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Hochschule


Vorsicht Baustelle!

Die Chronik vom Umbau des Konferenzsaals im IÜD

Plötzlich ergriff die Bauwut die Universitätsverwaltung. So wurde der Konferenzsaal des IÜDs geschlossen und ausgeweidet. Danach passierte nichts mehr. Kein Handwerker störte die Ruhe. Und kein Dolmetscher, da die ohne Dolmetschkabinen nicht üben können. Das Datum für die Fertigstellung des Saals wurde mittlerweile um vier Monate verschoben.

"Man sitzt da, den Schädel zwischen den kaputten Kopfhörern wie in einen Schraubstock eingeklemmt, das Rauschen der Anlage in einem Ohr, im anderen die leise Stimme aus der Nachbarkabine und dabei soll man eine vernünftige Übersetzung von sich geben." So schildert Mike, Dolmetschstudent, seine Vorbereitung auf die Diplomprüfung.

Grund allen Übels ist der Umbau des Konferenzsaals. Die Dolmetschkabinen, die sich dort befanden, wurden herausgerissen, Studenten müssen auf fünf alte Aushilfskabinen im oberen Stockwerk zurückgreifen. Fünf Kabinen für etwa 150 Prüfungskandidaten.

Seit dem 23. Juni herrschen diese Zustände. Simultandolmetschen kann man nicht ohne Kabinen. Simultandolmetschen heißt eine Rede zu übersetzen, während sie gehalten wird; im Gegensatz zum Konsekutivdolmetschen, wobei der Dolmetscher wartet, bis der Sprecher zu Ende geredet hat und erst dann übersetzt. Die Konzentration, die man zum Simultandolmetschen braucht, ist so groß, daß jedes Nebengeräusch stört.

Der Umbau des Konferenzsaals zieht sich nun ein halbes Jahr hin. Für alle Dolmetschstudenten eine Katastrophe. Für die Bauverwaltung der Universität eine "Umbaumaßnahme wie jede andere auch." Diese "Umbaumaßnahme" sollte während der Semesterferien durchgeführt werden. Wurde sie aber nicht. Also verschob man einfach das Datum, zu dem der Saal wieder benutzbar sein sollte, zunächst von September auf November, dann auf Dezember. Inzwischen heißt es offiziell, der Saal sei am 7. Januar 1999 fertiggestellt. "Wir glauben sicher, daß wir dieses Datum einhalten können", verspricht Dieter Sauer von der Bauverwaltung.

Nicht nur die Prüfungskandidaten sind vom Umbau betroffen. Vor kurzem mußte das ganze Gebäude des Instituts für Übersetzen und Dolmetschen (IÜD) geräumt werden, da bei den Bauarbeiten eine Gasleitung beschädigt worden war.

Außerdem haben IÜD-Studenten seit zwei Wochen keinen Zugang zum Computersystem mehr, da der starke Stromverbrauch der Baumaschinen den Server des Instituts lahmgelegt hat.

Warum die Verzögerung? Informationen sind schwer zu erhalten, vor allem von der Bauverwaltung. Am IÜD rekonstruieren sich die Studenten aus dem, was durchsickert, eine eigene Begründung. Bereits Anfang '98 verkündete Joachim Kornelius, Dozent der englischen Abteilung des IÜDs, die Univerwaltung habe das Geld für den Umbau bewilligt.

Ein halbes Jahr darauf beginnen die Bauarbeiten. Noch einige Wochen später werden sie wieder eingestellt. Den ganzen Sommer über liegt die Baustelle verlassen da. Gerüchte gehen um, es sei doch kein Geld da. Das IÜD ist ein ungeliebter Ableger der Neuphilologischen Fakultät; es wird vermutet, daß diese kurzerhand die Mittel umverteilt hat.

Im September setzen sich einige IÜD-Studenten zusammen und verfassen einen Brief an die Univerwaltung, um ihr die Zustände am IÜD in Erinnerung zu rufen. Plötzlich setzen die Arbeiten wieder ein. Schreiner nehmen Maß für neue Kabinen. Und wieder Stillstand. Man munkelt, es seien Schreiner engagiert worden, die nicht wußten, wie Dolmetschkabinen aussehen.

Und wieder bewegt sich nichts mehr. Im November verfassen die Studenten einen zweiten Brief mit Unterschriftensammlung. Antwort der Univerwaltung: Man solle doch bitte von weiteren Briefen und Unterschriftenaktionen Abstand nehmen.

Schließlich bringt Pressesprecher Michael Schwarz Licht in die dunkle Gerüchteküche. Die Universität konnte in Heidelberg keine Firma finden, die fähig war, Dolmetschkabinen nach europäischer DIN-Norm zu bauen. Nach langem Suchen entdeckte man ein Unternehmen im Saarland, das sich dem Auftrag gewachsen fühlt.

Inzwischen sind im IÜD Handwerker aufgetaucht. Sie arbeiten sogar. Doch noch traut sich niemand zu jubeln. Heike, Dolmetschstudentin am IÜD, sieht die Sache folgendermaßen: "Bis zur Prüfung ist der Saal sicher nicht mehr fertig. Trotzdem kämpfen wir weiter, damit wenigstens die Prüfungskandidaten nach uns den Saal wieder benutzen können." Bis dahin dürfen die Studenten weiterhin das Rauschen der kaputten Kopfhörer genießen. (st)


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