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Titel


Uni stopft Löcher

Zusätzliche Gelder für die Lehre - ein Erfolg des Streiks?

Sang- und klanglos hat sich der Streik verabschiedet. Nur noch müde 40 Leute schafften den Weg zur letzten Vollversammlung am 30. April, mit den Streikforderungen befassen sich lediglich noch einige tapfere Arbeitskreise. Der Aufschrei der Studis blieb scheinbar unbeantwortet. Doch es tut sich mehr, als man denkt: Am 12. März wurden vom Verwaltungsrat der Universität zusätzliche Gelder zur Unterstützung der Lehre bewilligt. Vorgesehen sind 390.000 DM jährlich über einen Zeitraum von drei Jahren, beginnend mit dem laufenden Sommersemester.

Das Geld stammt aus dem "Sparbuch" der Universität. Die hier zurückgelegten Mittel werden aus vorübergehend unbesetzten Stellen geschöpft und stehen für Sachinvestitionen, Aushilfskräfte oder Lehraufträge zur Verfügung. Die insgesamt 1,2 Millionen DM, die davon jetzt in die Lehre investiert werden, sind für Hilfskräfte, Lehraufträge und Sachmittel vorgesehen. Das Geld wird nach einer Prioritätenliste des Rektorats den einzelnen Fakultäten semesterweise zugewiesen. Unterstützt werden vor allem die geisteswissenschaftlichen Institute mit hohen Studentenzahlen .

"Der Rektor hat die Lehre zu seiner Top-Angelegenheit gemacht", erklärt Dr. Michael Schwarz, Pressesprecher der Universität, "er setzt andere Schwerpunkte als seine Vorgänger". Rektorat und Verwaltungsrat reagierten nach eigenen Angaben mit der Verteilung der Mittel auf die Studentenproteste im Herbst. Rektor Jürgen Siebke steht jedoch nur teilweise hinter den Forderungen der Studis, vor allem dort, wo materielle Mängel existieren, die die Studienzeiten verlängern könnten. Mit anderen Zielen und den Formen des Protests war er größtenteils nicht einverstanden. So hält sich in den Reihen der FSK auch die Begeisterung über das zusätzliche Geld in Grenzen. "Man muß es schon loben, aber von einem Erfolg der Proteste kann man nicht reden, weil auf viel wichtigere Forderungen wie Studienreformen oder studentische Mitbestimmung gar keine Reaktion kam", meint Kirsten Heike Pistel, Sprecherin der Fachschaftskonferenz. "Solche qualitativen Veränderungen wären dringend nötig". Außerdem hätten die Gelder ihrer Ansicht nach sinnvoller verteilt werden können, wenn neben den Dekanen auch die Studierenden in die Gespräche einbezogen worden wären. So sollen die 14.100 DM, die die FSK pro Semester erhält, für die Internetseite verwendet werden, obwohl Gelder für Tutorien dringlicher gewesen wären.

"Warum fragt Siebke bei der Verteilung der Mittel nicht alle? Warum nimmt er sich nicht mehr Zeit und beteiligt die Studienkommissionen?", fragt sich Kirsten Pistel.

Die Geldspritze macht sich nur teilweise bemerkbar, da sie in den wenigsten Fällen das Angebot der Institute erweitern kann. Vielmehr ermöglicht sie das Fortsbestehen bereits existierender Einrichtungen. So konnten die Bibliotheksöffnungszeiten einiger großer Institute in der Altstadt wieder auf ehemalige Standardzeiten verlängert werden: Die Seminare für Germanistik, Übersetzen und Dolmetschen, Anglistik, Romanistik, Kunstgeschichte sowie Psychologie erhalten pro Semester 31.000 DM mehr für studentisches Aufsichtspersonal.

Bei den Politologen soll die Überfüllung der Seminare eingedämmt werden; sie erhalten 50.000 DM für studentische Hilfskräfte. Dem Historischen Seminar wurden 30.000 DM pro Semester zugeteilt, vorgesehen sind mehr Tutorien für die Anfängerproseminare. Den Juristen stehen zusätzliche 50.000 DM für Hiwis zur Korrektur in den Klausurkursen zur Verfügung. Geld für studentische Hilfskräfte in geringerer Höhe erhalten das Kunsthistorische Institut, die Anglistik, Romanistik, Soziologie, Ethnologie sowie das ISSW. An anderen Instituten sind die Mittel für Lehraufträge bestimmt. So soll im Institut für Deutsch als Fremdsprache der Überfüllung in den sprachpraktischen Übungen Abhilfe geleistet werden, die Fakultät für Orientalistik und Altertumswissenschaften bietet zusätzliche Latinumskurse an. Ebenso soll die kritische Finanzlage des Zentralen Sprachlabors entspannt werden. Weniger in das Programm einbezogen sind die naturwissenschaftlichen Institute, die Fakultäten für Mathematik, Biologie und Geowissenschaften erhalten je 16.500 DM für ungeprüfte Hiwis.

"Mit dem Geld können schon einige Löcher gestopft werden, das ist zu begrüßen", sagt Professor Wilhelm Kühlmann, Dekan der Neuphilologischen Fakultät. "Unerträglich" sei jedoch weiterhin die Situation im Zentralen Sprachlabor. Hier fehlen nach wie vor 10.000 DM, so daß ca. 600 Studenten nicht aufgenommen werden können, selbst dann nicht, wenn sie an internationalen Studienprogrammen teilnehmen möchten. Auch die Kursgebühren können da keine Abhilfe leisten.

In der Kunstgeschichte werden immerhin die katastrophalen Zustände der letzten Semester beseitigt: Die Bibliothek ist wieder bis 20 Uhr geöffnet. Noch Anfang des Jahres bestanden Zweifel, ob die Tutorien zu den Propädeutika des reformierten Grundstudiums - die mehrfach prämiert worden sind - weitergeführt werden können. Das KHI hatte monatelang immer wieder über Mißstände und Mängel berichtet. Kritisch sieht man, daß die zusätzlichen Mittel für die Zukunft nicht wirklich gesichert sind. Renate Köchling-Dietrich, Dozentin am KHI, kritisiert außerdem die Vorgehensweise bei der Mittelvergabe: "Auf die Bedürfnisse wird nicht wirklich eingegangen." Allein für die Diaproduktion und -projektion seien viele Hilfskräfte nötig: "Die Etats müssen neu überprüft werden."

In den Naturwissenschaften ist die Lage nach Ansicht von Professor Mark Stitt, Dekan der Biologischen Fakultät, besser als in den Geisteswissenschaften. Die chronische Überfüllung der Seminare sei weniger gravierend, das Studenten-Dozenten-Verhältnis günstiger. "Das unmittelbare und größte Problem der Universität liegt nicht bei den Naturwissenschaften", meint Stitt, deswegen habe er sich bei der Antragstellung für die Gelder bewußt zurückgehalten. Das Problem in den Naturwissenschaften sei, so Kirsten Heike Pistel, daß die benötigten Summen so groß seien, daß sie mit den Geldern aus dem Sparbuch gar nicht behoben werden könnten.

Guter Wille und die Rücklagen der Uni stopfen für den Moment die gröbsten Löcher in der Lehre. Eine dauerhafte Lösung kann die Finanzierung aus Kleckergeldern allerdings nicht sein. (kh, cw)


Inhalt

Was gibts?

Wer gewinnt?

Zwei Profs streiten: Wer hat das Recht auf die begehrte "Prinzhorn-Sammlung"?

Werbewirksam?
Das Autonome Zentrum plant die Störung des "Schmusewahlkampfs" von Beate Weber.

Wertvoll
Konstruktivisten streiten über das, was wir Wirklichkeit nennen.

Werdende Studis

die kleinen Racker von studentischen Eltern also, haben endlich einen Platz gefunden.

Wer ist Wer ?

Der neue Direktor des Heidelberger Zoos steht vor einer schwierigen Aufgabe.

Wertschätzung

Suum cuique - Richard von Weizsäcker bekommt im Rahmen des Altphilologenkongresses den Humanismuspreis verliehen.

Wertsteigerung

Das kleine Unterwegs-Theater profitiert vom Bau des riesigen Multiplex-Kinos.

Werbelawine

Locker-flockige Hochschulmagazine vor der Mensa.

Wertvoll

...aber geschmacklos: die letzte Seite. Diesmal: Traumjobs, Fernsehfreuden und das Horoskop.


Unsinn im Sinn?

Prüfungsordnung für das Lehramt stößt auf Widerspruch

Die Landesregierung Baden-Württembergs will eine neue Prüfungsordnung für das Staatsexamen Lehramt erlassen, die bereits ab dem Wintersemester dieses Jahres gelten soll. Die wichtigste Neuerung ist ein Schulpraxis-Semester, das direkt nach der Zwischenprüfung abgeleistet werden soll. Die Zeit des Praktikums wird dann mit dem Referendariat verrechnet. Weiterhin ist eine Erweiterung des pädagogischen Begleitstudiums von bislang vier auf dann zwölf Semester-Wochenstunden vorgesehen, die nach dem Praktikum zu absolvieren sein werden. An den Universitäten und speziell bei den Erziehungswissenschaftlern macht sich ob dieser Ankündigung Unmut breit. Dies zum einen, weil das zuständige Ministerium zwar seit Jahren mit entsprechenden Gremien der Hochschulen in Kontakt steht, die geplanten Änderungen die Empfehlungen der Gremien aber nicht berücksichtigen. Sie wirken in vielen Punkten sogar den Forderungen entgegen. Zum anderen bestehen zahlreiche Bedenken gegen die Durchführbarkeit der geplanten Verordnungen. Die Erziehungswissenschaft beispielsweise müßte bei gleichem Personalstand mit erheblich mehr Studierenden rechnen, die zusätzliche Seminare und Leistungsnachweise nachfragen werden. In Heidelberg ist aber wegen der schon jetzt überfüllten Seminare seit diesem Semester die Teilnehmerzahl auf 30 bis 40 Personen pro Veranstaltung reduziert worden. Dr. Zimmermann vom hiesigen Seminar für Erziehungswissenschaft rechnet mit langen Wartelisten und hofft darauf, daß zusätzliche Stellen zur Durchführung von Seminaren für Lehramtsstudenten geschaffen werden. Gleichzeitig sieht er in den zu erwartenden Änderungen mehr den Sparwillen der Regierung denn eine sinnvolle Umgestaltung des Lehramtsstudienganges. Das zeige schon die Anlage des Praxissemesters, das weder vorbereitet noch von der Uni aus betreut werde, und somit eher zum Abschrecken und Ausfiltern tauge.

Für die Überprüfung des eigenen Berufswunsches hält Zimmermann das Praxissemester für ungeeignet: "Das sind Erleichterungsmaßnahmen für die Selektion, und nicht Methoden zur Professionalisierung."

Aber auch in den Fachinstituten ist man unzufrieden. Das Praxissemester könnte in einigen Fächern zu unerwünschten Einflüssen auf das Studium führen. Genannt werden hier Veranstaltungen, die über mehrere Semester laufen. Das wäre gerade dann störend, wenn Kurse aufeinander aufbauen und nicht in jedem Semester angeboten werden können. Zudem gilt es als sicher, daß die Fachwissenschaften keine Abstriche zugunsten der zusätzlichen pädagogischen Veranstaltungen machen werden. Hier wird wohl einmal mehr der Student das Nachsehen haben, denn bereits jetzt steht fest, daß die Regelstudienzeiten nicht angepaßt werden, also mehr Leistungsnachweise in gleicher Zeit erbracht werden müssen.

Das Rektorat hat zu diesen Fragen eine Kommission einberufen; es ist ein offenes Geheimnis, daß auch in diesem Gremium zahlreiche Einwände gegen die Neuregelung bestehen.

In einem von Rektor Siebke unterzeichneten Schreiben an die betroffenen Seminare wird sogar offen ausgesprochen, daß durch ein Praxis-Semester vor allen Dingen die Staatskasse entlastet werde. Denn im Gegensatz zu Referendaren müßten Studenten im Praktikum schließlich nicht bezahlt werden.

Trotzdem ist nicht zu erwarten, daß der Erlaß auf dem Wege der Anhörung noch gestoppt wird. Kirsten Pistel von der FSK hält die noch anstehenden Anhörungen für eine Farce. Schließlich seien die Empfehlungen der Unis und speziell der Pädagogen in den Wind geschlagen worden, da könne man kaum Veränderungen auf dem Wege einer Anhörung erwarten. Obwohl sie dem Schreiben des Rektors weitläufig zustimmt, übt sie deutlich Kritik an Rektor Siebke: "In Fragen der Studiengebühren werden Gespräche mit dem Ministerium geführt, aber für die Belange der Lehramtsstudierenden stellt sich niemand auf die Hinterbeine".

(papa)

Kommentar


Ey

Glosse

Wir alle kennen die Situation. Ein angenehm warmer Frühlingstag, die Sonne strahlt vom unternehmungslustigen Nachmittagshimmel, und wir haben ein Rendez-vous. Stellt sich die Frage: Wohin mit der angebeteten Person? Lauschig muß es sein, und doch gesprächsanregend, schließlich kennt man sich noch nicht lange. Café? Zu altmodisch. Kino? Zu abgedroschen. Kneipe? Zu früh am Tag. Hier mein ultimativer Tip: Entführt Eure(n) Angebetete(n) in die phantastische Welt eines Neubaugebietes!

Hier könnt Ihr, umgeben vom rauhen Charme frisch angelegter Öko-Vorgärten, zwischen fertigen Gauben und halbfertigen Giebelchen gemächlich schlendern, vorbei an hüfthohen Ziermäuerchen mit Terracottaverkleidung und kreativ bemalten Briefkästen. Die zahllosen Variationen des Menschheitstraums vom Traumhaus bieten willkommene Anlässe für fröhlich plätschernde Dialoge:

"Guck mal, der komische grüne Erker da drüben! Wer läßt sich denn sowas einfallen?" - "Ja, aber dort die Terasse im Hacienda-Stil find ich eigentlich sehr gelungen."

Hämischer Spott, begründeter Tadel, aber auch kopfnickende Anerkennung angesichts der schrillsten architektonischen Neuerungen können ganz leger, sozusagen en passant, geäußert werden und schaffen eine entspannte Atmosphäre. Ganz nebenbei erfährt man viel über den Gesprächspartner selbst - nach dem Motto: Sag mir, welches Haus Du liebst, und ich sage Dir, wer Du bist.

Wenn wir ehrlich sind, wären wir doch alle gern Architekt geworden. Leider fehlte es uns immer ein bißchen am, räusper-räusper, mathematisch-technischen Verständnis. Aber dafür gibt es ja Computer, nicht wahr? Und WIR hätten bestimmt nicht so einen futuristischen Klotz, so eine verunglückte Biosphere-2, auf die Wiese da hinten gepappt. Denn um als gelegentlicher Baukritiker hier zu lustwandeln, muß man zum Glück nicht Architektur studiert haben. Und eins können sich die Herren Architekten getrost ins Stammbuch notieren: Ein paar hingeschnuddelte Giebel machen noch kein innovatives Konzept! Fand meine Verabredung übrigens auch. (kw)


Zahlen des Monats

Absturz

BAföG-Entwicklung in Deutschland
vom WS 95/96 zum WS 96/97

Rückgang der BAföG-Anträge
10 %

Rückgang der Zahl der Geförderten
18 %
Rückgang der Förderungsmittel22 S.
13 %

Quelle: Deutsches Studentenwerk


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