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Meinung


Der bewegende Mann

Sönke Wortmann über "Campus" und Lewinsky

Mit "Kleine Haie" und "Der bewegte Mann" machte sich Sönke Wortmann einen Namen als einer der erfolgreichsten deutschen Regisseure. Seine Walter-Moers-Verfilmung lockte über sechs Millionen Zuschauer in die Kinosäle.
Jetzt ist in den Kinos der neue Wortmann angelaufen: die Verfilmung von Dietrich Schwanitz' gesellschaftssatirischen Erfolgsroman "Der Campus". Darin wird der Untergang des ambitionierten Hamburger Profs Hackmann erzählt, der nach einer Affäre mit einer Studentin in die Strudel der Gremienintrigen und des Politfilzes gerät.

Wortmann, enfant terrible des deutschen Autorenkinos und dessen Kritikergemeinde, unterhielt sich mit ruprecht über die Dreharbeiten in Hamburg, Fußballfilme und warum Monica Lewinsky für die Werbekampagne so wichtig war.

ruprecht: Zu welchem Genre gehört Der Campus eigentlich? Ist das Satire oder Melodram oder einfach eine nette Komödie für den Abend? Zum Beispiel setzt das Plädoyer Hackmanns am Ende des Films auffällig hohe Wertmaßstäbe.

Wortmann: Es sollte alles sein: mal satirisch überhöht, mal sehr ernst. Um bei dem Plädoyer zu bleiben: Es geht tatsächlich um eine höhere Moral in Politik und Gesellschaft. Ich habe auch gemerkt, daß es in intellektuellen Kreisen - so wie bei euch jetzt - damit Probleme gab. Wir haben auch Testvorführungen vor Publikum gemacht - und es gab verheulte Augen. Wenn du mich jetzt als Macher fragst: Wir haben das doch richtig gemacht. Wir haben lange überlegt, wie diese Szene sein könnte. Das ist die schwierigste Szene des Films. Entscheidend ist der Grad des Pathos, den man dabei anstrebt. Ich bin ja ein bekennender Fan des amerikanischen Kinos; wenn ich dort eine Rede von Kevin Costner in JFK oder von Al Pacino in Scent of a Woman sehe, dann ist das ungefähr achtmal so pathetisch wie das, was ich gemacht habe. Deswegen habe ich da kein schlechtes Gewissen.

ruprecht: Du arbeitest viel mit satirischen Überhöhungen und Klischees. Wenn es nicht mehr Satire ist, sondern ins Ernste übergeht, bleiben die Klischees trotzdem erhalten. Beispielsweise die Figur der Frauenbeauftragten Wagner: Ist sie nun ein Abziehbild oder nicht?

Wortmann: Ich habe verschiedene Leute gefragt: Wie stellt ihr euch eine Frauenbeauftragte vor, und dann kam ungefähr diese Mischung heraus: kurze schwarze Haare, Nickelbrille, sehr weites Kleid, Tuch um den Hals, nicht größer als 1 Meter 65. So ungefähr ist das Klischee einer Frauenbeauftragten; auch ich selber teile das in etwa. Nun habe ich aber jemanden genommen, der über 1 Meter 70 groß ist, blond und attraktiv - alles andere als dem Klischee entsprechend...

ruprecht: ...wie die Figur ja auch im Roman beschrieben wird.

Wortmann: Genau; und nun höre ich immer wieder, daß eben das als Klischee empfunden wird, was es eigentlich gar nicht sein sollte.

ruprecht: Nochmal kurz zurück zum Thema Satire: In dem Buch gibt es viele Anspielungen auf die Hamburger Uni, die vor allem für Leute von dort zu verstehen sind. War es schwer, darauf zu verzichten?

Wortmann: Man muß natürlich für Hamburg Typisches kürzen - Schwanitz schreibt zum Beispiel über die Graffittis, die dort an den Wänden stehen, wo das Szeneklo ist und über Flure, die dort jeder kennt. Heidelberger Studenten können damit natürlich nichts anfangen. Solche Sachen sind nicht im Film drin geblieben. Aber die Strukturen an einer Massenuniversität sind überall die gleichen. Eigentlich hätten wir den Film auch in München drehen können.

ruprecht: Inwieweit hast du für den Film eigentlich Hintergrundrecherchen betrieben?

Wortmann: Ich war nochmal an der Uni Hamburg - ziemlich lange nicht, aber ich bin immer wieder in Vorlesungen gegangen, habe mich da 'rumgetrieben: um zu sehen, was die Leute anhaben, wie stehen die da 'rum, was sind das für Leute... In den Massenvorlesungen war ich auch, um meine Erinnerungen wieder wachzurufen. Schließlich habe ich mal in Münster ein Semester studiert - obwohl, das ist schon lange her, das zählt nicht.

ruprecht: Du wolltest wirklich Soziologe werden?

Wortmann: Ja, damals wußte ich's noch nicht besser.

ruprecht: Was hat dich schon nach einem Semester abgeschreckt?

Wortmann: Die Massenuni. Dieses Unkonkrete hat mich erdrückt.

ruprecht: Du hast ja in einigen deiner Filme auch autobiographische Sachen verarbeitet: bei Kleine Haie die Odyssee durch die Schauspielhäuser, und dein altes Studienfach Soziologie ist auch in Campus ein Thema. Du hast ja auch eine kurze Fußballkarriere hinter dir. Gibt's bald den Wortmann-Fußball-Film?

Wortmann (windet sich): Njaaa, eher nicht. Finde erst mal elf Schauspieler, die Bundesligastandard verkörpern können. Daran würde es scheitern. Vom Thema her würde es mich reizen, obwohl es auch ein großes Risiko ist, einen Fußballfilm zu machen: Sehr viele Leute kennen sich in dem Sport sehr gut aus. Die Deutschen sind ein Volk von Fußballtrainern - schlimmer als Filmkritiker. Da hat man keinen leichten Stand.

ruprecht: Und mal einen richtig ernsten Wortmann? Ohne Satire und ohne Komödie?

Wortmann (lacht): Das fällt mir schwer...

ruprecht: Der Campus war ja auf dem besten Weg dahin. Bei den Kernthemen - Sexismus, political correctness, Verleumdungskampagnen - kann einem ja das Lachen vergehen.

Wortmann: Ich glaube, daß man selbst bei den ernstesten Themen zwischendurch Humor gebrauchen kann. Im Englischen nennt man das "comic relief" - im Deutschen gibt's keinen entsprechenden Ausdruck dafür. Es ist einfach sehr angenehm, wenn man zwischendurch mal etwas Luft ablassen kann, und sich danach wieder dem Druck des Themas stellt.

Ich versuche bei der Stoffauswahl, mich möglichst nicht schon am Anfang zu limitieren. Daß ich zum Beispiel unbedingt einen ernsten Stoff suche und einen Stoff wie Vier Hochzeiten und ein Todesfall - geniales Drehbuch übrigens - dann nicht nehmen würde, ist für mich undenkbar.

ruprecht: Letztes Jahr haben die Franzosen mit Das fünfte Element einen Kinoerfolg in Amerika gehabt. Könntest Du Dir vorstellen, auch mal für ein Publikum außerhalb Deutschlands einen Film zu drehen?

Wortmann: Im Prinzip ja, aber nicht um jeden Preis. Eigentlich ist Das fünfte Element ja doch ein amerikanischer Film geworden: dort gedreht, mit dem amerikanischen Hauptdarsteller überhaupt. Damit wäre ich nicht glücklich.

ruprecht: Zur Zusammenarbeit mit Professor Schwanitz: War es seine Idee, die Rolle des Mathematikprofs zu übernehmen?

Wortmann: Nee, das war meine. Ich finde, er sieht tatsächlich aus wie ein Mathematikprofessor, und außerdem hat die Rolle die richtige Größe: Eine größere hätte ich ihm nicht zugetraut, weil er kein Schauspieler ist, und ihn nur einmal durchs Bild laufen zu lassen, wäre auch nicht angemessen. Weil der Satz der Figur für mich der entscheidendste ist, fand ich es sinnig, daß derjenige ihn spricht, der die Geschichte erfunden hat.

ruprecht: Ihr habt ja gemeinsam am Drehbuch gearbeitet. Einige der Figuren wirken im Film doch etwas anders - zum Beispiel die Babsi...

Wortmann (kichert): ...differenzierter...

ruprecht: ...aber auch der Kurtz oder der Professor Hackmann. Kam es da zu Reibereien mit Schwanitz?

Wortmann: Nee, gar nicht. Das war ein einziger Spaziergang. Der hat gleich gesagt: Ich kenne mich mit Filmen nicht aus, ich bin mit allem einverstanden, das müßt ihr wissen. Das ist eine gute Einstellung, denn ich finde, daß man nicht für teuer Geld Filmrecht verkaufen kann und dann auch noch den Machern erzählen, wie sie's zu machen haben. Er war sehr solidarisch und sehr angenehm.

ruprecht: Dietrich Schwanitz war ja nach der Veröffentlichung des Romans doch verschiedenen Anfeindungen ausgesetzt. Erwartest Du auch irgendwelche Angriffe, etwa aus feministischen Kreisen?

Wortmann: Eigentlich rechne ich damit ja nicht, aber (lacht) für den Film wär's ja ganz gut...

ruprecht: Du hast jetzt zwei Bestseller verfilmt: Das Superweib und Der Campus. Gibt es im Moment einen weiteren Roman, der dich als Drehbuch reizen würde?

Wortmann: Im Moment nicht - und überhaupt habe ich strenggenommen nur einen Bestseller verfilmt. "Der Campus" ist erst zum Bestseller geworden, als wir die Rechte schon gekauft hatten und längst daran arbeiteten.

ruprecht: Könnte Hera Lind nochma einmal in Frage kommen?

Wortmann: Das kann ich ausschließen.

ruprecht: Wessen Idee war eigentlich die Tafelzeichnung auf dem Filmplakat? Die ist ja viel direkter als alles, was in dem Film zu sehen ist. Kam das Plakat von eurer Werbeagentur oder von dir?

Wortmann: Beim Plakat halte ich mich immer 'raus, weil ich die Filme, die ich mache, nicht verkaufen kann und will. Sonst war ich mit den Filmplakaten unzufrieden, außer bei Ralf König, denn da lag's ja auf der Hand, daß man das Männchen nimmt. Diesmal bin ich sehr glücklich mit dem Plakat: ich finde es schön, das Thema des Films mit so 'ner Kinderzeichnung auf den Punkt zu bringen. Der Spruch darüber trifft auch ins Schwarze.

ruprecht: "Deutschland ist schön. Es gibt keine Krise." Das stammt aber nicht aus dem Roman?

Wortmann: Nein, das ist Original Kohl, das stand nicht im Buch. Aber im Film kommt das vor: Norbert der Penner sagt das in der Kloszene.

ruprecht: Hast Du eigentlich in dem Film Rollen mit Studenten besetzt?

Wortmann: Alle Statisten, die in der Uni vorkommen, sind Studenten.

ruprecht: Es wurde auch an Originalschauplätzen gedreht?

Wortmann: Ja - Flure, Mensa, Aula, die Höfe, das Audimax, wo wir das Studententheater gedreht haben - das ist original Uni Hamburg. Wir haben die Büros ein bißchen aufgepäppelt. Die sahen ziemlich schrecklich aus. Das hätte einem keiner geglaubt, daß der Präsident einer großen deutschen Uni in so einem kleinen Büro residiert.

ruprecht: Woher kommt eigentlich Dein Sinn für präzises Timing? Du hast mit den Dreharbeiten begonnen, als die Studiproteste noch gar nicht im Gang waren, und jetzt, pünktlich zur Veröffentlichung Deines Filmes, sind die Zeitungen voll mit Clinton's Sex-Skandal.

Wortmann: Ich selber habe die Studentenproteste nicht vorausgesehen, aber Dietrich Schwanitz, der den Roman geschrieben hat, hat schon damals gesagt, daß es in zwei Jahren eine Bildungsdebatte geben würde. Das lag für ihn offenbar auf der Hand. Das mit Clinton war einfach eine tolle Pressearbeit unserer Firma. Als wir wußten, daß wir den Film machen - so vor zwei Jahren - haben wir Monica Lewinsky im Weißen Haus eingeschleust. Das war zwar nicht billig, aber es hat sich gelohnt: der Film gewinnt so an Aktualität. Im Vertrauen kann ich's ja sagen: Sie haben nichts miteinander gehabt.

ruprecht: Dann soll Campus sicher auch in den USA gezeigt werden.

Wortmann: Wenn der Film in den Staaten anläuft, bekommt Monika nochmal 'nen Extrabonus, klar. Erfolgsbeteiligung. (gan/st)


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