Das Biedermeier, die Zeit zwischen den Befreiungskriegen 1815 und der gescheiterten Revolution 1848, war politisch von Restauration, staatlicher Überwachung und einem Rückzug ins Private geprägt, was sich auch in Kunst und Kunstgewerbe niederschlug. Nicht von ungefähr treten zu dieser Zeit Sofa, Weihnachtsbaum, Kaffeetasse und Zuckerdose ihren Siegeszug in die bürgerlichen Wohnzimmer an. In der Malerei und Graphik geht man von den großen, die Sehnsucht nach der Unendlichkeit wiederspiegelnden Stadt und Landschaftsansichten zu kleineren, realistischeren Ansichten ohne Symbolik über. Miniaturhafte, akribisch beschauliche Details der Alltagswelt sollten den Betrachter entspannen.
"Erfunden" wurde der Begriff "Biedermeier" übrigens von dem Heidelberger Arzt Adolf Kußmaul und seinem Dichterfreund Ludwig Eichrodt, die unter diesem Pseudonym 1853 Gedichte in der Manier eines naiven, unfreiwillig komischen Dorfschullehrer -Poeten veröffentlichten. Dieser abwertende Begriff wurde dann Ende des 19. Jahrhunderts schnell zum Synonym für die vorausgegangene Epoche.
Diese gerade in Heidelberg künstlerisch reichhaltige Zeit mit den Künstlerfamilien Rottmann, Fohr, Fries und vielen anderen, darunter auch einigen Malerinnen, war bisher noch nicht umfassend in einer Ausstellung gewürdigt worden. Deshalb entstand auf Initiative und unter Leitung von Carl-Ludwig Fuchs und Susanne Himmelheber vom Kurpfälzischen Museum am Kunsthistorischen Institut ein Arbeitskreis "Biedermeier" aus Studierenden und Absolventen. Ziel war es, daß die Studierenden, die ja meist nur Referate und Hausarbeiten zu verfassen geübt sind, die Konzeption und Organisation einer Ausstellung lernen. So haben denn die Studierenden alles von der Recherche und der Beschaffung der Exponate bis zum Verfassen der Ausstellungs- und Begleitbuchtexte weitgehend selbst übernommen. Vom Kulturamt und einigen Sponsoren finanziert, sollte die Ausstellung auch ein Beispiel dafür sein, daß eine gute Präsentation auch mit geringen Finanzmitteln auskommen kann.
Entstanden ist dabei eine sehenswerte, kleine, liebevoll inszenierte Ausstellung im Ottheinrichsbau des Schlosses, die neben vielen Stadt- und Landschaftsansichten von Heidelberg, Ideallandschaften und Porträts auch einige kunstgewerbliche Gegenstände wie Möbel, Porzellan- und Glasgeschirr und zeitgenössische Kleider in Szene setzt und in der Form eines beschaulichen, biedermeierlichen Wohnzimmers zeigt. Ergänzt wird das Ganze noch von einigen Vitrinen mit Tage- und Skizzenbüchern, Briefen und anderen persönlichen Gegenständen, die die Arbeits- und Lebensweise der Künstler veranschaulichen. Bemerkenswert sind neben einigen bisher noch nie öffentlich gezeigten Bildern aus Privatsammlungen Landschaftsaquarellen des Schriftstellers Gottfried Keller und Porträts Anselm Feuerbachs, vor allem die zahlreichen Ansichten des Heidelberger Schlosses, das damals als "deutsches Kulturdenkmal" entdeckt und von dem Franzosen Charles de Graimberg vor der entgültigen Zerstörung bewahrt wurde. Es ist in vielen, damals sogar in Paris sehr beliebten, Kupferstichen verewigt worden.
Das Ausstellungsplakat stellt übrigens den in der Manier von Tischbeins "Goethe in der Campagna" in idealer Landschaft ruhenden Sohn des Malers Georg Schmitt Guido (der Jahre später selbst Maler wurde) dar.
Hilfreich für den Gang durch die Ausstellung, um mehr über den Hintergrund der Künstler und Bilder zu erfahren, ist das kleine, für zwei Mark erhältliche Begleitheftchen. Für die vertiefende Lektüre zu Hause empfiehlt sich der mit zahlreichen Schwarzweiß-Abbildungen versehene Begleitalmanach, der neben Kunst und Künstlern auch auf Themen wie Mode, Baukunst, Mädchenerziehung, Bürgertum und Industrialisierung eingeht.
Zu sehen ist die Ausstellung noch bis zum 8. Dezember, täglich von 10 bis 18 Uhr, am Donnerstag bis 20 Uhr im Ottheinrichsbau des Heidelberger Schlosses. (mr)
Einen ersten Schritt zur Neustrukturierung der Hochschullandschaft im Sinne der nationalsozialistischen Führung stellte das "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" vom 7. April 1933 dar: Es wurde eine juristische Grundlage verabschiedet, mit der Beamte aus dem Dienst entfernt werden konnten.
Als Kriterium für die Versetzung in den Ruhestand galt nach SS3 die nicht-arische Abstammung des Betreffenden. Sollte einer der Großeltern jüdischer Herkunft sein, lag dieser Fall vor. Allerdings, und von dieser Möglichkeit machten in der Folge viele Dozenten Gebrauch, konnte dieser Paragraph umgangen werden, sofern man seit August 1914 Beamter gewesen war oder sich im Weltkrieg als "Frontkämpfer" hervorgetan hatte, bzw. eigene Söhne im Krieg gefallen waren. Die Reaktionen auf dieses Gesetz waren relativ unterschiedlich: Ein Teil der Professoren und Dozenten konnte wegen ihrer "Frontkämpfer"-Vergangenheit der Entlassung bzw. dem Ruhestand vorerst entgehen.
Ein Mitglied der philosophischen Fakultät, Prof. Klibanski, beantwortete den entsprechenden Fragebogen zu seiner Abstammung, indem er erklärte, daß es seinem wissenschaftlichen Denken widerspräche, die Frage nach der Abstammung anhand nur zweier Generationen zu beantworten. Er lege Wert auf die Feststellung, daß sich sämtliche seiner Vorfahren zur jüdischen Religion bekannt hätten. Daraufhin forderte der Studentenführer Scheel die baldige Entlassung des Professors.
Scheel sowie die Fachschaften überhaupt spielten bei der Absetzung unliebsamer Professoren eine entscheidende Rolle. Der "nicht-arische" Mathematikprofessor Rosenthal zum Beispiel mußte eines Morgens feststellen, daß nicht nur seine Vorlesung von der Fachschaft boykottiert wurde, sondern daß die Fachschaften auch für Parallel-Vorlesungen und Übungen sorgten, welche von Assistenten abgehalten wurden. Räumlichkeiten wurden von einem Dozenten in der medizinischen Fakultät zur Verfügung gestellt. Der Einfluß der Fachschaften muß sehr stark gewesen sein, denn bei den meisten Anstrengungen, unkorrekte, nicht-arische Dozenten aus ihrem Amt zu entfernen, finden sie Erwähnung . Es bleibt allerdings zu beachten, daß sich viele Studenten wohl dem Druck der nationalsozialistischen Studenten nicht gewachsen fühlten und sich deshalb am Boykott beteiligten.
Von den Dozenten der eigenen Fakultät wurde 1935 die Beurlaubung des Physiologen Meyerhof, eines sogenannten "Volljuden", angeregt und durchgesetzt, obwohl sich zum Beispiel Ludolf von Krehl für diesen einsetzte. Es sei im Interesse der Uni Heidelberg, wie der deutschen Wissenschaft insgesamt, wenn Meyerhof einem Ruf ins Ausland folge. Meyerhof hatte 1922 den Nobelpreis für Medizin erhalten.
Politisch aktive Beamte wurden ebenfalls diffamiert und letztendlich entlassen (nach SS4): so sah sich der Zahnarzt und außerordentliche Professor Blessing (Zentrum) dem Vorwurf finanzieller Unregelmäßigkeiten in der Klinikführung ausgesetzt. Bewiesen werden konnten diese nicht, sein Ruf blieb aber geschädigt. Die Eremitierung wurde 1934 ausgesprochen.
Ein weiterer prominenter Fall war der Philosoph Karl Jaspers, der aufgrund seiner Ehe mit einer jüdischen Frau 1937 in den Zwangsruhestand versetzt wurde und 1945 nur knapp dem KZ entging.
Mehrstündige Haus- und Institutsdurchsuchungen durch die Heidelberger Polizei fanden ebenfalls statt, bei Prof. v. Eckardt sogar unter "Assistenz" von Studenten. Am 21. Januar 1937 wurde schließlich das "Deutsche Beamtengesetz" verabschiedet. Es beinhaltete die Treue des Beamten zu "Führer" und "Reich", sie sollten als Vollstrecker des von der NSDAP gestalteten Staates gelten. In der Konsequenz bedeutete dies, daß nur Beamter werden konnte, wer deutschen oder artverwandten Blutes war. Dies bezog sich von nun an auch auf die Ehegatten, eine weitere Möglichkeit, Dozenten zu entlassen.
Ein Teil der Professoren und Dozenten blieben im Ruhestand in Heidelberg, während andere emigrierten und im Ausland weiter zu arbeiten versuchten.
Die Auszeichnungen und Qualifikationen, mit denen diese Professoren versehen waren, waren beachtlich, und man kann sagen, daß durch diese Gesetzgebung die Universität vieler ihrer renommiertesten Dozenten beraubt wurde oder sie sich selbst ihrer entledigt hat. Die Universitätsleitung setzte sich anfangs sehr für ihre Professoren ein, allerdings entsprachen bald die Ansichten der Uniführung denen der Studenten oder des Reichserziehungsministeriums. Von 201 aktiv lehrenden Dozenten wurden 65 entlassen. (hel)
Quelle: "Die Vertriebenen Heidelberger Dozenten", Dorothea Mussgnug ( LA-K3 9787).