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Point-Counterpoint


Sinn und Unsinn der UG-Reform

Im April diesen Jahres verabschiedete der Stuttgarter Landtag eine neue Novelle zum Universitätsgesetz. Ehrgeiziges Ziel der Neuerung war die Vorbereitung der Universitäten des Landes auf zukünftige Aufgaben und Anforderungen.

Markantester Eckpunkt der Reform ist die Abschaffung des Verwaltungsrats, an dessen Stelle künftig ein Hochschulrat treten würde. Dieser soll neben den sechs universitätsinternen Mitgliedern und dem Rektor auch mit sechs externen Mitgliedern, vermutlich aus der Wirtschaft, besetzt werden. Vier dieser externen Mitglieder würden vom Ministerium in Stuttgart zwei von der Universität selbst berufen werden. Der ministerielle und wirtschaftliche Einfluß wäre also nachhaltig gestärkt. Weiter hofft man durch eine Verlängerung der Wahlperiode des Rektors eine stärkere Professionalisierung zu erreichen. Auch sollen nur Personen zur Rektorenwahl zugelassen werden, denen zuvor das Ministerium zugestimmt hat.

Über Sinn oder Unsinn der Novelle ist in den vergangenen Monaten eine heftige Debatte entbrannt. Befürworter sehen in ihr die Umsetzung überfälliger Reformen zur Anpassung der Universität an den zunehmenden Wettbewerb. Kritiker hingegen fürchten um die Unabhängigkeit der universitären Lehre und halten die Pläne aus Stuttgart für eine empfindliche Schwächung der Leistungsfähigkeit unserer Universitäten. (st, tj)

Contra

Prof. Dr. Volker Sellin

Dekan der Philosophisch-Historischen Fakultät Heidelberg

"Entscheidungen ... sollen an ein Gremium überantwortet werden, das fast zur Hälfte mit Personen besetzt ist, die auf diese Aufgabe in keiner Weise vorbereitet sind"

"Klareren persönlichen Kompetenzen und einer eindeutig zuzuordnenden Verantwortlichkeit muß auch eine relativ unabhängige Kontrolle gegenüberstehen"

Macht die Reform des Universitätsgesetzes die Uni fit für die Zukunft?

Die im April von der Landesregierung verabschiedete Novelle zum Universitätsgesetz könnte die Leistungsfähigkeit der Universitäten des Landes nur stärken, wenn sie die Bedingungen verbesserte, auf denen im Bereich von Forschung und Lehre Leistung beruht. Es ist unbestritten, daß die wichtigste Voraussetzung für Leistung auch in der Wissenschaft der Wettbewerb ist. Von wirklichem Wettbewerb kann man jedoch nur dort sprechen, wo die Konkurrenten auch die Freiheit besitzen, ihre eigenen Vorstellungen zu verwirklichen. Das ist der Grund dafür, daß die Universitäten Autonomie beanspruchen und daß sie sich selbst verwalten wollen.

Mißt man die Novelle an diesen Kriterien, so werden ihre Schwächen offenkundig. Würde sie Gesetz, so wäre die Autonomie der Universitäten nicht erweitert, sondern eingeschränkt: Die bisherige Wahlmöglichkeit zwischen Rektorats- und Präsidialverfassung wird nach der Novelle faktisch beseitigt; der bisherige, aus gewählten Mitgliedern der Universität bestehende Verwaltungsrat soll abgeschafft und statt dessen ein Hochschulrat eingerichtet werden, der fast zur Hälfte aus Universitätsfremden besteht; dabei soll die Universität nur zwei der sechs externen Mitglieder dieses Gremiums selbst bestimmen können; schließlich soll die Freiheit der Wahl des Rektors insofern beschnitten werden, als dem Senat nur noch Kandidaten vorgeschlagen werden können, denen zuvor der Hochschulrat und das Ministerium zugestimmt haben; ihren Dekan sollen die Fakultäten künftig nur noch auf Vorschlag des Rektors wählen können.

Statt auf Stärkung der Selbstverwaltung setzt die Novelle auf die Herrschaft von Experten und auf professionelles Management. Sie verkennt, daß die freie Wahl der Leitungsbefugten und des Verwaltungsrats aus den Reihen der Universitätsmitglieder auch die Akzeptanz von deren Entscheidungen erhöht. Schon das Amt des Dekans soll professionalisiert werden, indem die Amtszeit auf wenigstens drei Jahre ausgedehnt und die Aufgabe selbst zum Hauptamt gemacht wird.

Erst recht will die Novelle an die Stelle des bisherigen Rektors, der, für eine begrenzte Zeit aus dem Kreis der Professoren gewählt, sein Amt als primus inter pares ausübt, einen professionellen Universitätsmanager setzen, bei dem schon die Amtszeit mit sechs Jahren so bemessen ist, daß ein Wissenschaftler, der anschließend auf seinen Lehrstuhl zurückkehren möchte, es sich künftig kaum noch wird leisten können, sich für das Rektorat zur Verfügung zu stellen.

Der bestimmende Einfluß von Experten soll durch den Hochschulrat institutionalisiert werden. Der Hochschulrat soll nicht nur als Aufsichtsorgan fungieren, sondern zugleich mit weitreichenden strategischen Entscheidungsbefugnissen ausgestattet werden. Damit würde allerdings nicht nur der Unterschied zwischen Geschäftsführung und Aufsicht, sondern auch der zwischen Expertenfunktion und Leitungsverantwortung verwischt. Während bisher die Universitätsleitung oder der Verwaltungsrat nach Bedarf und gezielt Experten heranzog, danach jedoch in eigener Verantwortung entschied, soll der Hochschulrat selbst Leitungsaufgaben übernehmen. Entscheidungen, die für das künftige Profil und den wissenschaftlichen Rang der Universitäten von zentraler Bedeutung sind, sollen an ein Gremium überantwortet werden, das fast zur Hälfte mit Personen besetzt ist, die auf diese Aufgabe in keiner Weise vorbereitet sind.

Es ist noch nicht einmal zu erkennen, wie es den externen Mitgliedern des Hochschulrats überhaupt möglich sein soll, die der Breite ihrer Zuständigkeit entsprechenden Einblicke in die Bedürfnisse der Universität und der einzelnen Wissenschaften zu gewinnen. Darin eben liegt der Vorteil der Selbstverwaltung, daß diejenigen Personen die maßgeblichen Entscheidungen treffen, die am besten beurteilen können, was den Interessen der Universität entspricht, und die überdies auch die Verantwortung für ihre Entscheidungen übernehmen können, weil sie als Angehörige der Korporation die Folgen ihres Tuns selbst tragen müssen.

Im Ergebnis spricht somit vieles dafür, daß die UG-Novelle in der vorliegenden Form die Leistungsfähigkeit der Universitäten nicht steigern, sondern schwächen wird.

Auf die Universitäten kommen - ob sie es wollen oder nicht- neue Aufgaben und Anforderungen zu. Der zunehmende Wettbewerb verlangt unter anderem sowohl nach strategischen Planungen als auch nach schnellen Reaktionen und Entscheidungen. Der Globalhaushalt, eine wesentliche Voraussetzung für echte universitäre Autonomie, erfordert die strikte Trennung von Entscheidung und Kontrolle. Alles zusammen funktioniert nur, wenn die Verantwortlichkeiten klar zugewiesen werden können. Auf diesen Grundüberzeugungen beruhen das neue Universitätsgesetz des Landes Baden-Württemberg und die neue Grundordnung der Universität Mannheim. Mit dem Universitätsgesetz-Entwurf des Landes werden drei wesentliche Organe oberhalb der Fakultätsebene geschaffen. Der Senat bleibt in seinen Kompetenzen erhalten, übernimmt aber wesentliche Aufgaben des bisherigen Großen Senats. Alle akademischen Entscheidungen werden hier getroffen, denn an keiner anderen Stelle ist der dafür notwendige Sachverstand in solchem Umfang vorhanden. Zu den Aufgaben des Senates gehören die Beschlüsse über Studiengänge und Zulassungszahlen, die Entscheidungen zu Fragen der Forschung, zu Studien- und Prüfungsordnungen, zu Berufungsangelegenheiten, die Wahl und Abwahl des Rektors und vieles mehr. Das Rektorat wird in seinen strategischen und operationellen Kompetenzen gestärkt und übernimmt Aufgaben des bisherigen Verwaltungsrates. Dafür spricht zum einen, daß es einfach schneller handeln kann und zum anderen die nunmehr klare Verantwortlichkeit, an der es bei den bisherigen Strukturen mangelte. Der Hochschulrat übernimmt die Verabschiedung der grundsätzlichen strategisch-haushaltstechnischen Pläne und ist das Kontrollorgan gegenüber Rektorat, aber auch gegenüber den Dekanen. Klareren persönlichen Kompetenzen und einer eindeutig zuzuordnenden Verantwortlichkeit muß auch eine relativ unabhängige Kontrolle gegenüberstehen - gerade wegen der Globalhaushalte. Unabhängigkeit bedeutet, daß am Kontrollprozeß Unbetroffene beteiligt werden, also zumindest einen Teil des Kontrollorgans stellen. Bislang kontrollierten sich die Betroffenen nur selber.

Das neue Universitätsgesetz sieht also stärker als bisher eine Trennung von Akademischen Entscheidungen, Strategischen Planungen, Haushaltsplanung und Vollzug sowie Genehmigung und Kontrolle vor. Nur damit kann die größere Finanzautonomie gerechtfertigt werden. Die akademischen Entscheidungen des Senats werden hingegen kaum tangiert. Diese Grundstruktur macht Sinn. Eine autonomere Universität in einem Wettbewerbssystem kann nur bestehen, wenn hauptamtliche Personen mit entsprechenden Kompetenzen sie leiten. Daher sind auch längere Amtszeiten notwendig. In dieser Erkenntnis haben sich übrigens nahezu alle baden-württembergischen Rektoren nach einer ersten Amtszeit wiederwählen lassen. Die Stärkung der operativen Subebene der Universität als eigentliche Vertretung von Forschung und Lehre ist ebenfalls notwendig. Nur so wird sichergestellt, daß wesentliche Entscheidungen nicht gegen die Fakultätsrufe getroffen werden. Wenn man Kritik üben kann, dann an Einzelheiten, aber auch daran, daß der Entwurf nicht weit genug geht: Zu einem solchen wettbewerblich-autonomen System gehört die freie Wahl nicht nur der Professorinnen und Professoren, sondern auch der Studierenden, gehört ein sozialverträgliches System von Studiengebühren, gehört weitere Freiheit zu wirtschaftlicher Tätigkeit in Forschung und etwa Weiterbildung, gehört ein differenzierteres Besoldungssystem, etwa ohne die Fesseln des BAT.

Damit stehen wir mit dem Universitätsgesetz erst am Anfang der Hochschulreformen, aber das neue Universitätsgesetz ist ein passender Schritt. Die weiteren Schritte liegen zumeist nicht wesentlich in der Kompetenz alleine eines Landes.

Pro

Prof. Dr. Peter Frankenberg

Rektor der Universität Mannheim Auf die Universitäten kommen - ob sie es wollen oder nicht- neue Aufgaben und Anforderungen zu. Der zunehmende Wettbewerb verlangt unter anderem sowohl nach strategischen Planungen als auch nach schnellen Reaktionen und Entscheidungen. Der Globalhaushalt, eine wesentliche Voraussetzung für echte universitäre Autonomie, erfordert die strikte Trennung von Entscheidung und Kontrolle. Alles zusammen funktioniert nur, wenn die Verantwortlichkeiten klar zugewiesen werden können. Auf diesen Grundüberzeugungen beruhen das neue Universitätsgesetz des Landes Baden-Württemberg und die neue Grundordnung der Universität Mannheim. Mit dem Universitätsgesetz-Entwurf des Landes werden drei wesentliche Organe oberhalb der Fakultätsebene geschaffen. Der Senat bleibt in seinen Kompetenzen erhalten, übernimmt aber wesentliche Aufgaben des bisherigen Großen Senats. Alle akademischen Entscheidungen werden hier getroffen, denn an keiner anderen Stelle ist der dafür notwendige Sachverstand in solchem Umfang vorhanden. Zu den Aufgaben des Senates gehören die Beschlüsse über Studiengänge und Zulassungszahlen, die Entscheidungen zu Fragen der Forschung, zu Studien- und Prüfungsordnungen, zu Berufungsangelegenheiten, die Wahl und Abwahl des Rektors und vieles mehr. Das Rektorat wird in seinen strategischen und operationellen Kompetenzen gestärkt und übernimmt Aufgaben des bisherigen Verwaltungsrates. Dafür spricht zum einen, daß es einfach schneller handeln kann und zum anderen die nunmehr klare Verantwortlichkeit, an der es bei den bisherigen Strukturen mangelte. Der Hochschulrat übernimmt die Verabschiedung der grundsätzlichen strategisch-haushaltstechnischen Pläne und ist das Kontrollorgan gegenüber Rektorat, aber auch gegenüber den Dekanen. Klareren persönlichen Kompetenzen und einer eindeutig zuzuordnenden Verantwortlichkeit muß auch eine relativ unabhängige Kontrolle gegenüberstehen - gerade wegen der Globalhaushalte. Unabhängigkeit bedeutet, daß am Kontrollprozeß Unbetroffene beteiligt werden, also zumindest einen Teil des Kontrollorgans stellen. Bislang kontrollierten sich die Betroffenen nur selber.

Das neue Universitätsgesetz sieht also stärker als bisher eine Trennung von Akademischen Entscheidungen, Strategischen Planungen, Haushaltsplanung und Vollzug sowie Genehmigung und Kontrolle vor. Nur damit kann die größere Finanzautonomie gerechtfertigt werden. Die akademischen Entscheidungen des Senats werden hingegen kaum tangiert. Diese Grundstruktur macht Sinn. Eine autonomere Universität in einem Wettbewerbssystem kann nur bestehen, wenn hauptamtliche Personen mit entsprechenden Kompetenzen sie leiten. Daher sind auch längere Amtszeiten notwendig. In dieser Erkenntnis haben sich übrigens nahezu alle baden-württembergischen Rektoren nach einer ersten Amtszeit wiederwählen lassen. Die Stärkung der operativen Subebene der Universität als eigentliche Vertretung von Forschung und Lehre ist ebenfalls notwendig. Nur so wird sichergestellt, daß wesentliche Entscheidungen nicht gegen die Fakultätsrufe getroffen werden. Wenn man Kritik üben kann, dann an Einzelheiten, aber auch daran, daß der Entwurf nicht weit genug geht: Zu einem solchen wettbewerblich-autonomen System gehört die freie Wahl nicht nur der Professorinnen und Professoren, sondern auch der Studierenden, gehört ein sozialverträgliches System von Studiengebühren, gehört weitere Freiheit zu wirtschaftlicher Tätigkeit in Forschung und etwa Weiterbildung, gehört ein differenzierteres Besoldungssystem, etwa ohne die Fesseln des BAT. Damit stehen wir mit dem Universitätsgesetz erst am Anfang der Hochschulreformen, aber das neue Universitätsgesetz ist ein passender Schritt. Die weiteren Schritte liegen zumeist nicht wesentlich in der Kompetenz alleine eines Landes.


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