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Aus aller Welt


The "Pres" of Jazz

Another Goodbye to Mr. Pork Pie Hat

Manche Saxophonisten, die ihn zum ersten Mal hörten, erzählen, daß sie ihr Instrument für mehrere Wochen in den Schrank stellten und sich nicht mehr zu spielen trauten. So übermächtig war der Eindruck, den er hinterließ. Die Rede ist von Lester Young, dem neben Colman Hawkins wohl einflußreichsten Tenorsaxophonisten der dreißiger und vierziger Jahre. Er wäre dieses Jahr 90 Jahre alt geworden.

Bis in die zwanziger Jahre dieses Jahrhunderts war das Tenorsaxophon in der Jazzmusik ein falsch verstandenes Instrument und wurde oft nur für lustige Effekte eingesetzt. Erst Coleman Hawkins verlieh ihm eine Stimme im Jazz. Sein kräftiger, runder Ton prägte Generationen von späteren Saxophonisten. An Kraft und Sonorität war Hawkins nicht zu übertreffen, wohl aber an Raffinesse. Schon bei seiner ersten Plattenaufnahme 1936 ist Lester Youngs unverwechselbarer Stil zu hören: Ein flüchtiger, flüssiger und leichter Sound. Begleitet wurde er dabei von einer Kleinformation um Count Basie, dem Gründer und Leader des später so erfolgreichen Count Basie Orchesters. Die Zusammenarbeit zwischen Basie und Young gestaltete sich so erfolgreich, daß Lester Young zwischen 1936 und 1940 als erster Tenorsaxophonist in Basies Orchester spielte und der absolute Glanzpunkt dieser Band war.

Schon zu dieser Zeit war er ein Original in jeder Beziehung. Ein flacher, breitrandiger Hut (pork pie) wurde zu seinem Markenzeichen, ebenso wie die Art, wie er sein Saxophon hielt: immer seitlich schräg angewinkelt. Er benutzte eine witzig verklausulierte Sprache, indem er z.B. alle Musikerkollegen einfach nur "Lady" nannte. Zur selben Zeit, als er in Basies Orchester spielte, lernte er auch die Jazzsängerin Billie Holiday kennen, die von ihm ihren Übernamen "Lady Day" erhielt. Sie revanchierte sich und nannte ihn nur "Pres", die Kurzform von "The President", denn für sie war er der größte Tenorsaxophonist. In ihren gemeinsamen Aufnahmen, die heute zu Klassikern des Jazz zählen, wurde Billie Holiday zu seiner musikalisch kongenialen Partnerin.

Das einschneidendste Erlebnis in seiner Karriere war die Bekanntschaft mit der Armee. Weil er dem Einberufungsbefehl nicht Folge geleistet hatte, verbrachte er ein Jahr in einem Lager. Dieser Aufenthalt hatte traumatische Auswirkungen auf den sensiblen Musiker und seinen Stil, der rauher und brüchiger wurde. Das erste Stück, das er nach seiner Haft aufnahm, war der "D.B. Blues". Darin verarbeitete er seine Erfahrungen der Lagerzeit. D.B steht für disciplinary barracks.

Obwohl die Hafterfahrung sein positives Weltbild zerstört hatte, entstanden in der folgenden Zeit noch einige seiner schönsten Aufnahmen, wie z.B. "Ghost of a Chance" oder der Balladenklassiker "These foolish things". Er nahm noch weiter Platten auf, aber gerade viele Aufnahmen aus den Fünfzigern zeigen, daß es mit Lester Young bergab ging. Der allmähliche körperliche Verfall durch zunehmenden Alkoholmißbrauch schwächte ihn auch in seiner künstlerischen Ausdruckskraft. Nicht einmal 50 Jahre alt, starb Lester Young 1959 in einem New Yorker Hotel an einer Herzattacke, nachdem er einen Tag zuvor von einem abgebrochenen Gastspiel aus Paris zurückgekehrt war. Als der Jazz-Bassist Charles Mingus von Lesters Tod hörte, schrieb er ihm zu Ehren ein Abschiedsstück, das heute auch schon zu den Klassikern des Faches zählt: "Goodbye Pork Pie Hat". (col)


Johann-Wolfgang in Toulouse

Die bedrohte Existenz des Goethe-Instituts im Jubiläumsjahr

Beim deutsch-französischen Theaterabend tummeln sich Studenten im Keller des Goethe-Instituts, für Brecht-Filme oder einen Vortrag zur mehrsprachigen Erziehung interessieren sich eher gesetztere Jahrgänge. Und ganz Kleine werden in Deutschkursen für Frühinteressierte mit Janosch-Bildern versorgt.

Es liegt nicht am gelegentlich fließenden deutschen Freibier, daß das Goethe-Institut im südfranzösischen Toulouse ein so zahlreiches Publikum anlockt. In den 36 Jahren seines Bestehens ist das kleine Institut zu einer festen Größe im kulturellen Leben der Stadt geworden.

Seinen Namen hat es vor allem durch das Angebot an Deutschkursen, einem spezieller interessierten Publikum ist es durch vielfältige kulturelle Veranstaltungen ein Begriff. Deutsche Kultur gespiegelt in den Zügen Klaus Kinskis oder in humoristischen Objekten zum Fußballkult, deutsche Geschichte in Germania-Karikaturen oder einem Vortrag zur Wiedervereinigung. Das Institut hat sich als Forum für Begegnung und Austausch zwischen Deutschen und Franzosen etabliert, Gelegenheiten wie der Tag der Offenen Tür werden von Stammgästen und Neugierigen gerne genutzt.

Was hier im Laufe der Zeit gewachsen ist, wird im Grundsatzpapier des Goethe-Instituts "die Förderung der internationalen kulturellen Zusammenarbeit und die Pflege der deutschen Sprache" genannt. Die auswärtige Kulturpolitik wird neben den politischen Beziehungen und der Außenwirtschaft als "dritte - gleichberechtigte und gleichwertige - Dimension der deutschen Außenpolitik" gesehen. Der Kulturbegriff, der dem Goethe-Institut seit den Siebziger Jahren zugrunde liegt, ist relativ weit gefaßt: "Kultur umfaßt alle Tätigkeiten, die dem einzelnen Menschen erlauben, sich zur Welt, zur Gesellschaft und zum eigenen Erbe in ein Verhältnis zu setzen. Ästhetische und diskursive Ausdrucksformen sind dabei gleichrangig", heißt es im Grundsatzprogramm. Die Sprache wird als Grundlage der Kultur und damit als ein wesentlicher Bestandteil begriffen.

Schön und gut, ein durchdachtes Konzept und motivierende Ergebnisse. Doch daß die Realität dieser Form der auswärtigen Kulturarbeit seit einigen Jahren nicht mehr so rosig aussieht, wie es die formulierten Ziele suggerieren, ist bekannt. Seit 1994 werden Stellen eingespart, alleine 1997/98 mußten neun Institute ihre Tore schließen. Parallel zu den Schließungen werden neue Institute in Mittel- und Osteuropa sowie in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion eröffnet, 1997/98 waren es zwei. Weltweit existieren derzeit 135 Institute in 76 Ländern sowie im palästinensischen Autonomiegebiet, die jährlich ca. 350 Mio. DM vom Auswärtigen Amt erhalten.

Für das Goethe-Institut Toulouse war im Frühjahr 1998 die Schließung des Instituts in Marseille, quasi in unmittelbarer Nachbarschaft, ein Schock. Selbst durch Kürzungen erheblich eingeschränkt, fürchtete das Institut um seine Existenz. Durch die Streichung der Bibliothekarsstelle wurde die gut ausgestattete Bibliothek bereits vor mehreren Jahren auf einen bloßen "Lesesaal" reduziert, in dem Ausleihen nur noch im Ausnahmefall möglich sind. Mit weiteren Kürzungen wurden die Posten zweier Entsandter im Kulturbüro sowie im Leiterbüro der Sprachabteilung eingespart. Um eine vollständige Schließung zu vermeiden, wurde das Toulouser Institut letztlich mit dem Goethe-Institut Bordeaux zusammengelegt, so daß sein Fortbestehen nun fürs erste gesichert ist. Im Rahmen der Partnerschaft mit Bordeaux wird das Veranstaltungsprogramm der Häuser gemeinsam entwickelt, um dann an beiden Orten durchgeführt zu werden. "Das Fortbestehen als halbes Institut ist schwierig", kommentiert Dr. Peter Müller, Direktor des Goethe-Instituts in Toulouse, die Lage. "Voraussetzung ist eine extrem gute Koordination mit dem Institut in Bordeaux, die nur funktioniert, weil ich fast täglich mit dem dortigen Leiter telefoniere. Wir haben uns einfach fest vorgenommen, uns gut zu verstehen." Die Mitarbeiter des Toulouser Instituts tragen die bisweilen bedrohliche Situation mit Fassung - und mit unerschütterlichem Engagement. Da ist Anpassungsfähigkeit gefragt, durchaus auch Improvisation. Das Goethe-Institut profitiert von den guten Verbindungen, die es sich im Laufe der Jahre durch intensive Projektarbeit geschaffen hat. In Toulouse herrscht allseitiges Vertrauen in die hohe Qualität seiner Arbeit. So kann die Zusammenarbeit mit anderen kulturellen Einrichtungen auch bei geringer Kostenbeteiligung vorläufig weitergeführt werden. Bisher konnte sich das Goethe-Institut seine Bekanntheit und seinen guten Ruf wahren, allerdings sorgen die Konsequenzen der Ressourcenkürzungen auch für Unmut in der Öffentlichkeit. Nicht nur, daß mit einer gestrafften Bibliothek kaum noch einer etwas anfangen kann. Vor allem die ständige Erhöhung der Preise für Deutschkurse sorgt dafür, daß die Sprache der Dichter und Denker den meisten vorenthalten bleibt.

So kommt man in Toulouse also mit Ach und Krach über die Runden. Die gefährlichen Einschneidungen, die das Gerüst auswärtiger Kulturarbeit schwer ins Wanken bringen, können noch einigermaßen überspielt werden. Das spricht für die Fähigkeit des Goethe-Instituts, sich strukturell - zumindest provisorisch - den Ressourcenkürzungen anzupassen.

Ein Dauerzustand kann es jedoch nicht sein, wenn in Toulouse kaum ein namhafter deutscher Künstler mit seinem Programm zum Goethe-Jahr engagiert werden kann, weil es unerschwinglich ist. Wie war das doch gleich? Ist man nicht auf das Goethe-Institut stolz als die größte Mittlerorganisation deutscher Kultur im Ausland? Oder soll der Euro plötzlich all das ersetzen? Hilmar Hoffmann, Präsident des Goethe-Instituts, weiß schon lange: "Auch Wirtschaftspartnerschaft hat auf Dauer nur bei solide gegründeter Kulturpartnerschaft eine reelle Chance." (kh)


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