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KLECKS & KLANG


ruprecht on the records

The Beatles

Yellow Submarine

In zivilisierten Gesellschaften gilt es als unfein, die tote Großmutter auszustopfen. Vergleichbares widerfuhr dem musikalischen Erbe der Beatles in den letzten Jahren häufiger: Aus den dunkelsten Ecken der BBC-Studios hat George Martin, langjähriger Produzent der Fab Four und nun quasi der Verwalter von allem, was sich von Magnetspulen auf CDs retten läßt, halbvermoderte Tonbänder mit verloren geglaubten Tonspuren geborgen, von denen - 15 Jahre nach seinem Ableben - John Lennons Stimme frei wie ein Vogel, aber nicht ganz so melodiös, durch die Hitparaden flatterte.

Für weitere Akte dieser auf das beim Marsch durch die Institutionen zahlungskräftig gewordenen Publikum ausgerichteten Leichenfledderei scheint das Material ausgegangen zu sein. Dafür ist nun - 31 Jahre nach dem Erscheinen des dazugehörigen Films - noch einmal der Soundtrack zu "Yellow Submarine" erschienen.

1968, als der Zeichentrickfilm erschien, waren die Beatles bereits zwei Jahre lang nicht mehr aufgetreten - die Aufmerksamkeit der Vier richtete sich damals auf Experimente mit ausgefallener Studiotechnik und bewußtseinserweiternden Stöffchen. "Yellow Submarine" wurde ein riesiger Videoclip - auch mit Tracks von dem berühmtesten Album der Beatles, "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band" (1967), "Rubber Soul" (1965) und einigen B-Seiten parallel veröffentlichter Singles. Der Soundtrack enthielt nur die sechs neuen Songs des Films - auf der Rückseite der Platte waren orchestrierte Easy-Listening-Arrangements von George Martin zu hören, die im Film die Hintergrundmusik bildeten.

Der nun erschienene Soundtrack - zeitgleich zu der restaurierten Fassung des Streifens auf Video und DVD erschienen - enthält nur noch die echten Beatles-Songs des Films, dafür ohne Ausnahme. Mit der CD ist eine Best-of-Auswahl der besten Zeit der Beatles entstanden. Bei der digitalen Überarbeitung hat Martin tatsächlich viel Rauschen und Knistern entfernt. Allerdings wirken manche Songs dadurch steril: Beispielsweise bei "Baby you're a rich man" hat man den Eindruck, daß beim neuerlichen Abmischen etwas klangliche Atmosphäre geopfert wurde, um die Stimmen der Fab Four möglichst klar werden zu lassen. Aber wer Lagerfeuerheuler wie "All you need is love", "Nowhere Man" und natürlich "Yellow Submarine" auf einer Scheibe haben will, die ein echtes Original der 60er ist, wird sich davon nicht stören lassen. (gan)

Lee Konitz

Three Guys

Im Pop-Zirkus gehört man mit vierzig schon so langsam zum alten Eisen, im Jazz dagegen gibt es kein zu jung oder zu alt. Ein lebender Beweis für diesen Satz ist der Chicagoer Altsaxophonist Lee Konitz, der mit seinen 72 Jahren nun schon seit Ende der 40er die Entwicklung des Jazz mitbestimmt hat. Damals traten an die Stelle des nervösen und aufgeregten Bebop immer mehr Ruhe und Ausgeglichenheit. Der Jazz wurde relaxter, zugleich aber auch reflektierter. Diese neue Art von Jazz ist in ihrer Entstehung untrennbar mit einem Namen verbunden: Miles Davis, der mit seiner Platte "Birth of the cool" dem neuen Stil auch seinen Namen gab: Cool Jazz. Bei den Aufnahmen 1949 zu "Birth of the cool" war auch ein junger Altsaxoponist mit von der Partie, der später zu einem Leitbild des Cool Jazz werden sollte: Lee Konitz.

Seit dieser Zeit hat Konitz vieles aufgesaugt und verarbeitet, was im Jazz geschehen ist. Selten, daß er sich auf musikalische Abwege begab. So soll ein Kollege einmal vor Lachen vom Stuhl gefallen sein, als er Lee bei einem Konzert mit einer Memory Box am Saxophon herumexperimentieren hörte. Fortan hat er solche Mätzchen gelassen und sich auf das konzentriert, was ihn auszeichnet: das fast vibratolose, unangestrengte Spiel von glitzernden Altlinien. Doch stets blieb Konitz auch auf der Suche nach Neuem.

Das zeigt sich auch auf seinem neuen Album, für das er sich zwei ausgewiesene Virtuosen an seine Seite geholt hat: mit Steve Swallow, der als einer der ersten den E-Bass in den Jazz einführte und mit Schlagzeug-Veteran Paul Motian, der dem Schlagzeug zusätzliche melodische Möglichkeiten eröffnete. So verschieden die Richtungen sind, aus denen die drei gereiften Virtuosen kommen, so bunt ist auch ihr Programm auf dem neuen Album. Nach dem Opener "It's you" folgt gleich ein erster Höhepunkt: eine wunderschöne Version des Arlen-Mercer-Standards "Come Rain or come shine". Mit Carlos Jobims melancholischem "Bossa Luiza" bleibt man in ruhigem Fahrwasser, um dann bei Swallows quirligem, melodiös einfallsreichem "Ladies' Waders" zu zeigen, daß es auch flotter geht. Bei Motian's "Johnny broken wing" fällt besonders auf, daß Konitz oft leicht unter dem Ton spielt, was bei diesem einlullendem Stück zudem sehr gut paßt. Andere Stücke plätschern so dahin, doch immer wieder ist da der sanfte und ausgewogene Ton von Konitz, der das Zuhören zu einem echten Genuß macht. (col)

Readymade

Snapshotpoetry

Das Debüt von Readymade erschien im Februar 1998. Damals schon hochgelobt von vielen Kennern koppelte die Band drei Singles aus, wobei die dritte in letzter Minute zurückgezogen wurde. Der Gitarren-Pop aus Wiesbaden war zwar zur Kenntnis genommen worden, schlug beim Publikum aber nicht richtig ein. Jetzt versuchen sie es ein zweites Mal.

Und mit "Snapshot Poetry" scheint es zu klappen. Readymade ist in aller Munde. Das Video zur ersten Single "Supernatural" lief bei Viva2 in der höchsten Rotation und schaffte es im zweiten Anlauf auch in die von den Zuschauern telefonisch bestimmten Top 10. Sonst sind allerdings kaum Ohrwürmer auf dem Album vertreten. Außer vielleicht "If Inspiration Is On Vacation" - eines der energiegeladeneren Stücke. Daß sich wenig hit-taugliche Songs finden, muß aber kein Manko sein: Die Musik geht ganz gut ins Ohr, ohne jedoch zu einfach strukturiert zu sein.

Vom lauten, ungeordneten Schrammel-Pop haben sich die Wiesbadener weitgehend verabschiedet. Zugunsten leiserer Töne wie in "It Could Be Nice" oder "My Love, Not Yours", die die einfühlsamen Texte nicht nur vertonen, sondern auch interpretieren. Mehrstimmiger Gesang ist neuerdings ebenso häufig zu hören wie synthetische Klänge. "Lucio" ist sicherlich das überraschendste Stück Schnappschuß-Poesie. Akustik-Gitarre und Geigen-Arrangements erwartet wohl niemand von einer deutschen Indie-Rock-Band.

Insgesamt hat sich der Sound weiterentwickelt zu einer größeren Vielseitigkeit. Readymade zeigt sich mit "Snapshot Poetry" viel kreativer und einfallsreicher als auf dem (dennoch nicht zu verachtenden) Debüt. Bleibt ihnen nur zu wünschen, daß es das Publikum diesmal honoriert. (thor)


Was ist Jazz?

Ein Buch für den Einstieg in den 6/8-Takt

Jazz und moderne Kunst haben eines gemeinsam. Sie sind unserem Verständnis nicht immer unmittelbar zugänglich. Dieser Umstand führt dazu, daß nur eine Minderheit den Jazz richtig schätzen gelernt hat. Die Mehrheit ist sich in der Beurteilung von Jazz unsicher oder lehnt ihn einfach ab. Das soll sich aber demnächst ändern. Denn ein Buch zu diesem Thema könnte Abhilfe schaffen.

Der mitp-Verlag, bekannt für seine Dummie-Bücher über Computer-Themen, hat sich nun an ein neues Gebiet gewagt. Denn nicht nur die vertrackte Welt der Bits und Bytes scheint für viele ein Buch mit sieben Siegeln zu sein. So gibt es nun neben Dummies über klassische Musik und den Blues ein Buch über den Jazz.

Nach der Lektüre soll der Leser, so steht es in der Einführung, in der Lage sein, diejenige Jazzmusik zu finden, die ihm gefällt und die ihn berührt. Bei der Unmenge von Plattenempfehlungen jedoch mag das dem Leser, der ohne jedwede Vorkenntnis das Buch zur Hand nimmt, nicht unbedingt leichtfallen. Da wäre weniger mehr gewesen. Das aber ist leichter gesagt als getan. Denn der unverwechselbare Stil eines Musikers gehört gerade zu den Hauptmerkmalen des Jazz. Und angesichts der zahllosen Musiker der Jazzgeschichte tut man sich mit einer repräsentativen Auswahl von Aufnahmen wirklich schwer. So gesehen ist der Tip des Autors am Ende des Buches, sich erst einmal nicht nach seinen Empfehlungen zu richten, ein Zugeständnis an den wahrscheinlich überforderten Leser.

Das erste Kapitel des Buchs dagegen ist lobend hervorzuheben. Selten hat man eine so klare und verständliche Einführung in den Jazz auf solch knappem Raum gelesen. Schwierige Begriffe wie Synkopierung oder Swing werden durch eingängige Beispiele dem Leser nähergebracht. Die nächsten sechs Kapitel sind der Geschichte des Jazz von seinen Anfängen bis in die heutige Zeit gewidmet, wobei die 60er Jahre ein bißchen zu kurz kommen und die Perspektive insgesamt eine eindeutig amerikanische ist. So wird beispielsweise der bedeutendste europäische Jazzgitarrist der 30er und 40er, Django Reinhardt, nicht einmal erwähnt. Doch auch bedeutende amerikanische Jazzer wie der stilprägende Tenorsaxophonist Lester Young finden im historischen Teil des Buches keine Erwähnung.

Den meisten Raum im Buch nehmen die Kapitel 8-19 ein, in denen die verschiedenden Instrumente, die im Jazz zum Einsatz kommen, und die dazugehörigen Musiker vorgestellt werden. Dieser Teil des Buches läßt sich hervorragend als Nachschlagewerk nutzen, wobei einige Bilder mehr das Layout des Textes aufgelockert und auch dafür gesorgt hätten, daß dem Leser die vielen Musiker nicht bloße Namen bleiben.

Bei einem so weitläufigen Gebiet wie dem Jazz kann man dem Autor natürlich an mancher Stelle inhaltlich am Zeug flicken. Das aber würde die Leistung des Buches und des Autors insgesamt aber nicht schmälern: eine kompetente und meist unterhaltsam geschriebene Einführung in den Jazz zu bieten. (col)

"Jazz für Dummies" ist im mitp-Verlag erschienen und kostet 39,90 DM.


30 Jahre Unispiegel

Ein "Uniblatt zu Informationszwecken und ein Diskussionsforum" beansprucht der Unispiegel zu sein. Als die Zeitung im Oktober 1969 vom damaligen Direktor Werner Conze ins Leben gerufen wurde, standen hinter dieser unscheinbaren Zweckbestimmung jedoch die mit Inbrunst geführten Auseinandersetzungen innerhalb der Universität in den Jahren '68 und '69. Im Macht- und Informationskampf zwischen Unileitung und Studierenden sollte der Unispiegel ein Gegengewicht zu den Verlautbarungen der AStA und vor allem des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) darstellen.

Anläßlich des Tages der Offenen Tür der Altstadtinstitute wurde im Foyer der Alten Universität eine Ausstellung vorbereitet, die neben der spektakulären Anfangszeit auch einige herausragende Themen der Folgejahre behandelt. (jba)


ruprecht goes to the movies

Filmtips mit Bewertung:

ruprechts Notenskala:

kein ruprecht - nicht empfehlenswert

ein ruprechte - mäßig

zwei ruprechte -ordentlich

drei ruprechte -empfehlenswert

vier ruprechte - begeisternd

Tokyo Eyes ( 3 ruprecht)

Die Polizei von Tokyo wird von einem Verbrecher an der Nase herumgeführt, der seine Opfer wahllos aussucht und auf sie schießt.

Seine Kugeln verletzen jedoch niemanden; zumindest nicht körperlich. Da er eine Brille trägt, nennen ihn Boulevardpresse und Polizei verächtlich nur "four eyes".

Hinano (Hinano Yoshikawa) ist ein 17-jähriges, etwas naives Mädchen, daß in einem Schönheitssalon arbeitet und mit ihrem älteren Bruder,einem pflichtbewußten Polizisten, zusammenwohnt.So richtig zufrieden mit ihrem Leben ist sie aber nicht, es ist ihr ein bißchen zu eintönig.

Das ändert sich jedoch, denn als sie abends nach der Arbeit in der vollbesetzten U-Bahn steht, trifft Hinano zum erstenmal auf "K" (Shinji Takeda), der von Anfang an ihr Interesse geweckt hat: Schließlich liegt ein Phantombild auf dem Schreibtisch ihres Bruders , das dem jungen Mann neben ihr nicht ganz unähnlich ist. Sie folgt ihm und spioniert ihm hinterher. Bald lernen sich die beiden kennen und lieben. Als dem Mädchen klar wird, wer da ihr Herz erobert hat, ist sie hin-, und hergerissen, weiß nicht, ob sie ihn verpfeiffen soll oder nicht.

Mit "Tokyo Eyes" ist es Regisseur Jean-Pierre Limosin gelungen, einen Liebesfilm zu drehen, der keine tragende Geigen und schmalzige Orchesterarrangements braucht. Vielmehr setzt er auf die Musik, die dieser Stadt und dem Alter der Hauptdarsteller am ehesten gerecht wird, nämlich Techno. Dieser setzt aber auch nur dann ein, wenn es die Szenen unbedingt verlangen. Sie brauchen es aber nicht oft, denn die Bilder sind auch nicht ohne: hier die kalten Betongassen, dort das farbenfrohe Outfit der Liebenden. Kamermann Jean-Marc Fabre hat den Streifen mit einer Steadycam gedreht, somit wurde eine durchgehend dichte Atmosphäre erreicht und statischeMotive vermieden.

Ein Film wie aus einem Guß also. Auch deshalb, weil die beiden jungen Hauptdarsteller Hinano Yoshikawa und Shinji Takeda ihre Rollen mit einer wunderbaren Leichtigkeit und Souveränität ausfüllen:Sie verhalten sich so, wie man es halt macht in diesem Alter, wenn man verknallt ist: sie albern in der leeren U-Bahn, halten keine langen Reden, sondern schweigen auch mal, denken über das Gesagte nach oder genießen ihre Gefühle. Dennoch -oder genau deswegen?- ist dem Zuschauer klar, was in den beiden vorgeht. Was will man mehr?

P.S.:Wissen Sie, meine Herren, wie man(n) seiner Liebsten ein Sandkörnchen aus dem Auge fischt? Nein? Dann gehen Sie in diesen Film. (dn)

Mickey Blue Eyes ( 2 ruprecht)

Seit Hugh Grant in "Vier Hochzeiten und ein Todesfall" den braven, schusseligen Junggesellen spielte, hat er es schwer, andere Rollen zu bekommen. Auch in seinem neuen Film "Mickey Blue Eyes" spielt Hugh wieder den tolpatschigen Engländer. Diesmal heißt er Michael Felgate, arbeitet als Kunstauktionator in New York und gerät durch seine Liebe zu Gina (Jeanne Tripplehorn) ins Mafiamileu. Deren Vater Frank (James Caan) nämlich ist ein Mafioso, was aber Michael wiederum nicht ahnt, als er ihn in seinem Lokal aufsucht, um formvollendet um die Hand seiner Tochter anzuhalten. Fortan muß der distinguierte Michael sich in die rauhe Welt der Mafia einfühlen, was natürlich zu endlosen Verwicklungen und verzwickten Szenen führt. Wer keine Aversionen gegen Hugh Grant hat und zwei Stunden gut unterhalten werden möchte, für den ist diese Gangsterkomödie nicht die schlechteste Wahl. (col)

Alles über meine Mutter ( 3 ruprecht)

Pedro Almodóvars neuester Film erzählt die Geschichte der auf einer Transplantationsstation arbeitenden Krankenschwester und alleinerziehenden Mutter Manuela (Cecilia Roth), deren 17 jähriger Sohn Estéban Schriftsteller werden will und gerade an einem Buch über seine Mutter schreibt.

An Estébans 17. Geburtstag besuchen Mutter und Sohn gemeinsam eine Aufführung von Tennessee Williams' Theaterstücks "Endstation Sehnsucht", in dem Manuela und der verschwundene Vater von Estéban vor Jahren einmal die Hauptrollen gespielt haben und das eigentlich eine Spiegelung der Handlung des Films ist. Als Estéban, während er in Begeisterung der Hauptdarstellerin Huma Roja (Marisa Paredes) mit der Bitte um ein Autogramm nachrennt, von einem Auto getötet wird, bricht für Manuela eine Welt zusammen. Sie fährt von Madrid nach Barcelona, um den Vater von Estéban zu suchen. Die Kamera jagt durch einen Tunnel, auf der gleichen Strecke, die sie schon einmal vor 18 Jahren schwanger auf der Flucht vor ihm in die andere Richtung gefahren ist. Hier, in der schrillen Halbwelt von Barcelona, im Drogen- und Prostituiertenmilieu, trifft sie auf die transsexuelle Hure Agrado, die früher einmal Lastwagenfahrer war und sich mit dem Vater von Estéban, der jetzt Lola heißt, "in Paris Titten machen ließ", sowie auf die hübsche sozialarbeitende Nonne Rosa (Spaniens Schaupielstar Penélope Cruz), die allerdings schwanger ist und sich mit AIDS infiziert hat. Und schließlich trifft sie wieder auf die kapriziöse Theaterdiva Huma, die von der jüngeren heroinsüchtigen Geliebten Nina (Candela Peha) abhängig ist und auch in Barcelona "Endstation Sehnsucht" aufführt. Unterschiedliche Frauen (und auch "Männer", die Frauen sein wollen), die sich gemeinsam gegen ihr scheinbar unaufhaltsames Schicksal auflehnen.

Geschickt verwebt Almodóvar die Ebenen von Theaterstück, Film im Film ("All about Eve") und Realität und deutet in seinen Kameraeinstellungen den Gang des Schicksals voraus. So zeigt beispielsweise die erste Einstellung des Films eine Totale auf eine Infusionsflasche.

Seine Personen und ihre Gefühle charakterisiert der Filmenacher mit viel Liebe und Wärme, mit skurill witzigen Dialogen lockert er die melodramatische Handlung auf, die schließlich doch zu einem hoffnungsvollen Ende führt.

Ein emotional höchst fesselnder Film, den Almodóvar allen Frauen, die sich gegen die Hoffnungslosigkeit auflehnen, auch seiner kürzlich verstorbenen eigenen Mutter, gewidmet hat. (mr)


Die Meister der Plattheiten

Komödie von Thomas Bernhard im Zimmertheater Heidelberg

Ein aufgeblasener Schriftsteller und seine geltungssüchtige Gattin, eine unkritische Doktorandin, ein selbstverliebter FAZ-Redakteur und ein gerissener Verleger - das sind die Figuren, die in Thomas Bernhards Komödie "Über allen Gipfeln ist Ruh" karikiert werden. Hohn und Spott der Kulturbetriebs-Satire von 1981 gelten den deutschen Bildungsbürgern, den Germanisten, Verlegern und Literaturkritikern unserer Zeit.

Eine Komödie von Thomas Bernhard ? Wer den österreichischen Provokateur nur als düsteren Nihilisten kennt, wird vielleicht überrascht sein. In "Über allen Gipfeln ist Ruh" verspottet er mit einer guten Portion Boshaftigkeit in elf Bildern die Hohlheit und Geltungssucht der deutschen Literaturschaffenden und -kritiker.

Die äußere Handlung des Stückes bleibt auf ein Minimum beschränkt: Den Selbstbeweihräucherungen und beinahe unerträglich klischeehaften Universalweisheiten des Schriftstellers Moritz Meister und seiner Frau Anne lauscht zunächst nur die Germanistik-Doktorandin Fräulein Werdenfels. Wie sie kommt auch der später eintreffende FAZ-Feuilletonist von Wegener kaum zu Wort: Anne Meister redet ununterbrochen, solange ihr Mann abwesend ist. Und Meister selbst kann nur sein Verleger zum Schweigen bringen.

Die Runde sitzt und geht vom Frühstück fast ohne Unterbrechung zum Mittagessen, dann zur Kaffeetafel über. Die Meisters schwadronieren über ihr "Leben in Goethe" und preisen Moritz' gerade fertiggestellte Tetralogie "Stieglitz oder die Weltordnung", die angeblich die ganze Kultur-, Natur- und Geistesgeschichte verarbeitet. In entlarvendem Kontrast hierzu stehen vor allem die vertratschten Bemerkungen der Meistergattin, die mit Vorurteilen und Klischees nur so um sich wirft. Am Ende erscheint der große Verleger auch noch persönlich, um sich von der Fertigstellung des opus magnus zu überzeugen. Ihm zu Ehren gibt Meister schließlich eine kleine Kostprobe aus seinem ominösen Universalwerk und gibt sich damit endgültig der Lächerlichkeit preis. Dass es sich bei der vorgelesenen Passage um haarsträubenden Unsinn handelt, merkt bezeichnenderweise - neben dem Publikum ! - nur der äußerst kritisch dreinblickende Verleger.

Intendantin Ute Richter verzichtet in der Heidelberger Inszenierung auf überflüssigen Schnickschnack. Zwei Tische und sechs Sessel stehen auf der Bühne. Den Hintergrund bildet eine Fototapete, die einen lichtdurchfluteten Wald zeigt und von aufgeklebten, Bücherregale abbildenden Streifen unterbrochen wird. Eine mögliche Parallele zum Stück: auch das angelesene Wissen der Meisters erscheint platt und aufgesetzt und überdeckt nur spärlich ihre dahinter liegende Natur. Die überzeichneten Charaktere enthüllen ihre negativen Seiten von Anfang an - eine Wendung zum Besseren ist auch am Ende des Stückes nicht in Sicht.

Moritz Meister, von seiner Frau als Lyriker, Epiker, Philosoph, Archäologe und Bienenzüchter verehrt, ist eigentlich ein Dachdeckerlehrling aus Arbeiterverhältnissen, dessen Karriere als Sänger gescheitert ist. Seine Frühwerke wie der Sonettenzyklus über die Schafgarbe interessierten niemanden, bis er durch Zufall seinen äußerst geschäftstüchtigen Verleger kennenlernte. Ohne ihn und seine Frau, die ihn managt und bemuttert, wäre er ein Nichts. Horst Bergmann verkörpert glaubhaft Meisters Hilflosigkeit und Selbstverliebtheit, bleibt aber neben Monika Goll etwas blaß.

Selbige spielt grandios die Rolle der eitlen Anne Meister, die abwechselnd leere Phrasen drischt und sich in Wiederholungen über ihre Bildungsreisen, ihre angeblich so anspruchslose Lebensweise, das früher verkannte Genie ihres Mannes und seine zahlreichen Auszeichnungen ergeht. Wie ihr Mann läßt sie einen latenten Antisemitismus erkennen und schielt ständig auf den Literaturnobelpreis.

Das Fräulein Werdenfels, mit köstlicher Naivität gespielt von Konstanze Ullmer, hängt bewundernd an Moritz Meisters Lippen und versucht größtenteils vergeblich, seinen nichtssagenden Erläuterungen ein Quäntchen Sinn abzuringen.Immer wieder zückt sie ihren Fotoapparat, um die Erinnerung an den Besuchbei ihrem großen Idol festzuhalten. Der FAZ-Redakteur von Wegener (Fridtjof Stolzenwald) freut sich ungemein, wenn er in einem seiner seltenen Einwürfe seine Allgemeinbildung unter Beweis stellen kann.

Last but not least verleiht Paul Weismann dem Verleger genau die richtige Mischung aus belesener Überheblichkeit und knallhart kalkulierender Geschäftstüchtigkeit. Seine Figur entpuppt sich als der wahre Meister bei der ganzen Angelegenheit, denn er passt Moritz' Arbeit den Markterfordernissen an. Das Titelzitat aus Goethes Gedicht "Wandrers Nachtlied" spielt auf die Leere des so abgehoben wirkenden deutschen Meisters an.

Ruh' herrschte leider nicht nur über den Gipfeln der Weisheit, sondern während der zweistündigen Vorstellung zunehmend auch im Publikum. Die ewigen Wiederholungen und leeren Sprachhülsen, mit denen Bernhards Stück gespickt ist, erregten auf die Dauer eher Gähnreflexe als die Lachmuskeln.

Dementsprechend fiel der Applaus für die solide Leistung der Schauspieler eher höflich als frenetisch aus. (ksy)

Weitere Termine: bis 12.Dezember täglich um 20 Uhr (sonntags 17 Uhr)

VERSCHIEDENESRuf doch mal an!

"Oh! My Goddess" jetzt endlich auf Deutsch

Es war ja irgendwie zu erwarten, daß es nicht bei den derzeit in Deutschland erscheinenden Manga-Serien bleiben würde, sondern daß mehr und mehr dazu kommen. Wie der ruprecht schon in den vergangenen Ausgaben immer wieder Mangas vorstellte, kommt er auch diesmal nicht darum.

Von Feest Comics, einem Ableger des Stuttgarters Egmont Ehapa Verlages, erscheint die in Japan und den USA sehr erfolgreiche Serie dreier Göttinnen auf Erden. "Oh! My Goddess" oder OMG, wie die Serie auch gerne abgekürzt wird, gewann rasch eine große Anzahl an Liebhabern durch ihre Mischung aus Romanze und Slapstick-Humor, garniert mit den üblichen Rehaugen-Mädchen.

Die Story der Geschichte ist schnell erzählt: Der Technikstudent Keiichi Morisato verwählt sich, als er eine Pizza bestellen möchte und landet bei der "Goddess Inc." Eine Abgesandte, in der Gestalt der lieblichen Belldandy, wird zu ihm geschickt und Keiichi hat einen Wunsch frei, den er sogleich nutzt: Belldandy soll immer bei ihm bleiben, und so geschieht es auch. Aber dabei wird es nicht bleiben, denn immer mehr göttliche und andere weniger göttliche Personen erscheinen und sorgen für Unruhe. So vor allem Belldandys Schwestern: die ältere Urd, welche die langsamen Annäherungen zwischen Keiichi und Belldandy satt hat und helfend eingreifen möchte, mit dem Resultat, daß sie nur Chaos stiftet. Oder die junge Skuld, die Systemadministratorin des göttlichen Systems, da - seit Urd auf die Erde kam - der Himmel nichts anderes ist als ein großes Rechenzentrum. Skuld hat einen Fetisch für alles Technische und schon bald machen ihre Erfindungen die Umgebung nicht friedlicher als es Urds Zaubertränke tun. Aber die Liste der wichtigen Personen ist noch viel länger: Mara, eine nette Dämonin und Erzfeindin von Urd, Sayoko, "Königin des Uni-Campus" und unsterblich in Keiichi verliebt.

Der Erfolg von OMG des Japanischen Zeichners und Texters Kosuke Fujishima liegt wohl an der Mischung der Serie. Für jeden Geschmack ist etwas dabei, und so gibt es auch immer wieder hitzige Diskussionen unter den Fans, wer denn nun die Hauptperson des Comics ist.

OMG ist zwar, für japanische Verhältnisse, sehr zurückhaltend bei den Themen Sex und Gewalt, trotzdem kann die Serie mit ihrem Humor überzeugen und Fujishima wird auch inDeutschland Liebhaber aller Alterstufen finden. (jr)


Nicht verpassen!

Termine

Samstag, 13. November

Musik: "Festival Latino" - Musik aus

lateinamerikanischen Ländern

(DAI, 21 bis 3 Uhr, Eintritt 20 DM)

Freitag, 19. November

Schoki: - Ökumenische Nacht, veranstaltet vom KHG, ESG und SMD

(Edith-Stein-Haus, Neckarstaden 32, 22 Uhr)

- "Hysterie und Wahnsinn" - Herbstsymposium zur Frauenforschung

(Internationales Wissenschaftsforum, 9 bis 17 Uhr)

Party: - Math-Phys-Rom-Fete,

(Zentralmensa im Feld, 21 Uhr)

Sonntag, 21. November

Lesung: "Wanderjahre - Begegnungen eines jungen Schauspielers" - Hardy Krüger

(DAI, 17 Uhr)

Mittwoch, 24. November

Schoki: 11. Deutscher Absolventen-Kongress: Über 37000 offene Stellen für Akademiker

(auch am 25. November, KölnMesse, 9 bis 18 Uhr)

Donnerstag, 25. November

Lesung: Wolf Biermann stellt sein neues Buch und CD vor: "Paradies auf Erden - Ein Berliner Bilderbogen"

(Städtische Bühne, 20 Uhr)

Freitag, 26. November

Party: "Salsa und Tango"

(Conde Tango, Hauptstraße 190, 22 Uhr)

Theater: "Lederfresse"

(Romanischer Keller, 20 Uhr)

Sonntag, 28. November

Schoki: "Frauenleben in Heidelberg - ein sozialgeschichtlicher Spaziergang"

(Kornmarkt, 15 Uhr)

Theater: "Ifigenia in Tauride": Opernpremiere

(Theater der Stadt Heidelberg, 19.30 Uhr)

Donnerstag, 9. Dezember

Schoki: "JOBcon", Personalmesse für Hochschulabsolventen

(Congress Center der Messe Frankfurt, 9.30 bis 16.30 Uhr)

Montag, 29. November

Comedy: Marlene Jaschke: "Auf dem Weg zu Dir"

(Stadthalle, 20 Uhr)

Schoki: "Trollhaus", Fantasie-Rollenspiele

(Kulturfenster, 18 Uhr)

Dienstag, 30. November

Lesung: Selim Özdogan, Berliner Szeneautor, liest aus seinem Roman "Mehr"

(Stadtbücherei, 19.30 Uhr)

Vortrag: "Körperliche Behinderung und Sehnsucht"

(Volkshochschule, 20 Uhr)

Mittwoch, 8. Dezember

Lesung: Adventliche Dichterlesung mit Wilhelm Willms

(KHG, Edith-Stein-Haus, Neckarstaden 32)


Impressum

Wer wir sind

ruprecht, die Heidelberger Student(inn)en Zeitung, erscheint dreimal im Semester, jeweils Anfang Mai, Juni, und Juli, bzw. November, Dezember und Februar. Die Redaktion versteht ruprecht als unabhängiges Organ, das keiner Gruppierung oder Weltanschauung verpflichtet ist. MitarbeiterInnen und RedakteurInnen sind willkommen; die Redaktion trifft sich während des Semesters jeden Montag um 20 Uhr im Haus der Fachschaften in der Lauerstr. 1, 3. Stock. Für namentlich gekennzeichnete Artikel übernimmt der/die AutorIn die Verantwortung.

ruprecht behält im laufenden Semester die alte Rechtschreibung bei.

V.i.S.d.P.: Gabriel Neumann, Heugasse 1, 69117 Heidelberg

Redaktionsadresse: ruprecht, Lauerstr.1, 69117 Heidelberg, Tel./Fax 06221/542458

E-Mail: post@ruprecht.de

Druck: Caro-Druck, Kasseler Straße 1a, Frankfurt am Main

Auflage: 12.000

Graphik: bak, bw, gan, hn, hsh

Werbelayout: gan, hsh.

Finanzen: ckg, st

Die Redaktion: Christian Altmeier (alt), Alexej Behnisch (ab), Christian Collet (col), Marc Goergen (mg), Katharina Hausmann (kh), Hendrik S. Heinl (hsh), Till Jung (tj), Stephan Kamps (sk), Barbara Keller(bak), Claudia Kölbl (ckg), Carola Leube (cl), Gabriel A. Neumann (gan), Harald Nikolaus (hn), Dirk Nußbaum (dn), Katrin Osterkamp (ko), Patrick Palmer (papa), Jannis Radeleff (jr), Thomas Reintjes (thor), Walther Rosenberger (wro), Sandra Thoms (st), Stefanie Wegener (stw), Klaus Werle (kw), Bernd Wilhelm (bw), Tandrameister (tm)

Freie Mitarbeiter(innen): John P. Baesler (jba), Jochen Brenner (job), Bernadette Descharmes (bede), Malin Ihlau (mia), Katrin Schwidewsky (ksy), Stephanie Vetter (sv), Helmar Weiß (hel)

Special Thanks to: Ute Ansahl-Reissig und Hans-Werner Neumann

Red.-Schluß für Nr. 63: 29.11.1999

ISSN: 0947-9570

ruprecht im Internet: http://www.ruprecht.de


Personals

hsh! Den Trick mit der Lupe kannte ich noch nicht, Sexperte! - cl

bw! Wann hattest du deinen ersten GV? - col

col! Was ist GV? - bw

ko! Ich bin so allein, mein Herz ist rein! - cl

kw! Tel Aviv? - cl

cl! Versuch's mal französisch! - kw

hsh! Raus mit dem DJ! - cl

Alle! Kino macht Stefanie Unverteilt! - dn

dn! Ich kann dem Nehberg jetzt das Ding abschneiden! - hsh

hsh! Komm bitte ganz schnell - ckg

Kontrolleiste! Beweg jetzt deinen Arsch - dn

gan! Isch mach Disch fertisch! - bak

papa! Lay-Out ohne Wochenshow und Grieche sucks! - kw

cl! Nicht mehr allein bist du jetzt, dein Computer will nicht mehr und Angelo...Naja, harte Welt. Vergiß das Lachen nicht! - ko

papa! Ich wart' auf den guten alten Roten! - cl

hsh!Schnucki! ckg

bak! Ich finde wir sollten heiraten - hsh

hsh! Und wer heiratet dann mich? -cl

ckg! Du kommst mit Deinem Frausein nicht klar! - cl

Dr.Watson! Du blöder Arsch! - cl

Alle! Schreibt man Toilette mit zwei "l" oder einem? - dn

hsh! Winke, winke! - bak

ckg! bääh! - bak

Mädels! Wie geht's voran?- papa

papa! super! - dn

Alle! Dann nehmen wir halt die Turnhalle! - cl

ko! Wie sind die Männer in GB? - cl

cl! bak! Mein Gott, das ist doch Basiswissen, zum fünfundzwanzigsten Mal... - gan

Alle! Wo sind die Aufräumer? - bak, hsh, cl, dn


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