<< >> Title Contents Contents


Hochschule


Anständige Studenten, süße Philosophen

"Reformieren statt deformieren": Heidelberger Studenten versuchten mobil zu machen

Mit einer Reihe von Veranstaltungen setzten sich engagierte Studierende Ende Juni gegen die Hochschulpolitik der Landesregierung ein. Eine Woche lang boten Fachschaften und Hochschulgruppen unter dem Motto "Reformieren statt deformieren" mit Workshops, Diskussionen und vielem mehr ein Forum für eine konstruktive Auseinandersetzung mit der vielzitierten Misere.

An Ideen mangelte es den beteiligten Gruppen für diese Aktionstage nicht, an interessierten Teilnehmern allerdings schon. Dabei ließ das Programm alles andere als abschreckendes, langweiliges Gejammer erwarten. Die Fachschaft Kunstgeschichte etwa lud zur Podiumsdiskussion mit der ehemaligen Kultusministerin Brigitte Unger-Soyka (SPD) und dem Studienberater Raban von der Malsburg (CDU). Die Fachschaft Theologie baute einen Hindernisparcours auf, der den Weg durch das Studium symbolisieren sollte. Ein "DozentInnencafé" organisierte die Fachschaft Math-Phys.

Daneben gab es Informationsveranstaltungen für Studierende, wie z. B. vom Sozialreferat der FSK zum Thema Mieten und Wohnung und dem AK Jura zu der Möglichkeit einer Klage gegen die Verwaltungsgebühren. Den Philosophen ging es in einer Diskussion ohne Podium um Sinn und Zweck ihres Fachs. Zusätzlich stellten sie sich an einem Samstag auf den Theaterplatz und richteten ihre Leitfrage "Wozu Philosophie?" an Passanten. "Philosophen sind süß", erfuhren sie dabei unter anderem.

Im Rahmen der Podiumsdiskussion der Kunsthistoriker stellte Prof. Werner Böge sein selbsterdachtes Finanzierungsmodell vor, das auch Studiengebühren vorsieht. Im Gegenzug schlägt der Professor für angewandte Mathematik vor, allen Studierenden ein Darlehen anzubieten, mit dem sie ohne Geldsorgen und unabhängig von den Wünschen der Eltern ein Vollzeitstudium betreiben können. Die Rückzahlung könne dann an die Steuern gekoppelt werden. Wer genug Geld verdient, soll dann ein Leben lang mehr Steuern zahlen. Die Leiterin des Kunsthistorischen Instituts, Prof. Lieselotte Saurma, trat dagegen für Strukturreformen innerhalb der Hochschule ein.

"Die Geldknappheit ist eine echte Chance" - der als Hardliner bekannte Malsburg (CDU) erhielt etliche Buh-Rufe, räumte aber einen "gewissen Zynismus" seiner Argumente ein. "Der Student ist Kunde", so lautet seine Zukunftsvision. Unger-Soyka (SPD) kann sich zur Rettung aus der Finanzkrise der Hochschulen eine "gezielte staatliche Neuverschuldung" vorstellen. "Soviel Phantasie wie Herr Waigel müßten wir doch auch haben!", meinte die Ex-Politikerin. In jedem Fall solle Bildung für alle Bürger möglich sein, sie festige schließlich die Demokratie. Ihrer Einschätzung nach hat die Hochschulkrise "ein betrübliches Niveau" erreicht.

Der AK Jura wies in seiner Aktion am vergangenen Sonntag darauf hin, daß für die Verwaltungsgebühren keine Härtefallregelung vorgesehen ist. Studierende, die am Existenzminimum leben, sind also auch verpflichtet, die 100 DM zu zahlen. Sie können sich nicht, wie etwa im Falle der Rundfunkgebühren, davon per Antrag befreien lassen. Nach Auffassung des AK Jura ist diese Situation nicht hinnehmbar. 25 Prozent der Studierenden lebten nach Erhebungen des Deutschen Studentenwerks mit weniger als 1000 DM monatlich, so der Arbeitskreis. "Für viele sind eben 100 Mark wirklich viel Geld. Die können dann am Ende des Monats nur noch Ravioli essen", ärgern sich die angehenden Juristen. So bleibe möglicherweise vielen Kommilitonen nichts anders übrig als die Exmatrikulation.

Grundsätzlich besteht jedoch die Möglichkeit, einen Antrag auf "Niederschlagung der Gebühr" zu stellen, wenn man durch die Gebühr in eine Notlage gerät oder eine sogenannte unbillige Härte erfährt. Einige Studierende haben dies bereits versucht, erhielten jedoch einen Ablehnungsbescheid. Nach einem erneut abgelehnten Widerspruch bleibt noch die Klage. Der AK Jura ermuntert ausdrücklich dazu, wenigstens einen Antrag auf Befreiung der Gebühr zu stellen. Weitere Informationen dazu gibt es im Net unter http://www.uni-heidelberg.de/stud/fsk/aks/jura.

Die überraschendste Veranstaltung der Aktionstage schließlich war die "Demo der anständigen Studenten". "Elite statt Masse - Trotha ist klasse!" skandierte in der vergangenen Woche ein Häufchen von kaum 50 Studierenden lautstark in die Heidelberger Hauptstraße. An Demonstrationen ist man hier gewohnt, aber daß sich die jungen Leute für Studiengebühren einsetzten, irritierte schon: "Meinen die das etwa ernst?". Das ominöse "Komitee für mehr Anständigkeit an den Heidelberger Hochschulen" war Initiator der Demo.

In ihrer Kundgebung vor dem Psychologischen Institut wetterten die selbsternannten Vorzeigestudenten gegen "Faulpelze, die noch mit 30 verbilligt ins Lichtspieltheater wollen". Studienfächer wie Philosophie und Ethnologie seien völlig überflüssig, und wer sich finanziell kein Studium mehr leisten könne, solle doch die Hochschule verlassen. Junge Frauen mögen sich, sülzte der Redner, wieder der Familie widmen statt zu studieren. Eine verstärkte Zusammenarbeit mit der Wirtschaft sei sehr wünschenswert, Studiengebühren sowieso.

"Bummelstudenten und Unruhestifter raus!" forderte das "Komitee für mehr Anständigkeit". Die eigens inszenierte Gegendemo wurde von anständigen Studenten aufgelöst, und die "Unruhestifter" sollten dem Rektor der Alma mater zur Bestrafung übergeben werden - am liebsten im Karzer. Der Chef war nicht da, so blieb es bei Blumen mit Fan-Brief vor der Tür des "sehr verehrten, lieben Professors".

Die anständigen Protestler fuhren eine Sammlung haarsträubender Plattitüden auf, die einen hohen Unterhaltungswert hatten. Doch ernst war es ihnen schon damit. "Bei den Protestaktionen der letzten Monate hat sich ja gezeigt, wie die meisten Studenten denken", erklärte einer der Redner im Gespräch mit ruprecht. Sein "Komitee" wolle nur die offensichtliche Meinung der schweigenden Mehrheit repräsentieren.

(sv)


Verraten und verkauft

Die Organisatoren der Protestaktionen des Wintersemesters sind enttäuscht

Rückmeldeantrag: 179 DM, davon 100 DM Verwaltungsgebühr. Was im Wintersemester noch als verkappte Studiengebühr von einer vergleichsweise breiten Schicht der Studenten verurteilt und aktiv bekämpft wurde, scheint jetzt, ein halbes Jahr später, niemanden mehr so recht zu interessieren. Wie gehen die Organisatoren der Proteste von gestern mit der Lustlosigkeit der Kommilitonen von heute um?

Im Wintersemester waren die Demonstrationen und Protestaktionen von verschiedenen Gruppierungen ausgegangen. Sie trugen Informationen in die Öffentlichkeit und kanalisierten den Willen zur Kundgabe der studentischen Position in der Öffentlichkeit. Wie an anderen Universitäten im Musterländle kam es auch in Heidelberg per Beschluß der Vollversammlung (und dieses eine Mal hatte sie den Namen auch verdient) zur Einrichtung eines Treuhandkontos. Was daraus wurde, ist bekannt. Das notwendige Quorum, welches den Vertretern der Organisationen eine starke Verhandlungsbasis hätte werden sollen, wurde weit unterschritten. Wenn jetzt kein Treuhandkonto, keine Großdemonstrationen, sondern allenfalls kleinere Protestaktionen ohne breite Wirkung stattfinden, dann stellen sich mehrere Fragen: Ist der studentische Protest völlig eingeschlafen, haben alle resigniert? Oder ist der Teil der Studierenden, die zum Protest bereit wären, auf die Vorreiter aus den Protestorganisationen angewiesen? Haben diese die Motivation verloren, oder gehen sie jetzt andere Wege? Vertreter der Fachschaftskonferenz, des Aktionsbündnisses Zahltag, Vertreter des Treuhandkontos sowie der JUSO-Hochschulgruppe haben in einem Gespräch Ende Juni auf diese Fragen durchaus unterschiedliche Antworten gefunden. Resignation ist vor allem dort zu spüren, wo der Protest und die Aktion Treuhandkonto im Mittelpunkt standen. Eine Wiederbelebung des Protestes hält so gut wie niemand für sinnvoll, jedenfalls jetzt nicht. In gewisser Weise sei man auch enttäuscht über die Möglichkeiten, die einem die Unterstützung der Studierenden Mitte der neunziger Jahre noch läßt.

Auf die Feststellung, daß die Aktionen im Winter unterm Strich als Mißerfolg gesehen werden müßten, entsteht zum Teil starker Widerspruch. Charlotte Lutz (FSK) wird nicht müde, in der Mobilisierung von bis zu 4000 Demonstranten pro Aktion zumindest insoweit einen Erfolg zu sehen, als die Themen dadurch nicht nur in die Öffentlichkeit gelangt seien: "Es ist vor allem zu hoffen, daß dadurch mehr Studierende für hochschulpolitische Themen sensibilisiert worden sind. Die Gremienarbeit könnte dadurch ausgebaut werden."

Ob der Protest von ihnen abhängig sei, das müssen sie in Bescheidenheit und wohl auch unwillig mit ja beantworten. Denn auch wenn Kirsten Pistel (FSK) von vereinzelten Anrufern spricht, die sich über die Möglichkeiten der Zahlungsverweigerung erkundigen, so muß sie zugleich einräumen, daß niemand auf die Idee kommt, selbst die Initiative zu ergreifen. Eine Wiederaufnahme des Treuhandkontos war zumindest in Heidelberg geplant, so Tobias Horn (FSK). Man habe jedoch auf eine landesweite Aktion gesetzt, und dazu sei außer Heidelberg keine Universität bereit gewesen. Also kein Mangel an Motivation? Kirsten Pistel hält dagegen: "Es ist unverantwortlich, eine solche Aktion mit derart wenig Helfern durchzuführen."

Andere Töne kommen von einem Vertreter des mittlerweile stark dezimierten Zahltagbündisses: Alex Neumann sieht in dem Mißerfolg des Treuhandkontos eine klare Schwächung der Motivation innerhalb seiner Organisation, aber auch die Einzahler am Konto hätten durch das Scheitern, soweit er das im Freundeskreis sehe, nur wenig Lust auf weitere Aktionen. Auch habe die Zahl der Beteiligten am Bündnis stark abgenommen.

Bereits vor einiger Zeit hat Christoph von Friedeburg das Bündnis verlassen, der als Vertreter der JUSO-Hochschulgruppe andere Möglichkeiten als den öffentlichen Protest sieht. Da auf breite Unterstützung seitens der Studenten nicht gehofft werden könne, müsse man stärker auf die Politik einwirken und dort in Verbindung mit den Parteien auf eine vernünftigere Regelung hinarbeiten. "Aktionen mit einer Mehrheit der Studenten sind schon deswegen nicht mehr sinnvoll, weil schon jeder zweite nicht einmal von der Einführung der Rückmeldegebühren im Vorfeld Kenntnis genommen hat."

Auch wenn man den Aktivisten keine Resignation anmerken kann, enttäuscht sind sie auf die eine oder andere Art alle. Die einen über das nicht erreichte Ziel, die anderen über die zu geringe Resonanz bei den Studierenden. Die Arbeit in den Gremien wird auf jeden Fall weitergehen.,

(s.Kommentar: "Auch Du") (papa)


Auch Du

Alle sind gefragt

Die Vorreiter des studentischen Protestes gegen die Einführung von Einschreibgebühren sind zu bewundern und zugleich zu bedauern.

Wer so viel Zeit, Arbeit und Gedanken für seine Kommilitonen investiert, hat wahrlich Respekt und Anerkennung verdient. Doch muß die Frage erlaubt sein, ob in Anbetracht der Lage ein solcher Einsatz ohne die Unterstützung der übrigen Studenten überhaupt zu rechtfertigen ist. Diese sind entweder politisch völlig desinteressiert, oder sie haben sich damit abgefunden, daß der Staat auch offensichtlich unsinnige Regelungen durchsetzen kann, ohne daß man darauf Einfluß nehmen könnte. Daß es sich bei den von den einzelnen Gruppen verfolgten Zielen nicht um utopistische Forderungen handelt, beweist das Interview mit Bundesbildungsminister Rüttgers in "Bonn direkt" vom 22. Juni. Die Einführung von Studiengebühren hat Rüttgers für nicht akzeptabel erklärt, weil sie die Situation der Hochschulen nicht verbessern würden, die Gelder würden in den Landeshaushalten versickern. Außerdem rechtfertige der Zustand der Hochschulen nicht die Erhebung von Gebühren.

Die Studenten von heute sind mitverantwortlich für das Bildungssystem der Zukunft. Gemeinsam kann man sicherlich einiges erreichen. Wenn aber die Rückendeckung für die Protagonisten unter den Studenten fehlt, dann ist es eine Frage der Zeit, wie lange es noch solche Vorreiter geben wird. Im Augenblick jedenfalls bleibt in vielen Gruppen der Nachwuchs aus. (papa)


Australien ist kein Modell

Die oft zitierte australische Version der Studiengebühren hat eine groteske Wendung erfahren

Samstagnacht in Sydney, 2:15 Uhr am Morgen. Die Verwaltung der University of Technology (UTS) ist seit drei Tagen von Studierenden besetzt, die damit gegen Pläne zur Einführung von Studiengebühren demonstrieren wollen. Plötzlich krachen Vorschlaghämmer gegen die verriegelten Außentüren, und wenig später stürmen 115 Polizisten das Gebäude.

Die rund 50 im Schlaf überraschten Besetzer werden zunächst am friedlichen Abzug gehindert, später beginnen die Einsatzkräfte damit, sie gewaltsam und teilweise in Handschellen abzuführen. Zwei Studierende werden im Verlauf der Aktion von Polizeihunden gebissen; medizinische Hilfe wird ihnen verweigert. Am nächsten Morgen bilanziert die Polizei einen Sachschaden von annähernd 100 000 DM, den sie den Besetzern anlastet. Die Studierenden behaupten jedoch, der Schaden sei allein durch das gewaltsame Eindringen der Polizei verursacht worden. Mit diesen Ereignissen des 29. März hatte der Streit um Studiengebühren an Australiens Universitäten einen vorläufigen Höhepunkt erreicht.

Nachdem in Australien ähnlich wie in Deutschland in den 70er Jahren der Hochschulzugang von jedweder Kostenbelastung befreit wurde, führte die Regierung des Commonwealth, des Gesamtstaates Australien, 1989 in einem weltweit einzigartigen Versuch nachlaufende Studiengebühren ein. Die Argumentationslinien gleichen denen in Deutschland: Die Befürworter von Studiengebühren verwiesen darauf, daß Akademiker materiell durch bessere Einstellungschancen und ein höheres Durchschnittseinkommen von ihrer Ausbildung profitierten und deshalb an deren Kosten beteiligt werden sollten. Die Gegner hielten den gesamtgesellschaftlichen Nutzen der Universitätsausbildung dagegen, der von einer aufgeklärten Öffentlichkeit bis zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft reiche, und forderten den Erhalt der Steuerfinanzierung der Universitäten.

Die sozialdemokratisch (sic!) ausgerichtete Labour-Regierung befand am Ende, daß die Studierenden angemessen an den Kosten ihrer Ausbildung beteiligt werden sollten, und führte Studiengebühren von ca. 3000 DM pro Jahr ein. Die Studierenden hatten fortan die Wahl, im voraus (up-front) zu bezahlen, und damit einen Rabatt von 25% zu erhalten, oder einen Fonds namens HECS in Anspruch zu nehmen. HECS steht für Higher Education Contribution System und ermöglicht den Studierenden, die Zahlung der Gebühren solange aufzuschieben, bis sie ein eigenes Einkommen erzielen.

Vereinfacht gesagt, handelt es sich um ein unverzinstes aber an die Inflation angepaßtes ("dynamisiertes") Darlehen mit speziellen Rückzahlungskonditionen, die sich am jeweiligen Einkommen des ehemaligen Studenten orientieren: Bis zu einem Jahreseinkommen von ca. 35 000 DM waren die Schuldner von jeglicher Rückzahlungsverpflichtung befreit, bei höheren Einkünften wurden zwischen 3% und 5% des Einkommens fällig. Mit Erreichen des Pensionsalters wird eine eventuelle Restschuld getilgt, so daß zu keinem Zeitpunkt ein Armutsrisiko besteht.

Die Bewertung der Ergebnisse von HECS fällt naturgemäß sehr unterschiedlich aus. Die Regierung stützt sich auf zahlreiche Studien, die belegen, daß HECS keinerlei abschreckende Wirkung auf Kinder aus einkommensschwachen Familien hat (was lediglich heißt, daß sie genauso unterrepräsentiert sind wie 1989), und verweist auf mittlerweile eingehende Rückzahlungen von etwa einer halben Milliarde Mark pro Jahr, die formal den Universitäten zugute kommen. Der landesweite Zusammenschluß der Studierenden (National Union of Students, NUS) hielt dem Berechnungen entgegen, wonach ein Student der Rechtswissenschaft mit HECS nominal bis zu dreimal soviel bezahlt wie ein Kommilitone, der sich up-front-Zahlung leisten kann (eine Folge der Dynamisierung), und fordert die Abschaffung jeglicher Studiengebühren. Aktuell wurde diese Debatte aber erst wieder mit dem Regierungswechsel 1996. Die neu Regierung der konservativen Kräfte war mit dem Versprechen angetreten, binnen einer Legislaturperiode einen ausgeglichenen Staatshaushalt vorzulegen Daher wurden die Zuweisungen an die Universitäten drastisch reduziert und allerlei neue finanzielle Belastungen für die Studierenden eingeführt.

Empfänger von Austudy (der australischen Variante des BAföG ) müssen seither mit deutlich verringerten Zahlungen auskommen, das Mindesteinkommen, das zur Rückzahlung von HECS-Darlehen verpflichtet, wurde auf ca. 27 000 Mark pro Jahr verringert und die Höhe der jährlichen Zahlung deutlich auf bis zu 6% des Einkommens gesteigert. Dies gilt auch rückwirkend! Für Studieneinsteiger gelten zudem neu Gebührensätze, die sich an den Kosten der Ausbildung im jeweiligen Fach orientieren und zwischen 4000 DM (Geisteswissenschaften) und 7000 DM (Medizin, Jura) pro Jahr liegen - teilweise mehr als eine Verdoppelung des Satzes von 1996. Schließlich und endlich wurde den Universitäten das Recht eingeräumt, bis zu 25% der Studienplätze an Vollkostenzahler zu vergeben. Damit wurde erstmals eine Situation geschaffen, in der Kinder reicher Eltern, deren Schulnoten den Eintritt in das gewünschte Fachstudium nicht ermöglichten, sich den Studienplatz in einem zweiten Anlauf erkaufen können. Für die Debatte um die Einführung von Studiengebühren sind die Entwicklungen in Australien allemal lehrreich. Zunächst gilt es festzuhalten, daß HECS in den acht Jahren seit seiner Einführung gezeigt hat, daß es administrativ möglich und finanziell sinnvoll ist, Studiengebühren nachlaufend zu erheben. Die wissenschaftliche Begleitforschung in den Jahren nach der Einführung von HECS hat zudem belegt, daß die Rückzahlungsmöglichkeiten so ausgestaltet werden können, daß keine Schuldenfalle droht und der fatale soziale Selektionseffekt durch Abschreckung von Kindern aus einkommensschwachen Familien vermieden wird. Dies ist um so bemerkenswerter, als die Rückzahlungsmodalitäten verhältnismäßig strikt sind und wesentlich sozialverträglicher ausgestaltet werden können - die Grüne Hochschulgruppe Tübingen hat beispielsweise im Februar ein Modell vorgestellt, daß ohne die in Australien angewandte Dynamisierung auskommt und nicht nur die Höhe der jährlichen Rückzahlungsverpflichtung, sondern auch die Gesamtschuld vom Einkommen des Akademikers abhängig macht.

Andererseits bestätigen die geschilderten Ereignisse der vergangenen zwölf Monate, daß die Idee nachlaufender Studiengebühren eine Achillesferse hat, nämlich die Politik. Ein ursprünglich ansprechendes Konzept wurde binnen kürzester Zeit in einen vollkommen inakzeptablen, sozial unverträglichen Apparat zur Requierierung maximaler Einkünfte verwandelt.

Es wird großer Anstrengungen der Studierenden erfordern, um die in Berlin, Sachsen und Baden-Württemberg bereits eingeleitete Entwicklung zur Wiedereinführung von Studiengebühren aufzuhalten. Nachlaufende Studiengebühren könnten dabei als ultima ratio zum Erhalt des freien Zugangs der Universitäten für Studierende aller sozialen Schichten eine wichtige Rolle spielen. Australien ist dabei - leider - kein Modell, sondern eine mahnende Warnung.

Boris Palmer


Scherkräfte

Verzahnung von Industrie und Forschung

Die Suche nach dem Goldesel. Unternehmen müssen ihre Forschung verbilligen ,um international konkurrenzfähig zu bleiben. Die staatliche Forschung soll auf diesem Feld mit ihnen zusammenarbeiten. So kann sie gleichzeitig selbst Geld einnehmen, und die Forschungsausgaben des Bundes und der Länder werden entlastet. Dabei könnte jedoch ihre freie Forschung in Gefahr geraten.

Die Schere ist eine praktische Metapher. Um die Finanzierung der Wissenschaft zu beschreiben, wird sie immer wieder aus der Schublade geholt, auf und zu geklappt. Dann wird auch immer darüber sinniert, wie man einen seit 1989 von 3,8 bereits auf 3,1 Prozent des Bruttosozialproduktes gesunkenen Wissenschaftsetat weiter kürzen könnte. Da die Schere, wenn man sie geöffnet in der Hand hält, getrennte Wege geht, macht dies auch der Forschungsetat.

Lange schon teilt man die Geldmittel der Universitäten in eine Grundfinanzierung und ein Drittmittelsystem. Kürzen will man vor allem die Grundfinanzierung, allein 1997 um 4,5 Prozent. Die Forschungseinrichtungen sind also gezwungen, immer mehr leistungsbezogene Drittmittel vor allem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), die über 2 Mrd. verfügt, einzuwerben. Die Schere öffnet sich immer weiter, Konkurrenz soll dabei dennoch die Qualität erhalten.

Hubert Markl, Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, ist davon überhaupt nicht begeistert, fürchtet einen "ruinösen Wettbewerb" der Forschungseinrichtungen, da eine "wesentliche Bedingung für die Steigerung der Leistungsfähigkeit eine ausreichende Grundfinanzierung ist". Sie erlaubt den Universitäten die wichtige Grundlagenforschung, vielfach lediglich aus Neugier und Interesse betrieben. Dies ist einerseits ein Selbstverständnis der Wissenschaften, andererseits entwickeln sich daraus Erfindungen, die 10 oder 20 Jahre später in neuen Industrieprodukten münden. "Wenn wir nicht in den achtziger Jahren Forschungsergebnisse erarbeitet hätten, die heute umgesetzt werden können, dann wäre Deutschland als Wirtschaftsstandort bereits tot", so Wolfgang Frühwald, Präsident der DFG. Den Teufel an die Wand gemalt?

Um ihn von dort wieder abzukratzen, soll nun nach den Plänen von Zukunftsminister Jürgen Rüttgers für jede Mark, die der Bund zur Verfügung stellt, eine Gegenfinanzierung seitens der Industrie erfolgen, da diese schließlich auch von den Forschungsergebnissen staatlicher Einrichtungen profitiert.

Industriegerecht sollen die Universitäten werden, die Anwendbarkeit ihrer Forschung in Betracht ziehen. Sie müssen "ihrer Rolle in der Gesellschaft gerecht werden und können nicht nur rein akademisch tätig sein", so der Technologietransferbeauftragte der Universität Heidelberg, Ernst-Dieter Jarasch. Daß Firmen aber mit klar umrissenen Aufträgen an Labors herantreten, ist nur selten der Fall. Dies sind dann Analyseaufträge, mit welchen die Labors teure Ausstattungen refinanzieren können. Häufiger beteiligen sich Unternehmen an ganzen Projekten. Hier vermittelt Jarasch als Bindeglied zwischen Industrie und Universität Kontakte und bietet Unternehmen Forschungsprojekte an. Diese stellen dann oft finanzielle Hilfe bereit. Im Gegenzug wird ihnen beispielsweise die Vermarktung überlassen.

Eine Menge Sand knirscht da aber noch im Getriebe, lediglich 4,7 Mio. Mark, gerade vier Prozent aller Drittmittel, kamen 1996 in Heidelberg von der Industrie. Im Extremfall werden bereits jetzt gesamte Lehrstühle finanziert. Allerdings wird auch hier der Wissenschaftler "nicht geknebelt, da die Industrie sehr wohl um den Wert einer gewissen Freiheit für Entdeckungen" weiß. Damit die Universität bei dieser Kooperation "nicht über den Tisch gezogen wird", berät Jarasch Erfinder bei Patentanmeldungen und Verhandlungen mit Unternehmen. Derzeit profitiert aber lediglich der chemische und pharmazeutische Bereich von dem Technologietransfer. Ein aktuelles Beispiel ist das Interesse des Pharmakonzerns Roche an einer Proteinstruktur für Antibiotika, die in Heidelberg erfunden wurde. Immer noch selten melden sich kleinere Unternehmen selbst bei den Universitäten, oft einfach aufgrund der nach außen hin undurchsichtigen Situation an den Hochschulen. Um diese überschaubarer zu machen, hat Heidelberg eine Forschungsdatenbank im Internet eingerichtet, in der irgendwann einmal alle Forschungsprojekte der Universität aufgelistet sein sollen - die letzte Aktualisierung liegt jedoch bereits acht Monate zurück.

Große Konzerne wie BASF oder Boehringer-Mannheim dagegen "kennen die Lehrstühle, von denen wir für uns etwas zu erwarten haben", versichert Jürgen Schwiezer, geschäftsführender Vorstand bei Boehringer-Mannheim. Einen Seitenhieb auf die Publikationssucht vieler Professoren schiebt er gleich hinterher: "Wir beurteilen nach Qualität der Veröffentlichungen und nicht nach Quantität. Wenn sich die älteren Generationen in den Universitäten bequem einrichten und das Ansehen nach der Anzahl der Publikationen bestimmt wird, fehlt natürlich die Innovation. Zahlen scheinen dies zu belegen. In Deutschland betragen die Lizenzeinnahmen aus Produkten, die in der Universität bis zum Prototyp entwickelt wurden, durchschnittlich nur 1,5 Mio. Mark. Das MIT in Boston, eine der renommiertesten technischen Universitäten der USA, bezieht allein hieraus 40 Mio. Mark. In Heidelberg wurden 1995 nur 20 Patente erteilt, 1996 gerade zwölf. Weit entfernt sind für Deutschland die kleinen Firmen um die Hochschulen, gegründet von Absolventen, die sich mit ihrer Idee selbständig gemacht haben. Wie um das MIT oder im Silicon Valley. Und immer noch nähren sich die Firmen dort von Forschungsergebnissen und Absolventen ihrer Hochschulen.

In Ostdeutschland versucht man hier aufzuholen, "mit Forschungskernen quasi eine Atmosphäre von Industrieforschung anzuimpfen", so Wolfgang Frühwald. Ob Forschung allerdings auf diese Weise einfach aufgesetzt werden kann, fragt sich sogar Frühwald: "Ob uns dieses ungeheure Experiment gelingen wird, wissen wir nicht". Ein Problem sieht er aber auch darin, daß "uns der industrielle Anwendungspartner buchstäblich ins Ausland entschwunden ist". So hat das MPG für Polymerforschung in Mainz in den letzten Jahren viele wesentliche Ansprechpartner verloren. Durch Bürokratie- und Gesetzeshindernisse oder teure Arbeit. Und zum Teil vielleicht auch durch mangelnde staatliche Unterstützung der Forschung.

Daß die Forschungseinrichtungen aber allein schuld am Innovationsmangel sein sollen, mag Hans-Uwe Erichsen, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, nicht hören: "Die Wirtschaft hat es in den letzten Jahren immer blendend verstanden, den Forschungseinrichtungen den schwarzen Peter zuzuspielen. Es mangelt der Wirtschaft an Bereitschaft, Forschungsergebnisse in Produkte umzusetzen." Das wird sich ändern, welche Auswirkungen dies aber auf die Universität haben wird, kann man bis jetzt nur ahnen.

Innovation heißt der Zauberstab, der Rettung bringen soll. Der für Universität und Wirtschaft gleichermaßen ein Ticket in die Zukunft sein soll. Bei dem aber auch gehöriges Unverständnis der einen Seite für die jeweils andere herrscht. Vielleicht aufgrund der im Vergleich zu Amerika größeren geistigen Entfernung voneinander. Deutsche Universitäten legen großen Wert auf ihre nicht anwendungsbezogene Forschung und sehen sich nicht als Seviceunternehmen. "Die Universität sollte weiterhin frei und ungebunden sein", betont Jarasch. Dennoch bleibt das Problem der Finanzierung. In der Medizin, ein aufgrund seines Selbstverständnisses sehr stark anwendungsorientierten Bereichs, liegt bereits jetzt in Heidelberg die Summe bei 18 Mio. Mark im Vergleich zu 4,7 Mio für die übrigen Forschungsbereiche zusammen. "Eine Öffnung der Universität in Richtung Wirtschaft ist nötig", sagt darum auch Jarasch.

In diese Richtung geht auch der Bio-Regio-Wettbewerb des Bundesministerium für Bildung und Forschung. Staatliche Forschungseinrichtungen und Unternehmen aller Regionen des Bundesgebietes sollten ihr Innovationspotential im Bereich der Biotechnologie darstellen. Im Rhein-Neckar-Raum wurden in Zusammenarbeit mit Boehringer-Mannheim, BASF, Merck-Darmstadt und Knoll und vieler kleiner Firmen 180 Projektskizzen erarbeitet. 180 Vorschläge für eine anwendungsbezogene Forschung in den Forschungseinrichtungen und ihre Weiterentwicklung zum Produkt in der Industrie. Die Rhein-Neckar-Region erwarb sich so als Sieger zusammen mit den Regionen Köln und München eine Förderung von 50 Mio. Mark pro Region, die allerdings noch einmal mit mindestens der gleichen Summe von der Industrie gegenfinanziert werden muß.

Momentan werden zehn Projekte mit einem Umfang von 7,7 Mio. gefördert, sechs davon mit Beteiligung der Universität Heidelberg, so eine Untersuchung zu photoaktivierten selbstdesinfizierenden Oberflächen. Sie befinden sich jedoch alle noch in den Anfängen. In drei bis vier Jahren hofft man, erste verkäufliche Produkte in den Händen zu halten. "Man muß da aber schon sehr aufpassen, nicht nur die reine Wissenschaftlichkeit zu fördern. Manche Kollegen sind da noch ein bißchen zu akademisch veranlagt" kritisiert Forschungsdezernent Christoph Kronabel. "Da läuft man Gefahr, am Ende keine für die Wirtschaft relevanten Ergebnisse zu erhalten."

Um dieses wirtschaftliche Denken zu fördern, um "auch die Industrie als Finazierungspartner in Betracht zu ziehen", soll im Rahmen des Bio-Regio-Konzepts ein "Bio-Business-Postgraduate-Training" mit fünf Plätzen in jedem der großen Unternehmen angeboten werden. Ein Angebot, so exklusiv wie der Name. Während der neun Monate gut bezahlter Tätigkeit können die Teilnehmer Erfahrung sammeln, um später mit einer Firma zusammenzuarbeiten oder sogar eine eigene zu gründen. Besonders die "Zweite Mannschaft" der Institute ist an solch einer Zusammenarbeit interessiert. "Von diesen geht auch die Kreativität aus, die Alteingesessenen retten sich da eher noch über die Zeit", meint Kronabel. "Anfänglich hat es bei der Zusammenarbeit immer wieder geknirscht".

Auch weiterhin wird es knirschen. Noch lange sind die Möglichkeiten nicht ausgeschöpft, Industrie und staatliche Forschung müssen sich noch aneinander gewöhnen. Aber was aus einer Notsituation heraus entstanden ist, soll als Forschungsmodell für die Zukunft beibehalten werden, um sowohl den Universitäten als auch der Industrie auf die Sprünge zu helfen.

Diese Konzepte gehen natürlich besonders zu Lasten der Geistes- und Sozialwissenschaften, bei denen eine wirtschaftliche Kosten-Nutzen-Rechnung nicht aufgeht. Ihr bleiben nur Forschungspreise, um ihren Bestand zu sichern. Die Wirtschaft springt eben nur dort ein, wo sie in späteren Jahren Verdienste sieht. Eine Umverteilung der Mittel ist schwer möglich, da man Forschern die für ihr Institut mit großem Engagement eingeworbenen Mittel nicht einfach entziehen und auf die gesamte Universität verteilen kann.

Wir sind wieder bei der Schere. Sie öffnet sich immer weiter, an der unteren Klinge liegt die Grundfinanzierung, an der oberen die Drittmittel. Noch wirkt die direkte Konkurrenz der Universitäten sich nicht auf ihre Zusammenarbeit aus, weil Wissenschaftler sich ihre Kontakte nach eigenem Nutzen aussuchen.

Noch können unrentable Institute existieren. Nur eines vergißt man bei der Scheren-Metapher. Klingen sind auch scharf. Und wenn die Schere ganz weit geöffnet ist, klappt sie irgendwann vielleicht auch wieder zu. Klingen sind scharf. (rot)


Wahlen

ohne Wähler

Bei den Uni-Wahlen 1997 ist alles beim alten geblieben. Wieder hat bei den Studierenden die FSK gewonnen.

Mit ähnlichen Ergebnissen wie im letzten Jahr errang sie fünf von sieben studentischen Sitzen im Großen Senat und alle drei studentischen Sitze im Senat. Die Wahlbeteiligung fiel mit weit weniger als neun Prozent auf einen Tiefststand. Bewegung gab es bei den Profs: Die eher liberale "Initiative" errang mehr Stimmen als die konservativere "Semper Apertus". Die "Initiative" ist die einzige Liste, auf der C3- und C4-Professoren gemeinsam kandidieren. Auf der konvervativsten (und seit Jahren einflußreichsten) Liste "Ruperto Carola" stehen nur Gelehrte aus der C4-Kaste, während für "Semper Apertus" nur C3-Ränge kandidieren. (hn)

Senat: FSK 57,64% (3 Sitze), RCDS 19,02% , Jusos 17,84% , Roter Splitter 5,50%

Großer Senat: FSK 55,42 (5 Sitze), Jusos 20,14 (1), RCDS 19,47 (1), Roter Splitter 4,97 (0). Alle Wahlergebnisse sind im WWW-ruprecht unter http://ruprecht.fsk.uni-heidelberg.de/hsgs/wahlen.htm nachzulesen.


Laß' uns darüber reden...

Dürfen Beratungsgespräche zur Exmatrikulation führen?

Jetzt ist es amtlich. "Muß ein Student überhaupt studieren wollen? Das Verwaltungsgericht in Karlsruhe meint: nein. Im Gegensatz dazu ist die Universität Heidelberg der Auffassung, daß es ohne den Willen zu studieren kein Recht auf einen Studienplatz gibt." Mit diesen Sätzen kommentiert Dr. Michael Schwarz, Pressesprecher der Uni, das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe über die Beratungsgespräche für Studenten ab dem 20. Semester. Die Uni mußte mit dem verlorenen Prozeß eine bittere Pille schlucken.

Rund zwei Jahre ist es nun her, daß Rektor Ulmer seinen Studiendekanen eine Empfehlung aussprach, Studenten ab dem 20. Hochschulsemester zu einem "Informationsgespräch" einzuladen. Sinn und Zweck dieser Gespräche soll neben Hilfestellungen und Tips für den Studi lediglich sein, "die Fakultäten ins Bild zu setzen, und zu wissen, was los ist", so Behrens, der Leiter des Studentensekreteriats. Der Ansatz hört sich zugegebenermaßen gut an, was auch Behrens bestätigt: "Durch die Gespräche gelang es uns auch, den einen oder anderen Studenten zu motivieren, was ein erfreulicher Nebeneffekt ist."

Weniger erfreulich endete die Aufforderung für einen Medizinstudenten, der mittlerweile schon seit deutlich über einem Jahrzehnt eingeschrieben ist. Er lehnte den "Gesprächswunsch", wie es auf dem Rückmeldeantrag zum Sommersemester 1996 hieß, konsequent ab. Der Mediziner war sich nicht über die rechtliche Grundlage einer solchen Vorgehensweise im klaren, er vermißte einen entsprechenden Paragraphen im Universitätsgesetz. Daraufhin wurde er exmatrikuliert, was ihn dazu veranlaßte, vor das Verwaltungsgericht zu ziehen und gegen die Exmatrikulation der Uni zu klagen. So kam es dann im Februar 1997 zum Prozeß, bei dem der Kläger Recht bekam, die Uni verlor und damit auch noch die Prozeßkosten zu tragen hatte.

In der Urteilsverkündung heißt es, daß die Exmatrikulation rechtswidrig sei, da sich der Betroffenen ordnungsgemäß zurückgemeldet habe und sowohl die Semestergebühr bezahlt habe als auch krankenversichert war: "Nach Auffassung der Kammer handelt es sich bei dieser Vorschrift um eine abschließende Regelung, so daß die Beklagte die Annahme bzw. das wirksam werden der Erklärung des Klägers nicht von weiteren Umständen und insbesondere nicht von der Erfüllung des 'Gesprächswunsches des Studiendekans' abhängig machen durfte", so die Karlsruher Richter. Somit ist eine Exmatrikulation aufgrund der Ablehnung des Informationsgespräches unzulässig, was der Universitätsverwaltung überhaupt nicht paßt: "Es kann ja wohl nicht wahr sein, daß die Studenten denken, sie hätten keine Pflichten sondern nur Rechte," so Behrens. Eine sehr unbefriedigende Situation für die Universität: Man fürchtet wohl, daß nach diesem Urteil die wenigsten sprichwörtlichen "älteren Semester" Gebrauch von einem solchen Gespräch machen werden. Wird dadurch die Uni zur Altersresidenz der Nation - und wird man neben den Profs ausschließlich grauhaarige Studenten in den Seminaren antreffen?

Michael Schwarz tröstet sich mit einer anderen Hoffnung: "Die Universität hat davon abgesehen, Rechtsmittel einzulegen, weil sie erwartet, daß das Problem durch die demnächst erhobenen Gebühren für Langzeitstudierende ein völlig neues Gesicht bekommen wird." (jh)


Gesundheit!

Aktionen von "Appel un' Ei" und Mensa

So manch einer wird sich schon über die zwei blauen Holzcontainer gewundert haben, die sich unter dem Vordach der Mensa im Neuenheimer Feld unweit des Café Botanik befinden. Doch Insider wissen, daß sich hier nicht nur die Ökoszene trifft.

In den Containern hat nämlich die studentische Initiative "Appel un' Ei" ihr Domizil. Man kann hier neben Brot, verschiedenem Getreide, Obst und Gemüse auch Produkte wie "Öko Krone Export" und "Alter Haudegen" käuflich erwerben. Alle diese Dinge zeichnen sich durch eine hohe ökologische Qualität aus.

Die Idee zu einer solchen "Food Coop" entstand schon 1993 im Öko-Referat der FSK. Als dann alle Formalitäten erledigt waren, konnte man unter Mithilfe des Studentenwerks, vor rund zwei Jahren den Laden im Feld beziehen. Heute erwartet den Käufer eine breite Angebotspalette an Produkten, die weit über die Grundnahrungsmittel hinaus reicht, wobei die Ökologie an erster Stelle steht. Man legt großen Wert darauf, daß die Transportwege möglichst kurz gehalten werden, die Verpackung sehr gering ausfällt und daß die Geschäftsbedingungen möglichst "fair" sind. So bezieht man viele Produkte von Kleinbauern aus der Region. Heike, eine von rund zwanzig Mitarbeitern bei "Appel un' Ei", sieht in dieser Arbeit "in erster Linie einen politischen Hintergrund, es geht um die Förderung alternativer Ernährungsstrukturen." Daß die Arbeit Früchte trägt, beweist auch die zunehmende Zusammenarbeit mit der Mensa. So plant man gemeinsam eine Aktionswoche im Juli: ab der ersten Woche der vorlesungsfreien Zeit wird der "Schnelle Teller" mit Produkten ökologischer Herkunft zubereitet. Die Mensa kann sich derartige Aktionen zur gesünderen und ökologischen Ernährung durchaus öfters vorstellen: "Wir sind gerne bereit, mehr in diesem Bereich zu tun, es liegt aber auch maßgeblich an den Studenten, ob sie solche Angebote annehmen", so Herr Grädler, stellvertretender Mensaleiter in Heidelberg. Dies unterstreichen auch die Ökologen von "Appel un' Ei": "Die Mensa hat durchaus einen Lernprozeß durchgemacht. Man darf jedoch nicht nur gegen sie schimpfen, es liegt auch an jedem Einzelnen, etwas zu tun."

Neben den ökologischen Gerichten ist es allen Beteiligten auch daran gelegen, Öffentlichkeitsarbeit zu leisten und mit verschiedenen Informationsständen über die Herkunft der Produkte zu informieren. Also nicht wundern, wenn einem in der letzten Semesterwoche Ziegen anmeckern oder Schweine (echte!) über den Weg laufen. Als Schmankerl obendrauf wird es auch ein Preisrätsel geben. Der Hauptgewinn: ein Wochenende auf dem Bauernhof. (jh)


Verfolgt!

Die Ortsgruppe von ai informiert

"Freiwillige Flüchtlinge gibt es nicht!". Dieser Satz, dessen Aussage eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, ist das Motto einer weltweiten Aktion von amnesty international, um auf die Probleme von politischen Flüchtlingen und die Gründe für das Verlassen ihrer Heimat aufmerksam zu machen.

Gerade in der heutigen Zeit, in der in vielen europäischen Ländern die Übergriffe auf Asylbegehrende dramatisch zunehmen und die Stammtischparolen salonfähig zu werden drohen, ist dies nötiger denn je. Dabei geht es den Mitwirkenden bei dieser Aktion aber nicht darum, die deutsche oder europäische Asylpolitik an den Pranger zu stellen, sondern vielmehr darum, für das Thema zu sensibilisieren und Menschen zu motivieren, sich aktiv für Flüchtlinge einzusetzen.

Auch in Heidelberg engagiert sich eine Gruppe für diese Aktion. Die Ortsgruppe von amnesty international macht zur Zeit mit ihrer Ausstellung in der Neuen Universität auf die Flüchtlingsproblematik aufmerksam. Begleitend dazu wird regelmäßig ein Stand besetzt, an dem man Auskunft erhält, wie man sich als einzelner für das Schicksal von Flüchtlingen und anderer Opfer von Menschenrechtsverletzungen einsetzen kann. Dies kann man beispielsweise durch die Beteiligung an den Briefaktionen von amnesty international, die wohl jedem bekannt sein dürften. Neben den dringenden Aktionen, den sogenannten "urgent actions", werden von der Londoner Zentrale aus auch Langzeitaktionen geplant und durchgeführt.

Skeptiker, die meinen, daß derartige Aktionen von vornherein zum Scheitern verurteilt sind, müssen sich eines Besseren belehren lassen: In gut einem Drittel aller Fälle bewegt die Briefflut etwas. So bekamen aufgrund der Intervention von amnesty international schon viele ohne Verhandlung Inhaftierte ein Verfahren.

Wer bereit ist, sich persönlich gegen Menschenrechtsverletzungen in aller Welt einzusetzen, hat dazu alle 14 Tage donnerstags die Gelegenheit. Denn dann treffen sich die Heidelberger ai-Aktivisten in der Evangelischen Studentengemeinde in der Plöck. Nähere Informationen gibt es bei der Leiterin der ai-Gruppe, Nadine Gilbert, unter der Telefonnummer 27542. (hpc)


<< >> Title Contents Contents