ruprecht Nr. 40 in kleinen Häppchen


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Studieren auf der Schmalspur

Einschneidende Studien-"Reformen" auf dem Weg - und keiner merkt's

Ein Referentenentwurf aus dem baden-württembergischen Wissenschaftsministerium sorgt für Aufregung, nicht nur in Heidelberg: Das universitäre Studium soll in zwei streng voneinander unterschiedene Phasen aufgeteilt werden - und zudem stärker verschult und reglementiert werden. Ob der Vorschlag, der zunächst nur von "Pilotprojekten" spricht, nur ein Versuchballon ist oder schon ministeriale Entschlossenheit darstellt, ist schwer herauszufinden. Denn noch ist das Papier eigentlich fürchterlich geheim.

Der Pressesprecher im Wissenschaftsministerium, an den der Autor des Papiers, Ministerialrat Michael Machleidt, den ruprecht anläßlich einer Bitte um Kommentierung verwies, spielt das Papier herunter; es solle nur Möglichkeiten sondieren, bevor politische Entscheidungen fallen. Die Teilnahme von Fächern an dem Projekt soll aber offensichtlich nicht nur mit guten Worten erreicht werden: Den Heidelberger Geisteswissenschaften drohte man im Ministerium gleich die Schließung an, wenn sie sich nicht schleunigst für diese Ideen erwärmen könnten. Einer Heidelberger Fakultät legte der Ministeriale die Teilnahme an dem Projekt schon so oft und aufdringlich nahe, daß sich der Studiendekan schließlich genötigt sah, unter den Mitgliedern seiner Studienkommission eine Flasche Wein für Vorschläge zur Anwendung der "Strukturreform" auszuloben.

Reinen Wein schenkt das Ministerium den Beteiligten deswegen noch lange nicht ein: Selbst unter den Angesprochenen in den Fakultäten kennt kaum jemand den genauen Entwurf.

Grundsätzlich soll das Studium gestrafft, die Zeiteinteilung der Studierenden viel stärker reglementiert werden: "Für Jobben neben dem Studium bleibt wenig Raum". Ein Teilzeitstudium, für jene, die sich ihr Studium selbst finanzieren müssen, soll nicht mehr möglich sein. Alle Studierenden sollen künftig in einem viersemestrigen Grundstudium jeweils ein Fach studieren. Ein zweimonatiges Praktikum in Schule, Verwaltung oder Wirtschaft würde Pflicht. Wer dann die darauffolgende Prüfung nicht spätestens beim zweiten Mal besteht, ist draußen - vielleicht nicht nur für diesen Studiengang. Dafür dürfen sich die Erfolgreichen auch dann "Bakkalaureaten" nennen, wenn sie nach diesen vier Semestern von der Uni abgehen. Diejenigen, die an der Uni bleiben, müssen sich entscheiden.

Nach einem empfohlenen ein- bis zweisemestrigen Auslandsaufenthalt (natürlich mit einem Nachweis, daß man auch in der Ferne ordentlich studiert hat) betreiben die Studierenden entweder das erste Fach noch vier Semester weiter und bekommen dafür ein Diplom. Oder sie wollen auf Lehramt oder auf Magister studieren. Dann folgt jetzt ein zweites Fach - und nur dieses, denn die Ordner für das erste Fach können nach den ersten vier Semestern auf dem Speicher verschwinden. In dieser Phase des Studiums sollen die Nachwuchsakademiker auch schnell noch "Schlüsselqualifikationen und Sozialkompetenzen" erwerben.

Doktor können künftig nur noch Diplomierte werden - oder jene Magister, die noch einen dreisemestrigen Aufbaustudiengang absolvieren.

Neben dem Studium befassen sich die Vorschläge auch mit dem weiteren Weg des wissenschaftlichen Nachwuchses .

Gut angekommen sind die Vorschläge, in Studierendenkrei-sen schon spöttisch "Machleidt-Magister" genannt, nicht.

Schon den Weg, wie diese komplette Neuordnung des Studiums durchgesetzt werden soll, empfinden viele als Unverschämtheit: In klandestinen Gesprächen mit den Dekanen ausgewählter Fakultäten versucht man, "Pilotprojekte" auszuhandeln, die dann wohl eines Tages der erstaunten Öffentlichkeit präsentiert werden sollen. Selbst die Rektoren der Universitäten erfahren erst später davon - und fühlen sich dementsprechend ziemlich übergangen. Und daß das Projekt mit Drohungen durchgesetzt werden soll, trägt nicht eben zu einer Verbesserung der Stimmung bei. Die Zurückhaltung gegenüber der Öffentlichkeit, zu der offensichtlich auch die Rektoren verdammt worden sind, würden diese in ihrer Verärgerung wohl lieber heute als morgen aufgeben. Die allerletzten, die einbezogen werden, wenn es gar nicht anders geht, sind die Studierenden selber. Wenn überhaupt, haben die Gremien, in den Studierende sitzen, zuletzt von den Vorschläge aus dem Ministerium erfahren: In Heidelberg weiß gerade mal eine Studienkommission davon; der zuständigen Senatsausschuß Lehre wurde noch nicht informiert. Das entsprechende Gremium in Tübingen hat sich aber schon damit befaßt.

Auch inhaltlich stößt das Papier aus dem Wissenschaftsministerium auf harsche Kritik:

- Die Vorstellung, zwei Fächer hintereinander zu studieren, statt sich gleichzeitig, aber über einen längeren Zeitraum, das Wissen kontinuierlich anzueigenen, stößt auf Unverständnis bei Lehrenden wie Studierenden; Machleidt bemängelt die fehlende Interdisziplinarität an den Unis, will aber gleichzeitig eine strikte Fächertrennung im Studium.

- die Annahme, man könne ein Fach wie Physik in vier Semestern abhandeln, löst bei den Betroffenen schon fast Erheiterung aus, ebenso wie die Vorstellung, alle Fächer in das gleiche 4/8-Semester-Raster pressen zu können.

- wenn der Magister allein nicht mehr zur Promotion reichen soll, verlängert sich das Studium für nicht wenige noch einmal erheblich; dabei werden in dem Papier gerade die langen Studienzeiten in Deutschland bitter beklagt. Zudem ist der Magister zwar kein wissenschaftlicher Abschluß mehr, rechtlich aber immer noch "berufsqualifizierend"; dadurch aber gibt es dann im Aufbaustudium kein BAföG mehr.

- wenn ein Teilzeitstudium unmöglich wird, können sich viele Studierende das Studium überhaupt nicht mehr leisten

- warum sollen Studierende "Schlüsselqualifikationen" und "Sozialkompetenzen" erst in den letzten vier Semestern erwerben? Braucht man die im Grundstudium nicht? -

- ob das neu eingeführte "Bakkalaureat" (ohne Schlüsselkompetenzen, die sollen ja erst später erlernt werden) in der Wirtschaft anerkannt wird, und nicht nur ein anderer Begriff für "Studienabbrecher" bleibt, ist fraglich. Am Dolmetsch-Institut in Heidelberg hat man mit einem solchen Zwischen-Titel eher schlechte Erfahrungen gemacht (ein weiterer Versuch in dieser Richtung in Tübingen läuft erst seit einem Jahr).

Wenn alle Betroffenen so böse sind, hat der "Machleidt-Magister" denn überhaupt eine Chance, Wirklichkeit zu werden? Ein Heidelberger Studiendekan, der sich wie so viele eigentlich gar nicht öffentlich äußern will, glaubt nicht "daß dieses Modell in absehbarer Zeit realisiert wird". Er hat vielleicht nicht an den §51(5) des neuen Universitätsgesetzes gedacht, der es dem Wissenschaftsministerium erlaubt, einfach seinerseits Ordnungen zur Strukturierung des Studiums zu erlassen. Wenn der Minister also ohnehin am Ende machen kann, was es er will - werden sich die Universitäten da nicht lieber gleich ins Unvermeidbare fügen? Oder zumindest ein bißchen, um vermeintlich Schlimmeres zu vermeiden?

Es ist schon ziemlich bedenklich (oder bezeichnend), wie wenig auch die betroffenen Dekane und das Rektorat in Heidelberg Wert darauf gelegt hatten, Studierende in die Pläne aus dem Ministerium einzuweihen. Auf deren Mitwirkung, so hat man bisher den Eindruck, können die meisten Beteiligten bisher ganz gut verzichten (wie auch die Existenz einer exklusiven Professorenrunde zur Reformierung des baden-württembergischen Germanistikstudiums beweist). Allerdings auch auf die Beteiligung der Studiendekane, die für solche Dinge doch eigens eingeführt worden sind. Zumindest in Heidelberg kennt kaum einer von ihnen den Machleidt-Magister.

(hn/khp)


Völlig unnötig

Der Frauenförderplan auf einem langen Hürdenlauf

Frauenförderung - das scheint für viele immer noch ein rotes Tuch zu sein. Während die einen entschlossen dafür kämpfen, betrachten die anderen sie als unnötig - oder einfach nur als Spinnerei von ein paar einsamen Emanzen, die sich schon wieder beruhigen werden.

Auch an der Uni ist dieses Thema immer öfter im Gespräch. Nachdem man die Phase, ob Frauenförderung überhaupt nötig ist, offiziell hinter sich gelassen hat, läßt sich jetzt umso besser darüber streiten, wie diese denn nun auszusehen hat. Den Weg dahin geebnet haben die seit 1988 laut Senatsbeschluß eingesetzten Frauenbeauftragten und der Senatsausschuß für Frauenfragen (Safran). Im Januar vergangenen Jahres wurden die Universitäten im Universitätsgesetz zur Frauenförderung verpflichtet. Doch was heißt das nun?

Diese Frage läßt auch das Gesetz ziemlich offen. So haben die Frauenbeauftragten und der Safran, in dem Frauen von der Professorin bis zur Studentin sitzen, in mühevoller Arbeit einen Frauenförderplan ausgearbeitet. Gegen eine Quotenregelung entschloß man sich selbst, um dem Vorwurf der "Quotenfrau" von vorne herein keinen Angriffspunkt zu geben. Das Modell beruhte auf drei Punkten: Der Nachwuchsförderung, d.h. der Ermutigung zur Promotion und Habilitation, speziellen Veranstaltungen für Frauen und der Einrichtung eines Pools für C1-Stellen. Jede der z. Z. 15 Fakultäten sollte eine für Frauen reservierte Stelle aufbringen. Diese erste Fassung wurde dem Rektor vorgelegt, der jedoch in dieser Form nicht damit einverstanden war und den Plan in mehreren Punkten verändert wissen wollte. Damit begann der Leidensweg des Planes, der bis heute nicht zur Ruhe kommen sollte.

So wurde der Frauenförderplan also gemäß den Wünschen des Rektors geändert; einige Punkte wurden abgeschwächt, die Grundzüge blieben aber erhalten. Die Frauen waren nun davon überzeugt, daß der Plan in dieser Form in der kommenden Sitzung am 19. März vom Senat angenommen werde; denn in der geänderten Form habe er die Unterstützung des Rektorats, sei ihnen zugesichert worden. So kam der entscheidende Tag der Sitzung. Wer allerdings nicht kam, war der Rektor - der sonst laut eigener Aussage doch immer die Senatssitzungen zu leiten pflegt. Durch einige unglückliche Terminänderungen war er jedoch an besagtem Tage gerade im Urlaub. Selbst auf diese Unstimmigkeit angesprochen, erklärt Ulmer, er habe nie irgendeine Zusage gemacht: "Ich habe gesagt, ich könnte mir vorstellen, daß der Senat einen Pool mit fünf Stellen, die aus zentralen Mitteln finanziert würden, vielleicht empfehlen könnte."

Die Senatssitzung leitete also der Prorektor Jung, der mit der ganzen Sache an jenem Tag das erste Mal konfrontiert wurde. Und so verlief die Sitzung ganz anders als man - zumindest von einer Seite - erwartet hatte. Der Stein des Anstoßes war dann auch der Stellenpool. Einerseits sei der Verwaltungsaufwand dafür viel zu hoch und andererseits könnten die Fakultäten nicht die Finanzmittel dafür aufbringen, lautete die Kritik. So ging nach längerer Debatte der Förderplan schließlich zurück in die dritte Runde zum Safran, um auf seine erneute Überarbeitung zu warten. Natürlich war man dort entsprechend enttäuscht über diesen Ausgang, und einige Zweifel kamen wohl doch der einen oder anderen. Aber "daß ich diesen Plan sozusagen ins offene Messer habe laufen lassen wollen, davon kann nicht die Rede sein", versichert Ulmer gleich von sich aus.

Daß die vorgelegte Fassung allerdings allein an der Finanzierung, wie nicht nur Ulmer sondern auch die Frauenbeauftragte Schuchard meint, im Senat gescheitert ist, darüber besteht sicher keine Einigkeit. Das Thema scheint sich auch nicht an der Geschlechtergrenze zu scheiden. So argumentierte eine Professorin in der Sitzung, daß man die Entscheidung einer Frau, Hausfrau zu werden, akzeptieren müsse. Wenn nun aber Frauen in der Arbeitswelt wie in diesem Fall den Männern vorgezogen würden, dann nehmen sie den Ehemännern die Stellungen weg, und die Hausfrau werde damit gezwungen zu arbeiten. Neben dieser Fraktion, die Frauenförderung scheinbar nicht für besonders wichtig erachtet, und sich statt dessen teilweise sogar noch darüber lustig macht, gibt es allerdings noch die Partei an der Uni, die zwar Frauenförderung für wichtig hält, sie aber in anderer Form sehen möchte, zieht eine Anwesende Resumé aus der Senatssitzung. Und was denn Emanzipation überhaupt heißt, das fragt sich auch der Rektor: "Es geht ja u.a. darum, daß staatliche Stellen reserviert werden für nur ein Geschlecht. Und wir sind ja schon soweit, daß wir heute über die Diskriminierung von Männern sprechen; und die werden ja hier ausgegrenzt." Juristen wissen jedoch, daß hier kein Fall von Diskriminierung vorliegt, denn dieser Frage ist die Frauenbeauftragte des Juristischen Seminars, Dagmar Richter, nachgegangen und hat dazu ein Rechtsgutachten erstellt, das diesen Verdacht eindeutig ausschließt.

Am 14. Mai geht die neue Fassung des Förderplanes in die Senatssitzung. Immerhin geht es um drei Jahre, die der Plan Gültigkeit haben wird. Diesmal soll die Finanzlast zur Hälfte auf die Fakultäten und zur Hälfte auf zentrale Mittel der Uni gelegt werden. Gespannt sind auf diesen Tag wohl einige, und wenn sogar Herr Ulmer sagt: "Ich persönlich hoffe, daß die Neufassung am 14. Mai ohne Probleme durchgeht", dann kann ja kaum noch etwas schiefgehen.

(gz)


Endlich: Studiengebühren

Die neue CDU/FDP-Koalition hat sie beschlossen

Das Vertragspapier zwischen CDU und FDP ist fertig, wir übrigens auch, als wir uns die Mühe machten, den §14 über die Hochschulen durchzugehen. Wissenschaftsminister Trotha setzte sich gegen den Koalitionspartner FDP voll durch, sowohl was die von den Liberalen geforderte Eingliederung der PH betrifft, als auch das Wahlversprechen, Bildungsgutscheine abzulehnen. Womit wir den wichtigsten Punkt gleich ansprechen: Jetzt sind Studiengebühren von 1000 DM für alle ab dem 14. Semester geplant (Ulmer läßt grüßen!). Die Erträge daraus sollen an die Hochschulen gehen. Daneben wird an allem gespart, wo man nur sparen kann. So soll z.B."überflüssiges Spezialwissen" aus den Lehrplänen gestrichen und die Deputate der Lehrenden weiter erhöht werden (40 Stunden-Woche wie anno dazumal!). Natürlich "sollen verstärkte Anstrengungen dem zügigen Ablauf des Studiums gewidmet werden." Durch eine verstärkte Studienberatung und frühzeitige Leistungskontrolle sollen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, "Fehlentscheidungen bei der Studienwahl schnell zu korrigieren". Des weiteren dürfen die Hochschulen Bewerber von Studienplätzen jetzt selektieren. Über die Warteliste bei NC-Fächern kommen jetzt nur noch 10%, statt bisher 40% rein. Doch dem Personal geht es nicht besser, Neueinstellungen gibt's nur noch "in deutlich stärkerem Maße als bisher leistungsbezogen und damit befristet". Dafür bekommen wir "mehr Wettbewerb untereinander und verstärktes Wirtschaftlichkeitsdenken" auferlegt, und was vom Studium noch übrig ist, wird an Wirtschaft und Industrie angepaßt, und weil's immer noch nicht reicht, wird auf die schnelle mal der Bund um 2 Milliarden angepumpt. Ob's klappt? (mj)


Ey!

Studentenfeten

Studentenfeten sind klasse, nein wirklich, da gibt es gar nichts, das muß einmal gesagt werden. Und Stockwerksfeten im Studentenwohnheim sind die allerbesten. Da geht's immer hoch her, sogar wenn die Fete im Erdgeschoß stattfindet.

Wer sich da über den Lärm beschwert oder sich gar erdreistet, den netten Fetengängern, die im Fahrstuhl ein paar billige Lampen von der Decke oder überflüssige Pinnwände von den Wänden reißen, um somit ihrer wohlverdienten Ausgelassenheit Ausdruck zu verleihen, ihre geistige Zurechnungsfähigkeit abzusprechen, der ist ein Miesmacher und Spaßverderber und versteht nichts, aber auch rein gar nichts von wahrer Studentenkultur, auch das muß an dieser Stelle einmal oder besser gleich zweimal gesagt werden - der ist ein Miesmacher und Spaßverderber und versteht nichts, aber auch rein gar nichts von wahrer Studentenkultur! Sogar von Seiten des Studentenwerks ist hier mehr Verständnis zu konstatieren: erst vorletzte Woche beauftragte man die Firma Thyssen, den Fahrstuhl im Studentenwohnheim INF 683 mit zwei statt mit einer Deckenlampe auszustatten und leistete so seinen Beitrag zur Demokratie - eine Lampe ist für so große Feten auch wirklich zu wenig!

Es ist natürlich ärgerlich, wenn man in einem solchem Fetenheim im obersten Stock wohnt und mal ein paar Treppen steigen muß, wenn die Ausgelassenheit sich ausnahmsweise mal nicht nur auf die Lampen beschränkt, aber schließlich leben wir in einer Solidargemeinschaft, da muß jeder sein Scherflein beitragen und außerdem gibt es auch im größten Studentenwohnheim selten mehr als zwei Feten pro Woche, und was sind schon die Mühen eines Einzelnen, 2 mal 11mal 14 Stufen zu erklimmen, im Gegensatz zu 200 zufriedenen Partygästen? Ein glücklicher Gast sollte einem doch wohl mehr wert sein als nur eine Treppenstufe!

Das meint der ruprecht auch, und deshalb lädt er Euch alle zur großen ruprecht-Fete am 23.5. im Karlstorbahnhof ein. Und wenn Ihr nicht nörgelt, dürft auch Ihr Hochhausbewohner kommen - wir lassen dann diesmal auch Euren Fahrstuhl heil - vielleicht! (hpc)


Meinung


Mainansingen

Von wegen freie Gedanken

Eifrig war ich am 30. April zum Brunnen gelaufen, um pünktlich um Mitternacht die Burschenschaften, die dort nationalsozialistisches Liedgut von sich geben würden, an ihrem dunklen Treiben zu hindern.

Zuerst war ich zugegebenermaßen ein wenig enttäuscht, weil ich fast keinen Burschi im Wichs sah. Dafür um so mehr Gesinnungsgenossen, die alle glücklicherweise leicht an Rastalocken, ausgefransten Leggins, Nasenringen und Palästinensertüchern - ganz individuell eben - zu erkennen waren. Ich hatte Angst, die Burschis würden gar nicht kommen. Wie letztes Jahr, die Drückeberger. Doch dann, pünktlich um Mitternacht, bezogen die Massen der Burschis am Brunnen Stellung. Wölfe im Schafspelz, dachte ich sofort! Die stehen da, als wären sie eine Peace-Jugendgruppe auf dem Friedensmarsch Richtung Biblis oder so. Lauter Typen mit Wollpullis, Mädchen (!) und Klampfen. Daß ich nicht lache! Sobald sie lossingen, wird sich schon zeigen, woher der Wind weht. Schnell holte ich meine Eier aus der Tasche. Und dann begannen die doch allen Ernstes zu singen: "Die Gedanken sind frei"! Meine Güte, da hatte mich niemand vorgewarnt. Was tun? Ich brauchte nicht lange zu überlegen. Meine Kollegen (inzwischen waren wir vielleicht dreimal so viel wie die andern) pfiffen einfach los. Wie verrückt. Das war ein Höllenspektakel! Ist ja egal, dachte ich, was die singen. Weiß ja hier jeder, daß das alles rechte Schweine sind. "Nazis raus! Nazis raus!" schrie mit schmerzverzerrtem Gesicht plötzlich der Junge neben mir. Ja, verdammt noch mal, diese Nazis! Das Boot ist voll. Wir haben genug von solchen Typen. Ich warf ein Ei: "Nazis raus!". Das war ein Heidenspaß. Ich habe mich echt wohl gefühlt, unter all den netten Autonomen. Fast tat mir das elende Häuflein der Burschis leid. Wie sie da so doof rumstanden und nationales Liedgut sagen.

Richtig cool wurde es aber erst, als sich einige von uns zu vermummen begannen. Da kam so ein echtes Feeling auf. Die Bullen waren ja auch schon da. Stellten sich natürlich schützend um die Burschenschaftler. Kein Wunder, daß da einige von uns aggressiv wurden. Ich schmiß die anderen Eier. David gegen Goliath!

Die ganze Zeit hatte ich ja darauf gewartet, daß sie die Erste singen würden, war aber nichts. Da war ich schon enttäuscht. Aber gelohnt hat es sich trotzdem. Der Vollmond, der Brunnen, die nationalistischen Burschis und wir. War irgendwie ein riesen Happening gewesen. Schöne Tradition so, eigentlich, mit dem Pfeifen.

Nur am Schluß meinte einer: "Bei dem ganzen Spektakel merkt ja niemand mehr, wo die Probleme der Burschis eigentlich liegen: die Intoleranz, die Verfilzung mit der Politik, das chauvinistisches System ..." "Mensch!" rief ich, "mach doch nicht alles so kompliziert. Da müßte man gleich wieder zu irgendwelchen verkopften Methoden greifen. Wäre doch schade."

(hee)


Internet inside

Das Netz ist cool?

Wenn man die Massen sieht, die sich in letzter Zeit im URZ im Neuenheimer Feld tummeln, scheinen das zur Zeit viele zu denken. Im Netz sein, hat das nicht den Anschein des Fortschrittlichen, den Hauch des Modernen, des Wichtigen? Es ist ein besonderer Typ Mensch, der hier extrem häufig in Erscheinung tritt, im Fach-Jargon "Lamer" genannt. Ein krampfhafter Zwang sich zu exponieren, sich besser auszukennen als die vermeintlichen Konkurrenten (die gerade einmal e-mail oder netscape beherrschen) oder sich sonst auf irgendeine Art hervorzutun, treibt hier exotische Blüten. So wird etwa an jedes e-mail/Newsgroups-Post eine große Box mit Namen, Telefon/Faxnummer und e-mail-Adresse angehängt, die meistens noch einen Witz, Beavis & Butthead-Spruch oder ein Zitat aus Douglas Adams: "Hitchhikers Guide to the Galaxy" enthält. Stundenlang wird am Desktop ein beeindruckendes Hintergrundbild eingestellt und an den Statusleisten und Fenstern getüftelt, damit die/der am Terminal daneben sich mit seinem Standard-Schirm unprofessionel vorkommt. Ja, es gibt Auftrieb, wenn man die coolsten Web-Pages, den neuesten FTP-Server und die speziellen Verzeichnisse kennt, mehr kryptische UNIX-Befehle beherrscht als die anderen, die neuesten Demos, Spiele, Bilder (meistens Star Trek, Popgruppen, Comics oder Nackte), und MPEG-Movies "downloaded", kurzum: wenn man sich "voll" auskennt.

Dazu kommt noch eine neue Seuche: das Einrichten einer eigenen "Homepage". Eigentlich ist dagegen nichts einzuwenden, wenn diese Seiten konkrete Informationen enthalten. Traurigerweise aber bieten die in stundenlanger mühseliger Kleinarbeit erstellten Homepages meist nur so interessante Daten wie den Lebenslauf, ein paar schlechte Witze, endlos gesammelte Verweise ("links") langweiligster Art - in jedem Fall jedoch ein Bild der Person mit seiner Freundin. All dieser Aktivismus ist mit ungeheurem Zeitaufwand verbunden (gleich mehrere Stunden), das auch als CAW (Computer aided Waste-of-time) bekannt ist. Das sogenannte "surfen" steht dabei für das stundenlange, meist belanglose Herumklicken im World-Wide-Web. So läßt man sich ewig vor dem Bildschirm treiben, klickt mal hier und dort, verirrt sich im Wirrwarr der "links", von denen es mehr zu geben scheint als eigentliche Information. Wie vor dem Fernseher entwickelt sich eine Art beliebiges, assoziatives Zappen, das noch dadurch unterstützt wird, daß viele Web-Pages unstrukturiert oder systemlos sind, und daß ein großer Anteil des Web informationsfreies Geschwafel ist.

Warum zieht das Netz die Massen an? Ein Grund mag die Anonymität sein, die einen vor Angriffen schützt. Man versteckt sich hinter einem aussagekräftigen Pseudonym wie "Gronk" , "Cold Fusion", "Aerosoul" (oder deutsch: "Käsekuchen") und begibt sich in eine zweite Welt, in der man völlig verschwinden kann. Niemand kann einen beobachten, selbst aber kann man alles anschauen, sich an Diskussionen beteiligen, in IRC ( Internet Relay chat )- Kanälen abtauchen und e-mails verschicken. Was die anderen von einem selbst sehen ist nur der geschriebene Text - der reine Intellekt sollte man also meinen, aber der bewegt sich meist auf einem äußerst banalen Niveau. Beispiel IRC: Das als "Konferenz" mit vielen anderen gepriesene Programm ist in Wirklichkeit der traurigste Teil des Internet. Völlig belangloses Gebabbel "hehehe../hi!/hallo Leute/ooch.../isch subba/hahaha.../wie geht's/was los??/cool/hehehe..." etc., eine Fundgrube für Beavis & Butthead-Sprüche und pseudo-Szene-Englisch (cos = because; dudes = people; u = you ), sowie abwechselnde Groß- und Kleinschrift um noch cOoLEr zU sEin.

Was regt einen eigentlich so auf? Die Modeerscheinung Internet bewirkt einen derartigen Ansturm, daß allen, die wirklich etwas zu tun haben, die Arbeit verleidet wird. Es nervt, wenn man schon in der Mensa am Nachbartisch hört: "Ich hab' gerade Pause, geh'n wir noch ins URZ?". Wenn man dann um 13 Uhr dort eintrifft, herrscht bereits Hochbetrieb. Alle Terminals in allen Räumen sind besetzt. Jeder hat etwas zu tun: Im PC-Pool werden weithin bekannte Ballerspiele gezockt. Bei den Unix-Maschinen spielen mindestens vier Studenten Netrek II oder Tetris. Ein Blick auf die Schirme zeigt, daß weitere acht Leute gerade wichtige Web-Seiten anschauen: Star Wars Fan Homepage, MTV, Monthy Python oder Mr. Bean Homepage, Hawaii Beach, Games Domain, Universal Film Studios sowie den Playboy online. Weitere drei sind gerade in schwerwiegende Diskussionen bei den Computer-Newsgroups verwickelt: "WIN95 sucks - OS2 rules", oder "WIN95 rules, OS2 is a piece of shit" usw... Zwei andere lachen, weil sie gerade "talken" (mit TALK kann man sich per Tastatur unterhalten), und weil das besonders witzig ist, wenn man nur ein paar Terminals weit auseinander ist. Die restlichen drei schreiben gerade ein e-mail (was wegen geringem Zeitaufwand zu begrüßen ist) oder arbeiten wirklich, indem sie die Programmieraufgaben einer Informatikübungsgruppe lösen. Hat man dann endlich durch Glück ein Terminal ergattert, wird durch die lähmende Langsamkeit um die Mittagszeit jeglicher Elan sofort abgetötet. Spätestens jetzt wird jedem klar, daß hier etwas nicht stimmt. Ist das Netz nicht primär für den wissenschaftlichen Gebrauch ausgebaut worden?

Schwer vorstellbar, daß das Rechenzentrum seine Terminals dafür aufgestellt hat, daß Studenten zwischen Mensaessen und Nachmittagskaffee ihrem kindischen Spieltrieb frönen. Es muß doch auch für die Mitarbeiter im Rechenzentrum frustrierend sein, den ganzen Maschinenpark am Laufen zu halten, wenn dann außerhalb der Kurszeiten nichts Produktives getan wird. In der UB kann man auch keine Comics oder den Playboy ausleihen, warum soll dann die Uni entsprechende Dinge jedem Studenten im Netz kostenlos ermöglichen? Z.Z. weist das Rechenzentrum nur mit Schildern darauf hin, während der Stoßzeiten keine Spiele zu starten oder sonstigen Schabernack zu treiben. Ein produktiverer Schritt nach vorn wäre, sämtliche Spiele von den Platten zu löschen oder ein Zeitkontingent für das World-Wide-Web einzuführen, das auf Anfrage verlängert werden kann. Ansonsten droht allen der Geschwindigkeitstod: "http request send. Waiting for response..." (ju)


"Niemand hat ein Recht auf Perversion!"

Michael Brenner über Kinder, Comics und Kondome

Ganze 16 Mitglieder zählt sein Verein "Menschen-Umwelt-Tiere e.V." Dennoch hat der Dilsberger Michael Brenner, 37, mit der von ihm initiierten Comic-Beschlagnahme im April die bundesrepublikanische Medienlandschaft aufgemischt.

ruprecht: Herr Brenner, Sie sehen sich nach der Osteraktion in der Presse verschiedentlich falsch dargestellt. Was sind die wahren Ziele des "MUT e.V."?

Brenner: Der Kampf gegen Kinderpornographie beispielsweise. Schaut Euch mal diese Bilder an. (zeigt Fotos) Und jetzt sagen die Pornohändler, die das haben, das ist keine Kinderpornographie, weil ein Erwachsener auf diesen Photos nicht zu sehen ist. Und wenn das Kind isoliert von Erwachsenen betrachtet wird, dann ist es nicht mehr Kinderpornographie. Und dementsprechend haben die auch Erfolg mit ihren Postern, Dias, Illustrierten, Videos. Dagegen kämpfe ich seit sechs Jahren intensiv, dagegen habe ich zahllose Eingaben gemacht, und die Bundesprüfstelle schreibt, daß die Würde der abgelichteten Kinder und der Kinder allgemein durch solche Abbildungen in eklatanter Weise verletzt werde, daß man aber aufgrund der bestehenden Rechtslage nicht indizieren könne. Das heißt also, diese Kinderpornographie wäre von der Rechtslage angeblich nicht erfaßt, obwohl ein Mensch mit nur ein bißchen Bewußtsein erkennt, was sich hier abspielt. Das Auge der Kamera ist immer in Geschlechtsteilhöhe, Vierfarbdruck und, und, und, da gibt's tausend Sachen zu sagen, woran man erkennen kann, es ist Kinderpornographie. Das sollte längst verboten sein. Jetzt habe ich das Versprechen von mehreren Ministerien bekommen, daß sich in dieser Legislaturperiode etwas ändern wird. Allerdings klopfe ich da schon sechs Jahre an, und die haben es nicht besonders eilig damit.

Eine andere Variante ist z.B. das "Zeig mal"-Buch. Da steht etwa, daß sie in Holland dreißig Probanden gehabt hätten, die als Kinder sexuelle Beziehungen zu Erwachsenen gehabt hätten, und die würden das rückblickend fast durchgehend positiv bewerten, und dann hätte man eine charakterologische Untersuchung gemacht, und die hätte bewiesen, daß genau diese Erwachsenen heute weniger verkrampft und depressiv wären als der Durchschnittsbürger. Das soll dann der wissenschaftliche Beweis dafür sein, daß das o.k. ist, wenn ein Kind Sex mit Erwachsenen hat. Das gesamte Buch wird einmal bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung umworben, und teilweise bei der pro-familia. Da heißt es dann, ja, wir wollen ja nur vom möglichen Spektrum von Aufklärungsangeboten alles anbieten. Da sage ich dann, die können ja nur ihre Auflage halten, weil ihr das ständig in euren Blättern führt und es noch hochlobt!

Ich bin der Meinung, daß die Kinderpornos labilen Erwachsenen Lust auf Kinder machen und nicht, wie früher behauptet wurde, Blitzableiterfunktion haben, d.h. sie holen sich einen runter und lassen dafür die Kinder in Ruhe.

Und das ist das andere: Es geht mir um Menschenverachtung in Comicheften, und das haben wir dem Staatsanwalt auch klargemacht, haben Sachen eingeschickt, und wenn jetzt Ralf König mit einbezogen wird, dann ist das eine Sache, die liegt nicht in erster Linie an mir. Beim Ralf König kann man drüber streiten, was er macht. Ich finde es geschmacklos, ich würde das auf keinen Fall unterstützen, aber ich finde es auch nicht so schlimm, daß ich es mit aller Macht verbieten wollte, es ist nicht mein Angriffsziel.

ruprecht: Sie distanzieren sich also von den Punkten, für die Sie jetzt vor allem angegriffen wurden?

Brenner: Ja, davon würde ich mich klar distanzieren. Angriffsziel ist beispielsweise das Buch "Dieses Buch ist ätzend - Beavis und Butthead" aus dem Carlsen-Verlag. Der MTV-Chef hat gesagt, daß diese Figuren alles andere als für Kinder gedacht wären. Gleichwohl wird das Buch tagsüber an Kinder verkauft. Kinder machen nach, was da gezeigt wird. Wenn man z.B. sieht, wie ein Schädel eingeschlagen wird und die Zähne vorne rausfliegen; was ist daran cool, wenn so was passiert?!

ruprecht: Hier ist die Grenze des Komischen überschritten?

Brenner: Ja, weit! Deswegen ist das ein konkreter Angriffspunkt. Und da denke ich, das ist keine Beschneidung der Freiheit, wenn man gegen Menschen kämpft, die die Freiheit so unterdrücken, denn die bringen die Freiheit dadurch in Gefahr. Weil wenn Freiheit die Freiheit ist, das Menschenbild so tief runterzudrücken, dann weiß ich nicht, wie man Freiheit eigentlich noch definiert.

Aber das hier ist unser Hauptangriffspunkt: der alpha Comic-Verlag. In der Serie "Carnivora", d.h. Fleischfresser, "Morbus Gravis 4", da wird gezeigt, wie eine Frau zur Schlachtbank geführt wird, und wo dann eine Schwangere da liegt, die aufgeschlitzt wird, und so weiter. Und die Verleger sagen dazu: "Das ist der hohe Wert der Kunst." Merkwürdigerweise sagt das auch die Bundesprüfstelle, obwohl es so exzessiv dargestellt wird. Aber es gibt keine Chance, dagegen anzugehen. So eine extreme Frauenverachtung sollte irgendwo Grenzen finden. Da ist der Mensch nur noch ein Stück Fleisch.

ruprecht: Die momentane Aufregung bezieht sich ja auf diese Suchung, die der momentanen rechtlichen Lage nach auf ziemlich wackligen Beinen stand. Sie sagen jetzt, daß es Ihr Ziel sei, die Gesetzeslage zu ändern.

Brenner: Ja, genau, damit nicht immer alles über diesen Kunst-Paragraphen läuft. Es gibt zwei Aussagen der Staatsanwaltschaft: Die eine ist immer wieder "Es ist kein öffentlicher Handlungsbedarf da" - die Öffentlichkeit interessiert sich also nicht dafür, warum soll dann was getan werden, - und die andere ist eben, daß sich auf Kunst berufen wird. Da gibt es einen Beschluß vom Bundesverfassungsgericht, der besagt, daß selbst schwer sittlich gefährdende Jugendschriften auch dann zulässig sein können, wenn sich auf Kunst berufen wird. Und das ist gängige Praxis. Das regt mich auf. Man kann in diesem Land zu allem was sagen, eine Prise Sozialkritik drüberstreuen, und dann soll man's aber gut sein lassen. Aber wehe, wenn man mal echte Konfliktbereitschaft zeigt, dann knallt's, weil dann werden plötzlich andere Interessen berührt, vor allem finanzielle Interessen, und dann gibt's Ärger.

ruprecht: Die Suchungen, denen Sie Ihr Negativimage verdanken, hat der Meininger Staatsanwalt mangels besserer Argumente mit "Gefahr im Verzuge" begründet, und das hat ein bißchen lächerlich gewirkt, weil die Bücher zum Teil schon lange im Handel sind. Würden Sie die Aktion als voreilig bezeichnen oder sich von dem Staatsanwalt distanzieren?

Brenner: Ein Staatsanwalt kann nicht die Hand dafür ins Feuer legen, daß ein Polizist das richtige raussucht. Der Polizist sagt sich: "Da seh ich was, könnte was sein, greif zu. "Außerdem sind das ja jetzt noch Vorermittlungen, hier hat ja noch gar kein Urteil stattgefunden. Die Arbeiten, die jetzt beginnen, dauern noch ein Jahr. Danach muß man sehen, was wirklich konfisziert wird. Aber es wird schwer werden, weil wir ein Marktrecht haben, das das Gesetz längst überwuchert hat. Es gibt auch viele Staatsanwaltschaften, die mir gleich abschlägig geantwortet haben, als ich gegen knüppelharte Dinger vorgegangen bin.

ruprecht: Ist es nicht Aufgabe der Eltern zu kontrollieren, was ihre Kinder kaufen und lesen? Muß da gleich der Staat kommen und die Bücher von vornherein verbieten?

Brenner: Natürlich ergeht an die Eltern der Appell, darauf zu achten, was die Kinder kaufen, aber daraus darf nicht resultieren, daß der Verleger sagt: Lassen Sie mich meine Verbrechen machen, und sagen Sie, die Eltern sollen achtgeben. Dagegen vorzugehen ist eine reine Verteidigung der Demokratie, der Freiheit und der Menschenwürde.

ruprecht: Wie kommen Sie zu Ihrem starken Engagement?

Brenner: Ich habe Kinder in Heimen erlebt, wo ich gearbeitet habe, das Kinderelend da drin, und da habe ich immer wieder erfahren: Kinder wollen echte Zuwendung und echte Liebe, die wollen, daß sich ganzheitlich um sie gekümmert wird. Das ist aber leider oft nicht gegeben. Da habe ich gesagt, setzt Euch für diese Kinder ein. Bietet Ihnen eine gute Atmosphäre, in der sie aufwachsen können. Da ist mir auch mal ganz wichtig, mal zu sagen, daß auch ein Erwachsener absolut kein Recht auf Perversion hat. Kein Erwachsener kann sich hinstellen und sagen, ich bin 18 Jahre und ich will jetzt gefälligst sehen, wie eine Schwangere aufgeschlitzt wird. Niemand hat dies Recht. Und deshalb sollte man diese angeblichen Verfechter der Meinungs- und Kunstfreiheit sich nicht zu sehr vermehren lassen, denn irgendwann wird es einen ungeheuren Erdrutsch geben, wenn wir das Unrecht so sehr bagatellisieren.

ruprecht: Die Bravo gehört ebenfalls zu ihren Angriffszielen...

Brenner: Ja, aber es sind immer konkrete Dinge. Ich gehe nicht hin und sage, ach, da ist ein nackter Mensch, das stört mich. Beispiel Aufklärung: An Fragen können natürlich die unmöglichsten Dinge entstehen. Das finde ich gar nicht so schlecht, wenn das noch einigermaßen repräsentativ ist. Was hier an Erziehungshilfe aber rübergegeben wird, ist nicht nur wertfrei, das ist auch wertlos und am Ende gefährlich. Ist das die Aufklärung, ist das die Lebenshilfe, daß man über alles ein Kondom drüberzieht? Das ist mir zu wenig, und deshalb geht mein Angriff auch gegen Institutionen wie die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

ruprecht: Überschreitet die Bravo die Grenze zwischen Aufklärung und Pornographie?

Brenner: Ich glaube, die Bravo verwechselt zwei Worte miteinander: Aufklärung und Auflage. Die Bravo redet von Aufklärung und produziert Softpornographie.

Sexualität ist eine sensible Sache, es soll etwas Geheimnisvolles sein, es soll etwas Intimes sein, dann ist es ja eigentlich erst spannend und schön, und wenn die jetzt so drüberwegrutschen, kann man sich doch denken, daß das Register sehr schnell ausgereizt ist und daß es dann in eine Richtung geht, wo sie nicht mehr wissen, wie es weiterlaufen soll, nämlich in eine negative Einsamkeit.

ruprecht: Sie wollen konkrete Mißstände geändert sehen. Den Vorwurf der Gefahr eines staatlichen Dirigismus nehmen Sie dabei in kauf?

Brenner: Es muß eingeschritten werden, wenn Menschenverachtung und insbesondere Frauen-, Kinderverachtung beginnen. Ich kann nicht ständig die Hände verschränken und sagen: 'Ach, wir leben in einer Demokratie. Macht alles kaputt! Ich tu nichts dagegen.' - Das ist nicht der Auftrag der Demokratie, daß jeder die Sau rauslassen kann, sondern der Auftrag der Demokratie ist, die Demokratie, das Menschenbild zu schützen. Ich wundere mich zum Beispiel sehr über das mangelnde Engagement der Studenten in Heidelberg. Es gibt soviel Pädagogik-Studenten, die Kindergruppen machen könnten. Ich höre nichts davon. Wo ist das soziale Interesse, das soziale Engagement? Ist der Mensch heute nur noch Ego? Aber damit werde ich mich wieder unbeliebt machen. Ich sage klar und deutlich: Tut etwas! Das Leben ist kein Spiel, sondern es ist etwas Schützenswertes.

Man sieht es immer wieder, daß der Selbstschutz des Menschen sehr dünn ist. Und wenn der dann durch Objektdenken zerrissen und durchlöchert wird, dann ist der Mensch einer Prostituierungstendenz in der Gesellschaft preisgegeben. Ich will nicht versuchen zu sagen, was wahr ist und was nicht wahr ist - darum geht es mir nicht. Mir geht es nur um so Grundpfeiler, daß man sich an die hält, die zehn Gebote zum Beispiel.

ruprecht: Wäre es Ihren Zielen nicht dienlicher, wenn Sie sich in der Öffentlichkeit insgesamt weniger einseitig präsentieren würden?

Brenner: Ich denke, wenn man eine Sache wirklich will, dann kann man das wahrscheinlich nur mit einem Eisbrecher, das geht nicht anders, und wenn es irgendwo wirklich knallhart gegen das Menschenrecht angeht, dann muß man auch knallhart kontern.

Mir war von Anfang an klar: Ich hätte mit dem Verein abheben können wie eine Rakete. "Menschen - Umwelt - Tiere", der Name ist von Kindern ausgesucht worden, das klingt umfassend, einfach gut, und ich hätte uneingeschränkte Zustimmung haben können. Aber einfach reden und mit den Kindern ein paar publikumswirksame Aktionen machen, die keinem wehtun? Es gibt Konflikte, und deshalb muß auch Konfliktbereitschaft dasein. Oberflächliche Sozialkritik reicht nicht aus, und deshalb sage ich mir, ich gehe den harten Weg und hoffe, daß ich damit auf lange Sicht Erfolg habe. Es ist immer ein Kampf David gegen Goliath. (jpb, mab)


"McDonaldisierung der russischen Seele"

Der Lyriker Jewgenij Jewtuschenko über Philosophen, Politiker und westliche Vulgarismen

Jewgenij A. Jewtuschenko, 1933 im sibirischen Sima geboren, galt in den fünfziger und sechziger Jahren als populärster sowjetischer Autor. Berühmt wurde Jewtuschenko mit den Gedichten "Der dritte Schnee", "Babyj Jar" und "Stalins Erben", in denen Tabuthemen wie Freiheit, Kriegs-verbrechen und Heldenverehrung thematisiert wurden. Bis heute findet Jewtuschenko Zeit trotz eines langjährigen Lehrauftrages an der University of Oklahoma nicht, zu aktuellen Themen der russischen Gesellschaft Stellung zu nehmen.

ruprecht: Was mögen Sie an Heidelberg?

Jewtuschenko: Die deutsche und russische Kultur waren immer miteinander verbunden. Ich habe das Gedicht "Philosophenweg" nicht zufällig geschrieben. Diese Stadt war schon immer ein Zentrum der Kultur, und das Wort Heidelberg war immer ein Symbol für Philosophie und den wissenschaftlichen Forschungsdrang. Für jeden Russen ist Heidelberg ein Symbol Deutschlands.

ruprecht: Warum gerade der Philosophenweg?

Jewtuschenko: Ich habe das Thema deshalb gewählt, weil ich finde, daß sich die Menschheit in eine moralische Sackgasse verirrt hat. Diese moralische Sackgasse verursacht eine geistige und ökonomische Krise. Das 20. Jahrhundert ist ein Jahrhundert von Ereignissen mit kollossaler Bedeutung, die die Vorstellungskraft des Menschen übersteigen. Wir betreten das 21. Jahrhundert fast wehrlos. Mit der Hilfe der genialen Philosophen des letzten Jahrhunderts können wir nicht die aktuellen Probleme dieses Jahrhunderts und auch nicht die schon vorhersehbaren Probleme des kommenden Jahrhunderts lösen. Dennoch dürfen diese Philosophen nicht vergessen werden. Die Erfahrungen der Menschheit haben deren geistige Kapazitäten überholt. Sehen Sie sich unsere einfältigen Politiker an. Die taugen doch nichts. Wir brauchen jetzt keine Pragmatiker und Karrieristen. Wir brauchen Philosophen mit weniger weibischen Eigenschaften.

ruprecht: Was sagen Sie zur Zukunft des Philosophenwegs?

Jewtuschenko: Die Menschheit steht vor zwei Tendenzen: Die erste Tendenz heißt Tribalismus und die zweite Vereinigung. Die erste Tendenz ist sehr gefährlich. In der früheren Sowjetunion fand z.B. eine Balkanisierung des Kaukasus statt. Gleichzeitig mit der Wiedervereinigung des visumfreien Europas passieren solche furchtbaren Sachen wie im wunderschönen Jugoslawien. Und sehen Sie einmal, was sie aus Abchasien, dem kleinen Teil Georgiens, gemacht haben. Aus einem fruchtbaren Land hat man eine öde Wüste gemacht. Unser größter Feind ist der aggressive Nationalismus, der überall herrscht. Es macht keinen Unterschied, egal ob er gegenüber Juden, Arabern, Russen oder Deutschen ausgeübt wird.

ruprecht: Wo liegen Ihrer Meinung nach die Wurzeln des Nationalismus?

Jewtuschenko: Das liegt an einem Mangel an Philosophie, denn jetzt hat sich ein Vakuum gebildet. Wenn ein Vakuum existiert, dann ist der Nationalismus keine Idee, sondern ein Ersatz dafür. Der Nationalismus hat aber keine Zukunft. Wir müssen eine Philosophie gründen. Ich fühle voraus, daß die Menschheit sich eine neue Philosophie zunutze machen wird, sie aber noch nicht formulieren kann.

ruprecht: Wie könnte eine solche Philosophie aussehen?

Jewtuschenko: Ich bin mir sicher, daß Andrej Sacharow hellseherisch eine Philosophie des "dritten Systems" vorausgesehen hat. Denn der Sozialismus, wie er bei uns existiert hat, hat sich kompromittiert und diskreditiert. Auch der Kapitalismus hat sich meiner Meinung nach in vielerlei Hinsicht kompromitiert. Mir scheint, die Menschheit sollte jetzt ein solches drittes System hervorbringen, das das Beste aus den vielen nichtwahrgewordenen Hoffnungen des Sozialismus und aus dem Christentum nimmt. Und vor allem das Beste, das die kapitalistische Gesellschaft besitzt, ohne deren Verbrechen zu wiederholen. Wir befinden uns jetzt in einem Plasma. Die neue Gesellschaft existiert noch nicht. Aber es wird das dritte System geben. Deswegen habe ich das Gedicht über den Philosophenweg geschrieben.

ruprecht: In einem anderen Gedicht haben sie geschrieben, die Macht sei die Stiefmutter des Gedankens. Woher nimmt die russische Intelligenz ihre Kraft, wo sie sich doch selbst in einem Imperium der Macht befindet?

Jewtuschenko: Man sagt doch: Jedem das seine. Ich glaube, daß die Intelligenzija sich heute aus hygienischen Gründen von der Macht distanziert hat. Diese Sichtweise halte ich für falsch. In Rußland: Die Revolution der letzten Jahren hat im Grunde genommen nur dank der Intelligenz stattgefunden. Gorbatschow war ein Leser unserer Poesie und Prosa. Er hat selbst gesagt, daß er noch ein anderer Mensch war, als er aus der Provinz nach Moskau kam. Die Gedichte der Poeten unserer Generation haben ihn gigantisch beeinflußt. Alle Veränderungen bei uns sind praktisch von Schriftstellern und Intelligenzlern vorbereitet und durchgeführt worden.

ruprecht: Mischt sich die russische Intelligenz heute immer noch in Fragen der Macht ein?

Jewtuschenko: Die heutige Intelligenz ist entweder von Macht entfernt worden oder hat sich selbst distanziert. Das ist nicht richtig. Man darf nicht hochmütig sein. Man soll der Macht gegenüber nicht buckeln, aber man darf sie auch nicht in die Hände von Dummköpfen übergeben. Das ist doch klar. Wenn einer von denjenigen, die für den Krieg in Tschetschenien verantwortlich sind, "Hadschi Murat" von Lew Tolstoj gelesen hätte, dann hätten sie niemals gewagt, diesen Krieg zu beginnen. Dort ist alles schon beschrieben. Aber sie lesen einfach nicht. Es fehlt ihnen an Kultur.

ruprecht: Sind in Rußland ausschließlich Dummköpfe an der Macht?

Jewtuschenko: Fast unsere ganze Intelligenz wurde von der Macht entfernt und durch Leute aus dem Parteiapparat ersetzt. Im Westen schreibt man, daß in Rußland zur Zeit Wahlkampf zwischen Kommunisten und deren Gegnern betrieben wird. Das sind aber alles Kommunisten. Sie haben alle eine kommunistische Erziehung. Ich verurteile sie nicht, weil sie nicht anders konnten. Auch Jelzin hat letztlich im Jahr 1991 etwas Gutes getan. Er hat den Gulag gestoppt, der beinahe wiedergekommen wäre. Aber jetzt ist offensichtlich, daß die Leute an der Macht kulturlos sind.

ruprecht: Gibt es in Rußland heute jemanden, der eine gute Politik machen könnte?

Jewtuschenko: Bei uns gibt es eine Menge talentierter Leute. Das beste wäre, wenn sich die verschiedenen Politiker vereinigen würden, sogar Jelzin. Wenn der jetzt im Wahlkampf [zu den Präsidentschaftswahlen am 16.6.1996] den Schritt wagen würde, seine heutigen Gegner einzubinden - Jawlinski, Swjatoslaw Fjodorow oder sogar Gorbatschow - wieso nicht? Wieso kann Gorbatschow in Rußland nicht die Rolle spielen, die Carter in Amerika einnimmt? Diese Leute muß man nutzen. Wenn sie sich nicht vereinen, gibt es eine Gefahr für die Rückkehr in die Vergangenheit. Ich glaube zwar nicht, daß es so kommt, aber die Gefahr existiert doch.

ruprecht: Welche Chancen hat Rußland, zu einer intelligenten Politik zurückzukehren?

Jewtuschenko: Regierung und Intelligenz haben sich gespalten, und die Kandidaten der Intelligenz widmen sich Fragen von untergeordneter Bedeutung. Wegen eigener Ambitionen setzen sie sich nicht an einem Tisch zusammen und können sich nicht auf einen Kandidaten einigen. Alle ihre Varianten sind perspektivenlos. Die alte Krankheit unserer Liberalen ist, daß sie sich nicht einigen können.

ruprecht: Und für wen werden Sie stimmen?

Jewtuschenko: Das weiß ich noch nicht. Und ich würde es Ihnen auch nicht sagen. Ich schließe allerdings die Möglichkeit nicht aus, daß die Wahl überhaupt nicht stattfindet.

ruprecht: Herr Jewtuschenko, Sie sind Dichter. Hat sich Ihr russisches Publikum in den letzten Jahren verändert? Hört es Ihnen noch zu wie früher?

Jewtuschenko: Das Problem liegt nicht beim Publikum. Früher gab es Organisationen, die für Auftritte von Schriftstellern verantwortlich waren. Heute gibt es bei uns anstelle eines mächtigen Verbandes fünf Schriftstellerverbände, die sich miteinander streiten. Es gab ein Propagandabüro für Belletristik. Jetzt macht man das mit eigenen Kräften.

ruprecht: Was heißt das konkret?

Jewtuschenko: Aus unserem ersten Fernsehkanal wurde Kulturelles vollkommen verdrängt. Alles hat sich kommerzialisiert. Ein Prozeß der sogenannten McDonaldisierung der russischen Seele. Das heißt aber nicht, daß das Volk die Poesie nicht mehr lieben würde. Unsere besten Leser waren früher Ingenieure, Lehrer, Ärzte. Zur Zeit arbeiten sie an drei oder vier verschiedenen Stellen. Ihnen fallen die Augen zu. Sie können nicht lesen, sie fallen vor Müdigkeit um. Dazu sind unsere Leser heute sehr arm, bekommen einen sehr niedrigen Lohn. Und von den Reichen lesen nicht alle.

ruprecht: Sind Stimmen, die die Verwestlichung mit repressiven Mitteln stoppen wollen, berechtigt?

Jewtuschenko: Die russische Intelligenz hat unrecht, wenn sie wegen mancher Vulgaritäten xenophob wird. Sie sind der Meinung, daß alles, was aus dem Westen kommt, die russischen Traditionen zerstören wird. Die Vulgaritäten werden aber von uns selbst mitproduziert. Außerdem haben wir in der westlichen Intelligenz potentielle Mitstreiter. Die amerikanische Intelligenz leidet selbst unter der McDonaldisierung der Massenkultur. In Deutschland ist es genauso. Sehen Sie, wie katastrophal das Fernsehen in Italien ist. Ich komme gerade aus Italien. In Amerika kann man sich überhaupt nur zwei oder drei Sendungen ansehen, und das ab und zu. Der Rest ist "stupidization". Dasselbe findet derzeit auch in Rußland statt.

ruprecht: Was kann man dagegen tun?

Jewtuschenko: Man muß für einen Kulturkanal im Fernsehen kämpfen. Zur Zeit lehre ich Poesie in den Staaten. Aber in Rußland habe ich jeden Samstag im zweiten staatlichen Kanal eine Sendung, "26 Minuten Poesie". 52 Sendungen habe ich schon im voraus produziert, und ich werde noch weitere 50 machen. Aber das durchzusetzen war ein harter Kampf.

ruprecht: Glauben Sie, daß sich die "russische Seele" durch die Amerikanisierung verändern kann?

Jewtuschenko: Natürlich nicht. Das ist ein sinnloser Gedanke. Die Russen werden keine Amerikaner. Übrigens: Warum sollten die Amerikaner, die Rußland amerikanisieren wollen, das tun? Wenn die ganze Welt Amerika ähneln wird, wohin sollen sie dann reisen? Langweilig wird es denen werden.

ruprecht: Sind Sie im Hinblick auf das heutige Rußland insgesamt eher optimistisch oder pessimistisch eingestellt?

Jewtuschenko: Antonio Gramsci, der italienische Philosoph, hat einmal gesagt: "I'm a pessimist with my observations and an optimist with my actions".

ruprecht: Herr Jewtuschenko, vielen Dank für das Gespräch. (tb, lr)


Hochschule


Sitzen für den Stehplatz

Der Streit ums Studiticket schwelt weiter

Wir, die StudentInnen der Ruprecht-Karls-Universität, haben entschieden. Mit 38% war die Wahlbeteiligung an der Umfrage über das Semesterticket für studentische Verhältnisse überwältigend groß, was allerdings auch damit zusammenhängen könnte, daß man die Wahlunterlagen zusammen mit der Rückmeldung nach Hause geschickt bekam - bequemer geht es fast nicht mehr, und dafür sind 38% Beteiligung eher erschreckend wenig als erstaunlich viel.

Die große Mehrheit - mehr als 2/3 der Studierenden- haben sich für die Verhandlungsposition der Fachschaftskonferenz (FSK) ausgesprochen und damit gezeigt, daß sie nicht bereit sind, extra zur Kasse gebeten zu werden, ohne daß der VRN sein Angebot verbessert.

Inzwischen gab es drei Verhandlungsrunden zwischen Studentenwerk und VRN. Der VRN vertrat dabei die Auffassung, daß die Studierenden die Preiserhöhung auf 105,00 DM hinnehmen müßten und keine Forderungen zu stellen hätten; außerdem wurde darauf hingewiesen, daß es schon viele Angebotsverbesserungen gäbe, wie z.B. den 10-Minuten-Takt der Linie 12 ins Neuenheimer Feld.

Aber wie ernst kann man die Bemühungen des VRN nehmen? Das darf und muß man sich inzwischen wohl fragen. Eine der Hauptforderungen von studentischer Seite kostet nämlich kein Geld, sondern nur guten Willen. Der 5-Minuten-Takt auf der Berliner Straße der Linien 1 und 4, die immer noch direkt hintereinander fahren, erfordert nur eine Umstellung des Fahrplans. Um der Forderung Nachdruck zu verleihen und Öffentlichkeit zu erreichen, hat die FSK am 29. April eine Sitzblockade an der Haltestelle Blumenthalstraße West organisiert. Ungefähr 30 Studierende ließen die 4 passieren und setzten sich dann vor der 1 auf die Schienen. An die Fahrgästeverteilte man Flugblätter, und nach 4 Minuten durfte die Straßenbahn abfahren - der 5-Minuten-Takt auf der Berliner Straße war Realität, zumindest für ein paar Minuten. Auch wenn nicht viele Studierende an der Aktion teilnahmen, so hatte die FSK es doch verstanden, die Presse einzubeziehen. Schon am Vormittag wurde im Radio von der Aktion berichtet, und bei der Blockade waren fast soviele Journalisten wie Demonstranten da.

Die HSB will die Diskussion um Verbesserungen außerdem globaler sehen. Da viele Studierende außerhalb Heidelbergs wohnen und neben der HSB mit Verkehrsmitteln anderer Verkehrsbetriebe zur Universität fahren, müßten - wenn überhaupt - im gesamten Verbund Verbesserungen und deren Kosten diskutiert werden. Zudem möchte die HSB alle Kunden gleich behandeln, spezielle Verbesserungen für Studierende, ins Neuenheimer Feld etwa, sind also nicht vorgesehen.

Erst wenn feststehe, wieviel Geld man erhalte, könnte die Diskussion um konkrete Verbesserungen beginnen. Zukünftig soll das Geld im Verbund nach der Zahl der Kunden gerecht verteilt werden; dazu führt der VRN zur Zeit eine Quelle-Ziel-Erhebung bei den Fahrgästen durch.

Der Finanzausschuß des Heidelberger Gemeinderates tagt in dieser Woche, wo über die Kosten eventueller Verbesserungen gesprochen werden wird.

(hpc/mab)


David gegen Goliath

Streik an der Universität Hildesheim

Fernab der beschaulichen Heidelberger Uni-Idylle spielte sich in Hildesheim Erstaunliches ab: im Januar traten die Studierenden der Universität in unbefristeten, aktiven Generalstreik. Unter dem Motto "Lucky Streik" protestierten sie gegen die Sparpläne des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur Niedersachsens (MWK). 25 Prozent des Etats sollen eingespart werden, den Studiengang Informatik will man einstellen, bzw. nach Braunschweig verlegen (einschließlich der beiden Anwendungsgebiete Medizinische Informatik und Wirtschaftsinformatik).

Da die Universität Hildesheim eine sehr kleine Universität ist (etwa 3700 Studierende), und viele Fachbereiche sehr eng mit dem der Informatik verzahnt sind, befürchtet man, die Sparpläne des MWK könnten das Bestehen der Universität "kurzfristig gefährden", "mittelfristig unmöglich" machen. Das Professorium gab bekannt, daß es sich in diesem Fall gezwungen fühle, den Landtag um die Auflösung der Universität zu bitten.

Aber so weit wollte man es nicht kommen lassen. Am 22. Januar entschloß man sich, den verantwortlichen Politikern die Entschlossenheit der Studierenden vor Augen zu führen. "Spar Wars - The University streiks Back!" lautete nun die Devise. Die beamteten Professoren durften offiziell nicht streiken, solidarisierten sich jedoch (fast ausschließlich) mit den Studierenden. In kürzester Zeit rief man verschiedene Arbeitskreise ins Leben. Die erste Woche verbrachte man damit, sich "in die Materie einzuarbeiten", und sich somit auf die kommenden Auseinandersetzungen vorzubereiten. Zunächst versuchten die Studierenden, die Politiker bei verschiedenen Gelegenheiten argumentativ zu überzeugen - leider erfolglos. Enttäuscht darüber, daß MWK-Vertreter über viele Dinge falsch oder gar nicht informiert waren (z.B. Studierendenstatistiken), oder aber die Diskussion völlig verweigerten, entschloß man sich schließlich, die Medien zu mobilisieren. Dabei kooperierten Studenten und Professoren von Anfang an. Während einige Professoren eine Anzeigenkampagne in der "Hildesheimer Allgemeinen Zeitung" starteten, gaben die Studierenden eine eigene Streikzeitung, die sogenannte "Streik-Zeit", heraus.

Ein aktiver Streik sollte es werden: das bedeutete oft Aktivität bis zur totalen physischen Erschöpfung. Viele Studierende sahen für drei Wochen das eigene Bett nicht mehr: sie schliefen in der Uni. Dort wurden Demos vorbereitet, riesige Transparente genäht (Material wurde von sich solidarisch erklärenden Firmen gespendet), Podiumsdiskussionen geplant, Unterschriften gesammelt, Prominente angeschrieben, über 20 Ausgaben der "Streik-Zeit" geschrieben, gedruckt, verteilt. Streik-Chor, Streik-Punk-Band, Streik-Party, ja sogar Streik-Gebetsrunden fanden statt. Seit dem 29.1. hing an der Hildesheimer Uni ein 260 qm (!) großes Transparent.

Zu den Höhepunkten der Streikaktivitäten gehörte die "48 Stunden - Dauer - Uni". Um den Politikern und steuerzahlenden Normalbürgern zu beweisen, daß die Studierenden keine "Gammler" sind, sondern vor Bildungshunger und Arbeitseifer strotzen, wurde vom 1.2. bis zum 3.2. 48 Stunden lang "dauer-gelehrt". Eine Vorlesung , ein Seminar nach dem anderen- fast die gesamte Dozentenschaft beteiligte sich an dieser Strapaze. So kam es, daß in der Uni- Hildesheim um 3 Uhr früh Vorlesungen über romantische Ästhetik, Computersimulaion mit HISPEX und "Kurt Cobain - der Werther der 90er Jahre?" gehalten wurden.

Um die Hildesheimer Bevölkerung zu moblisieren, sammelte man Unterschriften und hielt Lehrveranstaltungen in Bahnhofshallen und Kaufhäusern ab. Dabei stießen die Dozenten und Studierenden fast ausschließlich auf positive Resonanz.

Ein weiterer Höhepunkt war mit Sicherheit die kurzfristige "Besetzung" des MWK in Hannover. Am 7.2. "besetzten" 50 Studenten das MWK, verköstigten die verdutzten Beamten mit Kaffee und Kuchen, putzten Scheiben, oder gaben ihre musikalischen Begabungen zum Besten. Das Presseecho entsprach trotz allem nicht den Erwartungen. "Solange kein Blut fließt, ist es schwierig, von den Medien wahrgenommen zu werden," kommentiert ein Student das Problem.

Den Landesvater Gerhard Schröder schienen die Aktionen der Hildesheimer Streiker kalt zu lassen: er verweigerte jede Diskussion. Sichtlich warm wurde ihm jedoch, als 15 als Journalisten getarnte Hildesheimer Studierende seine Landespressekonferenz unterwanderten. Vor laufenden Kameras hängten sie ein Plakat "Schröder HILF!" hinter ihrem Landesvater auf, und verteilten unter der anwesenden Journaille Flugblätter. Auf Fragen zum Thema "Bildungsabbau" antwortete Schröder spürbar genervt. Obwohl die Studierenden so manchem anwesenden Fernsehteam ein Interview gaben, mußten sie feststellen, daß ihr Anliegen in den Nachrichten höchstens erwähnt wurde, wenn überhaupt.

Vom 9.-11.2. luden die Hildesheimer Streiker dann zum landesweiten Kongreß "gegen BildungsDeform und Kürzungswahn" ein. In Diskussionsrunden und Arbeitsgruppen kamen die Studierenden überein, daß man unbedingt verhindern müsse, daß es zwischen den einzelnen Unis zu Verteilungskämpfen kommt. Vor dem Hintergrund der damaligen Streiks in Frankreich forderten sie nicht nur bundesweite, sondern europaweite Solidarität. Wenn die Landesregierung bei steigenden Studentenzahlen die Etats der Universitäten in Niedersachsen wirklich um 380 Millionen Mark kürzen wolle (also um mehr als die Jahresetats der Unis Hildesheim, Oldenburg, Lüneburg und Osnabrück zusammen), "müsse man sich über möglichst effektive Arten gewaltlosen Widerstands Gedanken machen". Da die Kürzungen in den einzelnen Bundesländern jedoch zeitlich versetzt durchgesetzt werden, bleibt fraglich, ob eine bundesweite Kooperation der Studierenden entstehen wird. Auf die Frage wo denn, wenn nicht bei den Universitäten, gekürzt werden solle, antwortet ein Student spontan: "Beim Wiener Opernball".

Mittlerweile wurde Hildesheim schon als Favorit für ein Koordinationszentrum bundesweiten Protests gegen Bafög-Verzinsung, Studiengebühren und Bildungsabbau gehandelt. Schließlich hatte der Streik in Hildesheim eine "Solidarität zwischen den Studenten hervorgebracht, die man bis dato nicht erwartet hätte." Und obwohl die Zukunft der Hildesheimer Uni völlig unklar bleibt, die Politiker sich von ihrer arroganten Seite gezeigt haben, und die Medien sich nicht angemessen für den Streik interessiert haben, gibt es doch Dinge, die Mut machten. So schickte Martin Walser den Hildesheimern höchstpersönlich ein "Soli-Fax", in dem er seinen Protest darüber zum Ausdruck brachte, daß die Hildesheimer Uni mit ihrer "einzigartigen Atmosphäre" um "ein Viertel ihres Daseins gebracht werden soll". "Das ist nun wirklich Sparen am FALSCHEN Platz," so Martin Walser.

Seit Beginn des Sommersemesters wird in Hildesheim nicht mehr gestreikt. Uneinigkeit über Fortsetzung oder Abbruch des Streiks haben dazu beigetragen, daß den Studierenden die Kraft ausging. Im Kampf David gegen Goliath hat Goliath zunächst gesiegt: die Verlegung der Informatik ist beschlossene Sache. Nun soll Hildesheim zu einem Schwerpunkt für Erziehungswissenschaften werden, was bei den Studierenden auf Unverständnis stößt: wenn sowieso weniger Lehrer eingestellt werden sollen, wieso will man dann mehr Lehrer ausbilden? (fw)


Preußenmodell

Studiengebühren in Berlin

In Berlin ist bekanntlich alles irgendwie größer als sonst überall in diesem Land - Einwohnerzahl und Fernsehturm zum Beispiel. Es wunderte auch niemanden, als im Gefolge des finanziellen Bonner Frühjahrsloches auch die eben neu eingesetzte Berliner Finanzsenatorin plötzlich ein Loch fand. Im Gegensatz zu ihrem Kollegen Waigel war sie dann aber auf der Suche nach dessen Boden nicht ganz so erfolgreich. Die erste Amtshandlung von Frau Fugmann-Heesing war dann auch, die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen.

Als nächstes erklärte sie das Land kurzerhand für bankrott, und der ebenfalls frische Kultussenator Radunski die Studenten nebst dem mittlerweile todgeweihten Schillertheater als hauptschuldig. Allein in diesem Jahr müssen die Berliner Universitäten per Senatsbeschluß 196 Millionen Mark einsparen, weitere 251 Millionen bis zum Jahre 2003. Das Geld sollen sich die Unis von ihren Studenten wiederholen, denn, so Radunski, "die können ja auch zweimal im Jahr in den Urlaub fliegen". Ohne Rücksprache mit den Universitäten (von den Studenten ganz zu schweigen) bastelte er dann seine Ideen in das mittlerweile verabschiedete Haushaltsstrukturgesetz 1996 ein. Konkret: Schließung diverser Fakultäten, Stellenabbau und Sachmittelkürzung in Höhe von 50 Millionen Mark, Reduktion der Studierendenzahl von derzeit 115.000 auf 85.000 und: eine Erhöhung des Semesterbeitrags von derzeit 40 Mark (in Berlin gibt es kein Studiticket) auf 100 Mark, wobei die damit jährlichen Mehreinnahmen von ungefähr 12 Millionen Mark als "Verwaltungsbeitrag" über diverse Umwege aus den Kassen des Studentenwerks in die Kassen der Universität fließen. Genauso ehrlich wie dreist nannte Radunski das Kind gleich beim Namen: Studiengebühren, und "wenn es nach mir geht" seien 100 DM nur der Zwischenschritt zu 1.000 DM.

Vor allem vor dem Hintergrund dieser Äußerung erlebt Berlin nach zunächst entsetzensgeprägter Lähmung die massivsten studentischen Protestaktionen seit langem. Anfang des Semesters demonstrierten über 30.000 Studenten in seltener Einmütigkeit mit Professoren und Rektoren gegen die Senatsbeschlüsse (auch wenn Professoren und Studenten zunächst, etwas albern, in getrennten Straßen marschierten). Vorlesungen und Seminare finden im Moment regelmäßig in der Öffentlichkeit statt, sei es auf dem Alexanderplatz, in der U-Bahn oder im Zoo: Das von Radunski gemalte Bild des faulen Studenten soll öffentlich korrigiert werden. Für die laufende Woche sind Uni-Besetzungen geplant, und die wöchentlichen Vollversammlungen der drei großen Universitäten sind mit jeweils bis zu 3000 Studierenden bis zum Bersten gefüllt.

Exemplarisch für die professorale Reaktion sei hier der letzte Satz einer "Erklärung der zwölf Dekane", der die Humboldt-Universität zitiert: "Wenn gegenwärtig diskutiert wird, ob sich Berlin seine Universitäten leisten könne, stellt die Humboldt-Universität die Frage, ob Berlin sie verdient."

Die Landesastenkonferenz befürchtet, daß an Berlin ein Exempel statuiert werden soll und mahnt alle deutsche Asten zur Wachsamkeit. Das Wort von der schleichenden Einführung der Studiengebühren macht die Runde, denn mit dem Argument der Einheit und Vergleichbarkeit des deutschen Hochschulwesens könnten vorpreschende Landespolitiker wie jetzt in der Hauptstadt schnell Wegbereiter eines nationalen Trendes werden.

Noch eine andere Neuerung, die im Senat wahrscheinlich mit der Einstellung "Proteste gibt es so oder so" gleich mitverabschiedet wurde, ist aufgrund ihrer Tauglichkeit als Präzedenzfall von überregionalem Interesse. Sie setzt in deutschlandweit bislang nicht dagewesenem Maße die Hochschulautonomie außer Kraft. Ein "Finanzkommission" genanntes Gremium entscheidet über die Verteilung der Hochschulmittel, Fakultätsschließungen, Studiengebühren, etc. Ihm angehören sollen jeweils neun Professoren und Regierungsmitglieder. Im Falle eine Patts hat dann der zweifellos kompetenteste das letzte Wort: der Wissenschaftssenator selbst.

Die nächsten Wochen werden zeigen, ob die Berliner Hochschulproteste das Inkrafttreten des Gesetzes noch in letzter Minute werden verhindern können. Die Studierenden im Rest der Republik jedenfalls sollten im eigenen Interesse die Daumen drücken. (gvg)


Wein und Würfel

Die ersten Rektorbücher der Uni

Richten wir einmal mehr den Blick auf längst vergangene Zeiten unserer Universität. Deren Rektorbücher des 14. und 15. Jahrhunderts, die der ruprecht in dieser und der nächsten Ausgabe auszugsweise vorstellen will, beleuchten bedeutende und weniger bedeutende Ereignisse am Quell allen Heidelberger Wissens aus der Gründerzeit (für Ignoranten, Erstsemester und Medizinstudenten: Gründung der Ruperto Carola am 18.10.1386 durch Kurfürst Ruprecht I.) Die Einträge dokumentieren erstaunliche, leider in Vergessenheit geratene demokratische Errungenschaften, frühe Bemühungen um Tierschutz aber auch eine für freiheitlich-demokratische Wohlstandsfratzen eher befremdliche Sittenstrenge.

1) Vom 23. Juni 1393 an für die Dauer von zwei Jahren ist jeder Doktor und Magister der Universität zum Rektor wählbar, wenn der größere Teil der Wahlberechtigten sein Votum für den Kandidaten abgibt; unter Umständen kann nach vorherigem Beschluß der Universität auch ein Scholar höheren Standes gewählt werden.

2) Gewählt werden soll von allen Doktoren und Magistern. Falls eine Einigung nicht erreicht werden kann oder auf Verlangen einer Fakultät, sollen die einzelnen Doktoren und drei zu Beginn jedes Rektorates für die Beratungen des Studiums zu bestimmende Artistenmagister das Wahlgremium bilden. Falls auch dann kein einvernehmliches Ergebnis erzielt werden kann, stellt jede Fakultät einen Wahlmann.

1394 Aug. 2: Gegen Scholaren, die unbewaffnet die nächtliche Ruhe stören, Gefäße umwerfen und Schweine herumjagen, wird ein Gulden Strafe angedroht, der je zur Hälfte der Universität und dem Rektor zukommt.

1394 Okt. 11: Der Rektor (Johannes de Noet), Wilhelm de Fontibus, Nikolaus Burgmann, Herrmann von Höxter und Berthold von Dieburg suchen den Rat der Stadt in dessen Haus bei Hl. Geist auf, um die in den Privilegien zugesicherte zollfreie Weineinfuhr anzumahnen. Der Rat beschließt, die Privilegien in vollem Umfang zu beachten unter der Bedingung, daß, um Betrug zu vermeiden, jede Weineinfuhr dem Bürgermeister vorher angekündigt werde.

1394 Okt. 15: Anweisung an den Pedellen (Johannes Vincke), in den "Schulen der Magister", wie auch in den Bursen der Magister und "Nicht-Magister", das Statut gegen das Würfelspiel zu verkünden und Zuwiderhandelnde anzuzeigen. Dieses verbietet bei Strafe eines Guldens die Beteiligung am Würfelspiel und verlangt die Anzeige innerhalb von drei Tagen durch alle, die Aufsicht über studentische Unterkünfte haben.

1394 Nov. 3: Es wird beschlossen, Werner (Fabri) aus Lorch in der Diözese Mainz, der wider das Statut gegen nächtliches Umherstreifen verstoßen hat und bisher zur Gerichtsverhandlung darüber nicht erschienen ist, öffentlich in den Veranstaltungen der Universität und durch Anschlag an den Kirchentüren auf den neunten Tag vorzuladen. Gemäß dem Text der Ladung soll er von der Universität ausgeschlossen werden, wenn er die Anschuldigungen nicht entkräften könne.

1394 Juli 18/25: Wilhelm de Fontibus aus England erklärt im Auftrag der Universität "mit lauter Stimme" in der Universitätskapelle, daß Johannes von Preußen aus der Diözese Köln entgegen einem früheren Gutachten vom 22. Juli 1392 nach einstimmigem Beschluß der Doktoren und Magister nicht als Häretiker zu betrachten sei. Nach mündlichen Angaben des Dominikaners Nikolaus Bockeler, Inquisitor für die Diözese Mainz, und nach den schriftlichen Unterlagen stünden die ihm seinerzeit vorgeworfenen Thesen nicht fest. Leichte, in solcher Bedrängnis geäußerte Irrtümer seien in Anbetracht der Belehrbarkeit des Verdächtigen nicht ausschlaggebend.

1396 Juni 23: Marsilius de Inghen wird von der Wahlversammlung zum Rektor gewählt.

1396 Aug. 20: Beginn des Rektorats von Johannes de Noet am Todestag des Rektors Marsilius von Inghen, des Thesaurus an St. Andreas zu Köln, Begründers des Studiums und ersten in Heidelberg zum baccalarius formatus promovierten Doktors der Theologie. Marsilius vermacht der Universität viele theologische und artistische Bücher und andere Wertgegenstände. Er wurde vor dem Hochaltar in St. Peter bestattet.

1396 Aug. 21/23: Rektor Johannes de Noet lädt unter dem Rektoratssiegel alle Universitätsmitglieder bei Strafe für Ungehorsam und einer zusätzlichen Strafe von zwei Schillingen auf den 24. Aug. morgens nach Hl. Geist zum Absingen der Vigil und zur Totenmesse für Marsilius von Inghen.

1396 Nov. 24: Der Rektor (Johannes de Noet) verbietet allen Angehörigen und Scholaren der Universität, innerhalb Heidelbergs Tauben der Einwohner zu fangen. Neben der Rückgabe der Tauben wird eine Strafe in doppelter Höhe des Schadens angedroht. (mm)


Stummer Marstall

Radioprojekt startet nur in Mannheim

Nach einigen verfrühten Ankündigungen (auch im ruprecht) haben es die InitiatorInnen des "Mensafunkes" anscheinend geschafft: Ab nächster Woche werden die Mannheimer Mensen mit einem von Studierenden gemachten Radioprogramm beschallt.

Mannheimer Mensen? Richtig, nur die. Denn aus dem studentischen Radio-Projekt, das ursprünglich gemeinsam von Mannheimer und Heidelberger Studierenden gemeinsam ins Leben gerufen worden war, haben sich mittlerweile alle Heidelberger TeilnehmerInnen zurückgezogen. "Einige bekommen immer noch Einladungen zu den Treffen", berichtet Annelie Malun, eine der Mannheimer Organisatorinnen, "aber zu den letzten Treffen ist dann niemand mehr aus Heidelberg gekommen. In Mannheim dagegen haben wir schon zehn bis zwölf Leute, die regelmäßig mitarbeiten".

So startet das Studierenden-Radio nur in Mannheim und nur mit Mannheimer Beiträgen. Dabei gibt es mit der "AG Funk" in Heidelberg schon seit Jahrzehnten ein Gruppe von radiointeressierten Studierenden, die selbst eine Sendung produzieren.. Dort aber hatte man sich über Bestrebungen der Mensafunker geärgert, an der AG Funk vorbei einen Sendeplatz beim Süddeutschen Rundfunk zu bekommen. Der eigene, ohnehin nur einmal im Semester eingeräumte Sendetermin, schien in Gefahr.

Ein ärgerlicher Konflikt, denn die technischen Voraussetzungen und sogar die Genehmigung des hiesigen Studentenwerkes sind vorhanden; damit es auch in den Heidelberger Mensen mit der Ruhe vorbei sein kann. Es müßten sich eben nur auch in Heidelberg Leute finden, die Rundfunk machen - als studentische Alternative zum "Campus-Radio Baden", das von den Pressestellen der vier badischen Universitäten verantwortet wird.

Oder es müßten sich ganz einfach zwei Gruppen, die ohnehin Ähnliches wollen, zusammentun. (hn)

Die Radio-AktivistInnen treffen sich jeden Freitag um 15.00 Uhr im Mannheimer AStA, L 4,12. Informationen über die Arbeit gibt es bei Annelie Malun, e-mail malun@restrum.uni-mannheim.de.
Die AG Funk trifft sich Donnerstags, 18.45 Uhr am Klingentor.


Heidelberg


Graue Mördermäuse

Ingrid Noll und ihre Krimis

Die erste Frage nimmt die Dame im bunten Pulli und den zerstrubbelten grau-schwarzen Haaren gleich vorweg: "Wie kommt eine Frau von 55 Jahren dazu, plötzlich ein Buch zu schreiben?" Antwort: "Ein Mann, drei Kinder, eine Oma und ein Haus haben mich bis dahin einfach zu viel beschäftigt." Aber dann mußte sie ihrem Mann, der eine Praxis als Internist hatte, nicht mehr als Arzthelferin zur Seite stehen, die Kinder waren aus dem Haus, und auch der Dackel "Jakobowski" (nach einer Werfel-Figur) war alt genug, um nicht mehr ständig im Haus rumtollen zu müssen. Zeit genug also für Ingrid Nolls ersten Roman: "Der Hahn ist tot", ein süffig-ironisches Buch, das sie schlagartig in Deutschland zu einer der bekanntesten Kriminalautorinnen werden ließ. Es folgten "Die Häupter meiner Lieben" und "Die Apothekerin", sowie ein Kinderbuch ("Der Schweinepascha"), das Ingrid Noll auch selbst illustrierte. Inzwischen sind ihre Bücher Krimifans ein fester Begriff; das für Juli angekündigte neue ("Kalt ist der Abendhauch") wird schon mit Spannung erwartet. Noll wird u.a. ins Englische, Spanische, Italienische, Schwedische und Ungarische übersetzt; "Der Hahn ist tot" und "Die Apothekerin" sollen demnächst verfilmt werden.

Schon immer wollte Ingrid Noll schreiben. "Ich dachte immer, ich kann schreiben, und irgendwann versuch ich's mal", sagt sie lachend. "Natürlich war da viel Glück dabei", räumt sie ein: gleich der erste Verlag (Diogenes in Zürich) nahm ihren Erstling begeistert auf - davon können andere, die fertige Manuskripte in der Schreibtischschublade liegen haben, nur träumen. Dabei wollte die Autorin zuerst "nur mal so für mich selbst schreiben". Dann zeigte sie das Manuskript der Familie, ihren Schwestern und besten Freundinnen. Die waren begeistert und rieten ihr, es doch mal einem Verlag anzubieten.

"Die Schreiblust hatte mich schon als kleines Kind gepackt", meint die Schriftstellerin heute. Damals schrieb sie kleine Geschichten in Vokabelhefte, "und fühlte mich dabei wie ein großer Dichter." Ihre Kindheit verbrachte Ingrid Noll in China, wohin ihre Eltern im Dritten Reich auswanderten. Die Kinder gingen nicht zur Schule, sondern wurden von den Eltern privat unterrichtet; 1949 "kamen die Kommunisten und alle wollten weg." Noll studierte dann Germanistik und Kunstgeschichte, doch statt eines Examens fand zunächst einmal die Heirat statt und es folgten schnell drei Kinder. Ein Sohn studiert Ethnologie in Heidelberg, ein anderer arbeitet als Musiker für Theater und Fernsehen oder nimmt eigene Platten auf, eine Tochter studiert Germanistik in Berlin. Ingrid Noll selbst wohnt in Weinheim, in einem netten Hexenhäuschen, mit Efeu und lila blühendem Flieder.

Natürlich, ein bißchen stressiger ist es schon geworden: Interviews, Lesereisen, Anfragen der Übersetzer, Fernsehauftritte. Wenigstens die will sie jetzt reduzieren: "Immer die gleichen Fragen und Antworten, da wird man ja zum Papagei."

Aber der größte Schritt war der innerhalb des eigenen Schreibens: "Ich war zwar schon immer gut im Aufsatz, hatte immer 'ne Eins, was auch lebensnotwendig war wegen der Fünf in Mathe. Aber von kleinen Geschichten, für die man ein paar Tage oder eine Woche braucht, bis zu einem richtigen Buch, das ist schon eine ganz andere Arbeitsweise." Dabei arbeitet Noll nicht unter Zwang, "sondern nach Lust und Zeit, wie es mir gerade paßt." In ihrem kleinen Arbeitszimmer, hell, große Fenster, mit MiniStereo-Anlage und Bildschirmschreibmaschine hat sie am ehesten Muße zum Schriftstellern. Für ihren Erstling, "Der Hahn ist tot", schrieb sie die Handlung in drei Wochen runter, dann ließ sie das Buch ein paar Wochen liegen und sah es dann mehrfach nochmal durch. Nach dem unerwarteten Erfolg und nachdem sie sich von dem Geld erst einmal eine neue Dachrinne gekauft hatte, "hab ich dann Blut geleckt, und auch der Verlag hat durchblicken lassen, daß er durchaus Interesse an einem zweiten Buch hätte."

Während im "Der Hahn ist tot" eine 50-jährige Frau die Protagonistin gibt, sind die beiden "Heldinnen" von "Die Häupter meiner Lieben" zu Beginn des Romans gerade einmal 16 Jahre alt. "Ich möchte möglichst alle Altersschichten einmal behandeln", erklärt Noll. Im neuen Buch wird die Heldin eine 80 Jahre alte Frau sein. Die Bücher Nolls sind auf eine surrealistische Art blutrünstig; mit einem guten Schuß Nonsens gemischt, geschehen die schlimmsten Morde oft en passant. "Mich interessiert das Warum eines Mordes, die psychologische Ebene. Besonders zwangsneurotische Personen finde ich interessant, die grauen Mäuse, denen man die Fähigkeit zu morden nicht ansieht."

Figuren und Emotionen der Personen in den Krimis sind realistisch gezeichnet, während die Morde selbst meist einen Touch Irreales haben und auch mit einer lässigen Nonchalance über kriminaltechnische Details hinweggehen. Dem wollte eine Bewunderin Nolls, die Polizistin war, abhelfen und lud die Autorin zum Besuch ins Polizeipräsidium. Noll fand zwar alles sehr interessant, aber immer noch ist sie der Meinung, daß man anstatt über diffizile kriminaltechnische Konstruktionen zu grübeln, besser "über das schreiben sollte, was man kennt", über Gefühle und beinahe alltägliche Erlebnisse. So sind auch die Situationen vor den Morden dem Leser bekannt, wer hätte nicht schon daran gedacht, einen ärgerlichen Mitmenschen umzubringen...? Der Unterschied liegt nur darin, daß Nolls Figuren diese Grenze dann überschreiten. Auch örtliche Umstände oder gewisse Details von Bekannten oder auch ihr selbst läßt Noll gerne in ihre Romanfiguren einfließen: "Die Apothekerin z. B. liebt kleine Döschen und Schächtelchen, genau wie ich."

Ihre mörderischen Vorlieben erklärt Frau Noll so: "Ich wollte klein anfangen, nicht gleich die "Buddenbrooks" des 20. Jahrhunderts produzieren. Ich hab mich einfach eher getraut, einen Krimi zu schreiben",

Apropos Morde: Die werden von ihr geschlechterparitätisch verteilt. Auch wenn ihr manche einen feministischen Anspruch anheften wollen, sagt Noll, daß sie "kein bestimmtes Prinzip verfechten" wolle. Und männerfeindlich sei sie auch nicht: "Ich mag Männer gerne, schließlich hab ich ja selbst einen." (kw)


Ein Stück Auto

Car-sharing-Initiative in Heidelberg

Der Sozialismus sei kein Modell für die Zukunft, behaupten manche. Diese scheinen aber den Verein Ökostadt nicht zu kennen, denn unter dem Motto "Autos nutzen statt besitzen" führt dieser in seinem teilAuto-Projekt zumindest im Kleinen vor, wie man durch Verzicht auf eigenen Besitztum, sich, anderen und der Umwelt etwas Gutes tun kann. Durch das Teilen von Autos werden nämlich Rohstoffe und Parkplätze eingespart, Müll vermieden und der Straßenverkehr vermindert. Jeder hat sicher schon die Erfahrung gemacht, daß ein eigenes Auto vor der Haustür das Fahrrad- oder Bahnfahren merklich erschwert; so soll das Auto die umweltverträglichen Fortbewegungsmittel nur noch in Ausnahmefällen ergänzen.

Hört sich alles schön und nett an, aber wie sieht das konkret aus? Bekommt man auch immer ein Auto, wenn man es braucht? Ja, versichern die Nutzer, von denen es im Rhein-Neckar-Raum inzwischen zweihundert gibt. Selbst bei kurzfristiger Buchung (ca. 10 Minuten vorher) käme es nur sehr selten dazu, daß man auf ein entfernter parkendes Auto zurückgreifen muß. Und auch das sei erträglich, denn inzwischen stehen in Heidelberg acht Kleinwagen zur Verfügung, die nach vorheriger telefonischer Buchung nach Kilometertarif (0,40 DM/km inklusive Benzin) und Zeittarif (2-3 DM/h) akkumulativ berechnet werden. Billiger wird es bei Buchungen für ganze Tage oder Wochen, so daß auch Urlaubsreisen oder Wochenendausflüge möglich werden. Sollten dies jedoch die einzigen Nutzungen bleiben, so empfiehlt es sich, einen Mietwagen zu buchen, denn mit den Wochenendpreisen der kommerziellen Anbieter kann das Car-Sharing-System nicht mithalten. Da die Ökostadt nicht gewinnorientiert arbeitet, unterstützen einige Nutzer zu den Bürozeiten die Arbeit der einzigen hauptamtlichen Mitarbeiterin freiwillig.

Das Carsharing-System wendet sich somit an Umweltbewußte, die weder beruflich noch privat gezwungen sind, häufig per Automobil unterwegs zu sein. In den dünnbesiedelten, ländlichen Gegenden des Odenwaldes wird es kaum möglich sein, ein akzeptables Angebot an Teilautos zu schaffen - dort erleichtert eine Haltestelle des ÖPNV in der Nähe den Schritt hin zu Bus und Bahn.

Für Studierende mit eigenem Kraftfahrzeug könnte Car-Sharing eine Möglichkeit sein, auf das eigene Auto zu verzichten, wenn es nicht vorwiegend zu Wochenendheimfahrten benutzt wird, da in diesen Fällen die Bundesbahn nur unter ökologischen, nicht aber unter finanziellen Aspekten eine Alternative bietet.

Die Ökostadt teilt aber nicht nur Autos, sondern auch etliche Konsumgüter vom Frack über den Grill bis hin zum Klavier, die man nicht täglich braucht. Jeder, der etwas anzubieten hat, bekommt einen Katalog umsonst, für alle anderen ist dieser für 10 DM bei Ökostadt Heidelberg (Tel.160843) zu erhalten. (te)


1. Mai - Studis war'n dabei

... und beerdigen die Bildung

Auf der diesjährigen 1. Mai -Kundgebung, die diesmal deutlich stärker frequentiert war als sonst, beteiligte sich in diesem Jahr neben dem DGB und anderen linksorientierten Gruppen auch das Studi-Bündnis "Zahltag", dem der rote Splitter, die PDS-HSG, Juso-HSG, FSK, LHG und viele Einzelpersonen angehören.

Das Motto zum "Tag der Arbeitslosigkeit", so der DGB-Aufruf, lautete "Chancengleichheit der Bildung zu Grabe tragen", wobei ein Sarg und Erde vom Studi-Bündnis organisiert wurden. Da Deregulierung und Sozialklau auch vor der Bildung nicht halt machen, entschloß sich das Bündnis, gemeinsam mit den Arbeitnehmern, mit denen wir Studis sozusagen in einem Boot sitzen, zu protestieren. In der Grabrede wurde von den beiden RednerInnen vor allem kritisiert, daß aufgrund der angeblichen Standort- und Konkurrenzprobleme Deutschlands versucht werde, ausgerechnet an den Errungenschaften der 60er und 70er Jahre in der Bildung zu sparen, obwohl gerade diese qualitativ hohen Qualifikationsstandarts, die in der Bildung erkämpft wurden, heute von der Wirtschaft dringender gebraucht würden, als in der Vergangenheit. Zum Argument der leeren Kassen verwiesen die beiden RednerInnen auf die Rekordgewinne der Unternehmen bei gleichzeitiger Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von unten nach oben und der Lasten von oben nach unten. Damit müsse nun endlich Schluß sein. Statt dessen sei das Ziel Chancengleichheit und soziale Gerechtigkeit für alle. Es werde "höchste Zeit für neue Zeiten". Es ist zu erwarten, daß das "Zahltag- Bündnis", das parteiübergreifend aus der Debatte um BAföG-Verzinsung und Studiengebühren entstanden ist, noch öfters von sich hören läßt, da im Koalitionsvertrag von CDU und FDP Studiengebühren von 1000 DM pro Semester ab den 14. Semester, neben anderen Grausamkeiten, beschlossen worden sind. (mj)


Feuilleton


ruprecht on the record

Musiktips und Meinungen

ZAP:
ZAP

Was kommt heraus, wenn sich vier Schweizer Profi-Jazzer die Ohrwürmer aus der Glotze nehmen, um sie gnadenlos zu verjazzen? Eine CD, die zum Platzen witzig ist, ohne albern zu sein. Mit großem musikalischen und technischen Können verwurstet hier das Quartett um Hans Feigenwinter Melodien, die man kennt, ohne es zu wissen. Ob Tatort, Derrick, Dallas, Munsters, Monty Python's Flying Circus - es gibt kein Erbarmen! Dabei gehen die Musiker so intelligent und stilvoll vor, daß man abwechselnd andächtig lauscht und sich dann wieder vor Lachen den Bauch hält. (fw)

Sepultura:
Roots

Sepultura thronen über den Wolken, die Winde lagern schwarz um ihre Stirn, und Max Cavalera ist ein Baal, der Botschaften von Wut und Zerstörung auf das Weltgebäude herab-schreit.

Ihre Musik ist zwingend einfach. Das brasilianische Trash-Metal-Quartett Sepultura traktiert seine Instrumente mit großer Präzision und erzeugt ein nur ansatzweise melodisches Unisono von stählerner Härte. Anders als auf dem drei Jahre zurückliegenden Vorgänger, Chaos A.D., den die Gruppe mit Industrial-Elementen angereichert hatte, arbeiten Sepultura auf ihrem Musikalbum Roots, das Anfang dieses Jahres erschienen ist, mit überzeugend integrierten Versatzstücken der eingeborenen Kultur ihrer südamerikanischen Heimat.

Bei aller typischen Rohheit ist es nicht die dumpfe, die dekadente Faszination faschistischer Massenaufmärsche, die von dieser Musik ausgeht: Sie ist stark, aber nicht gewaltsam. Wenn sich der Klang auf mannigfaltige Weise zu statischem Donnern fügt, wenn der Vokalist Cavalera unüberhörlich bekundet: "I'll fight to save another day" oder "Suffering life makes us rise", dann gilt, was Hölderlin sagte: Ihre Kraft ist ihre Freude. (jpb)

Labelportrait:
Nexus Records

Öfter mal was Neues, dachten sich Thomas Rudorfer und Frank Buckel und gründeten im Januar 1996 in Tauberbischofsheim das Plattenlabel NEXUS-Records, von dem bereits vier überdurchschnittliche Veröffentlichungen vorliegen. Daß die Macher dabei mehr geplant haben als die Strategie "bum, bum und Geld macht schön", zeigt die Aufteilung von NEXUS in drei Sublabels, von denen jedes eine eigene Bandbreite elektronischer Dancemusic präsentiert. So stehen die bisher zwei Releases mit dem grünen Labellogo (NEXUS/ The next chapter) für den Stil Techno/Trance, produziert wurde hier von Frank Buckel.

Das Sublabel "NEXUS/ Kingdom of house" (Farbe rot) bringt uns die, wie der Name schon sagt, House-Musik näher, wobei hier bisher eine Platte erschienen ist, "Q-Tips", produziert von DJ SebBo, ebenfalls Harthouse, Karsten Erhard und wieder vom labeleigenen Frank Buckel. Mit dieser Maxi hat NEXUS bereits einen ersten Clubhit zu verbuchen. Der Videoclip zur Platte befindet sich gerade in Arbeit und dürfte bei Redaktionsschluß wohl abgeschlossen sein.

Aber auch die experimentelle Musik kommt bei NEXUS nicht zu kurz, auf dem gelben Sublabel "Experimetal" releaste Andy Jay Powl alias "Outerspace Boy" eine abgefahrene Elektroscheibe im Old-School-Stil. Der erste Schritt in die Labelwelt ist erfolgreich abgeschlossen, der nächste ist für Thomas, der sich als langjähriger DJ und Produzent (u.a. Les Bertas/ Nekropolis) im Geschäft auskennt, NEXUS-Records zu etablieren, wobei die bisherigen Veröffentlichungen im gutsortierten Fachhandel bundesweit erhältlich sind, aber auch schon in England erste Achtungserfolge erzielen konnten Das Interesse steigt, und die nächste Releaseserie erscheint Mitte Juni, die erste Label-Compilation ist als Doppel-CD für Ende des Sommers geplant, worauf mit Spannung gewartet werden darf. Einem dauerhaften Erfolg von NEXUS-Records dürfte beim Qualitätsstandard der bisherigen Platten eigentlich nichts im Wege stehen. Go on! (mk)

Fancy:
Colours of live

An Hits wie "Cheynese Eyes", "Bolero", "Latin Fire" und "Flames of love" aus den 80ern werden sich wohl nur die Bummel-Semester unter Euch entweder mit Entzücken oder Erschaudern erinnern. Jedenfalls, so finde ich, hat Fancy mal wieder ein schönes Album zum Abspannen und Schweben im "deep blue sky", so der Titel der aktuellen Maxi-CD, in die Läden (zumindest einige wenige davon) gebracht. Ebenso wie bei seinem 95er Album "Blue Planet Zikastar" verwendet er wieder herrliche Synthie-Sphärenklänge gemischt mit Disko-Rythmen und Schlagermelodien. Addiert ergibt das schöne Popsongs, die bessere Verkaufszahlen verdient hätten, als es zur Zeit der Fall ist. Aber das kann sich ja ändern.... Reinziehen sollte man sich unbedingt Titel wie "Road to Avalon", "Peace and harmony" und "Way of freedom". Störend wirken allerdings die Rap-Passagen bei "Money", trotzdem solltet ihr Euch den Genuß ausnahmsweise gönnen. (mj)

Various artists:
Dope on plastic

Bereits seit einiger Zeit kursiert in den Kreisen entspannter Menschen eine Serie dreier Doppel-LPs, die von John Stapelton für das Label React zusammengestellt wurden. React, bekannt für gelungene und gut sortierte Stil-Compilations, fahren hier die derzeit sehr beliebte Trip-Hop- und Low-Jazz-Schiene, langweilen aber durch hervorragende Trackauswahl nie. So finden sich neben einigen Hits auch diverse Klassiker aus dem hip-hop-orientierten, jungle-beeinflußten und bisweilen sehr jazzigen Stadl britischer Musikanten auf den drei Alben.

Sehr nett ist außerdem auch das Design der Serie, bei dem neben Bongs, Old-School-Sneakers und Elvissen mit Ziegenbärten eigentlich nichts aus der gutgestylten Kultur des Hang-Outs fehlt. Und das ganze gibt es auch noch in wirklich kultigem pink Vinyl. Jus' a lil' dope, man.

(mk)


Singender Brei

Bill Wattersons letztes Calvin & Hobbes-Album

Millionen Comicfans in der ganzen Welt trauern: Bill Watterson beendete Anfang des Jahres seine äußerst erfolgreiche Serie um einen vorlauten Jungen und dessen lebendigen Stofftiger: Calvin & Hobbes, der erfolgreichste Comicsstrip, erschien weltweit in über 2000 Tageszeitungen und erfreute nicht nur durch Calvins enervierende Art oder Hobbes subtilen Humor, sondern auch durch die philosophischen Diskussionen während waghalsiger Schlittenfahrten. Das nun endgültig letzte teilkolorierte Album - dies prophezeite Watterson - "There is treasure everywhere", rechnet ab mit Dinosauriern, Miss Wormwood und sonstigen Problemen des Lebens.

Hervorgehoben seien aber auch eine ausgezeichnete Hamletinterpretation von Calvins Frühstücksbrei und als besondere Gäste: zahlreiche Schneemänner, natürlich keine normalen, sondern wahre Geschöpfe des Irrsinns. Als einzigen Kritikpunkt muß man aber das völlige Fehlen von "stupendous man" erwähnen. (jr)


Unbekannter Ossi

Poetik-Dozentur der Stadt Heidelberg 1996: Volker Braun

Die Heidelberger Poetik-Dozentur ist inzwischen zu einem festen Begriff geworden. Die Einrichtung, geschaffen, um einem breiteren Publikum die Möglichkeit zu geben, eine(n) Autor(in) und dessen Werk so hautnah wie möglich zu erleben, geht bereits in ihr viertes Jahr. Die Dozentur wird von zwei Studierenden des Germanistischen Seminars vorbereitet und organisiert, in diesem Jahr sind dies Uta Becker und Ralf Bentz. Nach Martin Walser, Ulla Hahn und Dieter Kühn ist diesmal der in Sachsen geborene und lebende Autor Volker Braun für drei Wochen Gast in Heidelberg.

Braun, 1939 in Dresden geboren, ist Lyriker, Dramatiker und Prosaautor zugleich. Da er nach dem Abitur in der DDR zunächst keinen Studienplatz bekam, jobbte er von 1957 bis 1960 als Druckereiarbeiter, Tiefbauarbeiter und Maschinist für Tagebaugroßgeräte. 1960 begann er dann schließlich, in Leipzig Philosophie zu studieren (Diplom 1965). In den Jahren 1965/66 war Braun Dramaturg am Berliner Ensemble und ab 1983 Mitglied der Akademie der Künste der DDR. Braun lebt heute als freier Schriftsteller in Berlin. Er erhielt unter anderem den Heinrich-Heine-Preis (1971), den Heinrich-Mann-Preis (1980), den Literaturpreis der freien Hansestadt Bremen (1986) und den Schiller-Gedächtnis-Preis (1992). Obwohl im Vergleich zu Autoren wie Heiner Müller oder Christa Wolf im Westen eher unbekannt, gilt Volker Braun doch als einer der bedeutendsten ostdeutschen Schriftsteller.

Seine Karriere begann der als umgänglicher und ruhiger Mensch geltende Autor mit Lyrik. Inzwischen konzentriert sich Braun vor allem auf seine Arbeit als Dramatiker, schreibt aber immer wieder auch Prosatexte. Braun gilt, anders als etwa Heiner Müller, der über seine Arrangements mit der Stasi stets nonchalant hinwegging, als überaus integer; außer als Objekt des MfS hatte er nie Kontakte mit der Mielke-Truppe, obwohl er immer Kritik an den Zuständen in der DDR übte, die seit den 80er Jahren immer schärfer wurde. In Brauns Verhältnis zum Sozialismus nach DDR-Manier lassen sich drei Phasen ausmachen: In den 60er Jahren herrschte in seinen Werken der Glaube an den Sozialismus vor. Erste Zweifel kamen dem Autor in den 70er Jahren, kritische Töne tauchten in seinen Texten auf, doch bleibt die Hoffnung auf Veränderung und Reformen. In den 80er Jahren schließlich erfolgte der Bruch des Schriftstellers mit der DDR; Braun wandte sich von nun an einer Art Geschichtsfatalismus zu. Die ideologische Desillusionierung schlug sich auch in den ästhetischen Formen nieder, die mehr ins Experimentelle gingen. Während der Wendezeit gehörte Braun (wie auch Christa Wolf) zu den Intellektuellen, die für einen "Dritten Weg" zwischen Sozialismus und Kapitalismus, für den Aufbau des "wahren Sozialismus" plädierten. Er unterschrieb 1989 den Aufruf "Für unser Land", in welchem eine Reform der DDR anstatt ihres Anschlusses an die Bundesrepublik gefordert wurde. Aus dieser Haltung resultiert Brauns seit 1990 zunehmende Kritik am Kapitalismus, die besonders die Problematik der Umweltzerstörung thematisiert.

Volker Braun wird sich insgesamt drei Wochen in Heidelberg aufhalten (20.-26. Mai; 3.-9. Juni; 17.-23. Juni). Den thematischen Schwerpunkt in dieser Zeit bildet das Hauptseminar über DDR-Literatur, das derzeit schon als Vorbereitungskurs stattfindet. Der Großteil der darin behandelten Texte ist von Volker Braun selbst oder von Heiner Müller. Das Seminar wird sich schwerpunktmäßig mit den Fragen nach der Antikenrezeption, der Bewertung der Aufklärung und der Moderne in der Literatur der DDR befassen.

Zum Auftakt der Poetik-Dozentur wird Volker Braun sich und sein Werk in einem Vortrag vorstellen (21. Mai, 19.30, NUni, HS 14). Am 23. Mai wird im Theater am Karlstorbahnhof Brauns Theaterstück "Böhmen am Meer" von Studierenden des Germanistischen Seminars aufgeführt. Das Stück erzählt von einem Tschechen, der einen Amerikaner und einen Russen zu sich einlädt, um ihre unterschiedlichen Ideologien aufeinanderprallen zu lassen. Einen weiteren Höhepunkt der Poetik-Dozentur bildet die Podiumsdiskussion Brauns mit Friedrich Dieckmann, Thomas Hettche und Brigitte Burmeister in der Stadtbücherei, die sehr kontrovers zu werden verspricht (5. Juni, 19.30; Moderation: Manon Andreas-Grisebach): Titel: "Schreiben nach der Wende". Lesungen in Buchhandlungen, Diskussionen mit Volkshochschulkursteilnehmern und SchülerInnen ergänzen das Programm. Am 20. Juni wird Braun einen Abschlußvortrag halten mit dem Titel "Das Ende der Unvollendeten Geschichte" (19.30, NUni, HS 14). Das Werk mit dem gleichnamigen Titel wurde 1977 von Braun veröffentlicht und erzählt von der (authentischen) Liebe eines jungen Mädchens zu einem Außenseiter der DDR-Gesellschaft. Braun schrieb seine Geschichte damals nach Interviews mit dem Mädchen, das in der Erzählung als Opfer der DDR-Gesellschaft gezeigt wird. Doch die Einsicht in Stasi-Akten habe, so Braun, inzwischen ganz neue Aspekte geschaffen, was auf einen spannenden Vortrag hoffen läßt. Zu der Erzählung gibt es auch einen Fernsehfilm ("Der Verdacht", 1994), zu dem Ulrich Plenzdorf das Drehbuch geschrieben hat.

Das komplette Programm der Poetik-Dozentur 1996 ist am Germanistischen Seminar der Universität Heidelberg erhältlich (Hauptstraße 207-209), oder auch bei städtischen Stellen. Weitere Informationen erteilen Ralf Bentz und Uta Becker unter 06221/543205. (kw)


Peinlicher Zwischenfall

Tschechows "Möwe" am Heidelberger Stadttheater

Eine "Komödie" in vier Akten untertitelte Tschechow seine im Jahre 1896 uraufgeführte "Möwe". Ganze Theatergenerationen haben sich mit der Interpretation dieser programmatisch anmutenden Anweisung abgemüht. Schließlich löst sich die Handlung der "Möwe" nicht in Wohlgefallen auf, sondern endet mit dem Selbstmord des jungen Schriftstellers Treplew. Seit dem 6. April 1996 wird die Geschichte des lustigen Suizids am Heidelberger Stadttheater gespielt.

Thomas Brasch, der 1945 in Yorkshire geborene Theaterautor, hat Tschechows Theaterwerk vor nunmehr rund zehn Jahren ins Deutsche übersetzt. Dabei hat er das Werk in nicht unwesentlichen Punkten bearbeitet. Wenn auch Braschs Übersetzung in der Regel für ihren rüden Wortschatz - typisch z. B. die Übertragung von "Kulak" als "Bauernbonzen" - kritisiert wird, so offenbart die Heidelberger Inszenierung von Guido Huonder die tieferen Schwächen dieser deutschen Bearbeitung.

Tschechow wählte als Handlungsschauplatz den Hof des russischen Gutsbesitzers Sorin. Seine schauspielernde Schwester, Arkadina, verbringt mit ihrem schriftstellernden Liebhaber Trigorin die Sommer auf Sorins Anwesen. Der Sohn der Arkadina, Treplew, versucht sich mit neuer Theaterkunst, um später seinen Weg als Schriftsteller zu suchen. Die junge Nina, die von Treplew geliebt und von Trigorin als Anschauungsobjekt in Sachen Liebe genutzt wird, zieht es ebenfalls zur Schauspielkunst.

Diese Konstellation verleitet dazu, das ganze Stück als Allegorie auf das Theater oder das schöpferische Schreiben allgemein zu verstehen. Diese Konzeption der "Möwe" scheint auch Huonder vor Augen zu haben. Die Selbstthematisierung des Theaters: Auf dem Vorhang zum Zuschauerraum ist ein zweiter aufgemalt. Die ersten zwei Sitzreihen sind mit Laken drapiert, vor Vorstellungsbeginn und in der Pause sitzt dort ein das Publikum repräsentierender Zuschauer.

Auf der Bühne eine zweite Bühne. Im ersten Akt hat sie Treplew auf dem Landsitz für sein lächerlich-tragisches Theaterstück aufbauen lassen. Diese Bühne bleibt nun entgegen Tschechows Regieanweisungen auch in den folgenden Akten zentral für das Bühnenbild (Gerd Herr). Der benachbarte See, an dem Treplews Stück gespielt wird, wird mit wenig subtilem Gestus als Zuschauerraum gedeutet. Trigorin wird wenig später darin nach Zuschauererfolgen angeln.

Alle Charaktere werden auf einen Kern reduziert, die Arkadina (Christine Häussler) auf die herzlose Mutter, Trigorin (Roland S. Blezinger) auf den schwatzenden Lüstling, der Landarzt Dorn (Hannsjörg Schuster) auf den ungehemmten Zyniker. Schauspielerei auf der Bühne im Bühnenbild, eingerahmt vom Theater im Theater.

Das alles wäre schön und gut, wenn es sich nur durchhalten ließe. Nicht nur macht jedoch das unsichere Ensemble den Eindruck, die Vorgaben der Regie nicht ganz verinnerlicht zu haben. Auch Huonder selbst scheint seinen allegorischen Einsichten in den Tschechow-Text nicht ganz getraut zu haben.

Die ersten drei Akte sind von Bühne und See geprägt, im vierten Akt lösen schwere Vorhänge den Eindruck der Weite ab. Der Schlußdialog zwischen Nina und Treplew läßt so zum ersten Mal auch die psychologische Enge Tschechowscher Charaktere spüren. Das seelenlose Nebeneinander der Figuren aus den vorherigen Akten kann er jedoch nicht vergessen machen.

Der Selbstmord Treplews, der im Original eine bedrückende Leere hinterläßt, wird von Brasch mit einer Ergänzung versehen: "Was ist denn jetzt los... Das Problem ist doch längst geklärt. Weder Komödie noch Tragödie, ein Zwischenfall." Diesen Wortlaut sucht man in der russischen Originalversion vergeblich. Die Möwe, einst von Treplew (aus Liebe!) für Nina geschossen und inzwischen ausgestopft in den Wohnzimmerschrank gewandert, kann sich über eine solch perfide Deutung nur wundern.

Die Reduktion des Stückes auf Selbstreflexion des Theaters um jeden Preis bekommt dem vielschichtigen Dramatiker Tschechow schlecht. Die Schauspieler wirken ziellos zwischen der menschlichen Verlorenheit der Tschechowschen Charaktere und den theoretischen Exkursen der Inszenierung. Schade um die Bühne, die Möwe, den See. Ein herber Mißerfolg für das Stadttheater, den das Publikum auf der Premiere mit peinlich kurzem Beifall quittierte. (tb)


Showbiz-Voyeur?

Christian McLaughlins Roman Soap

Wer einen Fernseher besitzt, stolpert täglich über amerikanische Soap-Operas mit Leben und Intrigen ihrer Helden. Gerade diese Kulturgattung fand in der Prosa bisher kaum Beachtung. Doch zu Monatsbeginn erschien Soap, das Debütwerk des Amerikaners Christian McLaughlin (Knaur-Verlag). Er erzählt darin die Geschichte des jungen, gutaussehenden Texaners Alexander Young, der durch die Hollywood-Seifenoper "Hearts Crossing" zum Schwarm aller Frauen aufsteigt, nach einem unfreiwilligen Outing als Homosexueller an Popularität verliert, von Schwulenverbänden wie von konservativen Kreisen angegriffen wird und schließlich von der Produktionsfirma der Serie fallengelassen wird.

Dem potentiellen Käufer wird das Buch auf der Rückseite als "bissiger Roman über das Hollywood hinter den glitzy (!) Kulissen" angepriesen - McLaughlin kennt sich als Drehbuchautor in der "Szene" schließlich aus -, doch die Erwartungen, die der Verlag beim Leser weckt, werden insgesamt enttäuscht. Beim Lesen gewinnt man den Eindruck, daß ihm die schwule Liebesgeschichte zwischen Alex und seinem Angebeteten wichtiger war (auffällig dabei McLaughlins "Liebe" zum Detail, z.B. "Alex... darf ich dich bitte in den Mund ficken?") als die Einblicke ins Hollywood-Treiben, die oberflächlich bleiben und jedem bereits bekannt sind. Zudem bietet der Roman kaum Spannung. Daß Alex seine Serienrolle verlieren wird, ist jedem schon zig Seite vorher klar, und auch das Liebes-Happy End à la Hollywood ist vorprogrammiert. (mab)


ruprecht goes to the movies

Filmtips - und vor allem Meinungen

(in Klammern die Anzahl der ruprechte)

ruprechts Notenskala:
- nicht empfehlenswert
* mäßig
** ordentlich
*** empfehlenswert
**** begeisternd

Dead Man Walking (4)

Man kann nur miteinstimmen in den allgemeinen Jubel: Dead Man Walking ist einer der besten Filme, der in letzter Zeit ins Kino kam.
Nicht nur Susan Sarandon spielt ihre Rolle als Nonne unwahrscheinlich überzeugend (wofür sie den Oscar erhielt); auch Sean Penn schafft es, den schwierigen Charakter des Schwerverbrechers meisterhaft dar-zustellen: sein pervertiertes Verständ-nis von Gerechtigkeit, seine triste Jugend, sein grauenvolles Verbrechen, doch auch seine Menschlichkeit. Und damit zeigt der Film die Spannbreite des Problems der Todesstrafe: Daß die Würde des Menschen größer ist als jedes seiner Verbrechen - oder auch nicht.

Der dritte Frühling (-)

Eine Horrorvision des Alters.
Eigentlich sollte es ja eine Komödie sein, aber wer das witzig findet, muß mindestens Alzheimer haben: Zwei alte Männer streiten sich und angeln, eine Italienerin ist rassig und zeigt Busen, eine Ehefrau ist eifersüchtig und gießt Blumen, ein Greis verliebt sich, und eine Blondine wird heiraten; selten so gelacht. Wirklich romantisch hingegen der Sternen-himmel mit Vollmond überm See und einer Unmenge Kometen; er träumt und sie träumt. Ja, ja, auch unsere Alten haben Gefühle und können sich noch küssen - trotz dritter Ehe und Zähne.

Teufel in blau (3)

Der Film erzählt die Geschichte des schwarzen Maschinisten Easy Rawlins, der auf der verzweifelten Suche nach einem Job in einen handfesten Politikskandal hineinstolpert. Ein komplizierter Handlungsstrang führt den unfreiwilligen Privatdetektiv auf der Suche nach der untergetauchten Verlobten eines Politikers quer durch das rassistische L.A. der späten 40er Jahre.
Dabei schwankt der Film zwischen harter Realität, eiskaltem Humor und stereotypen Klischees: Mörder werden durch verlorene Zigarettenschachteln entlarvt, schwache Frauen von starken Männern gerettet. Man bekommt den Eindruck, daß sich Produzent und Regiesseur nicht so recht einig waren, was sie eigentlich wollten: eine Satire auf die knallharte Männerwelt der Privatdedektive, den ersten schwarzen Phillip Marlow, oder ernstgemeinte Kritik am alltäglichen Rassismus? So bleibt der Film zwar immer unterhaltsam, hinterläßt aber viele Fragezeichen..

Die Piratenbraut (3)

Jaja, die lieben Verwandten... Nicht genug damit, daß die Morgans mit ihren Piratenzügen die friedliebenden Engländer daran hindern, ihre karibischen Kolonien in Ruhe auszuplündern, nein, sie müssen sich auch noch gegenseitig die Köpfe einschlagen. Dabei geht es, unentbehrliches Piratenfilmattribut, um einen GOLDSCHATZ, welchem die drei Gebrüder Harry, Mordechai und Doc auf ihren für Piratenschiffe erstaunlich adretten Wasserfahrzeugen hinterhersegeln. Harry und Mordechai fallen leider schon sehr früh einer List Docs zum Opfer und damit für den Rest des Films aus. Aber die Nichte Harrys (Geena Davis) spielt rachsüchtiges kleines Mädchen und macht Doc als "Piratenbraut" das Leben schwer. Dabei hilft ihr ein fließend Latein parlierender Glücksritter (Matthew Modine), den sie als Dreingabe zum Schatz am Ende auch noch behalten darf.

Renny Harlins "Abenteuer-Märchen" (weil "Piratenfilm" so nach verfaultem Schießpulver riecht, gell?) befriedigt sicher alle Fans der Sparte Piratenfilm, auch wenn das Drehbuch streckenweise etwas durchhängt und manche Gags so flach sind wie ein Korallenriff in der Karibik. Dafür gibt's Schätze, Degen, Pistolen, Augenklappen, Totenkopfflaggen und traumhafte Meer-Felsen-Brandungs-Aufnahmen en masse, sogar eine klasse Seeschlacht mit Kanonen und Entermanöver. Bestimmt keine epochemachende Produktion, aber prunkvoll und sogar recht authentisch ausgestattet. Ich jedenfalls l i e b e Piraten!


...und wir geh'n ins Uni-Kino

Programm von "Kino im Feld" und "Movie"

Ihr wolltet gerade ins Kino, habt aber soeben das riesige Finanzloch in Eurem Portemonnaie entdeckt; gerade noch läppische drei Mark fünfzig. Da es mit dem Handeln an den ufa-Kino-Kassen ziemlich schlecht bestellt ist, bleibt Euch nichts anderes, als zu Hause mit Thomas Gottschalk zu verschimmeln? Falsch! Es gibt ja das Uni-Kino, das auf finanzschwache Studikonten zugeschnitten ist.

Kino im Feld (INF 684)

9.5. (20 h) - Manhattan + Stardust Memory -
16.5. - Leolo
23.5. - Wer die Nachtigall stört
30.5. - Die Brücke
5.6. - Kleine Haie
13.6. - Daheim sterben die Leut'
20.6. - Yasemin
27.6. - Apollo 13
4.7. - Sister Act
11.7. - Asterix erobert Rom + Wallace and Grommit

"Movie" (in der Altstadt, Neue Uni, Hörsaal 13)

17.4. - Der erste Ritter
24.4. - Ed Wood
30.4. (Die.) -Stumme Zeugin
8.5. - Das Netz
15.5. - Stadtgespräch
22.5. - Mrs. Doubtfire
29.5. - Philadelphia
5.6. - Pulp Fiction
12.6. - Nine Months
18.+19.6. - Cannes Rolle 95
26.6. - Sieben
3.7. - Keiner liebt mich
10.7. - Rocky Horror Picture Show


Verschiedenes


Tartanteufel

Deutsch-Polnische Hochschulmeisterschaften der Leichtathletik

Mitte Mai schrubben sie wieder das Gummi: Deutsch-Polnische Hochschulmeisterschaften der Leichtathletik und Test für Olympia

Den Osten herausfordern. Am 18. /19. Mai. In Breslau. Dann trifft sich dort hochkarätige Sportprominenz zu den deutsch - polnischen Hochschulmeisterschaften der Leichtathletik. Bereits mehrmals in der Geschichte des deutschen Hochschulsports - über 150 Universitäten sind im Allgemeinen Deutschen Hochschulsportverband (ADH) organisiert - fanden solch länderübergreifende Meisterschaften statt. 1993 war Heidelberg Ausrichter der deutsch-französischen Hochschul-Titelkämpfe.

Rennen bis die Beine wegknicken. Springen bis die Latte dreimal unten liegt und doch gewinnt. Werfen und von vorneherein wissen, daß die Schwerkraft irgendwann doch stärker sein wird. Am Ende unterliegt der Leichtathlet immer. Weil es an der Grenze eben nur nach unten geht, und dahin will er schließlich immer. Das ist seine Motivation.

Hart wird diesmal von polnischer Seite an diese Grenze herangegangen: Eingestuft als Testwettkampf und Vorqualifikation für die Olympischen Sommerspiele dieses Jahr in Atlanta, werden von den Akteuren dieser Hochschulmeisterschaften Spitzenresultate erwartet. Von deutscher Seite geht man etwas gemütlicher an die Sache heran, weiß man doch um den frühen Zeitpunkt; ein Großteil der Athleten wird erst einen, selten zwei Wettkämpfe absolviert haben. Bei Leichtathleten sitzt die Frühjahrsmüdigkeit tiefer. Bei manchen vielleicht auch der Winterspeck dicker.

Dennoch: Rennen sollen sie gefälligst, und zwar möglichst gut, wenn man ihnen schon Fahrt und Unterkunft spendiert. Ein bißchen geht es auch immer um den Stolz der Universität. Im vergangenen Jahr in der Mannschaftswertung auf Platz drei, wird ein gutes Abschneiden diesmal außerordentlich schwer werden. Leistungsträger wie Wolfgang Greisig, Mannheimer Hochspringer mit einer Bestleistung von 2.29 m, oder Christian Stang, mehrmaliger erfolgreicher Titelverteidiger und Läufer der deutschen Spitzenklasse über 3000 m Hindernis, haben sich anderweitig verpflichtet oder fallen wegen Verletzung aus.

So müssen wieder einmal die schon tradtitionell guten Heidelberger Sprintstaffeln als Hoffnungsträger dienen. Chancenreich sind besonders wieder die beiden Frauenstaffeln im Kurzsprint (4 x 100 m) - letztes Jahr Platz zwei - sowie Langsprint (4 x 400 m) - Deutscher Hochschulmeister 1995 mit Wöltge, Löcken, Wahl, Vögeli-Fondel. Bei den Männern - in der 4 x 400 m Staffel mit Wauer, Geyer, Frickel, Urmonski ebenfalls Titelträger - wird eine Verteidigung äußerst schwer werden, fehlen doch einige schwer ersetzbare Stützen. Das seltsame Stückchen Rohr, das völlig entkräftete Läufer nach ihrem Lauf einfach dem nächstbesten in die Hand drücken - möge der sich weiter damit herumschlagen - wird ihnen da wohl kaum zur Seite stehen. Verlassen wir also die Staffeln, die ja doch nur aus Einzelläufern bestehen.

Patrick Wauer meldet mit einer 400 m-Bestzeit von 47.42 Sekunden Ansprüche, wenn nicht auf das Siegertreppchen, so doch auf den Endlauf an. Helga Weissmann kann ebenfalls durchaus das Erreichen des 100 m Hürden-Finales zugetraut werden.

Also rennt, springt, werft, ihr Masochisten. Ehrt die Universität. Knüppelt, ihr akademischen Schweissfabriken, solange die Knochen halten. Ist einmal alles kaputt, bleiben immer noch die Versehrtensportfeste. Spaß? Stimmt, das macht es auch. (rot)


Das Wort zum Fußball

ist auch nötig

Viel Zeit war ja wahrlich nicht, sich zu blamieren. Daß es einige nach zwei Spieltagen schon geschafft haben, ehrt die Mannschaften eigentlich in ihrem Mut, überhaupt angetreten zu sein. Eine Equipe hat dabei schon nach dem ersten Spieltag die Notbremse gezogen, was ihre Namensgebung wohl schon von vorneherein vermuten ließ. Malente ist von Anfang an geisterhaft geblieben, Fußball wird eben nicht um Mitternacht gespielt. (rot)

Gruppe 1 Tore Pkt Sp

1. Quietscheentchen 13:1 6:0 2
2. Die Peinlichen 7:0 3:0 1
3. Romanix 0:16 0:6 2
Glückauf Bergfriedhof - kein Spiel
Notbremse - aufgegeben

Gruppe 2 Tore Pkt Sp

1.Badesalz 9:1 3:0 1
2.Wacker Weststadt 3:0 3:0 1
3.Lok. Marstallcafe 1:12 0:6 2
The Outsiders - kein Spiel
Geister von Malente - aufgegeben

Gruppe 3

1.Equipo Infernal 6:0 3:0 1
2.Milan-Duracell 1:1 1:1 1
2.Geo United 1:1 1:1 1
3. FC Bumm 0:6 0:3 1
Shakespeare - Warriors kein Spiel


Termine

(willkürlich ausgewählt)

steil !

ist eine Aktionswoche der Studentenmission und dem Campus für Christus, die noch bis Samstag mit Seminaren und täglichem Abendprogramm in der Triplex-Mensa oder der Heuscheuer andauert (genaueres gibt es an den omnipräsenten Aushängen). Zusätzlich kann man sich im Café-Bus auf dem Uniplatz oder im Feld an einer Tasse Tee erlaben oder im Nachtcafé das Abendmahl zu sich nehmen.

Kritische Tage '96

Kreativität und Eigenverantwortung sind bei den Kritischen Tagen '96 vom 29.05. bis 31.05. gefragt, bei denen genau das angeboten wird, was ansonsten keinen Platz im Lehrangebot findet. Im Psychodrama- oder im afrikanischen Trommel-Workshop könnt Ihr Euch so richtig austoben, danach Euren Akku in der Mittagspause bei kulinarischen und musikalischen Genüssen auftanken, um später die Diskussionsrunden mit der nötigen Power angehen zu können. Das ausführliche Programm gibt es im EWS.

Nightline

Weiterhin gut aufgelegt sind die Studis des Sorgentelefons Nightline montags, mittwochs und freitags zwischen 21.00 Uhr und 2.00 Uhr.

Erreichen könnt Ihr sie unter der Nummer 184708.

Rechtsphilosophie in der Diskussion

ist das Thema der Vortragsreihe, die die Fachschaft Jura dienstags, 20 Uhr, in der Heuscheuer präsentiert. Am 14.05. spricht zum Auftakt Micha Brumlik (Heidelberg) über "Gemeinschaft und Gerechtigkeit", ein Woche später wird das Thema "Rechtsdiskurs und Rechtssubjekt" (Alexy, Zaczyk, Zippelius,Günther) lauten. Am 4. Juni diskutieren die Professoren Brunkhorst,Brugger, Frankenberg, Blockenförde über "Die Vergemeinschaftung des Subjektes".

Die Hochschule auf der Couch

Die aESG (autonome evangelische StudentInnengemeinde) unternimmt mit ihrem Semesterschwerpunkt den Versuch, die UNIperVERSITÄTzu therapieren. Jeden dritten Sonntag ab 12.Mai und an Himmelfahrt werden in der Fischergassse 2 verschiedene alternative Heilmethoden von so anerkannten Therapeuten wie Maritta Böttcher,MdB, Kirsten Heike Pistel und Annette Sowa, FSK u.a. vorgestellt.

Let's Jam !

Am Pfingstsonntag können alle Jazzinteressierten dem Big-Band-Sound des "Cool Cats Orchestra" im Kultur- und Freizeitzentrum Hilde's Hellebäch'l lauschen. Anschließend erwarten Euch die Musiker zur Jam-Session. Also an die Instrumente, fertig, los.

Let's Party !

Für alle, die es immer noch nicht mitbekommen haben, der ruprecht feiert am 23.05.96 im Karlstorbahnhof ! You're wanted !!


Die Letzte

Neues aus aller Welt

Zur Rettung von Forschung und Lehre

Angesichts der leeren Staatskassen plant, mit Einverständnis des Kultusministeriums, der um das Wohl der Studierenden besorgte Rektor Ulmer wichtige Reform- und Sparmaßnahmen zur Rettung des hohen Niveaus von Forschung und Lehre an unserer Universität. Aus vertraulichen Kreisen sickerte an unsere gut informierte Redaktion durch, daß u.a. der bisherige Mensenbetrieb weitestgehend eingestellt wird. So werde die kulinarische Betreuung der Triplex vom traditionsreichen Gastronomieunternehmen "Burger-King" übernommen, während der Marstall als Hotel an ein japanisches Konsortium verkauft werde. Die Zukunft der Zentralmensa im NHF sei noch nicht geklärt, da sich sowohl Höchst als auch die BASF um eine Übernahme des Gebäudes bemühten.
Korrektur und Benotung von Hausarbeiten und Klausuren von Studis im Grundstudium sollen von KommilitonInnen des Hauptstudiums bearbeitet werden. Um Mißbrauch zu verhindern, werde das wissenschaftliche Personal angewiesen, regelmäßige Stichproben zu erheben. Dadurch könne etwa 35% des Personalbestandes an wissenschaftlichen Hilfskräften eingespart werden. Allerdings kündigte die Gewerkschaft GEW bereits Widerstand gegen die Entlassungen an und fordert die Übernahme aller Mitarbeiter bei vollem Lohnausgleich, da man ansonsten die geplante Arbeitserleichterung grundsätzlich begrüße.

Des weiteren soll das Kopieren preislich erhöht werden und Gebühren für die Benutzung von Fahrstühlen erhoben werden. Behinderte und Schwangere könnten jedoch mit einem noch nicht näher definierten Rabatt rechnen. Zur Zeit sind 50 Pf pro Fahrt im Gespräch. Die Unibibliothek werde zudem angewiesen, mindestens 20% ihrer Neuanschaffungen aus verbilligten Remissionsbeständen bzw. gebraucht zu erwerben. Im Herbst will das Studentenwerk alle Studis dazu aufrufen, nicht mehr benötigte Fachbücher zu diesem Zwecke zu spenden.

Der geplante Einspareffekt dieser und anderer nichterwähnter Kleinigkeiten belaufe sich auf etwa 15% des Gesamthaushalts. Dies ermögliche die dringende Renovierung der Bausubstanz, so sei es nun endlich möglich, an allen Gebäudeeingängen burgundische Marmorplatten zu installieren. Da dies zur Verschönerung des Stadtbildes beitrage, ist die Stadtverwaltung bereit, 20% der Mittel zuzuschießen.
Eine weitere gute Nachricht sei zudem zu vermelden: Aufgrund der Einspareffekte wird es möglich sein, wie geplant die Professur-Gehälter um 4% anzuheben. (mj)

Der VRN-Vorstand gibt bekannt:

Die neue Preisverordnung, die zum 1.6.96 in Kraft tritt, sieht folgende Änderungen vor: Der Preis einer Einzelfahrt beträgt 5.95 DM für Erwachsene und 4.50 DM für Kinder und Hunde. Das Semesterticket kostet von nun an 510.95 DM. Die neue Verordnung ist mit einer Fülle verbesserter Service-Leistungen verbunden:

- In jeder Straßenbahn steht ab sofort ein Kreditkartentelefon zu Verfügung.
- Die neuen Niederflurbahnen werden in einer stadtweiten Aktion der Kindergärten mit Bildern bemalt.
- Der Takt der Bergbahn wird auf 5 Minuten erhöht.
- Die Linien 40, 41 und 43 werden eingestellt. Dadurch wird der Fahrplan kompakt und übersichtlich.
- Einführung der Neckar-U-Boot-Linie U1. Alle 10 Minuten v Neckarstaden nach Neckargemünd und zurück. (ju)

München (lsd)

- Der Präsident und Interimstrainer des Fußball-Bundesligisten Bayern München, Franz Beckenbauer, ließ gestern auf einer Pressekonferenz verlautbaren, daß er nach dem unglücklich agierenden Otto Rehagel auch die ebenso glücklose Mannschaft mit sofortiger Wirkung beurlaubt habe. Bei der Partie am kommenden Samstag gegen den F.C. Schalke 04 will der ungekrönte Kaiser des Deutschen Fußballs allein antreten. Beckenbauer bedauerte aber ausdrücklich, mit diesem Entschluß das bis dato äußerst spannende Rennen um die Deutsche Fußballmeisterschaft schon vorzeitig zugunsten des F.C. Bayern entschieden zu haben. Er erbot sich sogar, in der kommenden Saison auch die Mannschaft von Borussia Dortmund zu ersetzen, um auf diese Weise sowohl Zuschauerinteresse als auch die internationale Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Fußballs langfristig zu sichern.

Kurz danach wurde aus gut unterrichteten Bayern-Kreisen bekannt, daß Platzwart, Kassierer sowie sämtliche F.C. Bayern -Fans in den Hungerstreik traten, nachdem Beckenbauer auch deren Plätze einnehmen wollte.

Washington/Bonn (dna)

- Wie erst heute publik wurde, gelang es dem Federal Bureau of Investigation (FBI) bereits am vergangenen Dienstag, im US-Bundesstaat Montana einen weiteren Top-Terroristen festzusetzen. Ein FBI-Sprecher sprach von der Aufdeckung des größten Anschlags auf Freiheit und Demokratie in der Menschheitsgeschichte. Dem 53-jährigen ehemaligen Molekularbiologen Nicolas S. war es zusammen mit einer Gruppe hochkarätiger Wissenschaftler gelungen, Gene britischer, mit dem sogenannten BSE-Virus infizierter Rinder mit der bei einem UFO-Absturz in Texas in den 60er Jahren sichergestellten Erbinformation offensichtlich hochgradig aggressiver Außerirdischer zu kreuzen.

Die auf diese Weise gezüchteten Lebensformen seien nach Aussage einer ad hoc vom amerikanischen Senat einberufenen Enquete-Kommission nicht von Menschen zu unterscheiden. Die Gruppe schaffte es offensichtlich, bereits in den 80er Jahren einige Exemplare ihrer Züchtung in politische Spitzenpositionen zu manövrieren, indem sie mutmaßlich gescheiterte Existenzen liquidierten, um ihre Schützlinge mit deren Idendität auszustatten.

Dank derer Anlage zum Größenwahn, gepaart mit einem ausgeprägten Hang zur Tollwut, dem Fehlen jeglicher menschlicher Gefühlsregungen und mit Hilfe ihrer terroristisch-terrestrischen Hintermänner gelang es den Wahnsinns-Aliens binnen kürzester Zeit, sich in verantwortlichen Ämtern in den USA und Europa zu etablieren. Das FBI berichtet von dem Fall eines alternden Schauspielers...

Gerüchten, denen zufolge die unheimlichen Kreaturen bereits in der Bundesrepublik Fuß gefaßt haben, begegnete gestern Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl mit einem verärgerten "Muuuhh".

Barcelona (raf)

- Der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) Juan Antonio Samaranch regt an, bei den kommenden Olympischen Sommerspielen in Sydney die Disziplin Amoklauf erstmals als Demonstrationswettbewerb zuzulassen. In der Begründung heißt es, es entspräche schon lange seiner Politik, einerseits den klassisch völkerverbindenden Charakter der Spiele zu erhalten, sie andererseits aber einem behutsamen Modernisierungsprozeß zu unterziehen.

Weniger mediengerechte Disziplinen wie z. B. der Marathonlauf oder Segelregatten sollten demnach allmählich aus dem Programm verschwinden, um publikumswirksameren Sportarten Platz zu machen. Besonders eben der Amoklauf gewinne bei Akteuren wie Zuschauern immer mehr Freunde und dränge sich so geradezu auf.

Das Problem der Organisation der dazu benötigten Opfer gedenkt Samaranch zu lösen, indem er Mitgliedern finanziell schwächerer Sportverbände, beispielsweise aus Zentralafrika oder dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion, die Teilnahme an den Spielen mit der Auflage finanziert, sich im Rahmenprogramm erschießen zu lassen. Eventuell auftretende ethische Bedenken, so Samaranch, ließen sich bereits im Vorfeld zerstreuen, wenn durch unabhängige medizinische Sachverständige der Beweis erbracht werden könne, daß die in Frage kommenden Sportsfreunde binnen einer Frist von zwei Kalenderwochen sowieso verhungert wären. (mm)

Kairo/Tel Aviv (dpa)

- Ein schwerer Zwischenfall belastet seit Donnerstag letzter Woche die ägyptisch-israelischen Beziehungen. Auf einer Routinekontrolle fiel der ägyptischen Polizei ein etwa 80 Jahre alter, offensichtlich verwirrter Mann auf, der wild gestikulierend mit einem brennenden Dornbusch kommunizierte. Als die Streife den mutmaßlichen Brandstifter festnehmen wollte, ergriff er unter wüsten Beschimpfungen wie "Sklaventreiber" und "Besatzerschweine" die Flucht.

Es begann eine abenteuerlich anmutende Verfolgungsjagd, die ihren dramatischen Kulminationspunkt in der Nähe des Küstenortes Rhas Gharib erfuhr. In Ermangelung eines adäquaten Fluchtfahrzeugs spaltete der Mann kurzerhand das Rote Meer, wobei mehrere surfende Touristen, darunter eine Deutsche, und die Besatzung eines russischen Atom-U-Boots zum Teil schwer verletzt wurden. Als der Mann das andere Ufer erreicht hatte, stürzten die wunderlich an eine Einrichtung der kalifornischen Universal-Studios gemahnenden Wasserwände wieder in sich zusammen und begruben drei Mannschaftswagen der ägyptischen Polizei. Der israelische Geheimdienst Mossad dementierte in einer sofortigen Stellungnahme jegliche Beteiligung an dem Vorfall.

Mittlerweile befindet sich US-Außenminister Warren Christopher in Tel Aviv, um Premier Peres über die ägyptischen Vorwürfe und die neuesten Kochrezepte seiner Frau zu unterrichten.


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ruprecht, die Heidelberger Student(inn)en Zeitung, erscheint drei Mal im Semester, jeweils Anfang Mai, Juni, und Juli, bzw. November, Dezember und Februar. Die Redaktion versteht ruprecht als unabhängiges Organ, das keiner Gruppierung oder Weltanschauung verpflichtet ist. MitarbeiterInnen und RedakteurIinnen sind willkommen; die Redaktion trifft sich während des Semesters jeden Montag um 20 Uhr im Haus der Fachschaften in der Lauerstr. 1, 3. Stock. Für namentlich gekennzeichnete Artikel übernimmt der/die Autor(in) die Verantwortung.

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Die Redaktion: Jens Peter Blinne (jpb), Matthias Breitinger (mab), Helge Cramer (hpc), Hedwig Ebinger (hee), Thilo Elsässer (te), Philipp Grätzel v. Grätz (gvg), Lena Kempmann (lk), Marcus Müller (mm), Harald Nikolaus (hn), Jannis Radeleff (jr), Anja Steinbuch (asb), Robert Thielicke (rot), Klaus Werle (kw), Felix Wiesler (fw), Gundula Zilm (gz).

Freie Mitarbeiter(innen): Timm Beichelt (tb), Tobias Henschen (th), Markus Jakovac (mj), Matthias Krebs (mk), Kirsten-Heike Pistel (khp), Lala Rassoulova (lr), Jakob Ulmschneider (ju).

Red.-Schluß für Nr. 42: 27.05.1996.

ISSN: 0947-9570.

Internet: ruprecht, Anzeigenpreise und Leserbriefe unter http://ix.urz.uni-heidelberg.de/~ed6.


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