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Titel


Verstohlener Exodus

Das Politikwissenschaftliche Institut vor ungewisser Zukunft

[Exodus aus Heidelberg]
     Foto: papa   

Wie es mit der Zukunft am IPW aussieht, ist noch Geheimsache. Die Kommissionen tagen, und deren Mitgliedern ist Schweigepflicht auferlegt worden. Auch die Professoren nehmen nur äußerst verhalten Stellung. Die Geheimniskrämerei provoziert Gerüchte. Der über dem IPW schwebende Pleitegeier läßt die Befürchtung aufkommen, daß das ganze Institut zur Jahrtausendwende den Sparmaßnahmen zum Opfer fällt. Zum nächsten Wintersemester werden schlimmstenfalls sechs Dozenten ihren Platz räumen. Sie sind nicht die einzigen, die es zu volleren Quellen zieht, die von der kurzsichtigen Landespolitik die Nase voll haben.

Besorgte Stimmen kommen aus der Fachschaft der Politologen, weil eine Assistenten-Stelle gestrichen wurde. Bei nur vier Assistenten ist die Auswirkung gravierender als bei besser ausgestatteten Instituten. Die für ein renommiertes Institut wie das IPW recht dürftig wirkenden zwei Lehrstühle stehen auf wackeligen Beinen. Ob der eine der zwei zum nächsten Semester frei wird, entscheidet sich erst Ende Juni. Wenn er wefällt, kehren auch zwei Assistenten dem Institut dem Rücken zu. Der Inhaber, Institutsdirektor Prof. Manfred G. Schmidt, hat einen Ruf nach Bremen erhalten und verhandelt noch mit beiden Universitäten. Der zweite Lehrstuhl, von Prof. Klaus von Beyme, wird 1999 durch seine Emeritierung frei werden. Ohne eine Wiederbesetzung durch C4-Professoren hätte das Institut keinen Lehrstuhl mehr. Ein dritter Lehrstuhl wird seit Jahren für den Pflichtbereich Internationale Beziehungen beantragt, der vor kurzem abgelehnt wurde. Prof. Frank R. Pfetsch und Dr. Andreas Busch werden für ein Jahr im Ausland forschen. Normalerweise unterliegen freiwerdende Professorenstellen einer zwölfmonatigen Besetzungssperre, Assistentenstellen einer sechsmonatigen. Daß die freiwerdenden Stellen wirklich dieser Sperrpflicht unterliegen werden, hofft am IPW keiner. Für Pfetsch und Busch sind Vertretungen zugesichert worden. Bei Wiederbesetzungsmöglichkeiten für die restlichen Stellen können andere Institute abschreckende Beispiele geben: Bei den Historikern war nach der Emeritierung eines Professors dessen Platz vier Semester vakant. In einer ähnlich desolaten Lage versucht die Neuphilologie den Unterricht durch Lehraufträge am Leben zu erhalten: Mehrere Professuren sind seit Semestern unbesetzt.

Das IPW ist schon jetzt von der personellen Ausstattung her unterbelegt. Wo dieses Semester 17 Proseminare angeboten werden, stellen zum WS höchstens neun die Basis eines hochwertigen Studiums dar. Die Kapazität ist bei Seminaren mit bis zu 80 Studenten erschöpft. Konsequenz: Auch die Studenten ziehen langsam aber sicher ab. Zum WS 88/89 immatrikulierten sich 170, WS 90/91 150 und WS 94/95 knapp 130.

Nicht nur die Studenten klagen, auch Professoren kritisieren die Überlast des Instituts, in dem "trotz abnehmender Mittel immer eine gute Lehre gewährleistet wird", wie Schmidt versichert. Aber: "Die Arbeitsbedingungen sind in Bremen besser. Es herrschen Bedingungen wie an einer US-amerikanischen Spitzenuni." Seine Lehrverpflichtung sänke dort auf vier SWS, Personalmangel gibt es nicht. Ähnliches kommt von dem Studiendekan Prof. Pfetsch, der einen Ruf an das Institut d'Etudes Politiques in Paris erhalten hat und dort für die nächsten zwei Semester unter besseren Bedingungen forschen wird. "Ein wichtiger amerikanischer Kollege und ein Prestige-Lehrstuhl sind mehr, als die Landesregierung es sich kosten läßt, die Professoren im Land zu halten." Wenn die Forschungsleistungen von der Landesregierung nicht belohnt werden, "das Input in keinem Verhältnis zum Output steht", fehlt das Verständnis für die hohlen Worte des Wissenschaftsministers. Der fordert nämlich mehr Profil und Qualität von den Hochschulen, in der irrigen Annahme, daß das durch seine Politik realisierbar sei. Kurz und bündig faßt Busch die Situation zusammen: "Es ist schon bitter, daß von der Politik immer Leistung gefordert wird und dann mit dem Rasenmäher gekürzt wird."

Stimmen nach studentischem Protest werden laut. Busch: "Die Studenten haben beide Hände auf der Hupe und beide Füße auf der Bremse. Ich finde es erstaunlich, daß sie zum Jagen getragen werden müssen", kritisiert er. Die angesprochenen Studenten fühlen sich jedoch nicht informiert. Auf der Lehrplansitzung sei nichts Konkretes gesagt worden.

Maastrichts Schlagwörter - "Sparen, kürzen, entlassen" - lassen auch die Hochschulpolitik nicht kalt. Wie für die EU-Staaten der Strukturwandel gepredigt wird, wird er auch von den Unis gefordert. "Umstrukturierung" ist dabei ein Euphemismus, der hemmungsloses Kürzen bedeutet. Die Strukturkommission der Uni gibt den jeweiligen Fakultäten dabei vor, wieviel Prozent sie jeweils bei sich kürzen müssen. Kommen die Institute, wie zum Beispiel das IPW, nicht auf die von ihm geforderten 12,5%, waren deren arbeitsaufwendige Überlegungen, wie das Schlimmste zu verhindern sei, "für den Papierkorb gearbeitet. Die Erfahrungen der letzten Sparorgien haben gezeigt, daß auf Leistung und Qualität überhaupt kein Wert gelegt wird. Es wird dort gestrichen, wo Stellen freiwerden", beschreibt IPW-Dozent Uwe Wagschal die Situation. Wann und ob überhaupt die vakant werdenden Stellen wiederbesetzt werden, das kann "außer Allah" anscheinend keiner sagen. Auch Kirsten Pistel von der Fachschaftskonferenz bedauert, daß die Diskussion über Strukturen zugunsten des Sparens zurückgestellt wird. Optimistischer schätzt von Beyme, auf eine zwanzigjährige Lehrtätigkeit zurückblickend, die Situation ein: "Es gibt immer hysterische Wellen. Bis 1999 ist die ganze Sparhysterie vergessen." Nicht wahrgenommene Sparmöglichkeiten gibt es für ihn in anderen Bereichen. Die Eingliederung der PH in die Uni wäre beispielsweise eine Möglichkeit.

Eines der vielen Gerüchte, die kursieren, ist die Zusammenlegung vom IPW und den Politologen in Mannheim. Für eine ungefähr gleiche Anzahl von Studenten gibt es dort immerhin fünf C4-Professuren. Die Mannheimer Umstrukturierungen betreffen lediglich das Fachgebiet Zeitgeschichte, der Rest der Politologen bleibt verschont. Weder der dortige AStA noch der Pressesprecher hat von dem Zusammenlegungsgerücht gehört, und es wird auch nicht für realisierbar gehalten. Als zusätzliches Angebot schätzen die Studenten die Kooperation zwischen Mannheim und Heidelberg. "Durch das zeitaufwendige Pendeln ist das Angebot aber fast nicht durchführbar", erzählt ein Student. "Absurd", "mit Sicherheit nicht", "wo ist die Rationalität dafür? Wenn die Unis marode wären..." ist die einhellige Einschätzung der Professoren. Für die Distanz Mannheim-Heidelberg empfiehlt von Beyme den Studenten mehr Flexibilität. In Berlin führen Studenten täglich ähnliche Strecken.

Die auf das Mißmanagement angesprochenen studentischen Mitglieder der Strukturkommission unterliegen einer Geheimhaltung, dürfen demnach andere Studenten nicht informieren und weigern sich, Auskünfte zu geben, da sie sonst aus der Kommission ausgeschlossen werden. Der Pressesprecher der Uni, Dr. Michael Schwarz, möchte zur Situation am IPW ebensowenig sagen. Nur soviel: "Das spielt nur eine untergeordnete Rolle. Da laufen zur Zeit ganz andere Sachen." (mz)


Ey!

Daß ausgerechnet meine ehemalige Freundin B. mir eines Tages noch was beibringen würde, hatte ich eigentlich für ausgeschlossen gehalten (obwohl ich das Gefühl habe, daß unsere Beziehung anders verlaufen wäre, wenn sie mir die restlichen Buchstaben ihres Namens verraten hätte). Doch als ich B. kürzlich, viele Jahre nach unserer Trennung, zufällig wiedertraf, begriff ich endlich, was sich hinter dem Begriff des Freudschen Versprechers (im folgenden: F.V.) verbirgt. Bis dato hatte ich angenommen, es handle sich dabei um einen allenfalls für den ungeübten Laien wahrnehmbaren Sprachfehler des Couchtherapeuten, den seine Tochter Anna aber so entzückend fand, daß Vater Freud eine erste Ahnung des Ödipalen entwickelte - zumindest bis er begriff, daß sie dazu strenggenommen sein Sohn sein müßte (im übrigen der Ursprung des Freud-Wortes "Anna, ach, Anna!").

Seit meiner Wiederbegegnung mit B. weiß ich nun, wen wir im F.V. vor uns haben: den Judas unseres Unterbewußten nämlich. Denn wie es Menschen zu tun pflegen, die gute Freunde zu werden entschlossen sind, nahmen B. und ich im Café Medoc einen Kaffee zu uns. Ausgesucht höflich, wollte ich sie fragen: "Reichst du mir die Milch?" Tatsächlich sagte ich: "Du Miststück hast mein Leben ruiniert." Für einen Moment war mir, als sitze am Nebentisch der alte Wiener Nervenarzt.

Indessen fand ich bald heraus, daß der F.V. im Leben eher die Ausnahme darstellt. Häufiger sind Fälle, in denen Menschen aus reiner Dummheit anders reden, als ihnen gut tut, weshalb Beispiele für dieses Phänomen ja auch so zahlreich sind wie Schwule bei einem Marianne-Rosenberg-Konzert. Jeder hat doch auf einer Party den Gastgeber schon gefragt: "Wer ist eigentlich diese ordinär aussehende Person da drüben am Springbrunnen?" - wo "Weißt du eigentlich, was für eine attraktive Schwester du hast?" deutlich besser angekommen wäre. Auch B. ist da keine Ausnahme. Als wir uns verabschiedeten, sagte sie: "Nein, du kannst meine neue Telefonnummer nicht haben." Unnötig zu erwähnen, daß sie eigentlich meinte: "Meine Liebe für dich lodert wie am ersten Tag." Klassische Fehlleistung. (bpe)


Strafezahlen für den Bummelzug

Jetzt werden die ewigen Studenten abgezockt

Jetzt ist es soweit: Den Bummelstudenten hat das letzte Stündlein an der Uni geschlagen - solange sie nicht zahlen. Nachdem in diesem Semester hundert Mark "Verwaltungsgebühr" für alle im Lande eingeschriebenen Studierenden eingeführt wurden, hat der Landtag am 24. April tausend Mark "Strafgebühr" für alle an der Universität Immatrikulierten ab dem 14. Semester beschlossen.

Das Gesetz sieht ein Bildungsguthaben in Höhe der Semesterzahl der Regelstudienzeit plus vier weiterer Semester, bei Magister- und Diplomstudiengängen also 13, vor. Wenn dieses Guthaben aufgebraucht ist, muß gezahlt werden. Von dieser Regelung sind ungefähr fünftausend Studierende der Universität Heidelberg betroffen, immerhin mehr als ein Sechstel. Wer allerdings durchgängig in Heidelberg immatrikuliert war, braucht noch nicht um seinen Sparstrumpf zu fürchten, sondern sich einfach fleißig an seinen Schreibtisch zu setzen, denn er genießt für ein Jahr noch eine Schonfrist, wird also erst ab dem Wintersemester 98/99 zur Kasse gebeten. Schlecht bestellt ist es jedoch um Uniwechsler, denn die müssen vermutlich - warum auch immer - ab dem nächsten Semester schon tief in ihre Tasche greifen. Ganz sicher ist dies allerdings noch nicht: Das Gesetzblatt liegt den Universitäten seit letztem Mittwoch zwar vor, doch der Artikel über die Übergangsbestimmung ist derart unklar gefaßt, daß in der Univerwaltung erst einmal über dessen Auslegung gerätselt werden muß. "Das Ganze ist sehr vage", erklärt Eckhard Behrens, Leiter des Studentensekretariats, "wir müssen uns selbst erst darüber einig werden, wie wir das Gesetz anwenden."

Doch nicht nur das mißfällt ihm am Beschluß des Landtages. "Dieses Gesetz ist völlig falsch konstruiert, und ich hoffe, daß sie nicht das gemacht haben, was sie machen wollten", urteilt er scharf über die Politiker in Stuttgart. Eine "reine Disziplinarmaßnahme" sieht er darin, denn zur Finanzierung der Universitäten tragen die Einnahmen in keiner Weise bei. Zwar soll das Geld den Hochschulen erhalten bleiben, doch erst fließt es an das Land. "Das Nähere wird im Staatshaushaltsplan geregelt" - so drückten es die Stuttgarter aus.

Am meisten ärgert Behrens jedoch das "Gefasel" vom Baden-Württembergischen Bildungsminister Klaus von Trotha. Was dieser als Bildungsgutscheinmodell ausgibt, widerspreche völlig dem Sinn des ursprünglichen amerikanischen Modells.

Gar nicht einverstanden ist Behrens damit, daß von Trotha seinen Vorschlag mit "Bildungsgutscheinmodell" tituliert, denn entwickelt wurde ein Modell dieses Namens von dem Amerikaner Milton Friedman und unterscheide sich grundlegend von dem Trothaschen Vorschlag. Nach dem ursprünglichen Modell bekommen die Eltern ein Bildungsguthaben vom Staat, das sie bei Schule bzw. Universität für ihre Kinder einlösen können; das Trothasche Modell habe jedoch mit diesem - und somit mit Chancengleichheit - nichts zu tun. Denn das Geld, das gezahlt werden soll, komme statt den Universitäten dem Staat zugute.

Ungerecht ist das Gesetz überdies. Es gibt kaum Ausnahmefälle, und so werden z. B. Behinderte nach derselben Zeit zur Kasse gebeten wie Nicht-Behinderte; allein die Zahl der Semester, die man eingeschrieben ist, zählt. Einzige Ausnahme: Wer in gesetzlich vorgesehenen Gremien und Organen arbeitet, bekommt bis zu zwei Semestern gutgeschrieben.

Schon in diesem Semester machte sich die "Verwaltungsgebühr" bemerkbar: Ungefähr 1250 Studierende weniger als 1996 meldeten sich in Heidelberg zurück; in Städten wie Tübingen oder Freiburg war der Rückgang noch stärker. Die Gefahr, daß eine Abwanderung in andere Länder bevorstehen könne, sieht Behrens allerdings nicht: "Viele sind ortsgebunden und gezwungen, hier zu bleiben. Und die werden dann wohl oder übel zahlen."

Neben der Universität sind von dem Gesetz auch FHs, Kunsthochschulen, Berufsakademien und die PHs betroffen. Nur die Staatlichen Fachhochschulen für den Öffentlichen Dienst bleiben befreit. Aber auch an der PH Heidelberg ist man noch ratlos über das weitere Vorgehen. Das Gesetzblatt liegt zwar auf dem Tisch, derzeit heißt es dort aber: "Nichts Genaues weiß man nicht". Auch die Verwaltung der PH hält sich noch bedeckt. Herr Reuter vom Studentensekretariat muß mauern: "Jede Frage, die uns diesbezüglich gestellt wird, muß ich mit einem eindeutigem 'Jein' beantworten."

Eines ist aber schon jetzt abzusehen: Die Zahl der Betroffenen wird beim Lehrernachwuchs deutlich unter der Zahl der an der Universität Immatrikulierten liegen. Der Grund: Die Regelstudienzeit bei PH-Studenten liegt zwischen sechs (Grund- und Hauptschule) und acht Semestern (Sonderschulpädagogik). Man rechnet in Heidelberg mit 3 %, die im Herbst 1000 DM zusätzlich berappen müssen. Dieser relativ kleine Prozentsatz täuscht jedoch über die Realität hinweg, denn auch hier werden erst ab dem Wintersemester 98/99 alle Studierenden überprüft.

Wenn die Kapitulation unter den Bummelstudenten nicht allzu hoch ist, dürfte der nächste Gebühren-Boykott ja um einige tausend Querulanten erfolgreicher sein. (gz, jh)


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