wie sind Sie dann zu Greenpeace gekommen?

Bernstorff: Über das Problem Giftmüllexporte. Ich habe für die Grünen im Landtag von Baden-Württemberg zusammen mit Bürgerrechtsgruppen Giftmüllverbrennungsanlagen bekämpft, mit großem Erfolg. Plötzlich fanden wir aber heraus, daß der Giftmüll, dessen Verbrennung wir hier verhindert hatten, in andere Länder, zum Beispiel in die Türkei, gebracht und dort verbrannt oder sogar als Baustoff für Hafenanlagen verwendet wurde. Das war für mich persönlich ein Schock, weil ich das Gefühl bekam: Menschenskinder, alles was du hier verhinderst, das geht zu anderen, die sich dagegen gar nicht wehren können und die Gefahren nicht kennen. Wir haben uns dann vor allem in der Presse sehr stark engagiert und die erste Rückholaktion nach Deutschland gestartet. Später habe ich mich dann an Greenpeace gewandt und mit Leuten aus anderen Ländern die globale Kampagne zum Thema Giftexporte durchgesetzt.

ruprecht: Ab welcher "Größenordnung" interessiert sich Greenpeace eigentlich für ein Umweltproblem?

Bernstorff: Die übliche Antwort, die Sie bekommen, wenn Sie bei Greenpeace anrufen und auf einen Mißstand aufmerksam machen, lautet: Dazu haben wir keine Kampagne. So wie der Beamte sagt: Dafür bin ich nicht zuständig. Das ist aber nur die erste Antwort. Wir fragen die Leute, ob sie schon mit dem Umweltamt gesprochen haben oder der BUND-Gruppe oder ähnlichem. Wir führen die Leute zu ihren eigenen Handlungsmöglichkeiten vor Ort zurück, und dafür sind die meisten Leute sogar dankbarer. Bevor wir selbst etwas machen, müssen wir einen Arbeitsbereich haben, in den es reinpaßt. Es gibt ja auch Fälle, da nützt es überhaupt nichts, wenn Greenpeace auch noch kommt. Allein beim Thema Müllverbrennung gibt es in Deutschland bestimmt 1200 Bürgerinitiativen, und wenn wir dann auch noch hinkommen, dann sagen die: Na, auch schon hier? Also, wir sind da gar nicht nötig. Wir werden dort gebraucht, wo sonst keiner hinguckt.

rurecht: Wie klappt denn generell die Zusammenarbeit bei Aktionen mit anderen Umweltorganisationen vor Ort?

Bernstorff: Das machen wir sehr viel, wobei es häufig ein Problem gibt. Man muß sehr frühzeitig und langfristig miteinander reden. Was nicht passieren darf, ist, daß wir in den Ruf von Abstaubern kommen. In Wackersdorf arbeiteten Leute jahrelang an der Verhinderung der Wiederaufbereitungsanlagen, und dann kamen wir aus Geheimhaltungsgründen mit einem getarnten Lastwagen in die Anlage rein und konnten eine Riesenaktion machen. Die Leute von den Bürgerinitiativen dort waren stinksauer. Das sind Sachen, die nicht passieren dürfen: Umwelt-Rambo sein auf Kosten anderer. Eine ungute Konkurrenz zwischen Umweltgruppen ist das Schlimmste, was der ganzen Ökobewegung passieren kann. (kw/mp)


Meinungen

Heike Rader: "Am Slavischen Institut droht der Kahlschlag."

Schwer erträglich war die Studiensituationam am Slavischen Institut schon lange. Seit dem Weggang des Professors für Literaturwissenschaft, Prof. Willfried Potthoff, der für alle slavischen Sprachen zuständig war, ist die Situation jedoch grotesk. Die Stelle ist zwar mittlerweile zur Wiederbesetzung freigegeben, ist aber weiterhin unbesetzt und wird es voraussichtlich auch noch im nächsten Wintersemester bleiben. Das hat für viele Studierende schwerwiegende Folgen. Zur Illustration ein Fallbeispiel: Eine Studentin hat die Sprachen Bulgarisch und Serbokroatisch gewählt. Sie befindet sich noch im Grundstudium. Wenn die Stelle für Literaturwissenschaft auch weiterhin unbesetzt bleibt, werden ihr bis zur Zwischenprüfung, die spätestens nach dem sechsten Semester abgelegt werden muß, zwei Pflichtscheine fehlen. Von seiten der Universität droht dann die Zwangsexmatrikulation. Leider ist das kein Einzelfall. Daher ist es kein Wunder, daß viele Erstsemester bereits das Handtuch geworfen haben und höhere Semester keine andere Möglichkeit sehen, als den Studienort zu wechseln.

Im Zuge der politischen und wirtschaftlichen Integration der ehemaligen Ostblockstaaten ist es aber gerade jetzt von großer Bedeutung, daß auch weiterhin das Lehrangebot aller slavischen Sprachen erhalten bleibt. Institutsleitung und Dozenten bemühen sich ernsthaft, dieses Loch mit Hilfe sogenannter Lehraufträge zu stopfen. Aber allein die Fragen: "Wie soll ich meine Zwischenprüfung machen? Wie und wann kann ich mein Studium abschließen?" zeigen nur allzu deutlich, daß nur eine sofortige Wiederbesetzung aller freiwerdenden Stellen solche Probleme lösen kann bzw. gar nicht erst entstehen läßt. Wie Studierende unter diesen Bedingungen die vom Wissenschaftsministerium und Universitätsleitung geforderte kurze Studienzeit erfüllen sollen, bleibt ein Rätsel. Nicht um den Willen der Studenten nach einem schnellen und guten Studium geht es hier, sondern um fehlendes Personal und unzureichende Finanzmittel.

(Die Autorin ist Mitglied einer Studenteninitiative am Slavischen Seminar.)

Gundula Zilm: "Frauenfragen an der Uni? - Keine kümmert's."

Was lange währt, wird endlich gut. Ob dies auch der Gedanke der derzeit vier aktiven Frauen vom Autonomen Frauen- und Lesbenreferat (AFLR) war, bleibt ein Rätsel: Nach drei Jahren beriefen sie mal wieder eine Frauen-Vollversammlung ein. Ihr Ruf wurde erhört, und so strömten die Studentinnen am Mittwoch letzter Woche zuhauf in die Triplex-Mensa, ganze neunzehn an der Zahl - was mit Freude über den regen Zustrom quittiert wurde. Daß man die Zuhörerinnen sowieso fast alle - außer einer dubiosen Pressefrau - kannte, schien der Begeisterung keinen Abbruch zu tun.

Erster Programmpunkt war der Rechenschaftsbericht. Diesen ist das AFLR nämlich niemandem außer der Frauen-VV schuldig. Und so legten die vier Frauen mit Unterstützung einer Mitorganisatorin und einer ausgeschiedenen AFLRlerin vor den Zuhörerinnen Rechenschaft darüber ab, warum in diesem Semester niemand in ihrem Büro zu sprechen war, warum eingehende Informationen nicht an die Frauenkommissionen der Institute weitergegeben wurden und wo der Etat von immerhin DM 8.500 pro Jahr bleibt. Das Wörtchen "autonom" im Namen bedeutet nämlich, daß das AFLR von der FSK unabhängig ist und über die 10% des FSK-Etats, die es sich vor einigen Jahren erkämpft hat, selbständig verfügen darf. Knapp die Hälfte dieses Geldes verschlingt die "Lila Karla", eine jährlich neu aufgelegte Informationsschrift für Frauen, in der die Situation der Studentinnen an der Uni beschrieben und Frauen-Initiativen vorgestellt werden. Die restlichen Tausender werden für Ausstellungen, Vortragsreihen u.ä. ausgegeben. Für dieses Jahr ist z.B. im Dezember noch eine Ausstellung über Frauen in den Naturwissenschaften, eventuell mit Vorträgen, geplant.

Der zweite Tagespunkt war der Vorschlag eines Logos, das heftigen Protest auslöste. Von einer kurvenreichen, auf einem Bleistift reitenden, lächelnden "Hexe" fühlten sich die anwesenden Frauen nicht repräsentiert. Statt dessen entschied man sich kurzerhand für die ebenfalls auf dem Einladungsplakat abgedruckten, Keith Haring-adaptierten Tanzfiguren. Bevor es dann in die Schlußrunde, die anschließende Fete, ging, stritt man noch darüber, ob der Name von AFLR in UFLR (Unabhängiges FLR) geändert werden sollte, da viele mit dem Begriff autonom "schwarz und vermummt" assoziierten. Die Mehrheit wollte allerdings doch lieber autonom bleiben.

Mit dieser Veranstaltung hatte nun also das AFLR seine Schuldigkeit getan. Die Gastgeberinnen bedankten sich für das rege Interesse, und die Gäste lobten die Motivation, das AFLR vor dem langsamen Dahinsiechen retten zu wollen. Was aus dem Sorgenpatienten wird, hängt nun scheinbar allein von vier Frauen ab; auf die restlichen 14.981 Frauen an der Uni können sie sich jedenfalls nicht verlassen, denn die kümmerten sich letzten Mittwoch lieber um die Probleme der "Drombuschs". (gz)


Hochschule


Schulterschluß der Giganten

Die Unis Mannheim und Heidelberg wollen zusammenarbeiten

Peter Frankenberg, Rektor der Uni Mannheim, und Peter Ulmer,Rektor der Uni Heidelberg drückten sich am 16. Juni die Hände. Und das, obwohl beide außer dem Vornamen nicht viel Gemeinsames haben. Der Grund war ein Kooperationsvertrag, den beide Rekoren unterzeichneten. Selbst Wissenschaftsminster Klaus von Trotha war angereist, um das Ereignis für einen Medienauftritt zu nutzen. Aber wie so oft, wird das, was die hohen Herren als "epochal" (Ulmer) und einen "guten Tag für die Hochschulpolitik" (von Trotha) nennen, ganz unten in den Fakultäten, in die Tat umgesetzt.

Manch ein Dozent zeigt sich erst einmal erleichtert, daß nun offiziell gestattet ist, was an einigen Instituten schon seit längerem im Verborgenen ablief. So zum Beispiel Wolfgang Schamoni, Dekan der Fakultät für Orientalistik und Altertumswissenschaft in Heidelberg. Er meint, die Zusammenarbeit zwischen den Heidelberger Japanologen und den Mannheimer Betriebswirten habe sich schon "seit längerer Zeit in einer legalen Grauzone" vollzogen. Erst jetzt sei der rechtliche Rahmen geschaffen worden, Mannheimer Betriebswirte, die einen Schwerpunkt im japanischen Sprachgebiet gesetzt haben, in Heidelberg zu betreuen, ohne Sondergenehmigungen einzuholen.

Auch andere Fakultäten haben an der Kooperation getüftelt, lange bevor sich die Rektoren mit ihrem Vertragswerk schmückten. Vor allem im Bereich Physik und Informatik ist seit einiger Zeit manches in Bewegung. Hier will man aufgrund des Kooperationsvertrages einen umfangreichen Austausch von Lehrleistungen starten. Dazu werden neue Studiengänge, wie zum Beispiel die "Technische Informatik" in Mannheim, eingerichtet. Hierbei wird wahrer Kooperations-Geist gezeigt, denn in den betreffenden Berufungskommissionen sind Professoren beider Universitäten vertreten, um "eine Abstimmung der Verfahren" zu erreichen, wie der Heidelberger Prorektor Jörg Hüfner meint. Er lehrt am Institut für Theoretische Physik und beteiligt sich intensiv an der Zusammenarbeit mit Mannheim. In Zukunft werden die Informatiker in Mannheim keine Lehrleistungen für das Hauptfach Physik erbringen, sondern diese aus Heidelberg beziehen. Andererseits wird das Hauptfach Informatik auch für Heidelberger in Mannheim angeboten. Es sei noch nicht sicher, so Hüfner, ob nun die Studierenden oder die Professoren auf Reisen gehen würden. Vorstellbar ist auch eine Lösung im Rahmen des Modellprojekts "Tele-Teaching". Das heißt, die betreffenden Vorlesungen könnten per Kabel übertragen werden. Dabei ist nicht immer absehbar, wie die Studierenden auf das Angebot reagieren werden. Keiner der befragten Dozenten kann derzeit die Möglichkeit ausschließen, daß es zur Akkumulation von HörerInnen in einzelnen Veranstaltungen kommt. "Doch," meint Hüfner zuversichtlich, "wir versuchen uns gegenseitig auszuhelfen".

Während man also in den Fakultäten den Kooperationsvertrag vorrangig als Möglichkeit sieht, die Forschung zu intensivieren und das Lehrangebot zu stärken, denkt anderenorts der eine oder andere Herr schon wieder darüber nach, was man dadurch alles sparen könnte. Vieldeutig sprach Wissenschaftsminister Klaus von Trotha von den "Synergieeffekten" des Kooperationsvertrages. Der Schulterschluß der Giganten, die gemeinsam fast 15.000 Menschen Arbeit geben, läßt sich wohl auch als Rationalisierungs-Projekt mißdeuten. Eine klare Stellungnahme diesbezüglich steht noch aus. Und gerade ein Projekt wie das "Tele-Teaching" scheint wie geschaffen dafür, Dozenturen einzusparen. "Das ist eine Befürchtung, die immer im Hintergrund steht, sowohl in unserem Hause, als auch in Heidelberg, daß wir uns nicht selber ein Bein stellen", gibt Hartmut Lang, persönlicher Referent des Mannheimer Rektors offen zu.

Es dürfte die vorherrschende Meinung sein, daß es ausgesprochen traurig wäre, wenn ein Projekt, das so viele neue Chancen gerade im Bereich der Lehre bietet, von ministerieller Seite zu Einsparungszwecken mißbraucht würde. Doch zunächst zeigte man sich großzügig und spendierte der Uni Mannheim zwei neue Professuren. (mc/iz)


Frühstück bei Peter

Dem Vorbild der Berliner Humboldt-Universität explizit folgend, lud Rektor Ulmer vergangene Woche zum Pressefrühstück mit Dekanen. Thema waren die jüngsten Entwicklungen in den Fakultäten, präsentiert von fünf (repräsentativen?) Dekanen. Hier wäre jedoch wünschenswert, von der jeweiligen Fakultät auch einen Fachschaftsvertreter einzuladen, da in detaillierten Sachproblemen die Presse oft nicht hinreichend informiert ist, um konkrete Kritik zu üben. So mußte z.B. das heikle Thema "Biochemiezenrum" vom ruprecht angesprochen werden. Dennoch: Diese Informationsveranstaltung ist äußerst sinnvoll. Mehr davon!

[Bestes Zitat: "Es gibt kaum eine so transparente Institution - für Insider - wie die Universität."(Ulmer)] (jk)


Ausgestanden

Die Anglisten atmen auf. Während sie sich noch zu Beginn des letzten Semesters die Nacht vor dem Seminar um die Ohren schlugen, um eine der begehrten zweistelligen Nummern zu erwischen, hat die Fachschaft der Warterei jetzt ein Ende gesetzt. Ab sofort können sich die Anglisten zu den Veranstaltungen schriftlich voranmelden und müssen dann ihre Anmeldung zu Beginn des Semesters nur noch bestätigen. Zu den Seminaren und Kolloquien ist, wie bisher, eine persönliche Vorsprache bei den Dozenten nötig. Nur die Erstsemester sind mal wieder die Dummen: Sie müssen immer noch anstehen, allerdings nicht mehr des Nachts, denn die Nummern werden erst ab 13 Uhr vergeben. Also Frühstück statt Mitternachtsmahl! (gz)


Freundschaft

Ein Preis für den Romanischen Keller

Eher spärlich trafen die Mitglieder ein. Hitze und Ozon zeigten Wirkung, und auch Wimbledon wird das seinige dazugetan haben. Um 17 Uhr c.t. begann am Freitag die Sitzung einer universitären Einrichtung, die nicht ehrgeizige Renommierprojekte, sondern studentische Initiativen fördert. Darüber hinaus will der "Verein der Freunde und Förderer der Universität Heidelberg" Studenten vor dem Examen aus wirtschaftlichen Schwierigkeiten helfen. 750 der Ruperto Carola Zugetane zählt der Verein, verzeichnet aber kaum Neueintritte. Der Grund: Obwohl 1948 gegründet, ist der Verein, gerade bei Studenten, eher unbekannt.

Dabei sitzen im erweiterten Vorstand des Freundesclubs drei Studierende, die von FSK, Juso-Hochschulgruppe und RCDS gestellt werden. Sie haben auch eine entscheidende Stimme bei der Vergabe des neugeschaffenen, mit 5.000 DM dotierten Preises, der jährlich an eine studentische Initiative vergeben werden soll, die Kommilitonen anspricht und die universitäre Ausbildung unterstützt oder einen kulturellen Beitrag dazu leistet. Da in diesem Jahr keine Zeit mehr für eine korrekte Ausschreibung zur Verfügung stand, wurde zunächst mit 3.000 DM "aus der Hüfte geschossen" (Geschäftsführer Andreas Epple). Ab 1996 wird der Preis regulär ausgeschrieben.

Der erste Träger der Auszeichnung ist schon ein Volltreffer: das Studitheater "Romanischer Keller". Seit 1991 von dem Studenten Alex Stephan Raißle betrieben, gibt er hauptsächlich studentischen Theatergruppen eine Spielstätte. Mit jährlich 12.000 Besuchern ist der "Keller" inzwischen zu einer festen Heidelberger Kulturadresse geworden - und kann wegen seiner mangelnden institutionellen Verankerung Geld und Anerkennung gut gebrauchen.

Studentische Gruppen, die glauben, wie der "Keller" mit ihrem Projekt das kulturelle Leben der Universität zu bereichern, können eine Bewerbung mit ausführlichen Infos in das Fach einer der Hochschulgruppen in den KAStrA-Räumen in der Lauerstraße 1 legen.

An die Sitzung schloß sich ein Vortrag von Hans-Georg Gadamer über Bildung an. In der abschließenden Diskussion rügte dieser auf eine Anfrage von Rektor Ulmer hin, der Leistungsdruck bei der Ausbildung zum Fachmann behindere den Erwerb von Allgemeinbildung. (kirk)


Fetenfreie Zone Altstadt?

Die Stadt will den Studenten das Feiern vermiesen

Wo andere Menschen spontan sind, geht in Deutschland alles mit Recht und Ordnung zu. Empfindlich reagieren die Deutschen - sie sind zumindest verunsichert -, wenn da einmal etwas Ungewöhnliches passiert. "Ist das überhaupt erlaubt?" fragen sie dann schnell. Anarchie, d.h. Herrschaftlosigkeit, ist das Wort, das wie kein anderes die Deutschen schreckt; so wie der Papst die Frauen fürchtet, so fürchten wir Deutschen das Chaos. Und deshalb gibt es für alles Bestimmungen. Selbst das Feiern ist geregelt.

Daß auch Ausgelassenheit nur im Rahmen der Gesetze stattzufinden hat, darauf hat sich nun die Stadt Heidelberg besonnen und ist auf etwas gestoßen, was sie jahrelang ignoriert hatte: die berüchtigten Triplex-Feten. "Ei, sin denn diese Schtudente-Feschte überhaupt genehmischt, un halte diese junge Leut' überhaupt die Beschtimmunge für's Feiern ein?" hat man sich bei der Stadt gefragt, nachdem sich lärmbelästigte Anwohner beim immer hilfsbereiten Trachtenverein "Grün-Weiß-Blaulicht Heidelberg" beschwert hatten. Rausgekommen dabei ist Schreckliches: Nie waren die Feten angemeldet - also immer ILLEGAL! "Oh Gott, wo soll das alles enden?" schrie man entsetzt im Rathaus auf und zeterte: "Das sind ja Zustände wie in Afrika; daran sind nur die '68er schuld!"

Daß es so nicht weiter gehen konnte, war klar. Die Stadt wurde also bei der Uni vorstellig und pochte auf die Einhaltung der Gesetze, die ihr solange (ill)egal waren. Wer öffentlich in der Triplex veranstaltet (hört ihr, Fachschaften!) braucht eine Lizenz zum Ausschank von Flüssigem: die Schanklizenz, die es im Ordungsamt gibt und 40 Märker kostet. Der Haken bei der Sache ist, daß die Schanklizenz nur bis 24 Uhr gilt, dann ist "Sperrzeit", dann ist Sense. Mit der offiziellen Erlaubnis zum Feiern kommt die Auflage, daß sich höchstens 350 Leute amüsieren dürfen, die nicht rauchen.

Ob die Stadt die Einhaltung dieser Auflagen mit Knüppelgewalt durchsetzen wird, ist nicht klar. Das muß getestet werden, wie es die Juristen taten, die bei ihrer Fete natürlich wortgewandt und mit genauer Kenntnis der Gesetze Zeit von der Polizei gewinnen konnten. Raum für Vermutungen läßt auch die Frage, warum die Stadt gerade in dieser Zeit, in der im Verhältnis zwischen Stadt und Uni kriselt, auf die Einhaltung der Gesetze bei den lange bekannten Triplex-Feten wert legt. Ist es reine Schikane, oder steckt dahinter die bildungspolitische Absicht ,den Studenten bei der Verkürzung ihrer Studienzeiten behilflich zu sein? Wer früher schläft, steht früher auf und hat früher einen Job, so könnte die Gleichung aussehen, die im Rathaus aufgestellt wurde.

Anderen Gerüchten zufolge interessiert sich die CSU-Spitze für das Feten-Problem im Nachbarland Baden-Württemberg. Sie will anscheinend das "Recht auf Geselligkeit und Bier" zu einem ihrer Hauptthemen machen. So paßt es zusammen, daß Ministerpräsident Stoiber von ruprecht-Redakteuren gesichtet wurde, als er die Haupstraße die Marschroute für eine mögliche Großdemonstration abschritt. Erst kürzlich hatte er die legendäre "Bier-Demo von München" angeführt und die protestantische Arbeitsethik, die mit der "Verpreußung" des Südens einziehe, scharf angegriffen. Wir im Süden wüßten doch, dem Katholizismus sei Dank, so Stoiber damals, daß Feiern Ausdruck von Menschlichkeit sei und zum Leben gehöre wie der Wein zum Abendmahl. Na denn: Prost! (phil)

In dem Drange, sich an die Anforderungen der Alma Mater anzupassen, wachsen Studis über sich hinaus. Die Ergebnisse von Untersuchungen am Sportinstitut Karlsruhe belegen, daß Studentinnen seit 1925 im Schnitt um 7cm auf 1,68 m gewachsen sind, Studenten sogar um 11cm auf 1,82 m. Im selben Zeitraum sind sie jedoch nur um 4 Kilo schwerer, im Verhältnis zu ihrer Größe also leichter geworden. Dies kann wohl nur auf die Entsagung aller fleischlichen Genüsse zugunsten ihrer hingebungsvollen Forscherleidenschaft zurückgeführt werden, obwohl das Institut Industrialisierung und Ernährung als Gründe vermutet. Setzt sich der Wachstumstrend fort, werden Studentinnen 2060 im Schnitt 1,76 m, Studenten gar 1,93 m groß sein. (kirk)


Jean und Jeanne d'Arc

Die studentischen Vertreter in den Gremien

Kleiner Senat:

FSK: Annette Sowa (Neuphil. Fakultät), Antje Kunz (Biologie) / Vertreter:Andreas Kessen (Physik), Kay Dittner (Sozialwiss.), Kerstin Niese (Sozialwiss.), Martin Raithelhuber (Geowiss.)

Juso-Hsg:Anke Rakow (VWL) / Vertreter: Michael Kersten (Jura), Petra Heinzelmann (Mathematik), Isolde Fischer (EW), Andreas Badior (Neuphil.), Dieter Prosik (Phil.-hist.)

Großer Senat:

FSK: Diana Franke (Medizin), Marion Pfeiffer (Physik), Urs Frohnes (Biologie),Markus Scheckeler (Philosoph.-hist. Fak.), Kirsten Pistel (Neuphil. Fak.) / Vertreter: Jutta Göttert (Biologie), Garcia Schüler (Medizin), Nicole Ritter (Phil.-hist.), Heinz Wittmer (Physik), Jochen Bettzieche (Physik) / JUSO-Hsg: Anke Rakow (VWL) / Vertreter: Michael Kersten (Jura), Petra Heinzelmann (Mathematik), Katja Mast (Biologie), Isolde Fischer (EW), Andreas Badior (Neuphil.), Peter Koehn (Jura), Jürgen Ehrke (Theologie), Dieter Prosik (Phil.-hist.), Leonie Wild (Neuphil.), Marion Wiesner (VWL) / RCDS: Martin Engelhardt (Medizin) / Vertreter: Christiane Grathwohl (Phil.-hist.), Fabian Magerl (Jura), Pia Mormann (VWL), James Humphrey-Evans (Jura), Andreas Mosenheuer (Jura), Tanja Maier (Jura), Norman Oertel (VWL), Jutta v. Plessen (Neuphil.), Sybilla v. Dannenberg (VWL), Gerhard Ries (Jura)

Fakultätsräte:

Theologische Fakultät: Sandra Bach, Katrin Ulrike Steffens, Arnhild Bösemann / Vertreter: Anton Pensl, Heiko Zürn, Martin Wendte, Christian Link, Andreas Moll

Juristische Fakultät:

FSK: Carolin Ziegenhagen, Thorsten Arzbach / Vertreter: Mirko Schneidewind, Susanne Kappel, Carolin Küll, Hans Christian Ramdohr / JustIn: Georg Greitemann / Vertreter: Georg Roebling, Andreas Mosenheuer

Medizinische Fakultät Heidelberg:

Bernd Kraus, Andreas Richterlich, Tilmann Gruhlke / Vertreter: Silvia Skelin, Anna Kuwilsky, Henry Schäfer, Karsten Krombholz, Alfred Bertrand Actor, Ulrich Gruen, Paul Lingor, Sabine Scheffer, Malte Harjes

Fak. für klin. Med. MA: Eva Grips, Orell Mielke, Andreas Legler / Vertreter: Heiko Faber, Alexander Jatzko, Tobias Schmidt, Alexander Sartorius, Anja Hoffmann, Jens Kaden, Susanne Saussele

Philosophisch-historische Fakultät: Beate Herrmann, Till Müller-Schoell, Kirsten Jacobsen / Vertreter: Torsten Kneller, Thomas Kuklinski, Ulf-Carsten Geiser, Sandra Schmid, Alexander Boehm, Simone Kunzweiler, Dieter Prosik, Markus Franz E. Scheckeler, Isabel Herda, Petra Eggensperger

Fakultät für Orientalistik und Altertumswissenschaft: Michael Etzold, Hilmar Klinkott, Haruka Kimoto / Vertreter: Wolfgang Blösel, Jens Baumbach, Robert Langer, Christof Buettner, Britta Uihlein, Patricia Scheteling, Ivonne Kaiser, Ulla Wichmann, Bettina Lauer, Manuel Baumbach

Neuphilologische Fakultät: Kirsten Pistel, Burkhard Remppis, Gudrun Nissen / Vertreter: Sven Zimmermann, Christian Annuschat, Eric Windisch, Carmen Vollmuth, Cäcilie Kowald, Klaus Wannemacher, Bianca Jung, Jutta v. Plessen, Susan Huebner, Annette Sowa

Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät: Vicci Hottenrott, Thomas Müller, Amin Abu-Es-Soud / Vertreter: Anne Langelüddeke, Friederun v. Bornstedt, Christian Marcks, Tilo Kirchgessner

Fakultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften: Annett Feuchter, Manuela Mielke, Arnd Küppers / Vertreter: Stefan Bamberg, Markus Gülland, Rainer Unger

Fakultät für Mathematik: Christa Stoll, Cäcilie Kowald, Christof Jost / Vertreter: Lutz Horn, Dirk Herrström, Oliver Schnürer, Max Neunhoeffer, Hanno Baehr, Uwe Goersch, Andrea Rosch

Fakultät für Chemie: Tim Scharnweber, Friedrich Reinhard, Maya Schütte / Vertreter: Andreas Hebach, Stephan Dresen, Michael Burkart, Thomas Wilhelm, Ralf Eiden

Fakultät für Pharmazie: Anke Schulz, Anton Hummel, Steffen Schweizer / Vertreter: Christian Reiss, Jörg Linder, Tanja Zick, Cornelia Suess

Fakultät für Physik und Astronomie: Miriam Clincy, Denis Neofotistos, Thomas Scholl / Vertreter: Lars Knoll, Matthias Weiss, Patrick Ahlrichs, Carsten Schwarz, Sven Weber, Matthias Gerspach, Dirk Wetterling, Johann von Hase, Hartmut Osterkamp, Andre Fachat

Fakultät für Biologie: Urs Frohnes, Michael Schröder, Antje Kunz / Vertreter: Katja Mast, Biance Maxl, Ulrike Busshoff, Jochen Hartner, Bernhard Wetterauer

Fakultät für Geowissenschaften: Angela Dittfurth, Kay Patrick Sickinger, Holger Müller / Vertreter: Ines Telechea, Dominik Hezel, Horst Dresmann, Stefan Prowatke, Jürgen Brueckner


Pecunia non olet

Die Kontroverse um die zukünftige Gestaltung des BAFöG

Das Gesetz ist eindeutig unpräzise. Nach § 1 BAFöG besteht ein Rechtsanspruch auf individuelle Ausbildungsförderung für eine der Neigung, Eignung und Leistung entsprechende Ausbildung, wenn den Studenten die für ihren Lebensunterhalt und ihre Ausbildung erforderlichen Mittel nicht zur Verfügung stehen. Dieses Sozialleistungsgesetz ist als Instrument zur Gewährung der Chancengleichheit im Bildungsbereich gedacht. Fraglich ist nur, wie man ein solches Gesetz versteht und auf welche Art man es ausgestaltet.

In der Diskussion sind zur Zeit die verschiedensten Modelle. Da wäre zunächst das sogenannte Daxner-Modell (konzipiert von Michael Daxner, Präsident der Universität Oldenburg), das auf eine Ausbildungskasse aus Bund und Ländern abzielt. Dieses Modell sieht für jeden Studierenden, der davon Gebrauch machen will, die Möglichkeit vor, ein Darlehen in Höhe von 1.000 DM pro Monat über 12 Semester zu bekommen. Es ist voll zurückzuzahlen, und zwar durch einen Zuschlag bis zu 4% auf die Einkommenssteuer des ehemals Geförderten. Vorteilhaft an diesem eltern- und einkommmensunabhängigen Modell ist, daß selbst diejenigen Studenten, denen nach dem jetzigen BAFöG keinerlei Mittel gewährt werden würde, frei entscheiden können, ob sie einen Kredit zur Finanzierung ihrer Lebenslage in Anspruch nehmen wollen. Nachteil: Nicht mehr die Gesellschaft fördert das Studium, sondern die Studenten müssen in eigener Verantwortung ihre Hochschulausbildung finanzieren. Damit sagt sich die Gemeinschaft von ihrer staatlichen Fürsorgepflicht im Bildungsbereich los. Ein weiterer Nachteil ist auch, daß dieses Modell mit maximal 1.000 DM Förderung unter dem studentischen Bedarf von etwa 1.250 DM (laut Sozialerhebung des Studentwerks) liegt.

Im Gegensatz dazu deckt das Drei-Stufen-Modell des Deutschen Studentenwerks (DSW) diese 1250 DM voll ab. Alle Studenten sollen nach den Vorstellungen des DSW elternunabhängig einen monatlichen Sockelbetrag von 400 DM erhalten. Gestrichen dafür würden aber Kindergeld und Kinderfreibetrag. Der Sockelbetrag wird aufgestockt durch eine Aufbauförderung von bis zu 650 DM, die wie das bisherige Bafög elternabhängig und je zur Hälfte als Zuschuß und als Darlehen gewährt wird. Weiterhin soll die Aufbauförderung eine leistungsbezogene Komponente enthalten, d.h. die Leistungsbesten erhalten einen höheren Zuschußanteil, wenn nicht sogar eine reine Zuschußförderung. Die übrigen 200 DM werden von der Ergänzungsförderung getragen.. Diese wird als verzinsliches Darlehen oder auch als leistungsbezogene Zuschußförderung gewährt, soweit man die 200 DM nicht durch studiennahe Teilzeitarbeit aufgebringen kann.

Erfreulich an diesem Modell ist, daß eine Beteiligung der Gesellschaft bzw. des Staates im Gegensatz zum Daxner-Modell durch den Sockelbetrag und den hälftigen Zuschuß bei der Aufbauförderung erhalten bleibt. Fragwürdig erscheint allerdings der dritte Teil des Modells, bei dem von vornherein eine Erwerbstätigkeit mit ins Kalkül gezogen wird. Die zusätzliche Belastung durch einen Nebenjob garantiert eine längere Dauer des Studiums, so daß eine Benachteiligung quasi im Modell enthalten ist. V on der Chancengleichheit aller Studenten kann dann keine Rede mehr sein. Bis auf diesen Punkt ist es ansonsten ein annehmbares Modell.

Den Vogel schließlich schoß Jürgen Rüttgers letzte Woche ab. Der Bundesminister für Bildung und Forschung, der sich selbst auch gerne als Zukunftsminister tituliert, schockierte die Studentenvertreterschaften mit seinem Zins-Modell. Die Bundesregierung beschloß, die soziale Bildungstradition ganz aufzugeben und sich aus der bisherigen staatlichen Ausbildungsförderung mit Zuschüssen und zinslosen Darlehen zu verabschieden. Die förderungswürdigen Studenten erhalten nach dem Plan von Rüttgers den Darlehnensanteil ab 1996 nunmehr als Bankkredit, welcher bereits zwei Jahre nach Beendigung der Ausbildung mit mindenstens acht Prozent Zinsen zurückgezahlt werden soll. Dieses Konzept berücksichtigt weder die Bedürfnisse noch die Interessen der Studenten auch nur ansatzweise konstruktiv. Anstatt tatsächlich die Bildungsinvestionen zu erhöhen, sollen nun die Studenten mit Kreditzinsen den Etat des Ministeriums, wahlweise auch den Gewinn einer Privatbank steigern, je nach dem ob sie sich von der bundeseigenen Ausgleichsbank oder einer herkömmlichen Bank das Darlehen vermitteln lassen.

Es bleibt nur zu hoffen, daß trotz des heißen Sommers (und LoveParade in Berlin) wenigstens eines der noch zu erwartenden Modelle von GEW und SPD-Fraktion die Forderungen der vier Eckpunkte (siehe Kasten) erfüllt, die ein studentischer Arbeitskreis jüngst formulierte und den studentischen Interessen wohl am nächsten kommt. (lm)

Eckpunkte


ruprecht-Serie "Revolte in Heidelberg" - Teil 2: "Institute in Aufruhr"

"Holt Euch die Universität zurück, denn sie gehört den Ordinarien nicht!"

Noch bis Ende der Siebziger Jahre war die Heidelberger Universität ein heißes Pflaster - und die Erinnerung daran verfolgt noch manchen an der Uni

Wenn der Professor im Fakultätsrat plötzlich mit den Worten "sie können hier als Student nicht alles sagen wie damals, 1977" aufbraust; wenn sich bei der Frage, warum denn Prof. L. nach Berlin gegangen ist, plötzlich eine Mauer des Schweigens im Lehrkörper aufbaut; wenn der ergraute akademische Oberrat ein konspiratives "das lief hier schon 'mal anders" flüstert, dann merkt der unschuldig-junge Student, daß das Leben an der Ruperto Carola nicht immer so friedlich -geordnet dahinplätscherte - und daß das Trauma der wilden Zeiten auch heute noch manch einen Dozenten gefangenhält.

Die wilden Sechziger - sie waren in Heidelberg auch in den siebziger Jahren noch nicht ganz vorbei. Studentische Proteste und hochschulpolitische Auseinandersetzungen begleiteten das Leben an der Ruperto Carola auch nach dem Höhepunkt der "68er"-Bewegung, als deren Protagonisten schon ihren "Marsch durch die Institutionen" angetreten, sich zersplittert oder resigniert hatten und an vielen anderen deutschen Universitäten in der Bundesrepublik wieder Frieden eingekehrt war.
Zwar gab es nur noch wenige koordinierte, die gesamte Universität umfassenden Aktionen - trotzdem verging auch in den siebziger Jahren kaum ein Semester, in dem nicht irgendwo in Heidelberg diskutiert, demonstriert und gestreikt, aber auch geprügelt und prozessiert wurde.
Und weil viele dieser Ereignisse nicht nur Studierende gegen Lehrende oder Minister stellen, sondern auch z.B. Professoren gegen Professoren oder Professoren gegen Mittelbau, beeinflussen diese längst vergangenen Tage das Klima an der Universität auch heute noch.

Nach 1972: Ernüchterung

Zu Beginn der siebziger Jahre war die Aufbruchstimmung der "68er" eigentlich schon längst verflogen. Wenngleich die Reformer - Studierende und Teile von Mittelbau und Professorenschaft - einiges erreicht hatten, konnten sich keine dauerhaften Koalitionen bilden, die Weiteres durchgesetzt oder sich jenen entgegengestellt hätten, die das Rad wieder zurückdrehen wollten. Viele Studierende hörten auf, sich in der Hochschulpolitik zu engagieren, zogen sich resigniert auf Beobachterposten zurück oder etablierten sich (wenn sie z.B. schlicht und einfach ihr Studium abgeschlossen hatten) in dem System, das sie reformiert haben wollten. Längst gab es keine "Studentenbewegung" mehr; der größere Teil der Studierendenschaft verfolgte das Geschehen an der Hochschule vielleicht noch mit Interesse, engagierte sich aber selbst nicht mehr. Aktiv wurde man höchstens, wenn es am eigenen Institut zur Sache ging. Hochschulgruppen verloren an Zulauf, zersplitterten oder radikalisierten sich: Selbst wenn sich auch 1973 und danach der größte Teil der Studierenden noch als bewußt links empfand - der Graben zwischen sozialdemokratischen, sozialistischen und kommunistischen Gruppen war so groß, daß man sich kaum auf gemeinsames Handeln verständigen konnte - und natürlich erst recht nicht mit Hochschulgruppen aus dem konservativen oder konservativ-liberalen Spektrum, wie dem RCDS oder der in Heidelberg auftretenden "Aktionsgemeinschaft Demokratischer Hochschulgruppen" (ADH).

Die Grabenkämpfe lähmten die Durchsetzungskraft der Studenten vor allem auf der gesamtuniversitären Ebene. Sie verloren mehr und mehr an Glaubwürdigkeit. Die Studierendenvertreter konnten sich immer schlechter legitimieren: So sank die Wahlbeteiligung bei Uni- oder Fakultätswahlen in den meisten Fachbereichen kontinuierlich, z.B. von 40% im Jahre 1970 auf knapp 26% im Jahre 1976 bei uniweiten Wahlen. Die Zweifel, ob die jeweils "regierenden" Hochschulgruppen wirklich einen wichtigen Teil der Studierendenschaft vertraten, wuchs nicht nur bei ihren Gegnern

Wo aber radikale Gruppen die Studierendenvertretungen beherrschten, verschlechterte sich auch das Verhältnis zu den reformfreudigen Lehrenden, mit denen Studierende zuvor noch gemeinsam Veränderungen an der Uni hatten durchsetzen können: So stimmten z.B. kommunistische studentische Gruppen in den Universitätsgremien in Heidelberg in den Jahren 1970-72 immer wieder gegen Vorschläge des liberalen Rektors Rolf Rendtdorff, weil auch er in ihren Augen ein "Scherge des Monopolkapitals" war. Dadurch setzte sich letztendlich eine viel konservativere Richtung in den Senaten durch; erst recht, nachdem Rendtdorff 1972 resigniert zurückgetreten war. "Sie [die Kommunistische Hochschulgruppe] machte es uns schon mit ihrer Sprache unmöglich, gemeinsame Positionen zu bilden", erinnert sich ein Akademischer Oberrat, "dabei wäre selbst Mitte der Siebziger noch einiges möglich gewesen". Koalitionen in Gremien z.B. zwischen bestimmten Professoren, Assistenten und Studierenden, wurde immer seltener.

Nicht nur deswegen begannen auch viele jener Dozenten, die die Reformierung der Universität mitgetragen hatten, zu resignieren und sich aus der Hochschulpolitik, selbst vor Ort, zurückzuziehen. "Wir hatten den Widerstand gegen weitgehende Reformen in den ersten Jahren einfach unterschätzt; außerdem gab es zu viele, die Veränderung nur mit verbalem Wohlwollen und nicht mit aktiver Unterstützung begleiteten", meint dazu ein Professor der Neuphilologischen Fakultät.

So konnten sich auch in Heidelberg (dessen Universität auch in den siebziger Jahren noch teilweise als "rot" galt) mehr und mehr jene durchsetzen, die die Reformen wieder zurückdrehen wollten und vor allem den Einfluß der Ordinarien, der ordentlichen Professoren also, wieder stärken wollten. Viele von ihnen organisierten sich im 1970 gegründeten "Bund Freiheit der Wissenschaft", einem konservativen Hochschulverband, der sich in jener Zeit zum Ziel gesetzt hatte, vor allem an sogenannten "roten" Universitäten wie Heidelberg, Bremen oder Marburg den Einfluß linker Dozenten und Studenten zurückzudrängen. Gerade deshalb aber hatte der "Bund" eine besonders große Anhängerschaft in Heidelberg und bald begannen seine Miglieder, die Unipolitik entscheidend mitzubestimmen.

1972: Wende zurück

Ein erster Wendepunkt in diese Richtung war der bereits erwähnte Rücktritt des Heidelberger "Reform"-Rektors Rendtdorff 1972. Er hatte versucht, die unruhige Universität durch einen progressiven Kurs zu beruhigen. Damit geriet er aber - z.B. im Falle des Sozialistischen Patientenkollektives 1970/71 (siehe ruprecht Nr. 35) - im Gegenteil immer stärker zwischen die Fronten radikaler Studierender und konservativer Professoren. Die Auseinandersetzungen um seine Amtsführung wurden in Universität, Stadt und sogar im Fernsehen ausgetragen: Das SPD-Mitglied Rendtdorff bekam seinen festen Platz im konservativen "ZDF-Magazin". Am Ende wählte ihm der Große Senat Prorektoren an die Seite, die er nicht gewollt hatte.

Sein Nachfolger Hubert Niederländer, ebenso wie dessen Nachfolger Mitglied des "Bund Freiheit der Wissenschaft", leitete sofort einen neuen, harten Kurs ein. Er sorgte dafür, daß mehr und mehr Studierende, die sich an Streiks, Vorlesungssprengungen und Institutsbesetzungen beteiligt hatten, diziplinar- oder strafrechtlich verfolgt wurden: Während Rendtdorff immer wieder bereit gewesen war, auch über Gesetzesverletzungen hinwegzusehen, um die Auseinandersetzungen innerhalb der Universität zu lösen und nicht weiter anzuheizen, wollte Niederländer die Universität durch einen harten Kurs gegenüber Störern, oder solchen, die es seiner Meinung nach waren, befrieden. Sein Erfolg war zunächst gemischt; am Ende seiner Amtszeit im Jahre 1979 aber hatte er an der Universität tatsächlich in der einen oder anderen Weise für Ruhe gesorgt.

An der Juristischen Fakultät z.B. kehrte nach heftigen Auseinandersetzungen in den Jahren 1970 bis 1973 (sowohl 1970 als auch 1972 war die Lehrtätigkeit zweitweilig eingestellt worden) zunächst wirklich Ruhe ein. Allerdings wurden nicht nur radikale Gruppen verdrängt, auch viele gemäßigte Studierende zogen es fortan vor, zu schweigen und zu studieren. Selbst eine Fachschaft gab es dort bis 1979 nicht (und Wahlen dazu wurden vom Rektorat im gleichen Jahr mit Strafanzeigen bekämpft).

1976: Germanisten

Am Germanistischen Seminar hingegen führte der gleiche harte Kurs (den Niederländer natürlich nicht alleine verfolgte; viele der damals an der Unipolitik Beteiligten hielten ihn gar nicht für die treibende Kraft, eher für eine Frontfigur) in den Jahren 1976 und 1977 zu einer Eskalation der Situation: Nachdem die Studiensituation für viele Studierende und Lehrende schon kaum erträglich geworden war (mehr Studierende, weniger Dozenten; das kennen wir ja von heute), erregte die geplante Einführung von Klausuren in Mittelhochdeutsch sie. Auf einer Versammlung beschlossen die Studierenden, die Klausuren zu boykottieren. Diskussionen um deren Sinn mit dem Lehrkörper ergaben kein Ergebnis: Dozenten, die der Argumentation der Studierenden folgen wollten, setzten sich nicht durch, andere waren befremdet vom Auftreten der Studierendenvertreter. Bald drangen die Streikenden auch in Vorlesungen ein, um Dozenten und Professoren zu einer Diskussion über die Klausuren zu zwingen. Zudem versuchten sie, Klausuren, die angesetzt waren, auch durch Besetzung der Räume zu sprengen. Verschiedene Dozenten, darunter die betroffene Lehrstuhlinhaberin Roswita Wisniewski - damals frischgebackene CDU-Bundestagsabgeordnete - holten in mehreren solchen Situationen die Polizei. Die ging nicht zimperlich vor. Die zunehmende Schärfe der Auseinandersetzungen erschwerte auch die Verhandlungen von Studierendenvertretern mit den Lehrenden. Nachdem Rektor Niederländer die ersten Relegationen (Verweise von der Universität) von zwei bis vier Semester ausgesprochen hatte und Strafanzeige gegen wirkliche und vermeintliche Streikführer gestellt hatte, verschlechterte sich das Klima am Seminar immer mehr.

"Die Klausuren wären nicht nötig gewesen", sagt ein Akademischer Oberrat heute, "und das ist eine Meinung, die auch damals im Kollegium unter normalen Umständen mehrheitsfähig gewesen wäre. Aber damals wollten sich einige eben durchsetzen. Das - und das kompromißlose Auftreten einiger Studentenvertreter - hat eine einvernehmliche Lösung damals verhindert".

Die Unfähigkeit, Kompromisse zu finden, stürzte das Seminar für mehr als ein Semester ins Chaos: Nachdem Studierende immer mehr Vorlesungen gesprengt und sich in der Lobby des Seminares zum Teil bedrohliche Situationen abgespielt hatten, schloß die Institutsleitung das Seminar. Die Studierenden empfanden das als Provokation und versuchten, dennoch einzudringen. Ein (immer) größer angelegtes Polizeiaufgebot schützte nun das Gebäude; damit aber wurde der Konflikt über die instituts- und uniinterne Öffentlichkeit hinaus in die Stadt getragen: Bei einem Demonstrationszug durch die Altstadt bekam auch der damalige Oberbürgermeister Zundel, der nicht gerade als studentenfreundlich galt, Eier und Tomaten ab, als er vom Rathausbalkon lugte. Die Lokalpresse nahm sich des Konfliktes an; vor allem die Rhein-Neckar-Zeitung aber aus der "Recht & Ordnung"-Perspektive. Nachdem inneruniversitäre Auseinandersetzungen schon in der Ära Rendtdorff auf den Lokalseiten und in den Leserbriefspalten von Rhein-Neckar-Zeitung" und "Heidelberger Tageblatt" ausgetragen worden waren, sorgte auch hier die Berichterstattung nicht für eine Beruhigung der Situation. Die Studierenden, die sehr viel schlechter an Platz in der Lokalpresse kamen, wehrten sich mit Flugblättern.

Der Solidarisierungseffekt, den die harte Haltung von Rektorat und Institutsleitung zunächst hervorgerufen hatten, hielt einige Monate. Ihr Ziel, auch die Mehrheit des Mittelbaus am Germanistischen Seminar und einige Professoren auf ihre Seite zu ziehen, erreichten die Studierenden aber gerade wegen der Eskalation des Konfliktes nicht: In einer solchen Situation glaubte es sich kaum ein Lehrender leisten zu können, sich "auf die andere Seite" zu stellen. Dazu kam der immer wieder geschürte Verdacht, daß die Studentenproteste letzlich nur von einer kleinen Gruppe von Agitatoren der Kommunistischen Hochschulgruppe (KHG) und des Marxistischen Studentenbundes (MSB Spartakus) organisiert worden waren, die zudem auch nicht einmal am Germanistischen Seminar, ja noch nicht einmal in Heidelberg studierten. Die meisten "Ehemaligen" allerdings, damalige Studenten wie Dozenten, geben heute zu, daß die "Roten" zwar eine wichtige Rolle gespielt hatten, aber sicher nicht die alleintragende Kraft waren.

Nach einem halben Jahr verlor die Streikbewegung an Dynamik. Nach und nach wurden einige Klausuren geschrieben und der Mediävistik-Lehrstuhl von Prof. Wisniewski setzte sich durch. Das Semester aber hatte das Klima am Germanistische Seminar grundlegend gewandelt: "Seit damals trauen sich viele im Kollegium nicht mehr so recht, zu sagen, was sie denken", meint einer der damals im Lehrkörper Beteiligten, "oder was ich glaube, daß sie denken. Es ist einfach klargeworden, wer hier etwas zu sagen hat und wer resigniert hat".

Gegen fünfzehn Studierende wurden Strafverfahren eingeleitet; 3 von ihnen wurden wegen Beleidiung, Nötigung, Haus und Landfriedensbruch in langen Prozessen zu Haftstrafen bis zu 23 Monaten ohne Bewährung verurteilt.

1977: Mediziner

Schon 1976 hatten Medizin-Studierende in Heidelberg auf die Einführung von Klausuren mit Vorlesungsstreik reagiert. Die Proteste verschärften sich im Sommersemester 1977, als die bundesweite Fachtagung Medizin Urabstimmungen und Streiks beschloß, um gegen die Bedingungen des neu eingeführten "Praktischen Jahres" anzugehen, das sich an das Medizinstudium anschließt und in dem die Studierenden einen sehr viel schlechteren Status hatten als bis dahin in der Phase als Assistenzarzt. Nirgendwo reagierten die Universitäten so hart wie in Heidelberg: Mit größeren Polizeiaufgeboten, Relegations- und Strafandrohungen gelang es dem Rektorat tatsächlich, den Streik nach drei Wochen zu beenden. Nur in Heidelberg gab es Strafanzeigen und Prozesse gegen Medizin-Aktivisten.

1978: Mathematiker

Erfolgreicher für die Studierenden war eine Streikserie, die ein Jahr später am Mathematischen Institut stattfand. Auch hier ging es um die Einführung von Klausuren, auch hier versuchten Studierendenvertreter, dies durch Streik, Vorlesungssprengung und Demonstrationen zu verhindern.

Die Reaktion hier war allerdings viel gespaltener als bei den Germanisten: Man diskutierte im Fakultätsrat, man beschwichtigte, vermittelte, beriet. Trotzdem eskalierte auch hier die Situation nach Provokationen einiger Studierender und ruppigem Verhalten betroffener Professoren: Bald standen auch hier Uni-Rausschmisse, Strafanzeigen und Ordnungsverfahren auf der Tagesordnung. Auch hier sahen sich die Fachschafter dem Vorwurf ausgesetzt, der Streik würde von einer kleinen Gruppe radikaler Agitatoren inszeniert und ausgenutzt - selbst wenn die betroffenen Vorlesungen sogar von systemtreuen Jungakademikern gemieden wurden. Die Initiative zum "Durchgreifen" aber ging vor allem vom scheidenden Rektor Niederländer aus, der Anzeigen auch noch aufrecht erhielt, als fast alle Professoren der Mathematischen Fakultät ihre eigenen Anzeigen zurückziehen wollten. Es kam zu Verurteilungen, allerdings in fast allen Fällen "nur" zu Bewährungsstrafen. Die Klausuren selbst wurden tatsächlich nicht eingeführt. Gleichwohl versuchten Professoren in den darauffolgenden Jahren noch öfter, sie schreiben zu lassen, bislang aber ohne Erfolg.

Danach: Ruhe

Es sollte vorläufig letzte Mal sein, daß die "Rote Universität" Heidelberg in den Schlagzeilen war. Es folgten die Prozesse, die sich bisweilen ein Jahr lang hinzogen und von denen einige bis zum Bundesgerichtshof gingen. An der Universität selbst gab es noch Konflikte um die Gründung der uns heute ziemlich selbstverständlichen Fachschaften (und natürlich Prozesse). Aber insgesamt kehrte wieder Ruhe und Ordnung im Neckarstädtchen ein.

Dazu trug auch bei, daß 1977 in Baden-Württemberg die "Verfaßte Studentenschaften" als rechtlich eigenständige Studierendenvertretungen abgeschafft und durch ein macht- und mittelloses Anhängsel des Großen Senates ersetzt worden waren, denen kein eigenverantwortliches Handeln mehr erlaubt wurde. Noch einmal hatten diese im Mai 1977 eine großen Demonstration gegen die Strafverfahren organisiert, die mit 9.000 Teilnehmern die größte in Heidelberg überhaupt wurde.

Selbst mehr als 10 Jahre danach, im "Unimut"-Semester 1988/89, griffen die bundesweiten studentischen Proteste spät und schwächlich auf die Ruperto Carola über (davon wird der vierte Teil unserer Serie erzählen). Aber der Mythos vom unruhigen Heidelberg hält sich noch in einigen Köpfen: Die Heidelberger Studierendenvertretung bekommt auch heute noch pro Kopf weniger Landesmittel als Unversitäten, die schon damals als friedlich galten; ein Ministerialbeamter hat dies noch vor wenigen Jahren offen mit politischen Gründen erklärt.

Wunden.

Natürlich waren die Auseinandersetzungen der siebziger Jahre nicht überall in Heidelberg gleich bitter. Aber an einigen Instituten haben tatsächlich Wunden hinterlassen, die selbst der damals gerade geborene Studierende heute noch merkt (auch wenn er sich oft gar nicht erklären kann, was denn diesen oder jenen Professor oder Oberrat plötzlich so aufbringt, oder warum Prof. X nicht mit Dozent Y. redet). "Das Klima am Germanistischen Seminar, vor allem unter den Lehrenden, hat sich nachhaltig verändert", sagt einer, der 1977 Angehöriger des dortigen Mittelbaus war, "und die Leute, die das Seminar damals verlassen haben, sind nicht nur wissenschaftlich attraktiveren Rufen gefolgt".

Die Mathematikerstreiks hingegen waren begrenzt, große Teile des Kollegiums schon damals konzilliant und nachdenklich. Deshalb haben die Auseinandersetzungen dort kaum Spuren hinterlassen, selbst wenn dort immer noch fast jedes Jahr um die "Klausurenfrage" gerungen wird. Aber auch an der Fakultät für Mathematik reden einige nicht gerne über alte Zeiten.

Insgesamt haben seit Beginn der siebziger Jahre nicht nur die Studierenden, sondern auch der akademische Mittelbau und auch die "niedrigen" C3-Professoren (also die Nicht-Ordinarien) in der Universität wieder an Einfluß verloren; viele Dinge, die in diesen Zeiten noch in den Fakultäten "ausdiskutiert" wurden, sind heute wieder Sache der Ordinarien - selbst die Einführung von "Institutsbeiräten" zur stärkereren (beratenden) Beteiligung des Mittelbaus in den Instituten stößt im Moment auf Widerstand in Senat und Rektorat.

Die Härte und die Emotionen, mit denen Auseinandersetzungen geführt werden, können aber schon deshalb heute nicht mehr so groß sein, weil Studierende ein viel buntererer, unkoordinierterer Haufen sind, die ihren Lebensschwerpunkt zum großen Teil nicht mehr an der Uni haben und auch sich auch politisch-ideologisch nicht mehr so straff organisieren lassen. Der Mittelbau wiederum muß sich mehr und mehr von Zweijahresvertrag zu Zweijahresvertrag hangeln.

Und da wir ohnehin alle schneller studieren sollten, bleibt heutzutagenicht mehr sehr viel Zeit für die Revolution.

(hn)

"Jeden Tag ein neuer Brand"

Streiks, Demonstrationen, Strafverfahren in Heidelberg in den siebzigern (eine Auswahl)

1972/73:
Auseinandersetzungen am Juristischen Seminar;
Besetzung des Rektorats durch Mitglieder der Kommunistischen Hochschulgruppe

1975
Demonstrationen gegen die Erhöhung der Straßenbahnpreise in Heidelberg, maßgeblich organisiert von kommunistischen Hochschulgruppen; starke Polizeieinsätze, Auseinandersetzungen

1976:
Streik der Germanisten; Institutsschließung; schwere Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten;
Warnstreik von Medizinern

1977:
Im Sommersemester Streiks, Vorlesungsboykotte, und Demonstrationen an der Medizinischen Fakultät
Demonstrationen gegen die Abschaffung der Verfaßten Studentenschaft; im Mai erlebt Heidelberg seine mit etwa 8000 Leuten größte Demonstration, auf der die Studierenden gegen die zahlreichen eingeleiteten Strafverfahren protestieren;

1978:
Klausurenboykott an der Mathematischen Fakultät;
Im März gewaltsame Räumung des selbstverwalteten Studentenwohnheimes "Collegium Academicum", das für die einen Symbol studentischer Autonomie, für die anderen Symbol studentischen Radikalismus' ist

1979:
Auseinandersetzungen um Wahlen für eine Fachschaft an der Juristischen Fakultät

"Mit aller Härte des Gesetzes"

Straf- und Ordnungsverfahren gegen Studierende

- 150 Verfahren wurden insgesamt in den Jahren 1975-1980 angestrengt, 450 Strafanzeigen gestellt.

- 50 Relegationen von der Uni für bis zu vier Semester erhalten Studierende

- 15 Germanisten werden zu Geldstrafen und /oder Haftstrafen bis zu 23 Monaten verurteilt

- 6 Juristen und 10 Mediziner und 15 Mathematiker bekommen Geld- oder Bewährungsstrafen

- In allen anderen Universitätsstädten des Landes werden zusammen 10 Strafanzeigen gestellt..

Im nächsten ruprecht: Die Schließung des selbstverwalteten Studentenwohnheimes "Collegium Academicum" kündigt das Ende der unruhigen Zeiten an.


Feuilleton


ruprecht on the record

Heiners Hör(fest)spiele

"Durch den Fortschritt der Technik entwickelt sich eine neue Ästhetik." Dieser Ausspruch des 43jährigen Heiner Goebbels nimmt das Thema vorweg, um das die Kompositionen des Pfälzers kreisen: die moderne, v.a. die urbane Welt. Daß er neben Schulmusik auch noch Soziologie studiert hat, mag für manchen befremdlich klingen,andere werden es als Indiz dafür sehen, daß er weiß, wovon er redet. Zwei ruprecht-Redakteure stellen je ein Werk des polarisierenden Komponisten vor - und trugen die Kontroverse in die Redaktion.

Ensemble Modern - vier Kompositionen

Der Komponist Heiner Goebbels sitzt zwischen allen Stühlen - wird behauptet. Doch eigentlich klingt das fast zu schön, um wahr zu sein. Denn wer sitzt heute schon nicht gerne zwischen allen Stühlen?

Was genau macht der Mann? Eine Betrachtung/Belauschung der vier Stücke, die er mit dem Frankfurter Ensemble Modern produziert hat, ergibt in etwa folgendes Bild: La Jalousie, Geräusche aus einem Roman (und zwar aus einem von Alain Robbe-Grillet) erzählt von der Eifersucht eines Mannes, dessen Frau mit einem Freund in die Stadt gefahren ist. Goebbels gelingt es, durch geschicktes Kombinieren von gesprochenem Text und Klängen das, was im Text unausgesprochen bleibt, in klanglichen Bildern heraufzubeschwören. So folgt beispielsweise den eifersüchtigen Gedanken des Mannes eine schier endlose Passage, in der über dem unerbittlichen Metrum von Stöckelschuhen auf Asphalt das erst ratlos tastende Ensemble allmählich aus dem Häuschen gerät. Derart entsteht ein subtiles, spannungsreiches Ineinander von Text und Musik.

Die beiden rein instrumentalen Stücke Red Run (eine Ballettmusik) und Herakles 2 lassen genau diese Spannung vermissen. Zwar überrascht Red Run immer wieder mit exquisiten klanglichen Einfällen; als Ganzes wirkt es aber doch eher beliebig. Daß Goebbels beim Komponieren stark mit Improvisation arbeitet, ist hier kaum zu überhören. - Ähnliches gilt für Herakles 2. Das Stück folgt einem Text von Goebbels' Leib- und Magenpoeten Heiner Müller. Allerdings ist nur "die Struktur des Textes vertont", so Goebbels; die größere Geschlossenheit als bei Red Run verdankt Herakles 2 denn auch weniger der (unsicht- bzw. hörbaren) Textvorlage als vielmehr dem einheitlicheren Klangbild: Das Ensemble besteht hauptsächlich aus Blechbläsern.

Zuletzt Befreiung auf einen Text von Rainald Goetz: ein Furioso. Goebbels schafft es, Goetz' Frontalangriff gegen die Neue Behaglichkeit, der auf der Sprechbühne wohl eher zermürbend wirkt, durch seine "Vertonung" bis zu einer geradezu monströsen Komik zu steigern - virtuos angewidert zelebriert vom Sprecher Christoph Anders: Goebbels total.

Ach ja, und wie war das doch gleich mit den Stühlen? Musikalisch bedient sich Goebbels aus vielen Schubladen: Jazz, Rock, Neue Musik, Experimentelles... von allem etwas also. Solange er all dies einsetzt, um sich einem Text zu nähern, führt das zu teils verblüffenden Ergebnissen; aufs rein Instrumentale angewandt überzeugt diese Art zu Komponieren allerdings weniger... (s.o.).

Man könnte also vielleicht sagen: Heiner Goebbels sitzt auf allem Stühlen - auf jedem ein bißchen. Zwischen den Stühlen dagegen trifft man ihn eher gehend: beim Stühlewechseln. (koben)

Surrogate Cities - Ein Konzert

Sprache ist lautlich artikulierte bewußte Geistigkeit. Meint zumindest das Lexikon. Und obwohl Heiner Goebbels als Musiker in einem anderen Artikulationsmedium zuhause ist, scheint er nicht auf jenes erste verzichten zu mögen. Um nicht mißverstanden zu werden: Wir reden nicht von Liedern. Wir reden von Musik und von Literatur auf demselben Tonband; und es hört sich einfach gut an.

Die Texte stammen bei ihm meist von Heiner Müller, dessen halbes Oeuvre er in den achtziger Jahren musikalisch umsetzte und mit dem ihn außer dem gemeinsamen Vornamen auch eine enge Freundschaft verbindet. Doch den einen Heiner auf den anderen Heiner zu reduzieren, wäre zu einfach. Nirgends wird das so deutlich wie in seiner eineinhalb Stunden - Hommage an die großen Städte dieser Erde, Surrogate Cities, die Goebbels anläßlich des 1200jährigen Bestehens der Stadt Frankfurt vor einigen Jahren für die Junge Deutsche Philharmonie schrieb.

Heiner Müller ist auch dabei, ins Englische übersetzt, mit der Erzählung des vorgeschichtlichen Bürgerkrieges zwischen den Städten Rom und Alba, der von zwei Horatioren stellvertretend geführt wurde, um die Armeen zu schonen. Der Horatio von Alba unterliegt: "So that his blood dropped - to the earth...", kommentiert unendlich langsam der Mezzosopran, während das Orchester betreten schweigt, nur um gleich wieder loszufideln: "When the horation came home - to the city of Rome...". So packend wurde die unzählige Male recycelte Überlieferung des Livius von Aufstieg und Fall des siegreichen Römers vielleicht noch nie erzählt.

Für den Abschied von Heiner Müller und dem ehrwürdigen Rom läßt Goebbels dem Hörer dann aber nicht viel Zeit, immerhin ist Surrogate Cities ein Konzert für Frankfurt, und das hat mehr zu bieten. Kaum hat der letzte Tropfen Blut den Boden erreicht, versinkt das Orchester mittels eines kaum auseinanderzunehmenden Mixes aus Stimmen, Geräuschen (um bei ein paar auf Kreissägenfrequenz gebrachten Geigen nicht "Ton" sagen zu müssen) und mittels Tonbandschnellvorlauf erzeugten Hektikkomponenten in den Alltag einer Fabrikhalle im Massenproduktionszeitalter. Die Stimmen stammen "von Menschen", so die vage Angabe Goebbels, genauso vage wie die Information über die Herkunft des Tonmaterials in einem anderen Satz des Konzertes: "Berlin, Tokio, Lyon, St. Petersburg, - Straßen der Randbezirke".

Surrogate Cities ist eine Liebeserklärung an die Städte am Ende des 20. Jahrhunderts, doch diese Liebe ist nicht blind, wie der Titel schon nahelegt: eine Stadt ist unnatürlich, vorläufig und vor allem laut, und laut muß Surrogate Cities schon gehört werden, um zu einem echten Hörfest zu werden. (gvg)

H. Goebbels: "La Jalousie, Red Run, Herakles 2, Befreiung", 1993, ECM Records
H. Goebbels: "Hörstücke", 3 CDs, 1994, ECM
H. Goebbels: "SHADOW, Landscape With Argonauts", 1993, ECM
H. Goebbels: "Surrogate Cities", bislang unveröffentlicht


Plattentips

JAZZMATAZZ VOLUME II - The New Reality Hosted By Guru

Guru, der Rapper von GangStarr, hat es erneut vollbracht: Nach dem wie eine Bombe eingeschlagenen ersten Werk "jazzmatazz - an experimental fusion of hip hop and jazz" hat er erneut Größen der Jazz/HipHop-Szene um sich geschart, um die Fortsetzung dieses Meisterwerks einzuspielen. Ergebnis ist ein umfangreiches Album, das das Konzept der ersten Platte weiterverfolgt. In dieser Weiterverfolgung begründet liegt schon die Tatsache, daß der wegweisende Effekt der ersten Platte natürlich nicht mehr erzielt werden konnte. Doch das ist auch nicht notwendig. Die HipHopJazz-Crossover nehmen beständig zu und Guru's Jazzmatazz ragt noch immer heraus. Den Abwechslungsreichtum dieser LP gewährleisten die vielen illustren Gäste, wie z.B Chaka Khan, Shara Nelson, Ronnie Jordan, Ini Kamoze, Jamiroquai, Solsonics u.v.a. Vielleicht mag es den Jazzfans zu poppig sein - sicherlich poppiger als die erste - und den Rappern zu seicht. Dennoch: ein wahrer Ohrenschmaus. Zum Zurücklehnen, auch mal zum Tanzen und so-wie-so zum Genießen.

The Notwist / 12

no-twist, no-punk, no-noise? Die Band aus Weilheim irgendwo bei München schafft mit ihrer dritten LP den großen Sprung. Weg vom Punk und dahin, wo der Grunge-Tod noch kleine Lücken gelassen hat, in denen sich eine Band entfalten kann.Und wie. Laut, kratzig, nicht zu nett und doch wunderbar melodiös: Sehr gelungen die Günter-Eich-Adaption "phrasebook" und das getragene "m".Den in unzähligen Projekten engagierten Workaholics gelingt das, was hierzulande nur ganz wenige schaffen: gute Musik.

luv'n'haight

Seit Beginn dieses Jahrzehnts wird die ständig anschwellende 'Dancefloor-Jazz'-Welle von einem entscheidenden Vertreter unterstützt: In Haight-Ashbury gelegen, dem Hippie-Viertel San Franciscos, liefert das Label "Luv n' Haight" das, was es programmatisch selbst so umschreibt: The finest in Funk since 1990! So werden in unterschiedlichen Sampler-Serien primär alte Jazz/Funk-Tracks, aber auch neue, experimentellere Songs veröffentlicht. Die Tracks aus den 60s/70s sind oftmals äußerst rare, bisher nur auf 7"erhältliche Werke. Die Zusammenstellung ist absolut erstklassig. Wer auf den Geschmack kommen will, sollte in folgende Compilations mal reinhören:
- Bag of Goodies
- Jazz Dance Classics (Vol.I-IV)

Fugazi / Red Medicine

Das geflügelte Wort der "political correctness" mag zwar im Alltagsgebrauch nicht mehr erträglich sein, beschreibt aber die musikalischen Ergüsse Fugazis recht treffend: political-correct-punk. Die Hardcore-Recken schaffen es nach der etwas mißglückten letzten LP mal wieder, ihren trockenen, schrägen Sound auf Vinyl zu bannen.Wie gehabt stark gitarrenorientiert, immer auf der Suche nach einem kleinen Stückchen Melodie. Diesmal haben sie ein paar mehr gefunden als sonst. Teilweise etwas ruhiger als gewohnt, abwechslungsreicher, ja in einzelnen Momenten gar avantgardistisch anmutend. Ein erfrischendes Werk der Altmeister auf dem in paradoxer Weise in High-Speed-Platitüden stagnierenden Hardcore-Sektor. (jk)


Ein bunt gemischtes Programm, geprägt von den unterschiedlichsten kulturellen und ethnischen Einflüssen, gibt's am 15.07. ab 14 Uhr im Marstallhof beim

OPEN HOUSE - FESTIVAL

Unterstützt von einer ebenso dargebotenen "kulinarischen Weltreise" treten auf: Advanced Chemistry (Deutsch-Hop), Vitamin X (Reggae), Across the Border (FolkPunk) u.v.m., sowie auch der Kabarettist Shahbaz


ruprecht goes to the movies

(in Klammern die Anzahl der ruprechte)

ruprechts Notenskala:
- nicht empfehlenswert
* mäßig
** ordentlich
*** empfehlenswert
**** begeisternd

Crimson Tide (3)

Der Konflikt in Tschetschenien eskaliert, russische Rebellen erobern einen Militärstützpunkt der Armee in Wladiwostok, wo nukleare Interkontinentalraketen und U-Boote stationiert sind. Und während die ordentliche Armee den Stützpunkt einkesselt, droht der Kommandant der Rebellen, die Atomraketen gegen Amerika und Japan zu benutzen. In den Staaten wird daher Defcon 3 ausgerufen und mit ein mit Atomraketen bestücktes U-Boot wird zur Lösung des Konfliktes in den Pazifik ausgesandt.
Gene Hackman spielt an Bord des U-Bootes den Kommandanten Ramsey, einen alten Veteranen, kriegserfahren; ein Soldat, der Befehle, ohne über ihren Sinn nachzudenken, ausführt. Sein Gegenspieler ist der 1. Offizier Hunter (ein genial spielender Denzel Washington). Es kommt zum Konflikt zwischen beiden, als amerikanische Satelliten das Auftanken der Atomraketen der Rebellen erkennen und das Boot den Abschußbefehl für seine Raketen erhält, aber kurz darauf eine zweite Meldung empfängt, die jedoch nur unvollständig ist. Ab jetzt läuft die Handlung gegen die Uhr: in 60 Minuten sind die russischen Raketen abschußbereit, bis dahin muß die Gefahr abgewendet sein, aber in der USS Alabama löst eine Meuterei die nächste ab, bis keiner mehr weiß, wer denn das Kommando hat. Ein Film mit aktuellem Bezug, der durch seine Spannung nicht nur "Kalte Krieger" ansprechen wird. (jr)

Rangoon (-)

John Boorman ist Brite. Doch ganz im Stile eines amerikanischen Regisseurs denkt er - dank der ihm in die Wiege gelegten Arroganz des Nord-halbküglers -, er könnte einen Film über ein fremdes Land machen. Und einen politischen dazu. Wie das endet? Eine Amerikanerin steht heldenhaft im Mittelpunkt, und die sie umgebende belebte wie unbelebte Umwelt ist Staffage. Klasse! (jk)

Little Indian (1)

ndianer in Großstadt - nun ja, frisch wie ein Tropenwasserfall ist das Thema wohl nicht mehr, das Herve Palud da nach Paris versetzt hat. Da will der typische gehetzte Börsianer Stephan eine New-Age-Göre heiraten, muß sich aber zuvor in ein Urwalddorf begeben, in dem seine bisherige Angetraute Patricia und ihr gemeinsamer Sohn "Mimisikü" leben. Statt mit der erwünschten Scheidung kehrt Stephan mit dem Indianer-Jungen nach Paris zurück. "Mimi" spielt dort alle Klischees durch: Essen mit den Händen, Insektenvernichtung per Blasrohr usw. So konsequent Palud das Indianerleben idealisiert, in so unangenehmer Weise macht er Stephans lettische Geschäftspartner lächerlich. Trotz einiger witziger Passagen ertrinkt der Film abwechselnd in mißlungenem Slapstick und Kitsch. Pocahontas läßt grüßen. (kirk)

When Night is falling (3)

Tatort Waschsalon: Hier fand schon so manch bedeutende Begegnung der Filmgeschichte statt. Camille (Pascale Busières), Lehrerin für Mythologie an einem christlichen College, trauert gerade um ihren Hund Bob, der nun wohl aufbewahrt in ihrem Kühlschrank ruht. Camilles herzzerreißendes Weinen inmitten Reihen von stählernen Waschmaschinen lockt eine andere einsame Wäscherin an: die Performance-Künstlerin Petra (schön ungekünstelt gespielt von Rachel Crawford). Deren Lebensauffassung ist ebenso unkonventionell wie der Zirkus, mit dem sie durch die Lande zieht. Sie verliebt sich prompt in die keusche Camille, was nicht nur deren Gefühlswelt völlig durcheinander bringt, sondern auch die Karrierepläne ihres Verlobten Martin, der mit ihr zusammen die Leitung eines theologischen Instituts übernehmen wollte.
Trotz der klischeehaft anmutenden Handlung ist es Patricia Rozemas gelungen, die Story völlig ungekünstelt und frei von Platitüden zu inszenieren. Sie hebt nicht den moralischen Zeigefinger und erklärt altklug, daß Homosexualität nur eine andere Form der "normalen" Liebe sei, sondern erzählt ohne falsche Scham eine Liebesgeschichte, die von erotischen Bildern und trocken humorvollen Dialogen lebt. Beste Lovestory der Saison! (gz)

Stirb langsam III (4)

Der Titel paßt zu dem neuesten Bruce Willis Film wie die Faust auf's Auge. Nach ein paar erfolglosen Kopien der erfolgreichen Actionserie gibt es wieder einen Film, in dem langsam gestorben werden darf.
Langsam ist aber Die Hard III keineswegs. Ein offensichtlich Verrückter (Jeremy Irons) terrorisiert New York mit Bombenattentaten. Das einzige, was ihn noch aufhalten kann, ist ein total verkaterter John McClane, der während des Film zu Höchstleistungen kommt, und mit Hilfe eines Schwarzen namens Zeus (Samuel Jackson) aus Harlem kleine Denkaufgabe löst und längere Dauerläufe absolviert. Der Film ist ein einziger Kampf gegen die Stopuhr. McClane und dem Zuschauer wird kaum ein Moment der Erholung gestattet, ein Höhepunkt jagt den anderen, und einer ist spektakulärer als der vorhergegangene. Es stört zwar etwas, daß die Handlung über ein weites Gebiet gestreut ist und daß Holly, Johns Frau, nicht vorkommt, aber trotzdem ist Die Hard III ein gelunger Film, der jeden Aktionliebhaber ansprechen wird! (jr)

Zuber eines Sommers

Laßt euch nicht verarschen: Der Film ist drei Jahre alt, lief bereits im Fernsehen, und auch Julliette Lewis war damals nicht so gut wie heute. Ihre außergewöhnlichen Darstellungen in Gilbert Grape und Natural Born Killers verhalfen diesem Streifen zu einer Neuauflage, der sich mit spritzigen Dialogen geradezu aufdrängt: "Ich bin in deinen Schuhen weggelaufen" - "Ja, ich weiß".
Es geht um die Liebe und ihre Platitüden in den USA der Sechziger. Sie liebt ihn, er liebt sie, und das alles ohne Kondom unter dem Pier, wo sich die Halbstarken treffen. Nach der kurzen Romanze wird sie - schwanger - von ihrer tyrannischen Mutter in ein Heim geschickt, wohin er ihr, von einer Margarita-Zukunft in Mexiko träumend, folgt. Erzählt wird das Ganze vom unschuldigen kleinen Mädchen von nebenan, das Frösche küßt.
Was der Film will? Man weiß es nicht. Vielleicht die "Reiches-Mädel-liebt-Hauptschüler-Problematik" beleuchten oder den "Halb-so-cool-wie-James-Dean-aber-Lederjacken-tragen-Trend" kritisieren. Spätestens wenn er sie fragt: "Warum will ich nur immer in Dir sein?", fragen wir uns: Warum habe ich nicht meinen 12jährigen Bruder und seine Freundin hergeschickt.
Der Film ist leider nicht ernst gemeint, und deshalb muß nun diese durchaus ernstgemeinte Kritik hier enden. (phil)


Schwuler Gott

Leonardo da Vinci in Speyer

Genie und Wahnsinn liegen eng beieinander" - behauptet das Sprichwort. So mancher Zeitgenosse Leonardo da Vincis (1452 - 1519) sah allerdings nur einen Irren hinter all den wahnwitzigen und unmöglichen Erfindungen des Künstlers; wie sollte sich z.B. ein Mensch mit einem Gerät in die Luft schrauben können oder durch Dampf eine Kanone abgeschossen werden? Doch Leonardo war nicht nur ein Spinner, nein, er war zudem noch ein Ketzer. Nachts schlich er sich auf Friedhöfe und grub Leichen aus, um sie dann zu sezieren. Allerdings gelang diesem Spinner und Gotteslästerer, was vielen seiner späteren Kollegen, obwohl sie brav auf dem Pfad der Tugend wandelten, verwehrt blieb: Noch zu Lebzeiten wurde er als großer Künstler und Wissenschaftler anerkannt und verehrt.

"Leonardo da Vinci: Künstler, Erfinder, Wissenschaftler", lautet denn auch der Titel der Ausstellung in Speyer, in der die vielen Seiten dieses Genies gezeigt werden. Wer eine gewaltige Exposition von großen Gemälden erwartet - von denen Leonardo sowieso nicht viele hinterlassen hat -, wird dort eher enttäuscht: Dargestellt ist die gewaltige Bandbreite des Künstlers, Naturwissenschaftlers, Architekten, Ingenieurs und Anatomen. Der erste und größte Teil der Ausstellung zeigt Naturstudien im Faksimile; Skizzen von Pflanzen, Naturereignissen, Menschen und Tieren und deren Anatomie bis ins kleinste Detail erfaßt. Leonardos Zeichnungen zeugen von einer so exakten Beobachtungsgabe und künstlerischen Darstellungskraft, daß sie teilweise noch heute den Medizinern als Vorbild dienen. Jedoch auch als Ingenieur von Kriegsmaschinerie über Luft-, Wasser- und Landfahrzeuge bis zum Brückenbau erntet er heute noch überraschte und anerkennende Bemerkungen. Einige dieser Entwicklungen sind in Speyer als Modell ausgestellt und begeistern durch ihre schlichte Genialität Jung und Alt. Es ist schon erstaunlich, wie sehr sich einige seiner Erfindungen und Jahrhunderte später, z.B. im amerikanischen Bürgerkrieg oder Ersten Weltkrieg, gebaute Geräte ähneln.

Der zweite Teil der Ausstellung zeigt dann Originale von Leonardo, seinen Schülern und Zeitgenossen. Hier kommt endlich auch der große Kunstliebhaber auf seine Kosten: Das wohl bekannteste und am häufigsten kopierte Werk der Kunstgeschichte, die Mona Lisa, ist in voller Größe zu bewundern. Wer nun allerdings denkt, die Pfälzer hätten den Louvre geplündert, der irrt: Die Dame mit dem verkniffenen Lächeln ist nur in Kopie zu sehen. Die Ölgemälde machen jedoch nur einen verhältnismäßig geringen Anteil der gesamten Ausstellung aus, die den Schwerpunkt stärker auf den forschenden als auf den malenden Leonardo legt. Deswegen hätte der Titel der Ausstellung statt "Künstler, Erfinder, Wissenschaftler" auch eher "Erfinder, Wissenschaftler, Künstler" lauten sollen.

Der in dem kleinen toskanischen Dorf Vinci unehelich geborene Leonardo zeigte schon als Kind seinen unstillbaren Forschergeist und sein künstlerisches Talent, das von seinem Vater früh erkannt und gefördert wurde. In Florenz ging er bei dem seinerzeit gefragtesten Meister Andrea del Verrocchio in die Lehre und arbeitete die meiste Zeit dort oder in Mailand; nicht zu seinen Schaffensorten zählte jedoch das für die Kunst bedeutende Rom, wo Michelangelo und Raffael zu dieser Zeit ihre Konkurrenzkämpfe austrugen. Ob Leonardo nur nach Mailand zog, weil er nicht zu den vier Künstlern gehörte, die zur Arbeit an der sixtinischen Kapelle auserwählt wurden, ist nicht bewiesen. Im Jahre 1472 wurde er wegen passiver homosexueller Handlungen angeklagt, jedoch freigesprochen. Homosexualität war in der Renaissance nichts Ungewöhnliches und galt sogar als chic. Allerdings gab es auch immer wieder Parteien, die die bestehende Gesellschaft moralisieren und reformieren wollten.

Zeit seines Lebens war Leonardo gespalten in den idealistischen Künstler einerseits und den empirischen Forscher und Naturwissenschaftler andererseits. Dieser Zwiespalt mußte jedoch keine Hinderung bedeuten; im Gegenteil befruchteten sich seine Talente gegenseitig und ermöglichten erst dadurch das universelle Genie. Er weigerte sich, geheiligte Autoritäten hinzunehmen, und betrachtete das Experimentieren als wichtigste Inspirationsquelle seines Werkes, sowohl in der Kunst als auch in der Naturwissenschaft. Er verspottete sogar die "lügnerischen Geisteswissenschaften", weil diese "weder experimentell noch mit den Sinnen" erfaßt werden könnten. So entsprach er dem humanistischem Ideal des 15. Jahrhunderts, das nur überprüfbare Wahrheiten akzeptierte und den Menschen statt Gott in den Mittelpunkt stellte. Um so verwunderlicher ist es, daß Leonardo schon zu Lebzeiten als gottbegnadetes und mit übernatürlichen Gaben ausgestattetes Genie verehrt und mystifiziert wurde. Die Interpretationen seiner Werke und seines Lebens veränderten sich natürlich im Laufe der Jahrhunderte. Als vielleicht übertrieben, aber bezeichnend für die Ausstellung in Speyer könnte Sigmund Freuds Äußerung über den vermutlich meiststudierten Künstler des Abendlandes sein: "Der Forscher hat den Künstler nie ganz freigelassen, ihn oftmals schwer beeinträchtigt und ihn vielleicht am Ende unterdrückt." (gz)


Verschiedenes


Ihr schriebt an uns...

Zu: "Alles ruprecht oder was" in ruprecht 36

Liebe RuprechtlerInnen,

als altgedienter Heidelberger Studi und jetzt seit einem guten Jahr in Berlin weilend, habe ich den ruprecht immer gelesen (wieauch UNiMUT (und Faust, weil's so lustig war)) und freue mich doch, jetzt ab und zu übers Internet ruprecht lesen zu können.
Aber bei dem Artikel "Frei gedacht, frei finanziert, umsonst zu haben" kann ich nicht zustimmen, denn da steht u.a.: "Weiß er zum Beispiel, daß wir keineswegs Ulmers Hauspostille sind? Daß ruprecht die einzige unabhängige Studierenden-Zeitung an der Heidelberger Uni ist?" Und etwas weiter: "Daß kein Pfennig Semesterbeitrag in Altpapier investiert wird, sondern sich ruprecht ausschließlich aus Anzeigen selbst finanziert?"
Ihr seid bestimmt unabhängig von Uni, Hochschulgruppen wie Jusos oder RCDS, von der FSK und erst recht von sog. "Andersdenkenden", aber sich als von Anzeigen finanzierte Zeitung als "einzige unabhängige Studierenden-Zeitung" zu bezeichnen, klingt nicht überzeugend. Ihr seid nämlich zu 100% abhängig von Anzeigenkunden, und dieannoncieren bekanntlich nicht in Blättern, die sich allzu kritisch mit ihnen auseinandersetzen. Zugegeben schreibt ihr ja in der Regel über Dinge, bei denen sich die Geschäftswelt in Heidelberg nicht tangiert sieht, aber unabhängig ist das meines Erachtens nicht.
Bleibt uns (Internet)-LeserInnen trotzdem erhalten und erwähnt die Unabhängigkeit nicht in einem Atemzug mit "Uber-Anzeigen-Finanzieren". In diesem Sinne & viele Grüße ins Neckartal von einem, der auszog.

Johannes Heinecke

Zu: "Schreiberschlacht" in ruprecht 36

Schön, liebe ruprecht-Redaktion,

daß Ihr Euch für die "metamorphosen" so ins Zeug werft. Denn jemand, der, wie die "metastasen" (wer auch immer dahintersteckt), dieser wunderbaren Germanisten-Zeitung am Zeug flicken will, ist ja schon von vorneherein suspekt. Oder er/sie hat eben gemerkt, daß die "metamorphosen" vor allem eine Selbstbeweihräucherungsinstitution einiger sehr von sich eingenommener Männer sind. Und ihre Texte sind eben die von Oberprimanern, die der Welt ihre Gefühle mitteilen müssen.

Schade nur, daß sich auch der ruprecht die "metamorphosen" nicht ein bißchen genauer angesehen (wie er das wohl mit den "metastasen" getan) hat und sich nicht ein bißchen kritische Distanz zu den Blattmachern vom Germanistischen Seminar zueigen gemacht hat.
Mit freundlichen Grüßen,

Susanne Bielen

Die Redaktion freut sich über Zuschriften, behält sich aber das Recht auf notwendige Kürzung (und die Gefälligkeit orthographischer Hilfestellung) vor.


Kiss and tell - ruprecht klatscht

Auf zwei Jahre befristet...
... ist die Stelle der persönlichen Referentin des Rektors, die in diesen Tagen neu ausgeschrieben wird. Die Amtszeit von Prof. Ulmer beträgt aber vier Jahre. Sollte er sich - entgegen seinen Ankündigungen - doch entschlossen haben, nur noch zwei Jahre Rektor zu bleiben?

Keinen Prüfer neben sich...
... duldet der Spanisch-Professor Nelson Cartagena vom Dolmetscher-Institut. Er wehrt sich gegen den Antrag des Akademischen Oberrates Ulrich Krohmer, auch Prüfungen in Spanisch abnehmen zu dürfen (das erlaubt das neue Universitätsgesetz). Cartagena müßte befürchten, nicht mehr so viele unbezahlte studentische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für sein Lexikon zu bekommen, wenn er nicht mehr der einzige wäre, der Spanisch-Studierende zum Examen führen darf.
Der Fakultätsrat hat noch nicht entschieden, weil er - wie so oft - gegen Ende einer langen Sitzung an einem lauen Sommernachmittag nicht mehr beschlußfähig war.


Personals

Maler von der anderen Straßenseite: Viele Grüße vom blauen Opel.
bpe, h.b.: Der Kampf geht weiter. - jk.
hn: Der Kampf wird leichter. - jk.
Andreas: Tschüß. - Jochen.
Arschloch: Du hast unseren Sonnenschirm angezündet. Der Galgen wartet. - Die wackere Weststadt.
Knödel: Das Runiversum expandiert tatsächlich. - gnomi.
Römer: Gruß an Leo (den Anderen). - Die Römerin.
Duden: Meinen Rhythmus lass' ich mir nicht nehmen.
He Leute: Gott, sind wir Verbrecher. - B.
Karl: Eine halbe Tomate und 'n bißchen Käse. - Captain Thunfisch.
Christo: Statt eines Flußes in Colorado, verpack verhüll' Jeanne-Claude.
Olli: In deinem Bart sind Läuse!
Peter: Ist Michael schwul? - Einige aus der Red.
Krümel: Pack die Tüte aus. - Herb.
Michael: Dich kriegen sie vielleicht. Mich nicht. - B.
Herr Professor: Hat Ihre Frau schon bemerkt, daß Ihr linkes Ohr weiter absteht als Ihr rechtes? - Die Red.
Gundula: Hinter dem Doppelpunkt kommt der ADRESSAT! Auf einem Brief steht ja auch nicht der Absender vorne drauf. - B.
Bertram: Was man bei der FAZ so alles lernt! - G.
Gundula: In der Tat. - B.
Birgit: Ein Glück, daß Schmitti keinen Gasherd mehr hat. - G.
Eva: 40 Jahre älter und doch potent?
Martina: Pfannkuchen haben's leichter im Leben. Sie hinterlassen keine Schleimspur. Aber mit Kakerlaken im Zimmer lernt sich's angeblich auch leichter. - Der-der-auch-leidet.
Unbekannt: Diesmal bekommst du nicht mein Fahrad! - J.
Bernadette: Wenn Du die Zukunft unseres Landes bist, kauf ich wohl besser keine Bundesschatzbriefe mehr. - Jürg.
Schwerin: Laß den Kleinen stehn. - G.
P.: Shut up and sleep with me (come on)! - Sin-without-kitchen.
G.: Für Dich doch immer. - S.
Wulf: Ja, ja, und nochmal ja. - Ursie.
Kirsten: Ohne Stützräder wär ich hilflos, wenn ich Dich sehe. - Rob.
Red.: Ein System gibt's wohl immer noch nicht? - J.
Jannis: Sorry. - Die Red.
Anke: Auf dein "warmes Gefühl" hätte ich schon viel früher verzichten sollen. - Guido.
Harald: Wo ist das Nirwana für bmps? - G.
Römer: Ach, privat ist sie romantischer? Dein Glück. - B.
Axel: FLOOOOOW!!! Der Ein-Stock-drüber.
Lilos: Schmeißt den Grill schon mal an! - G.
Franzi: Nachteil: Man stirbt. - Lo.
Frau Pfarr: Vielen Dank für die Tips. - bpe.
Loverboy: Das sind nie im Leben 30 Zentimeter. - Mona.
Sam: Thanks for the cold one. - F.


Achtung Baby!

Brentano. Von Arnim. Dann Jahrhunderte der literarischen Ödnis. Aber das poetische Heidelberg lebt - in der Literaturoffensive, die heuer ihren LitOff-Sommer präsentiert. Am Sonntag, dem 16. Juli, halten die Neuen Heidelberger Dichter eine Freiluftlesung beim Bunsendenkmal, am darauffolgenden Donnerstag eine "Bauchlesung" im DAI. Die Lektüren gehören zu einer Ausstellung von Textinstallationen im Karlstorbahnhof zwischen 16. und 22. Juli; sie ist, bei freiem Eintritt, montags bis freitags von 15 bis 19 Uhr, samstags von 10 bis 13 Uhr geöffnet. Zum Abschluß am 22. Juli verspricht die Offensive eine "aktionsreiche Finissage" im Ex-Bahnhof.


Impressum

ruprecht, die Heidelberger Student(inn)en Zeitung, erscheint drei Mal im Semester, jeweils Anfang Mai, Juni, und Juli, bzw. November, Dezember und Februar. Die Redaktion versteht ruprecht als unabhängiges Organ, das keiner Gruppierung oder Weltanschauung verpflichtet ist. MitarbeiterInnen und RedakteurIinnen sind willkommen; die Redaktion trifft sich während des Semesters jeden Montag um 20 Uhr in der Lauerstr. 1, 3. Stock (neben Heuscheuer). Für namentlich gekennzeichnete Artikel übernimmt der/die Autor(in) die Verantwortung.
V.i.S.d.P.: Harald Nikolaus, Kaiserstraße 57, 69115 Heidelberg.
Redaktionsadresse: ruprecht, Kaiserstrasse 57, 69115 Heidelberg, Tel./Fax: 06221/21361, e-mail: ruprecht @urz.uni-heidelberg.de.
Layout-Leitung: bpe, hn.
Graphiken: hn, bpe, bw.
ruprecht-Logo: bpe.
Druck: Caro-Druck, Frankfurt a.M.
Auflage: 11.000.
Die Redaktion: Henning Banthien (h.b.), Hedwig Ebinger (hee), Wolfram Eilenberger (eile), Bertram Eisenhauer (bpe), Christoph v. Friedeburg (kirk), Philipp Grätzel v. Grätz (gvg), Andreas Hüske (ah), Jochen Kluve (jk), Philipp Lichterbeck (phil), Loreena Melchert (lm), Harald Nikolaus (hn), Martina Parge (mp), Jannis Radeleff (jr), Anja Steinbuch (asb), Robert Thielicke (rot), Klaus Werle (kw), Bernd Wilhelm (bw), Gundula Zilm (gz).
Freie Mitarbeiter(innen): Jens Blinne (jpb), Markus Collalti (mc), Christian Kilius (ck), Jan Kopp (koben), Heike Rader, Alfred Schmit (alf), Stephan Stuchlik (step), Iris Zimmermann (iz).
Red.-Schluß für Nr. 38: 1.11. 1995.
ISSN: 0947-9570.
Internet: ruprecht, "ruprecht-aktuell", Anzeigenpreise und Leserbriefe zu finden unter http://ix.urz.uni-heidelberg.de/~ed6.


Sport

Die BILD-Zeitung hat den besten Sportteil der Republik? Daß wir nicht lachen. Oder hatten wir das schon gesagt? Es bleibt dabei: Der ruprecht-Reporter berichtet regelmäßig und kompetent von den athletischen Kampfstätten im Neuenheimer Feld, diesmal vom Basketball und - als Update zum letzten Mal - vom Fußball. Zudem stellt der Sport-Fanatiker Randsportarten vor, nach Ultimate in ruprecht Nr. 36 heute Viet Vo Dao.


Viet Vo Dao

Vietnams Sportbotschafter in Europa

Dynamik, Körperkontrolle, Schnelligkeit, Ausgewogenheit. Asien und sein Menschenbild. Asien und seine Kampfsportarten, herausgebildet und weiterentwickelt aus der Selbstverteidigung des Menschen mit einfachsten Mitteln, damit daraus seine Stärke erwachse. Kung-Fu gehört hierhin, und gar nicht weit davon entfernt ist Viet Vo Dao, die in Vietnam aus Elementen der verschiedenen Kung-Fu-Richtungen entstanden ist. Dabei finden neben Händen und Füßen, wie in anderen Kampfsportarten auch, einfachste Waffen wie der Langstock Gebrauch.

So alt sie in ihrem Ursprungsland ist, so jung ist sie in der restlichen Welt, vor allem in Europa. In der dritten Generation erst unterhalten die Meister dieser Kampfsportart Ausbildungsstätten und organisieren Lehrgänge, die Techniken vermitteln und Wege zur Perfektion zeigen. Ehrenamtlich, wie immer wieder betont wird - der Idealismus für den Sport in seiner reinen Form ist unübersehbar. Nur eine Aufwandsentschädigung von 30 DM für Studenten pro Semester geht an den Meister des Rhein-Neckar-Kreises.

Daß es dem Sport dabei weniger um Vergleich mit anderen Kämpfern geht, um den Ehrgeiz, der Beste zu sein, belegt die Durchführung nur eines Meisterschaftsturnieres jedes Jahr. So sind auch Anfänger willkommen, denn nicht der Kampf ist das Entscheidende. Vielmehr soll der Mensch sich Ansporn genug sein, sich zu formen, aus dem eigenen Bedürfnis nach Perfektion heraus. Eine Sportart mit Eigenbezug wie kaum eine andere. Treffpunkt der Viet Vo Dao-Gruppe ist jeden Freitag im Semester von 15-17 Uhr auf der Freianlage oder, bei schlechtem Wetter, in der Gymnastikhalle des ISSW. (rot)


Kampf der Giganten

Charles Barkley ist ein Handtuch gegen die Uni-Dunker

Ellbogen ins Gesicht, Bein in die Rippen - so knallhart wie in der amerikanischen Profiiga NBA geht es beim Basketball-Turnier für Studis noch nicht zu. Als Preis winkt ja nur ein bißchen Alkohol. Und Talent-Scouts haben sich am Spielfeldrand auch noch nicht blicken lassen.

Es gibt immer noch Studenten, die für vier Flaschen Sekt vier Stunden auf einem rechteckigen Gummiplatz hin- und herrennen, eine irgendwie viel zu große Kugel, in der Farbe des Untergrundes viel zu gut getarnt, in ein rundes Loch werfen, das den Ball sowieso noch nie haben wollte. Und das, wenn der Metallring dann doch mal überrascht wurde, die Gummikugel gleich wieder ausspuckt. All dies also, um am Ende zu merken, daß wirklich nur die Siegermannschaft die abgestandenen vier Liter Traubensaft bekommt.

Sinnlos? Vielleicht für ca. 29.936 Studenten, aber da gibt es ja noch die restlichen 64. Zumindest jeden Sommer. Die treffen sich regelmäßig montags in acht Mannschaften und spielen Basketball, vereint in dem Gedanken an alkoholische Katerregionen und purer Spielfreude.

Doch daß das allein nicht entscheidend ist, zeigt die Tabelle nach der Vorrunde. Hochmotiviert startete das Altehrwürdige SPF in die ersten beiden Spieltage, errang Platz eins der Gruppentabelle. Doch in den Play-offs wurden sie zerpflückt, Spiel um Spiel ließen sie Federn, Platz sieben der Schlußtabelle war der frustrierende Lohn einer hervorragenden Saisonvorbereitung, die sich schon in den Gruppenspielen gezeigt hatte.

Da war die Tabelle der Gruppe 2 schon ehrlicher. Ohne allzuviel Kraft in den Vorrundenspielen zu lassen, eroberte sich White men can jump mühelos die Tabellenspitze. Ohne sichtbaren Leistungseinbruch überstanden sie die an Nervenkostüm und Kondition jeder Mannschaft zehrenden Play-offs. Intensive psychische und physische Vorbereitungen auf das Finale verschaffte ihnen dann den entscheidenden Vorteil in der zweiten Spielhälfte. Vom 14:16-Rückstand auf die Kelly-Family unbeeindruckt, erkämpften sie kurz vor Schluß mit außerordentlicher Disziplin und Konzentration, ihre klaren Größenvorteile voll ausspielend, ein Unentschieden.

Die Nerven hielten, 33:36 lautete der Endstand.

Daß die Kelly-Family an diesem Nervenkrieg nicht ganz unbeteiligt war, mag zunächst bei einem flüchtigen Blick auf die Gruppentabelle verwundern. Der vierte Platz verhieß zunächst nichts gutes. Eine ungewöhnliche Steigerung in den Play-offs jedoch sicherte die Finalteilnahme. Den Sieg vor Augen, die Hand am Flaschenhals, ließ man dann wohl die Konzentration für die spielentscheidenden letzten Minuten vermissen: Das grüne Glas entglitt den Fingern.

Leichtfertig vertan hatten ihre Siegchance bereits am ersten Play-off-Spieltag die Jungs von Sponsored by Heindelken. Nach den Gruppenspielen in Lauerstellung auf dem zweiten Platz, folgte der Fall ins Bodenlose. Eine unerklärlich hohe Niederlage gegen die Turbo Dödels mit 30:56 besiegelte den fünften Platz für die Bier-Dunker. Auch wenn die darauffolgenden Spiele klar dominiert wurden, ist ein Rückzug des Sponsors aus dem Saisonvertrag nicht auszuschließen.

Aber Sekt ist nicht alles im Leben, auch dem eines Basketballspielers. Und für die Loser des Turniers gab es trotz allem auch etwas: Grillgut für die müden, alten Knochen. Vielleicht wäre Kraftfutter besser gewesen. (rot)

Abschlusstabelle

White men can jump      10:02
Kelly-Family             6:06
Turbo Dödels             6:06
Drei Damen vom Grill     6:06
Sponsored by Heindelken  8:04
Take Five                6:06
Altehrwürdiges SPF       8:04
Reell Matriz             0:12

Heißer Rasen

AH Rohrbach doch nur Fußball-Dritter

Manchmal irrt sich auch ein Sportredakteur. Selten, aber doch. Nur eine denkbar knappe Niederlage von AH Rohrbach gegen die Alcoholics im Halbfinale bedeutete für die Weisen des Fußballsports nur das Spiel um Platz drei. Daß aber auch das eine heiße Sache werden würde, hatten die Betreuer vorausgesehen. Wassereimer und Sprudelkästen machten den Spielfeldrand zum Kurort für Hitzköpfe und Schluckspechte, eine gelegentliche Kopfdusche war sehr willkommen.

Daß dies die um ca. 10-15 Jahre jüngeren Spieler des 1. FC Bumm nicht nötig zu haben glaubten, war ein Fehler, doch der Gegner hatte Mitleid: Die kalte Dusche blieb während des Spiels nicht aus. Nachdem noch in der ersten Halbzeit die hohen Temperaturen den Alten Herren Rohrbachs offenbar zu schaffen machten - ein 4:1-Rückstand war die Quittung -, nutzten sie die kühler werdende Luft in der zweiten Spielhälfte. Erfahrung und Abgeklärtheit bereiteten dem 4:4 fünf Minuten vor Schluß den Weg, doch das drohende Elfmeterschießen konnte in der Verlängerung nicht abgewendet werden. Eiskalt knallten vier Elfmeter der Rohrbacher ins Netz, der 1. FC Bumm verschoß den ersten, der fünfte segelte am Tor vorbei. Die kalte Dusche. Ein kleiner Junge hat es mir schon vor der Verlängerung prophezeit: "Die Blauen, die verlieren, die haben am Anfang zu offen gespielt."

Beim Finale Badesalz gegen Alcoholics hatte ich keinen Co-Kommentator mehr. Ein Spiel mit typischer Finalhärte kündigte sich an, der Wille zum Sieg war unübersehbar. Das Abtasten war spätestens nach 20 Minuten beendet. Ein Schuß aus der Drehung ließ dem Torwart von Badesalz keine Chance und die Maschen zittern. Nicht um eine Antwort verlegen, ließ Badesalz fünf Minuten darauf ein Kopfballtor folgen. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Bis zur Halbzeitpause wurde weiter gefällt, gemotzt, geschrien, das Torverhältnis aber hatte nichts davon. Also mußte die zweite Hälfte die Entscheidung bringen, jeder wußte, ein Elfmeterschießen wäre ein Roulettspiel für beide Mannschaften geworden. Die Aktionen verlagerten sich in die Strafräume, heiße Kopfballduelle überforderten die Abwehr jedoch auf keiner Seite.

20 Minuten vor Schluß dann die Vorentscheidung: Ein Drehschuß besiegelte das 2:1 für die Alcoholics, das Schußtraining der letzten Tage schien sich auszuzahlen. Nervosität auf Seiten der Salzkörner, die sich zu diesem Zeitpunkt in der Badewanne vielleicht wohler gefühlt hätten. Mit Pressing wollten sie das Boot wieder ins Lot bringen, zerfahrene Aktionen eröffneten den Alcoholics Kontermöglichkeiten. Keine davon brachte jedoch die Entscheidung, zu stumpf waren die Sturmspitzen, um den Goalkeeper der Badesalz-Equipe auszustechen. Die 2:1- Führung wurde über die Runden gebracht, der Schlußpfiff hob die Alcoholics in den 96%-igen Ethanolhimmel. Was sie davon hatten? Ein Stück Papier, das man Urkunde nennt und das die Mannschaften auf den Plätzen zwei und drei auch gekriegt haben. Was mein Co-Kommentator wohl vor dem Spiel getippt hätte? Vielleicht: "Also ich bin für die mit den bunten Hemden!" Und er hätte recht gehabt. (rot)


Ernsthaftes


"Wo bleibt die letzte Seite !?"

Und die Unterüberschrift ist auch wieder besonders gelungen

Es ist Freitag. High Noon. Schon wieder trägt rot die Computer alleine die 2 Stockwerke ins Kastra-Büro hinauf. Hier, in der Lauerstr.1, findet wieder eines der legendären ruprecht-Layout-Wochenenden statt. Freitags geht's fast richtig zur Sache, schließlich wollen wir am Montag um 11 bei der Druckerei sein. Ein bis drei Leute stöpseln die Computer zusammen. Sie nennen das 'Vernetzen'. Sonst passiert nichts. Jeder hätte Zeit, aber keiner kommt.

Die ersten am Samstag sind jk und eile. Sie fahren gegen neun in den Handelshof zum Einkaufen: Schokolade, Coke, Kekse. Heldenhaft. Gegen elf beginnt traditionell das Redaktionsfrühstück. Um 12 h kommen die ersten. Eigentlich sollte die Ausgabe besprochen werden. Es gibt aber nichts zu essen, und so stürzen sich 15 Redakteure in die Arbeit. Chaos. Um 16 h kommen eile und jk vom Einkaufen. Sie waren noch Benita anschauen. Samstag nachmittags ist immer die Hölle los. Jede/r DeppIn trudelt mit seinem/ihrem Artikel ein. Nun die Geschehnisse aus Sicht eines Redakteursderletztenseite:

Noch 36 Stunden ohne Schlaf. Ein Griff nach links. Meine Schokolade ist weg. "Wer hat meine Schokolade gefressen?" stelle ich in den Raum. Keine Antwort. "Die mit den Nüssen ist meine!"Meine Stimme überschlägt sich. Cola, Salzstangen... Mist, am Montag hab ich wieder PickelamPo und im Gesicht. Die Hand zurück zur Mouse. -Datei positionieren -klick - hoppla - was'n das da? "Harald!" Wo ist eigentlich Harald? Wer ist eigentlich Harald? Der, der alles am Computer kann und dann weg ist, wenn man ihn braucht: Ein Drittel der Chefredaktion, die es gar nicht gibt, aber es gibt sie doch. Mein Computer spinnt. Die Graphik ist verschwunden. Und überhaupt. "HARALD!" - "Krieg ich den Drucker?" ruft gz und ich schalte den Druckerumschalter auf 'C'. "Harald!" schreit bpe und ich auch nochmal, und hn kommt. "Wir kriegen g'rad ein Fax" sagt er und nimmt sich meiner an. "Das Programm verursachte eine elementare Schutzverletzung an Modul XX3Z033.IZR", meldet der Bildschirm lapidar. "Absturz", sagt hn. "Aber mein schöner Scan...", jammere ich, doch der zweite Redakteurderletztenseite tröstet mich. "Dann scänne mer halt nochemol". "Was ist mit dem Fax von der FAZ?" fragt bpe und hn antwortet "Kommt gerade an". Plötzlich aus dem Kastra-Wohnzimmer eine Stimme: "Du, Kirschden, was duudet denn da so im Dellephon?" "Des issn Fax, glaub ich", sagt Kirschden, und hn rennt los: "Leg sofort auf!" brüllt er. "Awwer ich soll doch in Hildesheim anrufe..." sagt die Stimme. "LEG AUF !!!!!!!"

So habe ich hn noch nie erlebt. Hurra: Meine Datei ist wieder da. "Kann ich drucken?" frage ich vorsichtig. "Nein" (bpe) - "Nein" (gz) - "Und dann komm ich" (bw). "Hat jemand die Transferdiskette gesehen?" Stille. "Die Transferdiskette...?" wiederhole ich hoffnungsvoll. Nichts. bpe macht die Sportseite. gvg liest Korrektur. "Wer ist eigentlich 'rot'?" - "Klaus, oder?" - "Nee, Klaus ist Klaus." gz aus dem Nebenraum: "Hat jemand die Transferdiskette?" ah betritt die Bühne. Er hat seine HSB-Glosse mitgebracht. "Ich hätte da noch 'ne HSB-Glosse", sagt er. Der junge Mann mit der Mütze zieht den Reißverschluss hoch und betätigt den Druckerumschalter. Datei schließen. Hilferuf von bpe: "Der Kasten geht nimmer weg!" Der zweite RedakteurderletztenSeite: "Das ist ein verdeckter Kasten!" Verdeckte Kästen sind da, aber man sieht sie nicht. Sie stören eigentlich alle. Bis auf step. - "Das Fax" frohlockt hn, und bw: "Kann ich endlich drucken?" - "Nein" -"Nein"- "Und dann komm ich". "Gib mir mal einer die Transferdiskette", bettelt hee,und gz aus dem Nebenzimmer: "Kann ich mal die Transferdiskette haben." Gut, daß wir bald vernetzt sind. Der Druckerumschalter macht 'A' 'C' 'B' 'A' 'B' 'C' 'A' 'D'. h.b. ist erwacht: "Was macht eigentlich die letzte Seite?" Ich antworte "Praktisch fertig!" "So-gut-wie", bekräftigt der zweite Redakteurderletztenseite. "Die Transferdiskette!" stampft hee wütend. Sie ist parfümiert. 'Narcisse' oder so. Wir träumen. Vom Hedwig-Kalender '96! Die Redakteurederletztenseite werden unsanft aus ihrer Kreativität gerissen, denn bpe legt seine berüchtigte Van-Morisson-CD auf und ein. "Was muß noch auf Seite 15?" - "Das Impressum" - "Kein Platz mehr" - "Ach kürz' doch den Leserbrief einfach weg!" "Wo ist denn die Werbung von Cocktail's Comix?" - "Keine Ahnung" - "Ich glaub, die ist vorhin an mir vorbei in den dritten Stock hoch." In der Not sind ruprecht-Redakteure eine echte Hilfe: Plötzlich tropft gvg. "Hast Du Nasenbluten?" - "Hmmpff" - "Geil!"

Samstag abend, 23 h. Das Imperium (hn, hb, bpe) schlägt nicht mehr zurück, sondern geht endlich essen. Zwei Stunden Ruhe und Frieden für die Redakteurederletztenseite. Jetzt wird die Kreativität aus dem Käfig gelassen und gescannt auf Teufel-komm-raus. Die Nacht wird hart genug. Dreimal stürzt die Seite ab. Ich konsumiere Cokes Nr.7-23.

Dann ist es Sonntag. Gleich kommt die Schwulengruppe zum Café. Wir müssen ein Zimmer räumen. Vorher kommt ah. "Ich hätte da noch 'ne HSB-Glosse." "Hast Du auch die Transferdiskette?" - "Äh, nee."- "Steht der Drucker auf 'A'?" - "Nein" - "Nein" - "Nein". The final countdown:

[20.14] "Ich geh' jetzt ins Kino."- "Jetzt noch???" - "Wir brauchen noch 'ne Kritik von 'Rangoon'." - "Mußte dafür ins Kino gehen..." / [20.56] Die Redakteurederletztenseite gehen Döner essen. / [21.03] "Braucht jemand noch die Datei '16.pm5' von 20.56? Die lösch' ich nämlich jetzt." /[21.17] Die beiden Redakteurederletztenseite kommen zurück. "Wo ist eigentlich unsere Seite?" - "Welche Seite?" - " '16.pm5'??" /[23.43] "Wem gehört die Datei 'figgmich.pm5'?" /[1.20] "Haaaarald! Hiiiilfe!Der Drucker druckt nur schwarze Blätter..." /[1.31] Eine Seite ist fertiggestellt. Jetzt wird geklebt. kw: "Wo ist das Fixogum?" - "Ham wir noch Fixogum?" - "Hat jemand das Fixogum gesehen?" /[1.59] gvg's Chirurgenfinger sind an Seite drei festgeklebt. mp leistet erste Hilfe (der Seite natürlich). Anschließend das Ganze nochmal. /[2.38] jk:"Was schrei'm wir denn da wieder hin!?" / [4.11] Die letzte Seite ist fertig, die Ausgabe gerettet, und die beiden Redakteurederletztenseite fallen sich um den Hals und beschmieren sich mit Nußschokolade einer- und Weißer Schokolade andererseits. /[5.42] Sonnenaufgang. /[9.38] Die Zeitung ist fertig. Wieder wurden Helden geboren. Zehntausende warten gespannt auf den neuen Ruprecht!

Enjoy! (jk/step)


Brittas Butterstulle

Meditationen aus der wackeren Weststadt

In einem Land, in dem sich der gesellschaftliche Status durch nichts mehr als durchs Nummernschild (S-EX 666, HD-X-911 etc) bestimmt, sind diejenigen benachteiligt, die kein solches haben. Die Radler. Neulich kam ich aus der Mönchhofstr. an die Kreuzung Brückenstr. Was geschah? Um die unnötige Ampel dort zu refinanzieren, postiert die Stadt Polizisten in der Hecke gegenüber, die per Handy ihren Kollegen 100m südlich die sündigen Radler übermitteln, die -HOPP- auf den Gehweg, rum um die rote Ampel, -HUPP- runter vom Gehweg in böswilliger Absicht (Grundsatzurteil!) gegen die StVO verstießen. Neben mir eine Blondine. "Sie sind schon die dritte Adlige heute" freut sich der Polizist. Er ist nett und zuvorkommend (woraus wir schließen, daß er keinen Bericht schreiben muß), schreibt der Stadtkasse 160,- DM und Flensburg 1 Punkt gut, mir dasselbe schlecht, meinen Namen auf und checkt gleich noch, ob ich auch gemeldet bin. Doch zum Ernst des Lebens: Britta geht. Die Butterstulle mit ihr. Und wir in der 5Mannund3Frau-WG brauchen Ersatz. So kamen in halbstündigem Abstand acht holde Mägdeleins hintereinander zu uns. Zum gegenseitigen Beschnuppern. Unsere Pläne sind hinterhältig: Vom WG-Tauglichkeits-Parcours (drei dreckige Pfannen und 5 min. Zeit) über ein gewollt-neurotisches oder neo-erotisches Verhalten ("Ausziehen!") bis hin zum provokativ in der Küchenecke zerplatzten Ei war uns keine Idee zu niederträchtig. Zwischendurch schauen wir Tennis. ''Beckers Butterstulle'? "Wir müssen Birgit nehmen, dann gibt's ne Fortsetzung". "Ich stell mich blöd" sagt Holger. "Wenn Sie Esrom mag, fliegt sie raus." "Und kochen muß sie können." "Und putzen." Unser Küchenboden ist dreckig. Wir wollen ihn in acht 20x20 cm große Areale unterteilen, um die Putzleistung vergleichen zu können.

Naja, wir waren dann doch brav und haben Katja genommen. Wird sie glücklich werden oder sich als kreischende, nörgelnde WG-Hyäne entpuppen? Der erste Eindruck mag täuschen. Ganz nett sind viele. Nicht übel noch viel mehr. Wir sind auch schlimm. Weiße Rosen nach Athen. Die Tränen trocknen. Tschüß Britta. (Schnief.) (jk)


*Zur ruprecht-Titelseite