Infatuation Junkie
Drei Jahre hat sie auf sich warten lassen: die neue CD von Alanis Morissette mit dem nur schwer übersetzbaren Zungenbrecher-Titel "Supposed Former Infatuation Junkie" (angeblich ehemaliger Vernarrtheitsfreak?). Anfang November kam die Scheibe dann endlich in den Handel, zwei Wochen später lag sie auf Platz 1 in den Deutschen Verkaufscharts.
Kein schlechter Erfolg, aber auch kein Wunder, denn schon die Vorgänger-CD "Jagged Little Pill" war ein preisgekrönter Kassenschlager.
Bereits im Sommer hatte Alanis wieder auf sich aufmerksam gemacht, als sie den Titel "Invited" zum "City of Angels"-Soundtrack beisteuerte (leider nicht auf dem Album). Doch ohne Zweifel kann man sagen, daß die neue CD den Erwartungen stand hält. Bekannt ist natürlich die Single-Auskopplung "Thank you", die schon seit Wochen mindestens drei Mal täglich im Radio gespielt wird und deren provokantes Video in Amerika bereits für Ärger sorgte. Aber auch einige der anderen Songs sind absolut hitverdächtig, wie zum Beispiel "I Was Hoping" oder "Joining You". Abseits dieser kommerziellen Wertungen ist "Supposed Former Infatuation Junkie" ein sehr vielseitiges Album, auf dem sich Rocksongs wie "Baba" mit langsamen Balladen wie "That I Would Be Good" abwechseln.
Denjenigen, die eine erneute Abrechnung mit ehemaligen Lebensgefährten erwarten, sei der Song "Unsent" empfohlen, in dem Alanis gleich von fünf Männern (Matthew, Jonathan, Terrance, Marcus und Lou) singt. Übrigens: wie Alanis in einem Interview verriet, hat kürzlich einer dieser Männer einen Plattenvertrag bekommen. Seinen Namen wollte sie allerdings nicht nennen. (mi)
Placebo: Without you I'm nothing
Nach ihrem Debütalbum, das sie schlicht und einfach "Placebo" genannt hatten, beglückt uns das amerikanisch-englisch-schwedische Trio nun mit einem Album, das man keineswegs mit dem britpop-lastigen Erstlingswerk vergleichen kann und soll. Hier sind sie wesentlich näher am Rock als am Pop. Die Band, um ihren Frontmann Brian Molko, zeigt eine ganz neue Seite von sich, gespickt mit Melancholie, Emotion und Tiefgang. Man muß sich also auf etwas gefaßt machen, wenn man diese Platte anhört.
Schon der erste Titel läßt keine Wünsche offen. Mit "pure morning" ist ihnen ein Meisterstück gelungen, das seinesgleichen sucht.
Wer aber hin und wieder in seinen kleinen Depressiönchen versinken will, für den ist kein Lied besser geeignet als "my sweet prince". Dieser Titel ist wirklich nichts für schwache Nerven, da Sensibelchen hier doch die eine oder andere Träne entlockt werden wird.
Doch, wie gesagt, "Without you I'm nothing" ist rockig, mit knackigen, manchmal bis zur Unkenntlichkeit verzerrten Gitarren. Dementsprechend finden sich darauf auch energiegeladene Songs, wie "brick shithouse", "you don't care about us" und "scared of girls".
Es gibt eigentlich kein Lied auf diesem Album, das den anderen Liedern in irgendeiner Weise nachsteht; eine Feststellung, wie sie heutzutage nur noch selten getroffen werden kann.
Placebo können auf jeden Fall mehr als nur Drei-Akkord-Songs schreiben und heben sich damit auf angenehme Weise von einer ganzen Reihe anderer Bands ab. Sie haben genug Hirn im Kopf, Gefühle im Bauch und Fertigkeit in den Fingern, um ein Album mit großen Momenten zu füllen. (fu)
S. Prokofiev: Alexander Nevsky (Abbado)
"Alexander Nevsky" ist die Geschichte eines russischen Mythos. Immer wieder mußte sich Rußland gegen Eindringlinge von außen zur Wehr setzen. So schon 1242, als sich der Nevsky, der später zum Nationalhelden wurde, mit seiner Armee den deutschen Ordensrittern auf dem vereisten Peipussee entgegenstellte. Sein Sieg wurde ein Leitbild für nachfolgende Generationen und erfuhr 1938 in Sergej Eisensteins gleichnamigen Klassiker seine filmische Umsetzung.
In den seltensten Fällen schafft es Filmmusik, sich von der Leinwand vollständig zu lösen, noch seltener wird sie in den Olymp der klassischen Musik erhoben. Den Klanggemälden Prokofievs widerfuhr dies gleich mehrfach. Vergleichbar dem Meisterwerk "Iwan der Schreckliche", wurde "Alexander Nevsky" nicht nur zum bahnbrechenden Vorbild für viele epische Soundtracks bis in die heutige Zeit, sondern auch zum Inbegriff all der Schwere und Kraft russischer Klassik.
So könnte es denn kaum eine passendere Jahreszeit geben als diese, um sich der spätromantischen Gewaltigkeit dieses Opus' hinzugeben. Einfühlsame Töne stehen neben wuchtigem Chor- und Orchesterwerk; Liebhaber leichter, lebensfroher Musik seien gewarnt: die Komposition schwelgt in überwiegend düster bis pathetischen Tönen, voll winterlicher Schwermut, voll von Leid, Kampf und Triumph. Dabei interpretieren Claudio Abbado und das London Symphony Orchestra Prokofiev deutlich sensibler als etwa Svetlanov in seiner Einspielung von 1967.
Einziges Manko ist das Booklet, das grundlegender Hintergrundinformationen über den geschichtlichen und auch filmhistorischen Hintergrund der Werke leider entbehrt. (sk)
Da sogar seit zwei Ausgaben nicht mehr auf die amerikanische Übersetzung gewartet, sondern der Comic direkt aus dem Japanischen übersetzt wird und die Bilder der europäischen Leseweise, also von links nach rechts und vorne nach hinten, angepaßt werden, erscheint GSC mittlerweile früher als in den Staaten, wo Sonoda dennoch deutlich mehr Fans als bei uns hat. So ist bisher auch noch kein Video einer seiner Kreationen bei uns erschienen, während "Riding Bean", der Vorgänger von GSC und GSC selbst in den USA auch als Videoserien große Erfolge feiern. Es gibt mittlerweile sogar eine Musik-CD von GSC, gesungen von den Stimmgebern der Zeichentrick Serie.
Aber worum geht es eigentlich? GSC ist ausnahmsweise kein Superheldencomic, auch sind nicht riesige Dinosaurier, die regelmäßig Tokyo plätten, noch Highschool-Schüler, die sich mit Hilfe von speziellen Rüstungen in kraftvolle Helden verwandeln können, handlungstragend. Statt dessen schildert die Serie die Geschichte zweier Freundinnen im Chicago unserer Zeit. Rally Vincent, gerade mal 21, besitzt zusammen mit ihrer minderjährigen Partnerin May Hopkins einen Waffenladen in Chicago, der Stadt der Gangster. Um sich einigermaßen über Wasser zu halten, gehen die beiden einem nicht ganz alltäglichen Zweitberuf nach: sie sind Prämienjäger. Das heißt sie fangen Kriminelle, auf deren Kopf eine Belohnung ausgesetzt ist, aus welchem Grund auch immer.
Natürlich ist das ein weit einträglicheres Geschäft als ihr Waffenladen, und es verwickelt sie somit in gefährliche Abenteuer zwischen Polizei, Mafia und allerhand krummen Geschäften. Rally ist die Meisterschützin in dem Duo, die mit Vorliebe die Daumen ihrer Gegner abschießt, um sie kampfunfähig zu machen. May dagegen, trotz ihres Alters eine langjährige ehemalige Bordellangestellte, ist für jede Art von Sprengstoff verantwortlich, eine Eigenschaft, die sie von ihrem Geliebten, einem Bombenbauer der Mafia, übernommen hat. Obwohl die Story grundsätzlich einfach erzählt ist, birgt sie immer wieder überraschende Wendungen und beschränkt sich nicht nur darauf, die Heldinnen mit möglichst knapper Bekleidung, möglichst großen Pistolen und möglichst schnellen Autos darzustellen, obwohl auch Sonoda dies nicht umgeht. Jedoch muß man ihm zugute halten, daß er seine Serie nicht auf solche Situationen ausrichtet, sondern die spannende Story im Mittelpunkt stehen läßt.
Kenichi Sonoda ist, wie fast alle seiner japanischen Kollegen, in Deutschland eher unbekannt. Jedoch kann man ihn ohne weiteres mit so bekannten Namen wie Otomo (Akira) und Shirow (Appleseed, Ghost in the Shell) vergleichen. Natürlich hat jeder dieser Künstler seinen eigenen typischen Stil. Shirow ist vernarrt in seine detaillierten High-Tech Hintergründe, Otomo gewinnt viel durch die nachträgliche Kolorierungen seiner Zeichnungen. Sonoda dagegen legt in GSC Wert auf die Autos und Waffen. Sie sind extrem detailliert gezeichnet und stehen so oft in krassem Kontrast zu den einfachen, oft cartoonhaften Figuren.
GSC ist zwar ein "good girls with guns" Comic im klassischen Sinne, dessen zeichnerische und inhaltliche Qualität ihn aber von vergleichbaren Werken deutlich abheben läßt, die die Story auf eine Darstellung knappbekleideter Heldinnen beschränken.
Einziger Wermutstropfen an der deutschen Version von Feest: Wenn die Serie schon schwarz-weiß gezeichnet wurde, sollte sie auch auf weißem Papier gedruckt werden, denn das chlorfreie Papier, an sich eine gute Idee, hat eine derartige intensive Eigenfarbe, daß man eher von schwarz-gelb reden muß.
Gunsmith Cats, Band 11 "Im Kreuzfeuer", Feest Comics, Ehapa Comic Collection, 16,80 DM (jr)