Verschiedenes


Leserbriefe

Hier habt Ihr das Wort

Zum Artikel "Vive le prof!” (Autor ah; ruprecht-Ausgabe 45)

Als einer, der zur Zeit ein Auslandssemester in Montpellier genießt, muß ich den Artikel "Vive le Prof” kritisch kommentieren:
Zwar gilt in Frankreich wohl für alle Fächer, daß der Aufbau des Studiums verschulter ist als bei uns, als Austauschstudent muß einen das aber nicht allzusehr kümmern. Der Vorlesungsstil ist dagegen nicht überall so, wie im Artikel von Andreas Hüske beschrieben: In Mathematik z.B. wird der Prof keineswegs als Halbgott behandelt, die Atmosphäre der Vorlesung ähnelt der in HD, und an der kleinen theologischen Fakultät in Montpellier herrscht ein fast familiäres Verhältnis. Kein Grund also, Montpellier als Ort für ein Auslandssemester zu meiden.

Martin Bauer

zu "Ein Phantom aus dem Ozean der Geschichte” (gan) und "'Revolutionäre Pflicht'” (fw; ruprecht 45)

(...) (A)uf Seite 9 [wird] Lothar-Günther Buchheim aus Anlaß seines Nachdrucks "Jäger im Weltmeer” von 1943 interviewt, außerdem dieses Buch besprochen; Tenor und letzter Satz des Ganzen: "Der Nazi Buchheim existiert nicht.” Außerdem (...) wird in der gleichen Ausgabe, auf Seite 11, Sternburgs Biographie über Carl von Ossietzky vorgestellt. (...) In meinen Augen habt Ihr eine Grenze überschritten. (...) (I)ch nehme das jedenfalls nicht einfach so hin!

Die Reinwaschung des Nazi Buchheim

(...) [Buchheims] Buch bietet eine Fülle von Belegen für die Sprache faschistischer militarisierter Männlichkeit. (...) Von Seite 12 bis Seite 15 beschreibt Buchheim begeistert (...) "ans Übermenschliche grenzende Zeugnisse soldatischer Pflichterfüllung” (S.12). Das können nur Deutsche. Sie sind halt doch Übermenschen. Wie hieß das im ruprecht? "Herrenrasse ausgelassen” (gan)? (...) Faschistische Männer wie (...) Buchheim waren - wie es Goldhagen erläutert hat - nicht einfach Nazis, (...) sie waren (...) 150%ige Nazis! An der Ostfront eingesetzt, hätten solche Leute jüdische Menschen so (...) übereifrig gequält und hingeschlachtet, wie es Goldhagen von den dortigen Nazis beschreibt. (...)

(D)ie einzige Stelle im (...) ganzen sonstigen Buch (...), an der von den Opfern der Angriffe gesprochen wird, lautet: "Wie Affen sind die Leute in die Boote gestürzt.” (S.15) Sie sind selbst als Opfer keine Menschen, sondern verhalten sich "wie Affen”. Wie war das im ruprecht? "Von deutscher Herrenrasse ist hier nichts zu sehen.” (gan) (...)

Die zweite Ermordung Ossietzkys

Also: Buchheim ist ein Nazi gewesen, durch und durch - und er ist es noch heute. Buchheims "Jäger im Weltmeer” ist das Werk eines faschistischen, militarisierten Mannes. Buchheim ist auch ein Mörder! Mit seiner Ideologie der übereifrigen Pflichterfüllung ist das Buch im Jahre 1943 als schlimmste Durchhaltepropaganda (...) anzusehen. (...)

Ist Euch eigentlich allen klar, was Ihr da gemacht habt? Ihr sprecht Buchheim nicht nur bei seinem Nazi-Werk von 1943 von Nazi-Ideologie frei, nein, ihr besucht ihn aus Anlaß dieses Buches auch noch in Bayern, in Feldafing, und befragt ihn auch noch untertänigst nach sonstigen Rechtfertigungen. Und was passiert zwei Seiten später? Da wird dann eine neue Biographie von Carl von Ossietzky besprochen, nicht ohne unerwähnt zu lassen, daß Biograph von Sternburg meint (ein Adliger, der seinen Stand verteidigt, aha!), Ossietzky sei "in seinem Herzen ein Patriot” gewesen. Schöner Patriot. Er hat sich für den heute so aktuellen Spruch (...) "Soldaten sind Mörder!” schon in Weimar vor Gericht verantworten müssen und wurde von den Nazis u.a. dafür ermordet. (...)

Als Graswurzelrevolutionär fühle ich mich unter anderem der radikalpazifistischen Tradition Carl von Ossietzkys verbunden. (...) (D)eshalb verbitte ich mir Artikel über Ossietzky und Buchheim (...) in der gleichen Ausgabe! Ermordeter und Anhänger der Mördersippe schließen sich aus! Der Journalist Ralph Giordano hat einmal über die Verdrängung der Aufarbeitung der NS-Zeit und die Reinwaschungstendenz der Nazis ein Buch geschrieben mit dem Titel: "Die zweite Schuld”. Analog empfinde ich Eure Veröffentlichtung der Ossietzky-Rezension als so etwas wie "die zweite Ermordung Ossietzkys”! (...)

Warum tischt Ihr auch noch diesen Rechtfertigungsmythos von der Suhrkamp-Geschichte auf, genauso wie Buchheim sie sehen will. Was erfahren wir aus dem Buch über Suhrkamp? Er hat zunächst einmal den jüdischen S. Fischer-Verlag unter seinem, Suhrkamps, Namen übernommen, als "dessen jüdische Besitzer zur Emigration gezwungen waren” (Nachwort von A. Rost, VII). Suhrkamp war also Profiteur der Arisierung der Wirtschaft. (...) Suhrkamp war ein halbes Jahr im KZ, ja, aber das weist ihn keineswegs als Widerstandskämpfer aus. Es gehört eben zu den nazistischen Selbstverständlichkeiten, daß Nazis auch Nazis ermordeten oder sie fälschlicherweise des Verrats bezichtigten oder sie in Ungnade fallen ließen. (...) Buchheim hatte (...) nachweislich gute Kontakte zum zweitwichtigsten Nazi [Dönitz] überhaupt. Aber was meint "gan”? "Der Nazi Buchheim existiert aber nicht.” (...) (W)er den Buchheim so bespricht wie geschehen und die ganze hier belegte Nazi-Ideologie nicht wahrnimmt, der ist, ja was ist er? Entweder blind oder selbst ein Nazi! (...)

Ich fordere Euch also auf, (...) Eure Maßstäbe journalistischer Ethik offenzulegen. (...) Zumindest würde ich eine Entschuldigung bei den LeserInnen erwarten (...).

Ich jedenfalls halte die Veröffentlichung des Buchheim-Interviews und der Besprechung selbst schon für einen rechtsextremen Akt, für den m.E. die ganze Redaktion verantwortlich ist. (...) Es mag etwas abgelutscht klingen und ich vermeide solche Sätze im allgemeinen lieber, aber bei so was muß ich doch sagen: In meiner AStA-Zeit wäre das unmöglich gewesen.

Reinhard (Red. Süd "Graswurzelrevolution”)

Die Redaktion behält sich die Kürzung von Leserbriefen vor. Reinhards Brief ist in voller Länge im Internet zu lesen unter http://ruprecht.fsk.uni-heidelberg.de/ausgaben/46/buchheim.htm.

Antwort von ruprecht-Redakteur Gabriel A. Neumann (gan) auf den nebenstehenden Leserbrief

Die Folgerungen aus den als Nachweis angeführten Textstellen sind so nicht haltbar. Will man, wie es in dem Leserbrief geschehen ist, die Verwendung einer sozial- und ideologietypischen Sprache nachweisen, darf man sich zu diesem Zweck nicht nur auf isolierte Zitate berufen, sondern muß eine Reihe von Faktoren berücksichtigen: Zitatzusammenhang, Entstehungsgeschichte, Textform sind nur einige von vielen. Natürlich sind Textstellen wie die angeführten, würden sie heute und einzeln niedergeschrieben, nicht zu akzeptieren. Aber:

- Was das "Affen”-Zitat angeht, ist es nicht beispielhaft für einen etwaigen Tenor des Buches - Äußerungen, die auf eine rassistische Haltung des 24jährigen Buchheims hinweisen würden, gibt es in "Jäger im Weltmeer” ("JiW”) nicht.

- Im Kontext gelesen, beziehen sich "ans Übermenschliche grenzende Zeugnisse soldatischer Pflichterfüllung” nicht auf die Naziverwirrung vom deutschen Herrenmenschen, sondern auf Soldatentum.

Ich verstehe, daß es Reinhard bei einem Satz wie dem zitierten die graswurzelrevolutionären Nackenhaare aufstellt. Aber Soldatentum ist nicht gleich Nationalsozialismus, und mit dem Rassenwahn dieser menschenverachtenden Ideologie hat die soldatische Denkweise in "JiW” nichts zu tun. Ich will übrigens nicht die Verbrechen der Wehrmacht und ihre Beteiligung am Holocaust bezweifeln. Aber aufgrund dieser viel zu späten Erkenntnisse, nicht zuletzt der Goldhagen-Debatte, jeden ehemaligen Wehrmachtsangehörigen zum potentiellen Judenschlächter abzustempeln, wie es im Brief mit Buchheim getan wird, ist die Tat eines Politpolichinelle. Es bringt keinen weiter, am wenigsten die Aufarbeitungsdebatte.

Es ist für mich nachvollziehbar, daß ein Radikalpazifist seine Einwände gegen Buchheim hat, der sich ausdrücklich nicht mit den Idealen der "Ostermaschierer” identifiziert. Aber ihn deshalb mit Militaristen und Nationalsozialisten über einen Kamm zu scheren, findet weder im Text von "JiW” noch in Buchheims Nachkriegspublikationen seine Begründung. Ist einem heute geschriebenem Text ein Jünger-Zitat vorangestellt, sind gewisse Schlüsse auf eine rechtslastige Haltung des Verfassers möglich. Im Jahre 1943 war es zumindest zweideutig, was mit dem Wort von der "Freiwilligkeit” in Buchheims Jünger-Stelle gemeint war. Oder man zähle die Hakenkreuze im Bildteil von "JiW” - das einzige ist spiegelverkehrt. Diese Dinge sind natürlich keine klaren Aussagen gegen das Nazi-System, die wird man in "JiW” vergeblich suchen. Aber sie zu erwarten, wäre naiv, denn schließlich gab es die Zensur. Daß im "Boot” und in der "Festung” eine antifaschistische und antimilitaristische Haltung ausgedrückt ist, ist Fakt.

Die Behauptung, Suhrkamp habe sich an der Arisierung bereichert und sei selbst ein Nazi gewesen, ist mehr als nur Ausdruck unglaublicher Ignoranz. Suhrkamp hat nicht nur durch die Übernahme des S. Fischer-Verlags nachweislich viel zu dessen Überleben im Dritten Reich beigetragen und kam im KZ fast ums Leben, sondern prägte auch das kulturelle Leben der westdeutschen Demokratie. Wer einen Menschen wie Suhrkamp zum Nazi macht, nur um nicht von der eigenen Argumentation abweichen zu müssen, zeigt, daß die eigene Auffassung von politischer Korrektheit der Objektivität vorgeht. So wird auch die Forderung an den ruprecht verständlich, einen positiven Artikel über Buchheim nicht gleichzeitig mit einer Ossietzky-Rezension zu drucken: Für Nonkonformes bleibt im schwarz-weißen PC-Weltbild kein Platz.

ruprecht-Redakteur Felix Wiesler (fw) zur "zweiten Ermordung Ossietzkys”

1. Zum "Fall Buchheim” werde ich mich nicht äußern, da ich weder seine Lebensgeschichte im Detail kenne noch irgendeinen seiner Texte gelesen habe.

2. Genausowenig wie ich Carl von Ossietzky boykottiere, weil er nicht auf das "von” in seinem Namen verzichtete, boykottiere ich den Ossietzky-Biographen Wilhelm von Sternburg.

3. Ich habe geschrieben, von Sternburg habe wohl recht, wenn er schreibe, Ossietzky sei "in seinem Herzen ein Patriot” gewesen. Wenn auch derartige Thesen schwer beweisbar sind, so gibt es in diesem Fall zahlreiche Hinweise dafür, daß von Sternburg mit seiner These recht hat. So hätte sich beispielsweise Ossietzky vom Vorwurf des Landesverrates wohl kaum so getroffen gefühlt, wenn er sich mit Deutschland in keiner Weise verbunden gefühlt hätte.


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Busfahrer! Zieh' die Jacke aus! - te
papa! Machen wir jetzt das Foto?! Ich will mich endlich mal wieder waschen! - hn
Felix! Paß auf, daß Dich der Große nicht wieder zu doll knuddelt! - Die kleine Schwester
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Jürgen! Ich besuch Dich gern! - G.
Nicole! Ceterum censeo, neue Bude jetzt! - gan
Christoph? Wo steckst Du? - bpe


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Red.-Schluß für Nr. 47: 30.04.1997

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