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Die Letzte


Heidelberg mahnt zentral

Betonstelensponsoring gegen Betonköpfe

Heidelberg läßt der Aufforderung von Alt- Bundespräsident Roman Herzog, die Akzeptanz für das Holocaust-Mahnmal auf dem Potsdamer Platz in Berlin beim Bürger zu erhöhen, nun Taten folgen. Im Rahmen der Promotion-Tour des Holocaust-Mahnmals durch Deutschland wird Heidelberg als einzige deutsche Stadt eine längerfristige, ja, wenn nicht gar ewige, Installation erhalten.

Eine ewige Installation wäre somit gleichsam eine dreidimensionale metaphorisch - fusionistische Darstellung zweier Weltreligionen: auf der einen Seite das ewige Licht, wie es uns von römisch- katholischen Friedhöfen bekannt ist, und auf der anderen die Grabsteine der Juden. Das Mahnmal auf dem Universitätsplatz wird sich, so ein Sprecher des Rathauses, bis auf einige wenige technisch- und standortbedingte Details am Entwurf des amerikanischen Stararchitekten Peter Eisenman orientieren. Der Bundestag hatte sich für das stilisierte Gräber- oder Weizenfeld mit großer Mehrheit entschieden.

Der Gemeinderat hatte am Freitag mit deutlicher Mehrheit die Errichtung einer "Heidelberger Variante" - auch Eisenman II/HD genannt - auf dem Universitätsplatz beschlossen. Von einem Mitglied des Gemeinderates war angeregt worden, das Heidelberger Mahnmal auch anderen Opfergruppen zu widmen. Doch der den Stadträten überlassene 3220,91 Seiten schmale Dokumentationsausführungsbescheid zum Verfahren schnürte das Erinnerungspaket nur noch für die Ziel- und Opfergruppe "Juden" zusammen. Denn "was interessieren uns schon Schwule, Krüppel und Deserteure", so ein wildentschlossenes Ratsmitglied.

OB Beate Weber, die in den letzten Wochen für das Projekt all ihr Herzblut gab, schmetterte die Vorwürfe aus dem Lager der CDU, daß das Projekt niemals finanzierbar sei, ganz entschieden zurück. Vielmehr habe sich die Heidelberger Zement AG als Sponsor dankenswerterweise dazu herabgelassen, den Bau durch Ausschüttung von Beton und Know-how zu fördern. Damit, so die First-Lady of the Rathaus, werde zugleich die Standortbindung Heidelberger Unternehmen an die Region verstärkt.

Unklar bleibt, ob eine Beteiligung der Eichbaum AG an der Finanzierung zustande kommen wird. Die Brauer hatten zur Bedingung gemacht, das fertige Mahnmal für eine Bierreklame zu verwenden. "Aber nur Weizenbier mit deutschem Reinheitsgebot - alles andere würde die symbolische Intention des Künstlers verwässern," meinte Kulturreferent B. Rausch.

"Wir bauen das Mahnmal nicht für die Juden, sondern für uns," sagte Dagobert Lädl, Sprecher des Heidelberger Gewerbeverbandes, der sich von der neuen Attraktion im Stadtzentrum auch mehr Kunden für den Einzelhandel erhofft.

Um den Bedürfnissen unserer Gäste aus Fernost gerecht zu werden, plant der Kultur- und Fremdenverkehrsausschuß der Stadt die Einrichtung eines speziell von Jägerzaun umfriedeten "Individualdokumentationsbereichs". Hier können vor dem malerischen Hintergrund des Heidelberger Schlosses besonders ausgestaltete Betonstelen photographiert werden. Namen prominenter ermordeter Juden sollen hier auch in japanischen Schriftzeichen unter dem Motto "Best of Holocaust" in die Betonsäulen eingearbeitet werden.

Um einen freien Blick auf das Schloß zu ermöglichen, steht auch die Versetzung der Jesuitenkirche und des Philosophischen Seminars auf dem Heiligenberg zur Diskussion. Der Erlös des Verkaufs des freiwerdenden Baugrundes an Privatunternehmen könne dem Projekt "Stadt am Fluß" zugute kommen.

Positiv fiel auch das Echo seitens der jüdischen Gemeinde in Heidelberg aus. Das Projekt füge sich ausnehmend gut in die "Heidelberger Landschaft des Gedenkens" ein. Die Gedenkstätte am Synagogenplatz mit ihrer "eindringlichen Darstellung der Leere" sei der Beweis, daß die Heidelberger Bürger bereit zur Auseinandersetzung mit dem Thema sind. Gerade Menschen der einkommensschwachen Bevölkerungsschichten suchten den eindrucksvollen Platz gerne auf und entwickelten kreative Formen des Erinnerns, gerne mit einer gemeinschaftlich geteilten Tüte Bierdosen. Hier ein Weizenfeld, dort ein Bierdosenplatz; sollte diese unabwendbare Parallelität etwa nicht in die Konsensgespräche zwischen Stadt und Mannheimer Brauerei fließen?!

Eine Passantenumfrage zu den Plänen bestätigte diesen Eindruck: "Jetzt, wo zentral gemahnt wird, könnt' man aus dem Synagogenplatz doch eigentlich schöne Parkflächen machen," meinte eine Alteingesessene Heidelbergerin.

Preise berauf

Straßen- und Bergbahn hebt ab

Frischer Wind beim Verkehrsverbund Rhein-Neckar (VRN). Wenn die Studis zum Wintersemester nicht am Fahrrad festfrieren wollen, werden sie von der neuen Verkaufspolitik des öffentlichen Nahverkehrs kalt erwischt: Die Manager beim VRN haben ein Einsehen und machen Schluß mit dem viel zu billigen Schleuderangebot - im Einklang mit dem Motto unseres Bildungsministers von Trotha: Was nichts kostet, ist nichts wert. Im Jahr 2005 soll das niemand mehr vom Heidelberger Studiticket behaupten können: Ein Preis von bis zu 480 Mark sei absolut möglich, so gewöhnlich gut unterrichtete Kreise.

In den letzten Jahren waren viele Studenten nicht nur dem Auto untreu geworden, sondern auch ihren Freundinnen. Die HISBOLLA (Heidelberger Internationale Straßenbahn/Busfahrer-Organisation "Luft&Liebe" Arbeitsgemeinschaft) will mit sowas nichts zu tun haben: Ein Wechsel zum Luxusticket war schon lange gewünscht. Die Heidelberger Straßen- und Bergbahner hoffen, daß mit dem höheren Preis das Publikum wieder bürgerlicher wird - und nicht so zahlreich.

Auf der Seite der Konzernleitung sind es nicht die Sitten, sondern die Finanzen, die Sorgen bereiten: Bei der Einführung des Semestertickets 1993 war man bei der Kalkulation des Preises von etwa 7000 Käufern ausgegangen - und dementsprechend waren auch die Subventionen des Landes pro verkauftem Ticket angesetzt worden. Leider ging das Ticket dann aber Semester für Semester mehr als doppelt so oft über den Schalter. Die unerwarteten Mehreinnahmen stürzten die ungeschützten Nahverkehrer in Verlegenheit: Man hatte Fahrplanverbesserungen versprochen. Mußten die Chefs angesichts der guten Bilanz nun tatsächlich zu ihrem Wort stehen? Kaum waren fünf Jahre vergangen, wußten die Manager nicht mehr, wohin mit dem vielen Geld: In diesem Sommer wurde der 10-Minutentakt auf der Berliner Straße am Neuenheimer Feld auf einen Fünfminütigen verkürzt, die Haltestelle "Ladenburger Straße" - auch von Studis gern benützt - um 50 Meter versetzt, und bereits im Frühjahr für Anglisten die digitalisierte Audioansage "University Place" in "University Square" modifiziert.

Das verbesserte Angebot verstärkte bei der HISBOLLA aber die Angst vor einer anhaltenden "Semiticklerschwemme". Um Auseinandersetzungen mit den Angestellten zu vermeiden, setzten die Bosse beim VRN den Preis rauf. Der Anhebung des Preises pro Ticket zum Wintersemester um etwa 9 Mark werden weitere folgen, bis eine Angleichung an die Schülerkarte "MAXX" erreicht sein wird. Die kostet zur Zeit 480 Mark pro Jahr. Ein Preis, so ein Busfahrer unseres Vertrauens, der dem Kunden ein ganz anderes Fahrgefühl vermittle.

Es steht zu hoffen, daß die ehrgeizigen Pläne der Nahverkehrler bald durchgeführt werden können. Die Universität Mannheim ist der bestechenden Argumentation des Busfahrerkartells bereits erlegen, in Heidelberg sind es nurmehr die Studis, im Verein mit dem Studentenwerk und dem Rektorat, die uneinsichtig bleiben - alles Leute, die, so die Meinung vieler Verkehrsverbundenen, weder von Bus- noch von Konzernlenkung etwas verstehen.

Die Letzten: dn, hn, gan


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