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Hochschule


Flaues Gefühl bei schmucker Elite

Der Heidelberger Club lud zum Symposium über Ausbildung

[Elite braucht man in Heidelberg nicht lange zu suchen.]
Elite braucht man in Heidelberg nicht lange zu suchen. Foto: papa  

Schwer hängen die Leuchter von den holzverkleideten Wänden der Aula in der Alten Universität, und noch gewichtiger klingen die Namen, die zwischen den abgedunkelten Fenstern zu lesen sind: Vangerow, Bunsen, Thibaut... Wer hier sitzt, spürt: als diese heiligen Hallen in der gründerzeitlichen Seligkeit des letzten Jahrhunderts geweiht wurden, war die Welt noch in Ordnung.

Ohne die Idee der auctoritates war die Institution der allumfassenden Lehre der Universität undenkbar; denn diese Autoritäten waren mehr als Vorbilder und Richtungsweiser: Symbole des Wahren, Schönen, Guten. Grund genug, diese Elite der Wissenschaft in Wort und Schrift an die Wand zu bannen, mag sich die Universitätsleitung vor über hundert Jahren gedacht haben - schließlich, was wäre unsere Bildung ohne Elite?

Seitdem hat sich viel verändert an den deutschen Hochschulen. Die schöne Welt der Autoritäten ist dahin. Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Wahn des Führerprinzips hatte man genug vom Elitengedanken, die Studentenrevolution vertrieb ein mächtiges Quantum Muff aus den Talaren. Doch trotz aller Reformen und sozialer Chancengleichheit: Die Universität, das deutsche Bildungssystem steckt in der Krise. Also was tun? Auf dem IX. Symposium des ,Heidelberger Clubs für Wirtschaft und Kultur" zum Thema Bildung vom 9. bis 11. April wurde über das Problem und mögliche Lösungen diskutiert. Das Symposium war hervorragend organisiert, Namen wie Scharping oder Bresser sollten Teilnehmer anlocken. Allerdings bewies der Blick in halbgefüllte Säle wieder einmal, daß das Desinteresse an ureigensten Angelegenheiten eine der wenigen ausgeprägten Eigenschaften der Studis ist. Schade.

Ignatz Bubis wagte in seinem Eröffnungsvortrag den Blick zurück zur Elite. Er forderte den Aufbau eines stärkeren Geschichtsbewußtseins durch die Bildung, mit dem Ziel einer politischen Kultur aus den Erfahrungen der Geschichte heraus. Im Rahmen einer solchen Gesellschaft hätte auch eine Elite ihre Berechtigung, als solche anerkannt zu sein - und überdies die Aufgabe, die politische Kultur nach Kräften zu stützen.

Das klingt schön, genauso wie die Begeisterung des Vorsitzenden des Zentralrats der Juden und FDP-Vorstandsmitglieds für ,Globalisierung" - auch wenn damit in der Rede hauptsächlich die verbesserten Möglichkeiten zum internationalen Austausch von Studienplätzen gemeint war. Und nur zu unterstützen ist es, wozu die politische Kultur im Bewußtsein der Historie nach Meinung Bubis' schützen solle: vor einem Versagen der Elite wie in den zwölf Jahren des Tausendjährigen Reichs.

Somit war geklärt, welchen geistigen Hintergrund die Elite haben und welche Funktion sie ausfüllen solle - unklar blieb jedoch, was man eigentlich unter Elite zu verstehen hat. Den einzigen Satz zu diesem Thema am Eröffnungsabend verdanken wir unserem Prorektor Prof. Jung, der das Grußwort für die Universität sprach. Der hatte in den Mitgliedern des ,Heidelberger Clubs" die Verkörperung seines Idealtypus der kommenden Elite entdeckt: ,Schmuck angezogen, jung, erfreuliche Erscheinung, leistungsorientiert". Im Schlußteil fügte er später noch hinzu: ,Leistungsträger tragen Leistung". Es spricht für die Organisationsgruppe des ,Clubs", daß das Lächeln wenigstens einiger Mitglieder bei dieser Peinlichkeit sichtlich einfror.

Ein bißchen genauer als der Prorektor gaben sich die Teilnehmer der Podiumsdiskussion am Folgetag: ,Brauchen wir eine Elite?" war das Leitthema, und auffällig an der Diskussion war vor allem der völlige Konsensus der Teilnehmenden bezüglich der Antwort auf diese Fragestellung: ,JA, wir brauchen" mit drei Ausrufezeichen, eins für jeden der Teilnehmer aus Politik, Lehre und Wirtschaft. Die Politik wurde von Annette Schavan, der Kultusministerin Baden-Württembergs, vertreten, die Moderation übernahm Ernst Elitz, der Intendant des Deutschlandfunks. Doch die unbeschwerte Begeisterung für die Idee einer die Kreti und Pleti unserer Demokratie führenden Schicht erfuhr - ebenfalls einstimmig - eine Beschränkung: institutionalisiert dürfe sie keineswegs sein, denn eine Elite, die sich selbst als solche ansehe, hätte bereits das Recht auf diese Bezeichnung verwirkt.

Nun kann selbst ein Demokrat und antiautoritär orientierter Mensch sich der Logik dieser Worte nicht verschließen: Schließlich ist wenig an ,Machern" auszusetzen, solange man ihnen nicht erlaubt, sich als ,Führer" aufzuspielen. Und auch der praktische Ratschlag des Vertreters der Wirtschaft, Hans Jürgen Kremers, die Studierenden sollten sich schon im Studium ,ihre Sponsoren" suchen - und zwar nicht materielle, sondern geistige - um ihr Studium möglichst rasch hinter sich zu bringen, mag bei Licht besehen zwar nicht sehr neu sein; doch mancher in den Irrungen und Wirrungen der Prüfungsordnungen verstrickter Kommilitone kann vielleicht gerade solche Ratschläge brauchen - denn wenn die Studenten mehr Druck auf das Lehrpersonal an den Universitäten ausübten, sich ihnen zu widmen, würden die Professoren ihrerseits sich möglicherweise auch verstärkt um weniger Kürzungen im Lehrbereich einsetzen.

Trotzdem blieb von der Debatte ein flaues Gefühl im Kopf. Denn der dritte Teilnehmer der Podiumsdiskussion, Prof. Dr. Klaus Otto Nass, hatte am Vorabend in der Fragestunde nach dem Vortrag Ignatz Bubis' durchaus seinen Stand verteidigen müssen: Natürlich, das Dritte Reich sei schrecklich gewesen - aber von einem Versagen der geistigen Elite könne doch keine Rede sein - es hätte damals doch gar keine Möglichkeiten gegeben... Oh Graus!

Es gibt außer der Aula noch einen weiteren Ort in der Alten Universität, an dem Namen an der Wand geschrieben sind: Gleich in der Vorhalle ist eine schöne polierte Marmortafel, auf der die in der Ära des Nationalsozialismus verjagten Professoren aufgelistet sind - zumindest einige davon. Ein prominenter Name, der Ernst Gumbels, fehlt. Der Heidelberger Mathematiker hatte in den zwanziger Jahren unter anderem eine Statistik in Siegfried Jacobsohns ,Weltbühne" veröffentlicht, in der die Rechtstendenz politischer Urteile während der Weimarer Republik nachgewiesen wurde - die Folge waren jahrelange Diffamierungen und Verfolgungen durch Korporationen und Zunftkollegen. Schon vor der Machtergreifung muß die Atmosphäre an der Ruperto Carola alles andere als demokratiefreundlich gewesen sein - diesen Eindruck gewinnt man, verfolgt man Gumbels Lebensgeschichte.

Nein, die Mehrzahl der geistigen Elite der dreißiger Jahre hat nicht versagt - sie handelte so, wie sie es für richtig hielt: zielbewußt und konsequent. Das ist lange her. Doch wenn heute ein Befürworter einer neuen geistigen Elite diese Zusammenhänge herunterspielen will, gibt das zu denken - und läßt befürchten, daß die Besorgnis um die Gefahren einer institutionalisierten Elite nicht ganz ernstgemeint war. Wenn es wirklich zur Bildung einer neuen ,Elite" kommen soll, so ist das nicht eine Frage der Fördermittel der Hochschulen. Es geht vielmehr um ihre Akzeptanz in der Gesellschaft. Jeder sollte sich fragen, wie es sich verhindern läßt, daß die neue Elite ihrer Vorgängerin zu sehr ähnelt - oder ob es nicht doch ohne sie geht. (gan)


Notstand verwalten

Uni-Gremien verteilen Grausamkeiten

Die baden-württembergischen Hochschulen darben: Die finanzielle Substanz wird immer dünner und die Aussicht für die nächsten Jahre ist: Es kommt noch schlimmer. Um den Mangel wenigsten sinnvoll zu verwalten, befaßt sich mittlerweile ein ganzer Zoo von Kommissionen mit der Umstrukturierung von Baden-Württembergs Hochschulen.

Waren es früher vor allem inhaltliche Erwägungen, die eine Reform der Universitäten antreiben sollten (aber selten taten), so geht es heute nur noch darum, den von außen einwirkenden Kostendruck abzufangen. Von einem Ausbau der Hochschulen, wie noch Anfang der neunziger Jahre gefordert, redet niemand mehr. Jetzt verlangt die Landesregierung einen zehnprozentigen Stellenabbau - und Kommissionen in Fakultäten, Universitäten und auf Landesebene sollen sehen, wo sie die wegschneiden können.

Deshalb haben viele Universitäten im Ländle ,Strukturkommissionen" eingesetzt - zusätzlich zu Verwaltungsrat und Senat, die sonst über strukturelle Fragen entscheiden. Zusammengesetzt wie immer - viele Professoren und nur jeweils zwei Vertreter von Mittelbau, Studierenden und sonstigen Mitarbeitern - soll ein solches Gremium auch in Heidelberg die Streichungsvorschläge begutachten, die die einzelnen Fakultäten einreichen. Von denen haben einige wiederum eigene Kommissionen gebildet; bei anderen werden die Pläne in den berüchtigten ,informellen Gesprächen" ausgeklüngelt.

[Intern kursieren schon Streichlisten]
    Intern kursieren schon Streichlisten  

,Es könnte leicht zum Abhak-Geschäft geraten", ärgert sich Kirsten Pistel von der Fachschaftskonferenz über die Arbeit der Kommission, ,man rechnet nur Stellenlisten durch und tauscht sich nur über wenige Details intensiver aus. Für weitergehende Überlegungen fehlt meist die Zeit; zudem scheitern sie daran, daß die bis jetzt vorgelegten Strukturpläne der Fakultäten nicht den geforderten Sparauflagen genügen und überarbeitet werden müssen". Mehr darf die FSK-Vertreterin eigentlich gar nicht sagen, hat doch das Rektorat erst kürzlich ein Schweigegebot für die Kommission durchgesetzt; nur Beschlüsse, nicht die Diskussion darüber sollen nach außen dringen.

Die Fakultäten haben es nicht leicht mit der Erstellung ihrer Pläne: zum Beispiel verschickte die Verwaltung innerhalb eines Monats drei verschiedene Berechnungsgrundlagen für den Wert von Stellen. Ein großes Problem sehen studentische Vertreter darin, daß Details nur zwischen Rektorat, Verwaltung und Fakultät ausgehandelt werden. ,Wer verhindert, daß so ein großer Strukturplan des Rektorats an der eigentlichen Kommission vorbei Gestalt annimmt?" fragt FSK-Vertreterin Kirsten. ,Wirkliche Strukturüberlegungen können in der Kommission nicht angestellt werden, da es dort nur um Stellen geht. Warum es bespielsweise in der Physik mehrere Bibliotheken gibt, warum es für die Lehramtsbildung keinen Lehrstuhl ,Didaktik der Naturwissenschaften" geben kann, ob Chemie-Kurse für Mediziner oder Physik-Kurse für Biologen nicht besser an der eigenen anstatt eher lieblos an einer fremden Fakultät angeboten werden sollen - all das wird in der Strukturkommission nicht diskutiert", bemängelt Tilmann Gruhlke, der zweite studentische ,Strukturkommissar".

Immerhin: Durch Detailkenntnis, die vielen fachfremden Professoren abgeht, können sich die Studierendenvertreter zwar nicht mehr Stimmrecht, aber - vor allem auf Fakultätsebene - Gehör verschaffen. ,Die Profs merken, daß wir uns auskennen und auch ihre Schiebereien untereinander durchschauen", meint ein Anglistik-Fachschafter.

Welche Beschlüsse der Strukturkommission, die nur Empfehlungen sind, wirklich umgesetzt werden, ist ohnehin eine offene Frage und hängt davon ab, wer sich wie verkauft oder welche Lobby hat. Einigen Ein-Professoren-Fächern wie der Papyrologie droht möglicherweise die völlige Abschaffung, weil sie zwar Zuarbeit für andere leisten, aber zu wenige akzeptierte Ergebnisse liefern.

Speziell in Heidelberg und Mannheim gibt es einen weiteren Hohen Rat: Weil die Unis so nahe beieinander liegen, hat die Landesrektorenkonferenz eine ,Expertenkommission Fachentwicklung Heidelberg-Mannheim" eingesetzt. Sie soll ,Synergien" zwischen Heidelberg und Mannheim finden. Im Klartext kann eine solche Ressourcenteilung heißen, daß Studierende einen Teil ihrer Veranstaltungen am Neckar und einen anderen Teil am Rhein besuchen. Interessanterweise sitzen in diesen ,Zirkel" keine Studierenden.

Ebenso fehlen fehlen Studierende in der ,Hochschulstrukurkommission" des Landes. Die soll auf Landesebene die grobe Richtung der Entwicklung vorgeben: Ein Abbau von Studienplätzen, der der flächendeckenden Einführung von NC's gleichkommt, war einer ihrer ersten Vorschläge. Eigentlich sitzt kaum ein Angehöriger von baden-württembergischen Hochschulen in diesem Rat -er ist mit einem Staatssekretär, Mitgliedern aus dem Wissenschaftsmanagement und Vertretern aus der Wirtschaft besetzt. Nur ein einheimischer Professor verliert sich in dem Gremium, die Landesrektorenkonferenz darf ,beraten".

Wer sich wie weit mit seinen Vorschlägen durchsetzt, wird sich in den nächsten Jahren zeigen: Die Universitäten jedenfalls scheinen in einer schwachen Position; sie haben sich im April den sogenannten ,Solidarpakt" mit dem Wissenschaftsminister aufnötigen lassen: Gegen das Versprechen, für die nächsten 10 Jahre keine weiteren Kürzungen hinnehmen zu müssen, haben sie sich verpflichtet, bis dahin 1500 Planstellen á 100.000 Mark an das Land abzugeben. Eine Planungssicherheit über zwei Wahlperioden aber kann ihnen auch der Wissenschaftsminister nicht garantieren.

Verlassen können sich die Hochschulen wohl nur darauf, daß das Ministerium nicht, nur weil es weniger Geld gibt, weniger zu sagen haben will. Denn die Universitätt haben jetzt schon zugelassen, daß unter dem Vorwand der leeren Kassen Schwwerpunktsetzungen gesetzt werden, die sonst auf Widerstand gestoßen wären. Und was die ,Hochschulstrukturkommission" weiterhin empfehlen wird, wissen wir noch gar nicht. (hn)


Männeremanzipation

Neuwahl des Personalsrats

Dieser Text musste auf Weisung der Rechtsabteilung der Universität Heidelberg hier entfernt werden, weil eine im Artikel erwähnte Person gegen die Nennung ihres Namens (zehn Jahre nach Veröffentlichung) Einspruch erhoben hat. Wir beugen uns dieser Anweisung, da der Redaktion des ruprecht von der Universität bei Nichtbefolgen der Löschung damit gedroht wurde, dass unser "kompletter Server gesperrt" wird. Der entsprechende Artikel befindet sich nun auf einem externen Server und ist hier zu lesen.

Die Redaktion


Das Grauen im Seminar

Die Schleimspuren der HiWis sind lang - eine Polemik

[Vorlesung]
Die apathische Masse lauscht und schweigt – vor allem, wenn HiWis reden.

Foto: papa    

Eigentlich ist es rührend: Blauäugig und einfältig dackeln sie von einer Bildungsinstitution in die nächste, ohne einen Schimmer zu haben, was sie erwartet. Weil sie noch nicht reif für das Leben sind, landen sie nach dem Abitur meist auf der Universität, und dort reiben sie sich die Augen. Je unverschulter das Studium, desto orientierungsloser irren die Studenten der 90er Jahre über den Campus.

Es ist zwar Mode, von einer ,Hochschulkrise" zu reden, aber noch nicht einmal das nehmen diese Studenten wahr - und wenn doch, verwechseln sie es mit der Klage über Mittelkürzungen und die sogenannten ,Einschreibegebühren". Zu dem Frust, den einige ihrer Kommilitonen in langweiligen Seminaren aufgestaut haben, zucken sie nur apathisch mit den Schultern: Wer nichts erwartet, kann auch nicht enttäuscht werden.

Deshalb schimpft man gerne auf diese putzigen Massenstudenten. ,Sie demonstrieren noch nicht einmal für ihre ureigensten Interessen", klagen die einen. ,Es gibt zuviele, und sie verwässern unser elitäres Niveau", sagen die anderen. Doch in Wahrheit ist es eine ganz andere Sorte Student, die Seminare regelmäßig ungenießbar macht.

Diese warten keineswegs darauf, daß man ihnen alles haarklein vorkaut. Sie verfügen über eine selbständige Strebsamkeit, die sie vor allem für das eine nutzen: sich anzupassen. Es sind die Schlauen, Wendigen, die eine Witterung dafür haben, wie der Hase läuft. Wegen ihnen wird auch in zwanzig Jahren alles beim alten geblieben sein: die Themen überholt und die Diskurse entrückt. Sie rechnen sich nämlich zum akademischen Nachwuchs: die allzeit dienstfertigen HiWis.

Der idealtypische HiWi ist leicht zu erkennen. Seine Kleidung - Jacket und / oder Rollkragenpulli - soll ihn älter wirken lassen, als er ist, soll Verbundenheit mit dem Lehrenden und Distanz zu den Kommilitonen ausdrücken. Er kennt dieses Fußvolk, grüßt es aber nicht. Fachlich muß er seinen Statusanspruch im Seminar untermauern.

Schauen wir dabei einmal zu: Das Referat ist gehalten, die Teilnehmer sammeln ihre Gedanken oder blicken hilfesuchend aus dem Fenster. Sie wissen wohl, daß jetzt eine Diskussion von ihnen erwartet wird.... Ein paar unbedarfte Fragen werden gestellt und belächelt. Und dann rollt der HiWi das Feld von hinten auf. Jetzt wird er den Diskurs verwissenschaftlichen.

Das heißt: Er redet von jetzt an kein Deutsch mehr. Er spricht aber auch in keiner klaren Fachsprache, sondern den Jargon seines Professors. Und siehe: Was eben noch greifbar nahe vor Augen lag, verschwindet im Nebel einer giftigen Wolke aus Terminologie. Allein der Prof scheint noch durchzublicken und nickt dem Schwafelspeier zustimmend zu.

Irritiert und benommen stolpern die Studenten über die gerade verschossenen Worthülsen. Plötzlich sind sie marginalisiert - in einem Seminar, das ihrer Bildung dienen sollte. Sie ahnen, daß für sie der Nutzen dieser Sitzung mal wieder gleich Null sein wird. Sie wundern sich, wie wenig Ahnung vom Thema sie haben, und ziehen sich auf ihre Referate zurück. Kein Student konnte dem HiWi folgen - Ziel erreicht.

Wenn es aber trotzdem jemand schafft? Dann, lieber HiWi, lerne von deinen Kollegen! Bemühe dich um eine stockende, unangenehme Spreche, die jeden Zuhörer verekelt (dein Prof weiß ohnehin, was Du sagen wirst - es stammt ja von ihm). Oder hat vielleicht ein Referent deinem Prof widersprochen? Vielleicht weiß er das gar nicht! Also zeig's ihm, hau drauf! Und wenn keine Schwachstelle...? Dann unterstell ihm schlicht methodisches Versagen! Schließlich können Kontroversen dir nur nutzen: Du kennst die richtige Seite, und der siegreiche Rückzug bleibt dir stets offen: durch die Terminologie.

Wozu dieser ganze Stuß? Weil den HiWi vor allem interessiert, wen die Uni nährt und wen nicht. Und gerade wenn er kein sicheres Brotstudium gewählt hat, blickt er umso fester auf die Fleischtöpfe der alma mater. Er weiß, daß es ihm nichts bringt, originell zu sein. Daß seiner wissenschaftliche Karriere zunächst nur eins nützt: Unterordnung unter tabuisierte Prämissen. Als Assistent in spe will er beweisen, daß er ein treuer Gefolgsmann ist und die Ansichten seines Meisters zu vertreten weiß.

Deshalb wird nicht gestritten, sondern geschleimt - schamlos. Ich saß einst - an einer anderen Uni - in einer Veranstaltung über die deutsche Außenpolitik nach der Wiedervereinigung; damals ein sehr aktuelles, heikles Thema. Der Prof war ein Konservativer, der es liebte, von Adenauer zu erzählen. Das wußten seine HiWis und lieferten ihm entsprechende Stichwörter geradezu um die Wette.

Als der Prof (bescheiden!) einräumte, Adenauer habe nur einmal eine absolute Mehrheit gehabt, und zwar damals, als... - da krönte eine Hilfswissenschaftlerin diesen Personenkult mit der ernstgemeinten Frage: ,Inwiefern läßt sich damit die Wahl Helmut Kohls zum 'Kanzler der Einheit' vergleichen?" Es war lächerlich, aber es traute sich niemand zu lachen. Denn so wie diese Frage war das ganze Seminar.

Also tun wir doch nicht so, als ginge es um ,Wissenschaftlichkeit"! Echte Wissenschaft lebt nicht davon, daß man der Lehrmeinung folgt, soweit man sie kennt. Diese Adepten aber wollen keine Erkenntnis, sondern ein Pöstchen. Neugierde? Liebe zum Gegenstand? Ach was, krämersschlau und rücksichtslos muß man sein, dann wird man schon was werden.

Es ist diese Sorte Jungakademiker, der einem den Spaß am Studium nachhaltig verleiden kann. Aber anstatt dies zu beklagen, jammert man über die ,Massenuni" und ihre harmlosen Studis. (hot)


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Heidelberger Studierende besteuern sich selbst

Eine Welle von Gewalt überzog in den 80er Jahren das peruanische Department San Martin. Von den scharfen Auseinandersetzungen der Guerilla mit der staatlichen Gegengewalt erzählen heute zahlreiche Häuserruinen und die sogenannten Arpentitos, jugendliche ehemalige Guerilleros, die sich schwer in der Gesellschaft zurechtfinden. Ein anderer Konfliktherd ist der Kokaanbau, der trotz staatlichen Verbots die Existenzgrundlage vieler Familien ist, da ihnen die wirtschaftlichen Alternativen fehlen. Diese ungelöste Problematik führt bis heute zu gewalttätigen Auseinandersetzungen.

Seit 1992 nimmt sich eine einheimische Initiative der Opfer der Menschenrechtsverletzungen an, kümmert sich um die Reintegration der Jugendlichen und entwickelt mit den Bauern Alternativen zum Kokaanbau. Der Leiter dieser Organisation steht in stetigem Kontakt zu einer hauptsächlich aus Heidelberger Studierenden bestehenden Gruppe, denen er über die laufenden Aktivitäten berichtet und 1995 sogar einen Besuch abstattete.

Doch was verbindet diese beiden Welten? Es sind die 5%. Denn diesen Anteil des ihnen monatlich zur Verfügung stehenden Geldes schicken die Mitglieder der 5%-Gruppe als Zeichen des Teilens an das peruanische Projekt und vier weitere Initiativen in anderen Entwicklungsländern.

Neben der finanziellen Unterstützung ist den ca. dreißig Studierenden der direkte Kontakt zu den Menschen, die vor Ort aktiv an der Verbesserung der Lebensbedingungen arbeiten, besonders wichtig. In diesem Austausch sehen sie die Möglichkeit, das Engagement ihrer Ansprechpartner ideell zu unterstützen und zu begleiten. Dazu gehören neben dem brieflichen Verkehr auch Besuche einzelner Studierender in den Projekten selbst. So können sie sich sicher sein, daß das Geld nicht in irgendwelchen dunklen Kanälen verschwindet, wobei sie betonen, daß sie auf keinen Fall inhaltlichen Einfluß auf die Arbeit der Einheimischen nehmen wollen.

Die Kontakte sind größtenteils über persönliche Beziehungen zu einzelnen Verantwortlichen der Projekte entstanden, an die auch die monatlichen Überweisungen gehen. So richtet sich die Zuwendung für ein guatemaltekisches Krankenhaus an eine Krankenschwester, deren Bekanntschaft einer der 5%-ler während seiner Famulatur machte. Weiter engagieren sich die HeidelbergerInnen für eine AIDS-Klinik in Ghana, ein Krankenhaus in Indien sowie ein Waisenhaus in Nepal. Die Spenden gehen nicht in einen gemeinsamen Topf, sondern sind zweckgebunden. So unterstützt jeder Mitarbeiter der 5%-Gruppe die Initiative, die ihn besonders interessiert.

Um sich gegenseitig über die Projekte auf dem laufenden zu halten, treffen sich die Studis alle vierzehn Tage im Nichtrauchercafé im Marstall, wo sie nicht nur die neuesten Briefe besprechen, sondern auch über die politische und gesellschaftliche Situation der jeweiligen Länder referieren. Dabei besteht die Möglichkeit, neue Projekte vorzustellen und ins Programm aufzunehmen. Zusätzlich veranstalten sie zu Beginn eines jeden Semesters einen 5%-Gruppen-Tag mit Schwerpunktthema.

Ein wenig enttäuscht sind die 5%-ler schon über die geringe Beteiligung ihrer Mitstudierenden, denn der Zuspruch hält sich trotz Plakaten und Aktionen vor der Feldmensa in Grenzen. In ihrem Engagement lassen sie sich dadurch nicht bremsen, doch letztlich hängt die Effektivität der Arbeit von der Zahl der Mitarbeitenden ab. (kh,te)

Nächstes Treffen: 7.5., 20.00 Uhr im Marstall, 2. Stock, Kontakt: Kathrin Tel. 400737, Moritz Tel. 401792


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