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Studiticket vor dem Aus?

VRN fordert Verdopplung bis zum Jahr 2005

Die Kündigung kam überraschend und stellte die Hochschulen vor vollendete Tatsachen. In einem Brief an die Univerwaltungen löste der Verkehrsbund Rhein-Neckar (VRN) vor kurzem seine Semesterticket-Vereinbarung mit den Universitäten Heidelberg und Mannheim auf. Als Anlage fand sich ein neuer Vertrag - mit der Bitte um Gegenzeichnung. Doch ob dieser Vertrag unterschrieben werden wird, ist noch fraglich. Enthalten in dem neuen Vertragswerk ist unter anderem die Ankündigung einer Preiserhöhung zum 1. Oktober.

Davon werden alle Studierenden betroffen sein, nicht nur die etwa 17.000 Käufer des Semestertickets. Zum ersten Mal seit der Einführung der Studentenfahrkarte 1993 soll nicht nur der Kaufpreis für das Ticket erhöht werden, sondern auch der Grundbeitrag von zur Zeit noch 19 DM, der jedes Semester vom Sozialbeitrag an den VRN abgeführt wird. "Wirtschaftliche Gründe" führte dieser als Erklärung für die geplante Preissteigerung um insgesamt 9 DM an, wobei der Grundbeitrag um 3 DM, der Ticketpreis um 6 DM auf 116 DM angehoben werden soll.

Dieser Plan umfaßt die erste Stufe einer völligen Umstrukturierung der Ausbildungstarife. Um, so der VRN, die "unabdingbare Gleichbehandlung der Kundengruppe Schüler und Auszubildende zu gewährleisten", ist in den Plänen der Gesellschaft die mittelfristige Anpassung des Semestertickets an die Schülerkarte "MAXX" vorgesehen, das augenblicklich 480 DM kostet. Wenn der VRN seine Forderungen durchsetzt, ist innerhalb der nächsten drei Jahre mit einer Erhöhung des Grundbeitrags über den Sozialbeitrag um 11 DM zu rechnen. Zudem kann der VRN ohne Absprache mit der Uni Fahrpreiserhöhungen vornehmen. Bereits im nächsten Jahr könnte das Ticket über 120 DM kosten, 2005 wäre ein jährlicher Preis von 446 DM pro Ticket erreicht.

Während vom VRN kein offizieller Kommentar zu bekommen war, deuteten Studentenwerk, Universitätsverwaltung und Fachschaftskonferenz (FSK) ihre Ablehnung des neuen Vertrags an und unterstrichen die Notwendigkeit von Verhandlungen. Als "nicht erfreulich" bezeichnete der Geschäftsführer des Studentenwerks, Dieter Gutenkunst, die Preiserhöhung gegenüber ruprecht. Er äußerte seine "Verärgerung" darüber, wie der Verbund den Vertrag gekündigt hatte, der zuletzt vor zwei Jahren, nach, so Gutenkunst, "mühsamen Verhandlungen" modifiziert worden war. Schon damals schien das Weiterbestehen des Semestertickets gefährdet, die Universität verlängerte den Vertrag lediglich unter dem Vorbehalt von Angebotsverbesserungen im VRN-Fahrplan.

Bis heute wurden die versprochenen Angebotsverbesserungen nur teilweise umgesetzt. Die nun gestellte Forderung nach einer Erhöhung des Grundbetrages nannte Gutenkunst "rechtlich völlig absurd und indiskutabel". Ein Privatunternehmen könne nicht die Finanzpolitik der Universität diktieren.

Sprecher der FSK räumten in einer Sondersitzung ein, daß eine Verteuerung des Ticketpreises über kurz oder lang wohl nicht zu verhindern sei. Es müßten dann aber die zugesicherten Fahrplanverbesserungen durchgeführt werden. Dazu gehört etwa der 5-Minuten-Takt auf der Berliner Straße. Der Dezernatsleiter für Haushalts- und Finanzangelegenheiten der Universitätsverwaltung, Oberregierungsrat Wolf-Eckhard Wormser, sagte gegenüber dem ruprecht, die Universität könne es sich nicht bieten lassen, daß der VRN die Vereinbarungen nicht einhalte. Wormser führt seit 1991 Verhandlungen mit dem VRN und attestiert dem Verbund eine "geringe Bewegungsfreudigkeit" in Gesprächen.

Wichtig, so der Referent der FSK, Tobias Horn, sei vor allem die Koordination mit den anderen Hochschulen im Tarifverbund, damit keiner der Partner unter Zugzwang gerate oder gar aus dem Bereich des Semestertickets ausgeschlossen werde. Kompliziert werde die Lage laut Horn durch die mangelnde Möglichkeit der Universitätsverwaltungen, Einsicht in eine Aufschlüsselung der Zuschußzahlungen zu erhalten, mit denen das Land den Ausbildungsverkehr subventioniert.

Vermutungen zufolge fließen aus diesen staatlichen Mitteln nicht geringe Beträge an den VRN, um den vergleichsweise niedrigen Preis des Semestertickets zu ermöglichen. Tatsache ist, daß die Höhe des Grundbeitrages für Heidelberg ursprünglich erhoben worden war, um prognostizierte Verkaufszahlen von 7.000 Stück pro Semester zu refinanzieren, das Ticket aber in den Semestern nach der Einführung jeweils über 20.000mal verkauft wurde. Einig sind sich die Vertreter der universitären und studentischen Gremien in der Einschätzung, daß die Verhandlungsposition gegenüber dem VRN, so Gutenkunst, "sehr schlecht" ist. Der VRN sei ein "Monopolist, zu dem es keine Alternative gibt", und der diese Situation auch ausnutze. Unabdingbar für Verhandlungen mit dem Verkehrsunternehmen, das betonten Gutenkunst, Wormser und die FSK, sei das Meinungsbild in der Studierendenschaft. In einer Urabstimmung müsse ermittelt werden, ob die Studierenden einen höheren Preis in Kauf nähmen oder die Abschaffung des Tickets riskierten. Ohne eine solche Befragung, über deren technische Realisierung man sich noch nicht einig ist, bestünde laut Wormser keinerlei Verhandlungsgrundlage. "Die Studierenden müssen entscheiden, wo die Schmerzgrenze überschritten wird", sagte Gutenkunst. Die Position des Studentenwerks sei es, das bisherige Angebot möglichst aufrecht zu erhalten, wohingegen Wormser in einer Mitte Januar geführten Diskussion im Beisein von FSK-Vertretern anmerkte, daß ohne die angekündigten Verbesserungen der Basisbetrag eher noch gekürzt werden müsse.

In der FSK wurden außerdem Vorschläge besprochen, auf das Semesterticket zu verzichten, wovon man sich ein Einlenken des Verkehrsverbundes versprach, dem man "Vertragsbruch" vorwarf. Man müsse allerdings vorher klären, wieviele Studierende auf das Semesterticket angewiesen sind.

Bis dahin wollen Universität, Studentenwerk und FSK Zeit gewinnen und auf das neue Angebot vorerst nicht eingehen. Am 3. Februar ist ein internes Treffen anberaumt, von dem sich die Beteiligten ein klärendes Gespräch erhoffen. (sk)


Ey!

Manchmal, wenn der Rémy Martin zur Neige geht und wir gerade Seinfeld verpaßt haben, blättern wir Narzisse unsere alten Kolumnen durch, mit denen wir einst gesellschaftliche Anerkennung errangen. Doch anstelle eines munter dahinplätschernden Bächleins voller glitzernder Prosajuwele erwarten uns nichts als banale Belanglosigkeiten und eitles Geschwätz, in prätentiöse Metaphern und aufgeblasene Syntax gegossene Selbstbefriedigung. Weil Narzisse Frustrationen doof finden, rufen wir eine gute Freundin an und sprechen wie folgt: "Du, können wir reden?" Und dies sind die überaus raren Momente im maskulinen Dasein, da dieser Satz voll heiliger Wahrhaftigkeit ist.

Dann nämlich sitzen wir deprimierten Kolumnisten mit unserer guten Freundin Stepranki Tramok in der guten Stube, trinken mit Wildblütenhonig gesüßten Tee und klagen ihr unser Leid, während Radio Regenbogen ein Einsehen hat und die melancholische Stimmung stilsicher mit I like Chopin untermalt. Der Ehrlichkeit halber müssen wir gestehen, daß wir in anderen Situationen durchaus nicht blind sind für andere Qualitäten außer "Zuhören können", über die Stepranki auch verfügt, vor allem im Sommer am Baggersee. Doch macht es eben den Zauber der Wildblütenhonigtee-Momente aus, daß wir einmal nicht dem männlichen Klischee entsprechen und jede Kleinigkeit zu unserem Vorteil nützen müssen. Stepranki legt die Füße hoch und zeigt eine Menge Bein? Wir klagen über unsere Schreibblockade. Stepranki hat Tee verschüttet und während sie sich zum Aufwischen bückt, verrutscht ihr ohnehin frappierend kurzer Rock? Wir bejammern die Ungerechtigkeit der Welt. Stepranki hebt ihre Bluse leicht an und fragt, ob ihre Hüften zu breit sind? Wir verneinen knapp und bemitleiden uns selbst ob unseres verpfuschten Lebens.

Wenn schließlich nachts um drei der Wildblütenhonig alle und Radio Regenbogen zu härtestem Techno übergegangen ist, geleiten wir Stepranki zur Tür und danken ihr artig fürs nette Zuhören: "Du, das hab ich wirklich gebraucht." AngeboteneAbschiedsküsse lehnen wir mit matter Gebärde ab: "Du, sei mir nicht böse, aber mir ist jetzt nicht danach." Dann schließen wir die Tür, legen uns ins Bett und löschen das Licht. Heut war ich Mensch, heut durft' ich's sein. (kw)


Bist du der typische Student?

Die 15. Sozialerhebung des DSW entlarvt 08/15 Studis

Er studiert Jura oder Wirtschaft. Monatlich gibt er im Durchschnitt 1.283 Mark aus. Das Geld kommt von Mami und Papi, zusätzlich hat er aber noch einen Nebenjob. Er wohnt in einer Mietwohnung und studiert 36 Stunden pro Woche. Er ißt in der Mensa. 24 Stunden pro Woche hat er frei. Dann zieht es ihn meistens mit Freunden in die Disco oder eine Kneipe. Manchmal treibt er auch Sport. So sieht er aus, der typische Student '98, Modell "Dieter" (auf Wunsch mit Ikea-Klappbett).

So sieht er aus, der Student par excellence, laut der Studie des DSW. Keine "politisch bequemen Ergebnisse", sondern Tatsachen "als Grundlage für hochschul- und sozialpolitisches Handeln" möchte das Deutsche Studentenwerk mit seiner 15. Sozialerhebung liefern. 55.402 Studenten, also etwa die Hälfte aller Studis in Deutschland, füllten den endlosen Fragebogen aus.

Aber Durchschnitts-Dieter ist nicht das einzige Resultat der 15. Sozialerhebung. Der Zweck der Umfrage ist schließlich das Sondieren von Problemen der Hochschule. Laut Professor Hans-Dieter Rinkens, Präsident des Deutschen Studentenwerks (DSW), zeigen sich im Bildungssystem zur Zeit drei große Schwachstellen: Die hohen Bildungsschwellen, die nötige, aber noch nicht durchgeführte Reform des BaföG und die unterlassene Hilfeleistung der Universität beim Übergang in das Berufsleben.

Besonders der "Trend zur geschlossenen Gesellschaft an den Hochschulen" gab dem DSW-Präsidenten zu denken. Die soziale Zusammensetzung der Studenten hat sich seit der letzten Sozialerhebung kaum geändert. Noch immer stammen lediglich 14 Prozent aller Unibesucher aus der sozial niederen Bevölkerungsschicht. Auch die Anzahl der Studis aus der sozial mittleren Gruppe ist nur um 1 Prozent auf 29 Prozent gestiegen. Nach wie vor gehen aus der gehobenen und hohen Bevölkerungsschicht die meisten Studenten hervor (27 und 31 Prozent; 1994 31 und 27 Prozent). Förderungsmaßnahmen gibt es zwar seit Jahrzehnten, sie konnten bisher aber nur wenig ausrichten.

Ist die Klassengesellschaft doch natürlich, oder könnte dieser Mißstand an einer verfehlten Bildungspolitik liegen?

Zum selben Thema gehört der "fortlaufende Verfall des BaföG". Wurden 1982 in den alten Ländern noch 37 von 100 Studenten gefördert, sind es jetzt nur noch 17. Noch drastischer sind die Zahlen in den neuen Ländern: Die Förderungsquote sank innerhalb von 4 Jahren von 54,8 auf 30,7 Prozent.

Neu hingegen ist die Forderung der Studenten nach mehr Hilfe von seiten der Uni beim Übergang vom Studium zum Beruf. 90% der Studenten wünschen sich die Unterstützung der Uni beim Eintritt ins Berufsleben. Zwar baut die Hochschulen momentan sogenannte Career-Services auf, nur bisher sind diese Initiativen noch nicht sehr erfolgreich oder bekannt. Vielleicht würden sich durch mehr Einsatz der Hochschulen auf diesem Gebiet die Anzahl der nicht-integrierbaren Sozialkrüppel, die nach 20 Semestern Studium vom Hochschulsystem ausgespuckt werden, verringern.

Insgesamt kein sehr ermutigendes Bild. Da es aber unseren Dieter fast nicht betrifft, wird sich wohl auch weiterhin nichts ändern, denn Dieter ist nicht idealistisch genug, um gegen soziale Ungerechtigkeit zu kämpfen, und die Betroffenen sind die Minderheit. Zwar engagieren sich 42% der Studenten politisch bzw. gesellschaftlich, aber insgesamt haben sie für diese Tätigkeit nur 0,6 Stunden Zeit pro Woche. Da kann schon mal das eine oder andere Thema wegen Zeitmangels unter den Tisch fallen. (st)

Mehr über Dieter, die 15. Sozialerhebung des DSW, findet ihr im Internet auf den Seiten http://www.studentenwerke.de und http://www.his.de/soz15/.


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