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Titel


Ein Platz an der Torte

Manager und Ministeriale bekommen ein fettes Stück Uni

Alles wird anders an Baden-Württembergs Universitäten - das zumindest hat sich Wissenschaftsminister Klaus von Trotha mit seiner Neufassung der Hochschulgesetze vorgenommen: Das wichtigste Organ der Universität soll mit vom Minister erwählten Auswärtigen besetzt, die Position von Rektoren und Dekanen auf Kosten der Gremien gestärkt, studentische Mi tbestimmung weiter erschwert werden. Gegen diese Pläne aber wehren sich im Ländle Rektoren, Professoren, Uni-Angestellte und Studierende gleichermaßen heftig.

Was ist es genau, das die Gemüter so zum Kochen bringt? Zunächst werden zwei wichtige Hochschulgremien, abgeschafft: Der Verwaltungsrat, die "Geschäftsführung" der Uni und der Große Senat, der bisher den Rektor wählte und seinen Rechenschaftsbericht abnahm, sollen einem "Hochschulrat" weichen. Saßen in den bisherigen Gremien aber nur Universitätsmitglieder - viele Professoren, wenige Studierende und Uni-Mitarbeiter - so sollen von den dreizehn künftigen Hochschulräten sechs von außerhalb kommen. Vier Externe bestellt der Minister, die restlichen Räte wählt der Senat. Viele fürchten, daß dadurch der ohnehin schon spürbare Einfluß von Wirtschaft und Parteipolitik auf die Hochschulen übermäßig groß wird. Die universitäre Autonomie - hier ist sich Rektor Siebke ausnahmsweise mit der Fachschaftskonferenz einig - wird durch den neuen Rat entscheidend beschnitten. "Mit der Freiheit von Forschung und Lehre ist es vorbei, wenn kurzfristiges Profitdenken bald auch die Strategie der Universitäten beherrscht" ärgert sich FSK-Aktivist Hendrik Heinl. Zudem, so fürchtet Christoph Klein-Brabender von der "Landesvertretung Akademischer Mittelbau", könnte der Hochschulrat zu einem entrückten Gremium mutieren, das sich einmal im Semester trifft und sonst nicht viel mit den Realitäten der Hochschule zu tun hat. Mehr Macht bekommen Rektor und Dekane: Der Uni-Chef amtiert künftig sechs statt wie bisher vier Jahre. Die Dekane können nur auf seinen Vorschlag hin gewählt werden und bleiben vier statt zwei Jahre im Amt; außerdem sollen sie "von Forschung und Lehre freigestellt" werden, sich der Leitung der Fakultät also hauptberuflich widmen - und damit ihre wissenschaftlichen Karriere gefährden - denn wer kann sich vier Jahre Forschungsabstinenz leisten? Dem Fakultätschef untersteht ein Fakultätsvorstand, dessen Mitglieder der Fakultätsrat auf Vorschlag des Dekans wählt. Und eben dieser Vorstand verwaltet alle Gelder, die an die Fakultät fließen.

Dieser Zirkel erstellt auch die langfristige Finanz- und Forschungsplanung der zugeordneten Institute. Er kann auch Berufungslisten für Professuren - gegen den Fakultätsrat - zurückgeben.

"So sieht universitäre Demokratie also künftig aus: Der Minister schlägt den Rektor vor; der Rektor schlägt die Dekane vor; diese schlagen den Fakultätsvorstand vor und dieser wiederum die neuen Professoren." jubelt Hendrik Heinl von der FSK.

Weiter beschnitten wird auch die studentische Mitbestimmung: Drei der zukünftig sechs studentischen Mitglieder in den Fakultätsräten werden nun vom Fakultätsrat selbst gewählt - und damit von dessen professoraler Mehrheit. Und daß Professoren, wenn sie die Gelegenheit dazu bekommen, gerne mal ihre Lieblings-Hiwis in Gremien heben, hat sich auch in Heidelberg schon in einigen Fällen gezeigt. Die Studierenden in Verwaltungsrat und Großem Senat fallen mit diesen weg; die Einsetzung studentischer Vertreter in den neuen Hochschulrat ist von der Gnade des jeweiligen Senats abhängig.

Nicht nur die Führungstruktur der Uni wird komplett neu ausgerichtet, auch das Studium wird neu geregelt. Allerdings: "Positive Änderungen konnten wir bisher keine finden", lautet dazu der Kommentar der FSK. Einige dieser Neuerungen:

- Die 100 Mark Rückmeldegebühr werden im Gesetz festgeschrieben.

- Fakultäten können Studierende exmatrikulieren, wenn "eine Abschlußprüfung bis zum Ablauf von 20 Semestern ... nicht abgelegt worden ist".

- nach dem zweiten Semester soll es eine "Orientierungsprüfung" geben, andernfalls "verliert man den Prüfungsanspruch".

- Der Rektor "oder ein von ihm benannter Vertreter sind berechtigt, bei der Abnahme von Prüfungen anwesend zu sein".

- Praktika werden "in den Studiengang eingeordnet", können also immerhin nach BAföG gefördert werden. Dafür werden sie auch auf die Regelstudienzeit angerechnet. Für den Rest des Stoffes bleibt entsprechend weniger Zeit.

Regelstudienzeiten, Orientierungsprüfungen, Zwischenprüfungen, Zwangsexmatrikulation: Das Studium wird weiter verschult und noch mehr zum Verwaltungsakt. Inhaltliche Fragen interessieren da nur am Rande: Immerhin soll "unter Beteiligung der Studierenden" eine regelmäßige Evaluation eingeführt werden. Wer da wen wie und wozu evaluiert, bleibt aber offen.

Mit seiner Novelle hat sich Klaus von Trotha bisher in Baden-Württemberg nur wenig Freunde gemacht.

Nur die Universität Mannheim hat schon vorauseilend begonnen, ihre Grundordnung auf das neue Gesetz hin zu ändern. Der Tübinger Große Senat hat sich gegen die neuen Gesetze ausgesprochen. In Freiburg bezieht der Rektor noch nicht Stellung, aber ein Teil der Professorenschaft protestiert bereits, ebenso in Karlsruhe. In Konstanz versucht man dem Minister einen Sonderweg mit einem nur beratenden Hochschulrat schmackhaft zu machen.

Am lautesten aber wettert man in Heidelberg. Die Professorenfraktionen Ruperto Carola und Semper Apertus gaben gemeinsame Presseerklärungen heraus. Ein im Rheinischen Merkur veröffentlichter Brief des Ruperto-Carola-Mannes Professor Eike Wolgast empörte Klaus von Trotha. Der Historiker hatte die neuen Pläne mit "Universitätsstrukturen des Dritten Reiches und der DDR" verglichen. Eine Gruppe um Wolf-Dietrich Niemeier, Dekan der Fakultät für Orientalistik und Altertumswissenschaft, hat eine Unterschriftenaktion gegen die neuen Leitungsstrukturen initiiert. Die FSK arbeitet neben der Kritik an der Ministeriumsvorlage an eigenen Vorschlägen.

Am Dienstag, den 11. Mai, stellt sich Minister Trotha der (nicht-öffentlichen) Diskussion im Senat. Danach will das Gremium in einer Sondersitzung einen Gegenvorschlag verabschieden. (st, hn)

Der gesamte Text der UG-Novelle kann auf MACROBUTTON HtmlResAnchor http://www.rzuser.uni-heidelberg.de/~m32/hgnovelle/ abgerufen werden.


Inhalt

Heiße Eisen

wie den Kosovo-Konflikt faßt Alfred Grosser im Interview an.

Frostige Forschung

Was haben Forschungsunterlagen in der Kühlkammer verloren?

Laues Angebot

Geht das Semesterticket den Bach runter? Der neueste Stand auf

Eiskalt erwischt

Goethe in Heidelberg: Ausstellung in der UB.

Frische Brise

Zerstört Heidelberger Zement Wälder an der kanadischen Küste?

Cooles Stück

"Angriffe auf Anne" - Der neue Theater-Hit im Zwinger.

Hitziger Wettkampf

SWR3 und ruprecht suchen die wildeste WG im Wildall.


Erste Erfahrungen mit dem neuen Schulpraktikum für Lehramtsstudis

Stuttgarter Geschichten

"Wenn etwas völlig Neues kommt, wird es immer Probleme geben", so die Aussage von Dr. Margrit Roep, die am Referat für Lehrerbildung tätig ist. Damit nahm sie Bezug auf das vierwöchige Schulpraktikum für Studenten, welches in den vergangenen Semesterferien in Baden-Württemberg zum ersten Mal stattfand. An diesem haben obligatorisch all jene teilzunehmen, die beabsichtigen, später einmal als Lehrer oder Lehrerinnen an einem Gymnasium zu unterrichten. Zahlreiche Probleme gab es in der Tat: hauptsächlich deshalb, weil die Universität die Studenten nur sehr ungenügend informiert hatte, und die einzelnen Fakultäten offenbar nicht darauf vorbereitet waren, Fragen zu beantworten. Zwar hatte man die Studenten durch eine der Rückmeldebescheinigung beiliegende Notiz informiert, daß sie ein Schulpraktikum zu absolvieren hätten. Weitere Angaben fehlten jedoch. Schriftliche Aushänge, durch die man sich über den genauen Sachstand Klarheit hätte verschaffen können, fanden sich kaum; die von seiten der Fakultäten als Ansprechpartner angegebenen Personen erwiesen sich teilweise als ebenso uninformiert wie die Studierenden selbst. In manchen Fällen wurde die Fachschaft zur letzten Anlaufstelle der Informationssuchenden.

Dennoch gelang es allen 178 Studenten, die sich für dieses Semester beim pädagogischen Seminar in Heidelberg für das Praktikum angemeldet hatten, eine Schule zur Absolvierung des Praktikums zu finden. Als Vorbereitung auf das Praktikum hatten die Studenten an einem Einführungstag teilzunehmen, der an der Pädagogischen Hochschule stattfand. An dessen Gestaltung und Ablauf wurde von den Teilnehmern harsche Kritik geübt. Bemängelt wurde vor allem die Tatsache, daß man kaum etwas über Didaktik erfahren und auch nur wenig für den Schulalltag praktisch Anwendbares gelernt habe. Die Durchführung des Praktikums selbst gestaltete sich von Schule zu Schule recht unterschiedlich, was nicht zuletzt daran lag, daß dazu von ministerieller Seite keinerlei Vorgaben gemacht worden waren.Einzig die Dauer und der Zeitpunkt, zu dem das Praktikum stattzufinden hat, war festgelegt worden. "Wir wollen nicht aus dem Elfenbeinturm heraus entscheiden, was zu geschehen hat, sondern das Praktikum muß den Gegebenheiten der jeweiligen Schule angepaßt werden," so die Erklärung von Martin Böninger, dem Pressesprecher des Kultusministeriums.

Hatten auch einige Schulen durchaus den Versuch unternommen, für die Praktikanten eine Art festen Stundenplan zu erstellen, so blieb es dann vielerorts doch letztendlich der Eigeninitiative der Studenten überlassen, wie weit sie in den Unterricht eingebunden wurden. Auch die Entscheidung, ob man sich überhaupt am Unterricht beteiligen wollte, das heißt aktiv als Lehrer vor die Klasse treten, diese Entscheidung blieb jedem selbst überlassen.

Als "sehr gut" bezeichneten die meisten Praktikanten die Betreuung, die sie durch die Lehrer erfahren hatten. So war es für fast alle Studenten eine Selbstverständlichkeit, daß sie jeweils eine Vor- und eine Nachbesprechung ihres gehaltenen Unterrichtes erhielten. Hierbei wurden ihnen auch zum ersten mal Grundkenntnisse der Didaktik und der Pädagogik vermittelt. Man war sich unter den Studenten einig, daß die Aufnahme des Praktikums in den regulären Lehrplan eine gute Sache sei. Dadurch würde ihnen erstmals die Möglichkeit geboten, in den angestrebten Beruf Einblick zu erhalten und praktische Erfahrung zu sammeln. Auch der spätere Studienverlauf könne dadurch berufsorientierter geplant werden.

Von Seiten der Schulen wurde das Praktikum durchaus als eine zusätzliche Belastung empfunden, dennoch sei es, wie der Schulleiter des KFG in Heidelberg, Oberstudiendirektor Volker Gewahl, erklärte, in der augenblicklich bestehenden Form durchaus sinnvoll und notwendig. Nach Aussage von Gisela Most, der Schulleiterin des Hölderlin-Gymnasiums, sei es jedoch dringend geraten, einige organisatorische Verbesserungen vorzunehmen. Besonders die Art und Weise, wie die Bewerbung der Studenten an den Schulen zu erfolgen habe, bedürfe einer besseren Regelung.

Das Kultusministerium zog eine positive Bilanz des Schulpraktikums. Sowohl die Studenten, als auch die Schulen seien mit dem Verlauf des Praktikums überwiegend zufrieden gewesen. Das Ziel, die Studierenden sukzessiv an ihren zukünftigen Lehrerberuf heranzuführen, könne als erreicht betrachtet werden, so die Aussage von Pressesprecher Martin Böninger.

Die Pläne der Landesregierung sind jedoch noch weiterführend: ein ganzes Praxissemester soll eingeführt werden. Dieses sei dann jedoch erst nach der Zwischenprüfung zu absolvieren. Das halbe Jahr, das die Studenten dann schon an den Schulen verbracht hätten, solle dann auf die Dauer des späteren Referendariats angerechnet werden, das heißt dieses würde sich um sechs Monate verkürzen. Diese Pläne stoßen jedoch weder bei den Schulen, noch bei den Studenten auf große Gegenliebe. Die Schulen klagen darüber, daß sie mit der Ausbildung der Referendare schon völlig ausgelastet seien und nicht in der Lage seien, noch zusätzlich Praktikanten zu betreuen. Viele Studenten befürchten ihrerseits, daß sie durch eine einsemestrige Studienunterbrechung den Anschluß an ihr Studium verlieren könnten. Die Tatsache, daß die Praktikanten, im Gegensatz zu den Referendaren, während ihrer Tätigkeit an den Schulen keine Bezahlung erhalten sollen, werteten viele als einen Beweis, daß es sich bei der Einführung des Praktikumssemesters um eine reine Sparmaßnahme der Landesregierung handle.

Dem widerspricht jedoch Martin Böninger: Das Praxissemester werde eingeführt, um eine berufsorientiertere Ausbildung der Studierenden zu gewährleisten. Die daraus eventuell resultierenden Einsparungen für das Land seien relativ gering. Schließlich entstünden auch neue Kosten durch den erhöhten Verwaltungsaufwand, den das Praxissemester mit sich bringe.

Wie sich das Praktikumssemester letztendlich gestalten wird und wer genau davon betroffen sein wird, darüber entscheidet die Landesregierung in einer Kabinettssitzung in der kommenden Woche. Fest steht jedoch bereits jetzt schon, daß aufgrund der Tatsache, daß die konzeptionellen Arbeiten zur Novellierung der Wissenschaftlichen Prüfungsordnung für das Lehramt an Gymnasien in Verzug geraten sind, die Studienanfänger des Wintersemesters 1998/99 und des Sommersemesters 1999 noch kein Praktikumssemester zu absolvieren haben. Für sie bleibt es bei dem vierwöchigen Praktikum während der Semesterferien. (jak)


EY!

Frühling. Hörsäle scheiden ihren Inhalt auf die Neckarwiese aus. Mädchen lassen auf immer weniger Stoff immer mehr Farben strahlen. Männlein und Weiblein finden an romantischen Standardplätzen wie Philoweg oder Tretboot zueinander, und auch sonst, um mit Willy Brandt zu sprechen, "wächst zusammen, was zusammengehört": Heidelberg - Romantik - Walzerklänge - André Rieu, das mag für viele seiner treuesten Fans eine ähnlich flüssige Assoziationskette sein wie Zähneputzen - Wasserglas - Corega Tabs. Herr Rieu ist der Langhaarige, dessen Schwiegersohnslächeln in den vergangenen Wochen die Litfaßsäulen verzierte, um für die Johann-Strauss-Nacht auf der Thingstätte zu werben. Nun ist Heidelberg nicht nur für Japaner ein Synonym für die gute alte Zeit im allgemeinen und Friede, Freude, Eierkuchen im besonderen - wie das Oeuvre von Strauss Junior. Warum also nicht hier walzen?

Dennoch wäre ein anderer Ort geeigneter gewesen: etwa das Firmengelände der BASF in Ludwigshafen. Daß der Chemiekonzern durchaus Reize besitzt, die dem Neckarstädtchen fehlen, findet jedenfalls Janina Jütte, 31, Heidelberger Studentin der Islamwissenschaften. Sie erkor in Allegra das Fabrikareal mit seinem "Schnitzelpuff" Zum Trucker zu ihrem Lieblingsplatz. Nach einer langen Fetennacht könne man dort reichliches Essen und morbide Stimmung tanken, dann auf der Heimfahrt mit vollem Magen und halbgeschlossenen Augen sich Las Vegas vorstellen - und dabei Musik hören. Was für Musik, verschwieg sie dem Leser leider - eine Lücke, die sich mit den Sahnezuckerklängen Rieus schließen läßt. Zumal zu bedenken bleibt, daß auf dem Heiligenberg, wie der Szeneflyer Rhein-Neckar-Zeitung kürzlich warnte, immer wieder Betrunkene durch offene Feuer springen. Der Artikel bezog sich zwar auf die Walpurgisnacht, doch scheint er auch für den Ablauf der Stehgeigerveranstaltung ganz neue Möglichkeiten zu eröffnen: Stage diving beim Kaiserwalzer, Bundesgrenzschutz und Polizei beschlagnahmen Partydrogen wie 47/11 und Eierlikör. So scheint fraglich, ob Maestro Rieu seine Verantwortung in Sachen Romantik und des entsprechenden Zusammenwachsens seines Publikums ganz ernst genommen hat: Also, André, das nächste Mal bitte im Schloß fiedeln! Oder in Ludwigshafen! (gan)


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