"Es gibt doch noch etwas, für das sich die Studenten einsetzen", mußte Wohnheimverantwortliche Frau Homfeld-Gutenkunst feststellen. Zum Beispiel für die Bar 3. Wer jemals im Feld gewohnt hat, oder Freunde dort besucht, kennt sie. Alle anderen müssen sich mit Gerüchten begnügen. Die Bar im Keller des Wohnheims 683 ist nur für Wohnheimbewohner offen. Denen bleibt sie in dauerhafter Erinnerung. Der Grund dafür liegt sicher bei der Atmosphäre und den niedrigen Alkoholpreisen. Und vielleicht auch bei Frieder Schnürle, seit 20 Jahren Barkeeper. Sein Motto: "Ich bin für meine Gäste da."
Gegen Ende des vergangenen Semesters tauchte im Feld das Gerücht von der Schließung der Bar 3 auf. Eine Woche vor Beginn der Semesterferien gingen Unterschriftenlisten in den Wohnheimen herum, die gegen die Schließung der Bar 3 protestierten., organisiert von Siedlungssprecher Ingo Butzke.Jetzt, zum Semesterbeginn, scheint die Bar 3 doch nicht geschlossen zu werden. Das vom Studiwerk betriebene Bistro im Haus neben der Bar hingegen hat wegen Renovierungsarbeiten zu. War jetzt was dran an dem Gerücht, oder nicht?
Tatsache ist: Im Keller des Wohnheims 684, also direkt neben der Bar 3 befindet sich das Bistro. Gut läuft es nicht , genaugenommen hat es im letzten Jahr 60000 Mark Defizit erwirtschaftet.
Frieder Schnürle schickte, nachdem das Problem Ende Juni bekannt wurde, einen Brief mit Vorschlägen, wie das Bistro rentabler gemacht werden könnte, an Herrn Gutenkunst, Geschäftsführer des Studentenwerks. Im Antwortschreiben wurde Herrn Schnürle der Pachtvertrag für die Bar gekündigt. Allerdings bekam er einen neuen Vertrag angeboten, unter veränderten Bedingungen. Außerdem wurde Schnürle die Leitung des Bistros angeboten. Das lehnte er ab. Nach einem Gespräch mit Frau Homfeld-Gutenkunst, Herrn Gutenkunst und dem Siedlungssprecher Ingo Butzke, erhielt Herr Schnürle einen neuen Pachtvertrag, mit der Einschränkung, daß die Bar 3 in Zukunft erst öffnet, wenn das Bistro geschlossen hat.
Im Studentenwerk versteht man die Aufregung um die Bar nicht. Eines sei klar: Die Bar bleibt offen und am besten mit Herrn Schnürle als Pächter. Der Pachtvertrag mußte neu formuliert werden aufgrund des neuen Studentwerksgesetzes (siehe Titel, ruprecht Nr. 60). Dadurch werde das Studentenwerk zu "wirtschaftlichem Handeln gezwungen" und könne sich Verluste nicht leisten, so Herr Gutenkunst. Und weiter meint er: "Das Bistro wird zur Zeit umgebaut. Die Öffnungszeiten von Bar und Bistro sollten sich nicht überlappen." Schließlich kann man es nicht zulassen, daß ein vom Studentenwerk verpachteter Betrieb einer Einrichtung des Studentenwerks Konkurrenz macht. Außerdem wird in dem neuen Vertrag strenger auf die Bedingungen geachtet, unter denen Herr Schnürle Mitarbeiter einstellt. Bisher sind seine Beschäftigten Subgeschäftsführer, erhalten also keinen Lohn, sondern Umsatzbeteiligung. Das sei eigentlich vertragswidrig, so Frau Homfeld-Gutenkunst.
Für das Studentenwerk ist der Fall abgeschlossen: Herr Schnürle hat einen neuen Vertrag, die Geschichte ist ausgestanden. Oder doch nicht? Schnürle ist über die neuen Vertragsbedingungen nicht glücklich. Er will sich zwar mit dem Studentenwerk nicht streiten, aber es soll alles noch einmal ausdiskutiert werden.
Das Studentenwerk seinerseits will sowohl das Bistro, als auch die Bar 3 erhalten, sei es mit oder ohne Schnürle. (st)
In all dieser Düsternis fällt der Blick sofort auf die Bilder, die sich dicht an dicht an den dunklen Wänden entlangziehen: moderne, helle Farbkompositionen, die hier fast deplaziert wirken.
"Der rustikale Stil war in den 70ern sehr beliebt", erklärt Pio, der sich selbst als "der Wirt" bezeichnet. Zusammen mit Hans-Dieter Stendel, dem Besitzer des Lokals, hat er die Destille damals aufgebaut, und im Jahr 2000 wird man zusammen ihr 30jähriges Bestehen feiern. Über die Jahre hat sich hier nicht viel verändert. Neueren Datums sind nur die regelmäßigen Ausstellungen von Künstlern des In- und Auslands und mit ihnen zum Glück ein paar Spots, die die Bilder beleuchten und so den Raum ein wenig heller machen. Aus den ersten Tagen der Kneipe stammt der Baum bei der Theke, der, erzählt uns Pio, wirklich echt ist: Er selbst habe mitgeholfen, den dicken Stamm durch die Tür zu schleppen. Heute hängen in den Zweigen künstliche, hellblaue Blüten und jede Menge Teddybären, die aussehen wie aus einem Heidelberger Andenkenladen entlaufen. Kein Wunder, daß dieser Kitsch im Gedächtnis eines amerikanischen Touristen hängen blieb, der nach einem Heidelbergbesuch in einer anderen Stadt zufällig auf Pio traf und ihn wiedererkennen zu glaubte: "Are you the man from the pub with the Bretzel or from that one with the tree?" habe er gefragt, erzählt Pio uns stolz. Trotz der rustikalen Einrichtung besteht das Publikum der Destille aber beileibe nicht nur aus Touristen. Hier treffen sich sowohl Stammkunden aus den Anfangsjahren der Kneipe als auch junge Leute aus dem Umland - und natürlich Studenten. "Unser Prinzip ist die Vielfalt", sagt Pio, und was für die Gäste gilt, soll auch bei der Musikauswahl berücksichtigt werden. Jeder, der an der Bar ausschenkt, bringt seine eigenen CDs mit. Gespielt wird auf diese Weise fast alles, und das in einer Lautstärke, die die Musik zu mehr erhebt als zum Klangteppich.
Die Destille hat auch seit Jahrzehnten schon ein eigenes Lied, das bei Feierabend oft gesungen wird.Die dreißig Jahre, auf die die Kneipe zurückblickt, machen sie sehr gemütlich: Die Atmospähre kann nicht von einem Designer zusammengestellt werden, sie muß wachsen. Vor einem muß aber gewarnt werden: So eine Kneipe macht ihre Gäste schnell zu Stammkunden. (stw, gan)
Destille: Schneider Weiße (Hefe dunkel 0,5 l): 5,20 / 1 Laufender Meter (16 Gläser Alt à 0,2 l): 37,50 / Kaffee: 3,- / Cola (0,2 l): 2,80 / Warmer Erpel (2 cl): 3,50 / Gehängter (2 cl): 4,50
Die Destille im Internet: www.destilleonline.de
Geöffnet tägl. von 12-1Uhr
Um die deutsch-ungarische Geschichte und die europäische Integration drehte sich am 16.Oktober eine Tagung in der Friedrich-Ebert-Gedenkstätte. An die achtzig Besucher beider Nationen tummelten sich dort. Die deutsch-ungarische Welt war in Ordnung.
Einen Überblick über die Geschichte Ungarns seit dem Jahr 1918 gaben zunächst die Historiker Dr. Gerhard Seewann vom Südost-Institut München und Prof. György Litván vom Budapester Institut für die Erforschung der Revolution von 1956. Vor allem die enge Verknüpfung mit dem deutschen Weg im Umfeld des Zweiten Weltkriegs wurde deutlich. Bei der anschließenden Podiumsdiskussion trafen Intellektuelle und Vertreter beider Regierungen aufeinander, so Gert Weisskirchen, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, und Dr. István Szent-Iványi, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Ungarischen Parlament. Als Perle war der ungarische Schriftsteller György Dalos ("Der Gottsucher") eingeladen.
Die engen deutsch-ungarischen Bande zwischen 1918 und 1945 umriß Dr. Seewann. Anfang der dreißiger Jahre intensivierten sich die freundschaftlichen Beziehungen, da Ungarn ein großes Interesse an Deutschland zeigte. Die Ungarn hofften, mit Hilfe Deutschlands die Revision der Friedensverträge des Ersten Weltkrieges durchsetzen zu können, durch die man fast Zweidrittel des Territoriums verloren hatte. Hitler erklärte sich bereit, Ungarn zu unterstützen, allerdings nur in ihrer Stoßrichtung gegen die Tschechoslowakei, da Deutschland selber wirtschaftliche Interessen an Rumänien und Jugoslawien hatte.
In den folgenden Jahren geriet die ungarische Regierung jedoch in eine zunehmende Abhängigkeit von Deutschland, die so weit ging, daß Hitler ihr 1937 einen außenpolitischen Maßnahmenkatalog vorgab: Ungarn sollte sich aktiv an der Zerschlagung der Tschechoslowakei beteiligen und die Revisionsabsichten gegenüber Jugoslawien und Rumänien aufgeben. Damit hatte Ungarn die Entscheidungsfreiheit über sein wichtigstes außenpolitisches Ziel, die Revision des Vertrags von 1920, an Deutschland abgegeben. Mit dem Eintritt Ungarns in den Krieg gegen Jugoslawien erreichte die Abhängigkeit von Deutschland ihren Höhepunkt.
Am 19.März 1944 wurde Ungarn schließlich von der deutschen Wehrmacht besetzt. Die ungarische Bevölkerung stand Deutschland jedoch nicht durchweg ablehnend gegenüber, das Deutschlandbild der ungarischen Öffentlichkeit war ambivalent. "Die Tragweite der Abhängigkeit wurde lange durch die landesweite Begeisterung über Revisionserfolge wie in der Slowakei oder in der Ukraine überdeckt", so Seewann.
Die Ereignisse nach 1945 beschriebder Budapester Professor György Litván. Dieser skizzierte den Weg Ungarns, der über Stalinismus, Reformpolitik, Revolution und "sanften" Sozialismus zu dem Ungarn führte, das 1989 den Zerfall des gesamten kommunistischen Systems beschleunigte. Vor zehn Jahren im Oktober öffnete es die Grenze zu Österreich und ermöglichte damit tausenden von Ostdeutschen den Weg in den Westen. Wie wichtig Ungarn auch weiterhin für die Überwindung der Trennung Europas sei, betonte Weisskirchen im Anschluß auf dem Podium. György Dalos bedauerte, daß der Bundesrepublik Deutschland die notwendige Phantasie fehle, sich in den Sozialisierungsprozeß des Ostblocks hineinzuversetzen: "Die Ossis kommen immer wieder nach Ungarn in die Psychoanalyse, um sich über die Wessis zu beschweren." Aber das ist natürlich nicht alles.
Unter ganz anderen Vorzeichen als vor fünfzig Jahren ist Deutschland heute erster Wirtschaftspartner Ungarns, das seit 1995 stark im Aufschwung ist. Auch auf kultureller Ebene ist man um Austausch bemüht, in diesem Sinne auch der Ungarn-Schwerpunkt der diesjährigen Frankfurter Buchmesse. Zumindest die Namen einiger ungarischer Autoren sind auf diesem Weg bekannt geworden. Nicht mehr und nicht weniger.
Auf jeden Fall kann der Wahlberliner György Dalos beruhigt sein: Zur "Vergiftung der Deutschen" durch die große Flut ungarischer Bücher kam es nicht. (kh)