Das ist manchen Menschen nun nicht sehr wichtig, aber so viele auf einem Fleck wie am 8. November sind sie trotzdem nicht immer. Aber das war ja auch ein besonderer Tag. An diesem sie sind alle gegeneinander aufgestanden.
Kumite. Komm mit, ich mache dich platt. Der direkte Vergleich eins gegen eins. Die Arme der Kämpfer sind auf einmal Jojos. Der Arm rollt kurz vor dem Ziel einfach wieder zurück, genau dorthin, wo er auch hergekommen ist: Angewinkelt an die Körperseite gepreßt, als ob dort ein Loch wäre und ohne Arm ein Stück Dickdarm herausfallen würde. Ein Schlag immer nur als Drohung. So wie ein Wecker eben auch nur klingelt und einem nicht gleich die Faust in den Bauch knallt.
Die Regeln haben sich die Japaner irgendwann einmal ausgedacht. Eine kurze Zusammenfassung: Nichts darf man berühren, nichts festhalten, keinen Gegner und keine Waffe. Karate heißt "leere Hand". Nichts darf man, nur ein bißchen Energie durch die Gegend werfen, das ist immerhin erlaubt. Die soll aus dem Herumgehüpfe kommen. Karate ist eine Dampfturbine und der Kämpfer eine wandelnde Batterie. Der erste, der deutsche Hochschulmeister im Kumite, heißt Olaf Edsen. Er hatte voll geladen, seine Morgenstunde glänzte vor Gold im Mund, vielleicht sollte er jetzt Zahnmedizin studieren. An der Wirtschaftswissenschaftlichen Universität Münster kann man ihn treffen, und es ist nicht schwer, ihn zu erkennen: Er hat einen Rucksack in den Händen und einen kleinen Pokal. Voll zugelangt im Krabbelsack des Sports. Unter den ersten sieben war kein Heidelberger. Sie waren an diesem Tag nicht so ganz fit. Man munkelt, sie seien mit dem falschen Fuß aufgestanden.
Durch die andere Disziplin Kata dagegen muß man ganz alleine. Niemand hilft einem gegen den Mückenschwarm vor der Nase, aber wenigstens hilft der Mückenschwarm beim Punktesammeln. Man muß wohl möglichst viele von ihnen mit gezielten Boxschlägen platt machen. Gar nicht so einfach, ich habe es über unserem Komposteimer mal probiert. Sie haben sich auf meine Hände gesetzt. Mückenspray ist dummerweise verboten, fällt wohl unter die Dopingbestimmungen. Das Ergebnis der Boxerei ist mit oder ohne Doping etwas komisch: 8,4/8,3/8,2/8,4/8,3/8,0/7,9 zum Beispiel hielten die sechs Kampfrichter hoch. Man fragt sich, ob es wohl zehntel Mücken gibt, weil sechs Beine und zwei Flügel erst 0,8 ergeben. Plus Antenne 0,9. Tot eins. Gibt es also. Aber manchmal verrechnen sich die Richter auch, deswegen mußten zwei Athletinnen in ein Stechen. Als wenn sie da vorher nicht auch schon gewesen wären, aber vielleicht durften es die Mücken da noch nicht.
Miss Mückenspray wurde in der höchsten Klasse Ines Hensler aus Konstanz, in der unteren Klasse Marié Niino aus Siegen. Andrea Kretschmer und Veronika Neubrand aus Heidelberg zeigten sich mit Platz vier und zwei in bestechender Form. Mister Mückenspray wurden Jörg Riesen aus Karlsruhe und Karl-Michael Schölz aus München. Die Heidelberger Dirk Grimm und Jörg Langeheine waren vierter und siebter in ihren Klassen. Sie sind es immer noch. Schande vergeht so schnell nicht. Die ersten drei bekamen wieder einen Rucksack und der erste wieder einen Pokal.
Man hätte auch noch einen Vertrag abschließen können. Für die ersten drei zum Beispiel als Entwicklungshelfer für ein Reisfeld in Indonesien, um die Bauern vor der Mückenplage zu schützen. Dort gibt es dann auch Stechen ohne Rechenfehler der Kampfrichter. Und vor allem Hände voll zu tun.
Das wäre auch ein schönes Trainingslager für die Heidelberger Damen und Herren Mannschaften, die immer beinahe letzter waren. Wo sie doch vor zwei Jahren zweiter der Gesamtwertung waren. Wenn Indonesien zu teuer ist, kann ich auch meinen Komposteimer empfehlen. Dann war Karate auch schon wieder vorbei, und alle haben ihre Energie wieder eingepackt. So. (rot)
Beim Durchblättern der Zeitung wurde mir ein wenig wehmütig ums Herz, habe ich doch den Artikel auf den Seiten 6 und 7 gelesen - ich gehöre nämlich auch zu der Sorte Mensch, die die Zeitungen immer von hinten zuerst aufschlagen.
Nicht nur, daß der Schreibstil glänzend ist (davon träumt unsereins nur), auch die Verpackung knistert spannungsvoll. Letzlich ist auch das Thema, das auf den ersten Blick vielleicht langweilig wirkt, von jemandem notiert worden, der gut zu beobachten weiß. Jede Minute, in der sich die beschriebenen Menschen bewegen, sich artikulieren, ist ein Moment, in dem ich dem/der Schreiber/in über die Schulter schaue und selbst neben ihm/ihr auf einem Stuhl sitze und beobachte. Wäre es nur das, würde ich mich jetzt in meinem Stuhl zurücklehnen und mich entspannt über eine Tasse Tee hermachen, um über andere Dinge nachzudenke. Dinge, die mich vielleicht zu einer steilen Karriere führen...? Kann man die überhaupt in meinem Fach haben..?
Ich sitze hier und schreibe einen Brief an den ruprecht, da ich jetzt keine Tasse Tee trinke und mich auch nicht entspannt zurücklehne. Ich denke an den Artikel und finde ihn sehr gut. Oh, Gott klingt das banal, aber es ist die einzige Möglichkeit, mit diesem leicht abgenutzten Wort auszudrücken, daß es doch noch Journalismus an der Uni gibt und genau das wollte ich Euch damit sagen. DANKE.
Stephanie Otto
Zu "Die Letzte: 10 Jahre ruprecht" in Nr. 50:
"10 Jahre ruprecht! Prominente gratulieren" - einfach phantastisch!
anonymus
24.1.1998: Tag der Offenen Tür, im gesamten Neuenheimer Feld
17. + 19. - 21.12.97: "Honigmond" im Romanischen Keller; Vorverkauf 784573
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Red.-Schluß für Nr. 52: 26.1.1998
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