Den Auftakt bildete der Pariser Politologe Alfred Grosser, der die Zuhörer in seinem bemerkenswerten Eröffnungsvortrag dazu aufrief, Abstand vom Ich zu gewinnen: "Um herauszufinden, wer man ist, muß man sich zunächst von sich selbst distanzieren." Man solle sich nicht auf eine Identität reduzieren lassen, wie es mit den Juden im Dritten Reich geschehen sei. Die Identität eines Menschen setze sich immer aus vielen Facetten zusammen. Grosser bedauerte, daß es noch keine europäische Identität gebe, obwohl die Staaten der EU bereits mehr gemeinsame Gesetze und Verpflichtungen hätten, als die Staaten der USA.
Langanhaltender Applaus nach dem Vortrag zeigte, daß Grosser das Publikum mit seinen Gedanken bewegt hatte. Leider konnten von den nachfolgenden Referenten nur wenige an dieses Niveau anknüpfen. Den Schluß- und zugleich auch Tiefpunkt markierte die Rede von Bernd Protzner. Der ins Glied zurückgetretene ehemalige Generalsekretär der CSU sagte vor bereits deutlich gelichteten Reihen ökonomische Schulbuchweisheiten auf und erging sich in Banalitäten, wie daß die hohe Arbeitslosigkeit ein Problem für Wirtschaft und Politik sei, oder daß eine Neuverschuldung der Bundesrepublik besser vermieden werden sollte. Auch auf die anschließenden Fragen blieb er klare Konzepte schuldig und zeigte sich zudem recht einsilbig.
Doch auch andere bekannte Redner hatten wenig Erhellendes beizutragen. So brachte der Vortrag von Guido Westerwelle "Zukunft neu denken" das genaue Gegenteil seines Titels: Der FDP-Generalsekretär langweilte mit den alten Forderungen nach weniger Staat und mehr Eigenverantwortung der Bürger. Immerhin zeigte er sich aber schlagfertig und engagiert und fand den Zuspruch des äußerst geneigten Publikums. Auf die Sympathien der (überwiegend männlichen) Zuhörer stieß auch Christiane Prinzessin zu Salm-Salm, die Geschäftsführerin des deutschen Ablegers von MTV. Obwohl (oder weil?) ihr Kolloquium "Verloren im elektronischen Informations-Nirvana" zu einem Plauderstündchen über MTV verflachte, entwickelte sich eine rege Diskussion.
Der aufkeimende Verdacht, daß die Organisatoren mehr Wert auf große Namen als auf kompetente Redner gelegt hatten, erwies sich als gerechtfertigt: "Bei der Auswahl der Referenten haben wir in erster Linie das "Who is Who' zu Rate gezogen", gab Pressesprecher Wolfgang Lambrecht unumwunden zu.
Ihren Ansprüchen wurden die Organisatoren nur teilweise gerecht: So wollten sie einen möglichst repräsentativen Querschnitt von Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur präsentieren, doch geriet die Auswahl der Politiker sehr oppositionslastig, was allerdings durch die Absage von Herta Däubler-Gmelin verstärkt worden war. Dies dürfte jedoch die wenigsten der Teilnehmer, die auch nicht gerade einen repräsentativen Querschnitt durch die Studierendenschaft darstellten, gestört haben. Im Gegensatz zu dem Ziel des Clubs, den Kontakt zwischen den Studierenden und den geladenen Persönlichkeiten zu fördern, mühten sich einige der Organisatoren redlich, jeglichen Kontakt zu den Referenten außerhalb der festgesetzten Redezeiten zu verhindern. Bei der Organisation der Veranstaltungen gab es jedoch einige Verbesserungen zu den Vorjahren. Trotz eines nicht immer reibungslosen Ablaufs, hat das Orga-Team diese Herausforderung bestanden.
Der Frage nach der Identität im neuen Jahrtausend ist das Symposium nur wenig nähergekommen. Trotzdem mag es von allen Beteiligten als Erfolg gewertet worden sein, da die Organisatoren ihre Manager-Qualitäten mal unter realen Bedingungen ausprobieren durften (auch wenn die dunklen Limousinen und die Handys noch geliehen waren) und viele der Teilnehmer, durch den Kontakt mit den Wirtschafts- und Gesellschaftsgrößen, ihrer Identität von morgen möglicherweise schon heute begegnet sind. (alt)
Letzten Donnerstag wurde das neue Verfügungsgebaüde der Uni Heidelberg durch den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Erwin Teufel eingeweiht, im Sommer diesen Jahres werden die Sportler von Uni und PH ihre neue Sporthalle beziehen können, im Juli wird mit dem Neubau der physikalischen Institute begonnen werden, im Dezember mit der Errichtung eines neuen Medizinischen Instituts und ebenfalls noch dieses Jahr mit dem Bau des Otto-Meyerhof-Zentrums. Außerdem, so Ministerialdirigent Thomas Knödler, sei eine Modernisierung der technischen Anlagen im Institut für Chemie und im Theoretikum, sowie der Neubau des Botanischen Gartens, des Botanischen Instituts und der Biologischen Institute vorgesehen. Diese Projekte werden aber erst im nächsten Jahrtausend angegangen werden.
Die Altstadt-Institute bleiben unerwähnt. Der Platzmangel in der Innenstadt ist eine plausible Erklärung dafür. Vielleicht ist es aber doch auch so, daß die Geistes- und Sozialwissenschaftler nach weit verbreiteter Auffassung nicht auf moderne Geräte und Gebäude angewiesen sind, vielleicht auch, daß man glaubt, daß beispielsweise die Historiker und Germanisten, die sich "am liebsten" mit Sitten und Sprachen des Mittelalters beschäftigen, sich in teilweise maroden und vor allem kuschelig engen Gemäuern ihrem "Hobby" etwas näher fühlen.
Den Naturwissenschaftlern jedoch sei ihr Glück gegönnt! Das hochmoderne Verfügungsgebäude, welches Bund und Land 47.5Mio. DM gekostet hat, wird den Physikern, ganz besonders den Instituten für Umweltphysik und für Physikalische Chemie die Möglichkeit geben, bisher nicht realisierbare Experimente durchzuführen. Ebenfalls die fortschrittlichste Einrichtung wird die neue Sporthalle bieten. Den Studis von PH und Uni werden dort drei verschiedene Hallen, außerdem ein Kraftraum, ein Diagnoseraum, viele Seminarräume und eine Indoor-Kletterwand zur Verfügung stehen. Dabei muß fairerweise betont werden, daß diese Halle niemals erbaut worden wäre, hätte nicht das Bundesleistungszentrum, der zukünftige Olympiastützpunkt, die alte Halle für sich allein beansprucht und der Uni für die Freigabe des Gebäudes 20Mio. DM gezahlt. Die Physikalischen Institute sollen gegenüber der Zentralmensa entstehen und werden dadurch wohl eine Vielzahl von Parkmöglichkeiten verdrängen. Diese sollen jedoch, nach Aussagen des Bauamtes, an anderer Stelle neu geschaffen werden. In drei Bauabschnitten werden schrittweise alle Institute der Physik aus dem Philosophenweg ins Neuenheimer Feld verlegt. Der erste Bauabschnitt soll im Januar 2002 fertiggestellt sein und 65Mio.DM kosten. Das neue Gebäude wird die Institute für Angewandte Physik und Hochenergiephysik, sowie eine Experimentierhalle und Seminarräume beherbergen.
Das größte Projekt im Feld ist der Neubau der Medizinischen Klinik für 287Mio. DM. In späteren Bauabschnitten wird die Haut- und Frauenklinik, die Chirugische- und Kinderklinik neuerrichtet werden. Ziel ist es, alle Fachbereiche der Uniklinik, außer der Psychiatrie und Psychosomatik, in einem durch Brücken- und Verbindungsgänge eng verbundenen Gebäudekomplex unterzubringen. Das neue Otto-Meyerhof-Zentrum wird dem Klinikum außerdem zusätzliche Forschungsflächen bieten.
Mit dem Umzug weiter Teile der Uniklinik nach Neuenheim wird es auch einen Lichtblick für die Studis der Altstadt geben. Die verwaisten Klinikgebäude in Bergheim sollen dann durch ihre Institute genutzt werden. (nal)
"Schätzungsweise 13 bis 16 Prozent der Heidelberger Studierenden", meint Dr. Holm-Hadulla, bisheriger Leiter der PBS, "haben Beratungsbedarf". Die Ursachen dafür seien vielschichtig: "Arbeits- und Lernschwierigkeiten, Prüfungsangst, Partnerprobleme, mangelndes Selbstwertgefühl." Probleme im Studium zögen unweigerlich weitere Probleme nach sich. Von den etwa 16 Prozent, die eine Beratung aufsuchen sollten, realisierten dies nur 50 Prozent. Die Hälfte von ihnen habe Selbstmordgedanken. Bei den übrigen dominiere die Scheu davor, sich professioneller Hilfe anzuvertrauen. Dabei sei eine rasche Ursachenbekämpfung mit therapeutischer Hilfe dringend geboten, um langfristig "ausgeprägte Störungen" zu verhindern. Zwei Drittel der Hilfesuchenden seien Frauen. Männer brächten nach Holm-Hadullas Erfahrungen weniger den Mut auf. Doch gerade die Tatsache, daß das Verhältnis in psychiatrischen Kliniken umgekehrt sei, zeige die Notwendigkeit frühzeitiger Prävention.
Nach Studienfächern betrachtet, ist der größte Anteil der Ratsuchenden bei den Studierenden der Psychologie zu finden, gefolgt von Jura und den Geisteswissenschaften. Doch nehmen auch Mediziner und Naturwissenschaftler zu. Die frühe Behandlung habe aber noch einen Effekt: neben der Ursachenbekämpfung sei dies auch eine kostensparende Methode für die Universität, würde man doch Studienabbrüchen und langem Studium entgegenwirken. Etwa 50 Prozent der Klienten erführen laut Holm-Hadulla nach 15 Sitzungen eine deutliche bis vollkommene Besserung, bei etwa 20 Prozent sei eine Langzeitbehandlung nötig.
Den Besuchern des "Tags der offenen Tür" wurde ein Einblick in die PBS gewährt. Bleibt zu wünschen, daß viele Behandlungsbedürftige auch in Zukunft in die PBS finden und die geplanten Sparmaßnahmen des Studentenwerks dieses Angebot nicht gefährden. (cl, ko)
"Was will Prof. 'Holiday' auf Malta?", so lautete die Überschrift eines BILD-Artikels, der am 10. April diesen Jahres erschien. Zu lesen war da die Geschichte eines Professors, der seit Jahr und Tag seine Kollegen, was die Lehre angeht, im Stich läßt und nur während des Sommersemesters eine Veranstaltung anbietet. Dann nämlich kreuzt er laut BILD mit einem kleinen Grüppchen Studenten auf einem Segelschiff 14 Tage durchs Mittelmeer. Das Ganze bezeichnet er dann als "meeresbiologisches Praktikum".
Es schien einleuchtend, daß solch einem Mann das Handwerk gelegt werden muß. Der Verwaltungsrat der Universität faßte den Entschluß, dem Professor die Mittel für seine meeresbiologische Exkursion zu verweigern. Das ließ sich dieser aber nicht gefallen und zog kurzerhand vor das Verwaltungsgericht in Karlsruhe. Die Verweigerung der Mittel sei ein Eingriff in die Freiheit von Forschung und Lehre, so seine juristisch offenbar korrekte Feststellung, denn das Gericht urteilte, daß der Verwaltungsrat der Universität seine Entscheidung noch einmal überdenken müsse. Zwar gebe es die Möglichkeit, bei Nichterfüllung des Lehrauftrags zu disziplinarischen Maßnahmen zu greifen, dazu gehöre jedoch nicht die Streichung von Exkursionsmitteln, so der Bescheid des Gerichtes.
Als Reaktion auf das Gerichtsurteil erschienen verschiedene Zeitungsartikel, in welchen der Professor Dr. Dr. Hajo Schmidt namentlich genannt wurde. Dies erlaubt es ihm, nun erstmals selbst eine Stellungnahme gegenüber der Presse abzugeben, was ihm bisher aufgrund seines Beamtenstatus verwehrt gewesen war. Dem ruprecht präsentierte und erläuterte der Meeresbiologe, der nach eigenen Angaben weltweit als Kapazität für Blumentiere bekannt und anerkannt ist, nicht nur zahlreiche Schriftstücke und Akten als "Beweise", sondern auch eine Geschichte, die wie die Vorlage für einen neuen "Campus-Roman" klingt:
Sie beginnt an einem Montagmorgen im Oktober 1994. Professor Hajo Schmidt, der nach längerer Abwesenheit an die Universität zurückgekehrt ist, betritt sein Büro, und findet es mit Kisten und Kartons vollgestopft. Inhalt: Laborgeräte, Akten und Aufzeichnungen von Forschungsprojekten, alles wahllos durcheinandergeworfen. Die Sachen gehören ihm und befanden sich bis zu diesem Zeitpunkt in seinem an das Büro angrenzenden Labor.
Schmidt erinnert sich: Sein Schreibtisch ist offensichtlich durchwühlt worden, darin befanden sich die Schlüssel für das Forschungslabor. Sie sind verschwunden. Doch nicht nur sie. Als der Professor mit einer Bestandsaufnahme seiner Arbeitsgerätschaften beginnt, muß er feststellen, daß ganze Aquarien und deren Zubehör, Diaserien und Karteikarten mit Aufzeichnungen, die er für seine Arbeit für die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) benötigt, verschwunden sind. Doch der Vorfall ist nicht der erste seiner Art. Als er sich ein Jahr zuvor in der Wahrnehmung einer Honorarprofessur in Puerto Rico aufgehalten hatte, hatte man sein erstes Labor ausgeräumt. Die Utensilien, die sich darin befanden, verschwanden nach Schmidts Angaben für anderthalb Jahre im Keller des zoologischen Instituts, wo sie in einer ausgedienten Gefrierkammer untergebracht wurden. Professor Schmidt blieb es verwehrt, zu erfahren, wohin man die Sachen, darunter seine Fachliteratur, geschafft hatte. Das leergeräumte Labor wurde an einen Kollegen vergeben, eine Entscheidung, die nicht von dem dafür laut Universitätsgesetz (UG) zuständigen Verwaltungsrat getroffen worden war. Als Grund für die Räumung des Zimmers wurde mangelnde Arbeitssicherheit angeführt, obwohl sich in dem Labor seit Jahren nichts verändert hatte. Über keine der beiden Räumungsaktionen sei er vorher informiert worden, klagt Schmidt. Auch sei er nicht gefragt worden, wofür er die Räumlichkeiten benötige. Professor Schmidt wandte sich mit der Bitte um Unterstützung schriftlich an den Kanzler; von dessen Seite erfolgte jedoch keine Reaktion.
Im Laufe der Jahre, die Professor Hajo Schmidt an der Heidelberger Universität tätig ist, hat er nach eigener Aussage schon einiges miterlebt, dem er machtlos gegenüberstand.
So erhält er schon seit Jahren aus dem Forschungsetat der Fakultät gerade mal 3000 Mark, während seine Kollegen mit Summen zwischen 15.000 und 25.000 Mark pro Jahr ausgestattet werden. Erklären läßt sich das höchstens dadurch, daß sein Status als Universitätsprofessor nicht zur Kenntnis genommen wird, sondern man ihn von seinem Rang her offenbar mit einem Zeitdozenten gleichsetzt. Diesen werden in der Tat nur zwischen 2000 und 2500 Mark jährlich zur Verfügung gestellt. Die Versuche des Professors, eine finanzielle Gleichstellung zu erreichen, scheiterten stets an dem Hinweis der Verwaltung, er erhalte doch zusätzliche Forschungsgelder von der DFG. Als die Fakultät sich schließlich bereit erklärte, seiner Forderung nach finanzieller Unterstützung nachzugeben, knüpfte sie dies an die Bedingung, daß Professor Schmidt einen förmlichen Projektantrag einreichen müsse. Er reichte daraufhin einen Antrag für ein Projekt ein, das, wie aus einer früheren Publikation zu ersehen war, bereits mehrfach von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert worden war. Ein Gutachter der Universität kam jedoch zu dem Schluß, das Projekt sei uninteressant und zur Förderung ungeeignet. Der Name des Gutachters wird ihm, so Schmidt, bis heute vorenthalten, obwohl er als Beamter ein Recht darauf hat, diesen zu erfahren. Erklärung der Kanzlerin der Universität, Romana von Hagen: "Weil der Gutachter ansonsten mit dem Beginn einer erheblichen Korrespondenz mit Professor Dr. Dr. Schmidt zu rechnen hätte."
Nach eigener Aussage wurde Professor Schmidt 17 Jahre lang weder aufgefordert, sich an den im Biologiegrundstudium stattfindenden Praktika zu beteiligen, noch wurde er in deren Planung einbezogen. Man habe ihm die Beteiligung an den Grundpraktika verweigert, seit ihm von einem Kollegen unterstellt wurde, er habe eine Studentin sexuell belästigt. Eine Behauptung übrigens, die dieser Kollege schriftlich widerrufen mußte.
Um, wie er selbst sagt, seine Forschungen voranzutreiben, beantragte der Professor in den Jahren 1997/ 98 die Freistellung für ein Forschungssemester. Seine beiden Anträge wurden abgelehnt, man verwies auf seine unzureichende Lehrtätigkeit und den Mangel an eigenen Publikationen. Laut Universitätsgesetz darf dies auf einen Freistellungsantrag jedoch keinen Einfluß haben.
Vor drei Jahren beschloß der Verwaltungsrat, Professor Schmidt doch wieder in die Lehre des Grundstudiums einzubinden. Nun sollte er die Hälfte seines Lehrdeputats mit Grundpraktika abdecken, was fast die Hälfte aller Zoologiegrundpraktika überhaupt ausmacht. Die andere Hälfte der Grundpraktika sollte dann von seinen Kollegen gehalten werden, von denen derzeit 14 potentiell für diese Aufgabe zur Verfügung stehen. Von der Übernahme der Grundpraktika wurde sogar die Bezuschussung seiner Exkursionspraktika im Hauptstudium abhängig gemacht. Professor Schmidt weigert sich, dieser Aufforderung nachzukommen, unter anderem deswegen, weil man auch von ihm fordert, ein Ökologiepraktikum abzuhalten, welches im Lehrplan für das Grundstudium überhaupt nicht vorgesehen ist. Zudem sei er zuvor von seinen Kollegen für die Fachrichtung Ökologie als "nicht prüfungsberechtigt" eingestuft worden.
Wie Professor Schmidt erklärt, sei es ein einmaliger Vorgang in der Universitätsgeschichte, daß einem Professor von einem Verwaltungsrat, der laut Universitätsgesetz lediglich für die Zuteilung der Mittel und Einrichtungen zuständig ist, Umfang und Inhalt seiner Lehre vorgeschrieben wird.
Professor Schmidt führte sein meeresbiologisches Praktikum dennochdurch - ohne seine Auflagen erfüllt und ohne Zuschüsse erhalten zu haben. Kanzlerin von Hagen drohte ihm daraufhin mit Disziplinarmaßnahmen.
Professor Schmidt entschloß sich, vor Gericht zu gehen; er wußte, daß sein Praktikum ohne Zuschüsse nicht durchgeführt werden kann, was nach seiner Aussage ein Scheitern der ihm noch verbliebenen Lehre bedeuten würde.
Das Karlsruher Verwaltungsgericht urteilte zu Gunsten Schmidts. Der Verwaltungsrat muß seine Entscheidung jetzt noch einmal überdenken. Nach Aussage von Kanzlerin von Hagen wird man die gewünschten Mittel wohl bewilligen - für den vorigen wie auch für diesen Sommer. Andernfalls, so war in der Stuttgarter Zeitung zu lesen, fürchte dieUniversität, vor Gericht erneut den Kürzeren zu ziehen.
Bleibt die Frage: Warum das alles? Seine Forschung sei systematisch durch die Räumung seiner Labors und die unzureichende Finanzierung behindert worden, aus der Lehre habe man ihn fast gänzlich verdrängt. Das meeresbiologische Praktikum, welches ihm noch geblieben ist, und das nach Schmidts Angaben über die Universität hinaus im In- und Ausland nachgefragt wird und mehrfach Gegenstand von Publikationen auswärtiger Kollegen war, wurde nun vom Dekan im Verwaltungsrat für "verzichtbar" erklärt. Unverständlich auch für einige Studenten, die an diesem Praktikum bereits teilgenommen haben, und von denen Aussagen zu hören sind wie "Ich habe da so viel gelernt wie nie zuvor." Auch Professor Schmidt hat keine Erklärung für "diese gehäuften Verstöße gegen das Universitätsgesetz".
Von offizieller Seite war darüber leider nichts in Erfahrung zu bringen. An der Fakultät für Biologie verweigerten diejenigen, die am Telefon zu sprechen waren, die Auskunft über die Geschehnisse. "Dazu können wir leider nichts sagen." An dafür eventuell zuständige Personen konnte angeblich nicht weiterverwiesen werden. Dr. Michael Schwarz, Pressesprecher der Universität, zeigte immerhin etwas Entgegenkommen und machte auf zwei bereits erschienene Zeitungsartikel aufmerksam. Was alles weitere betreffe, so erklärte er, sei in dieser Angelegenheit einzig die Kanzlerin befugt, Auskünfte zu erteilen. Diese war jedoch leider nicht zu erreichen.
So kann man sich derzeit nur auf die Aussagen von Professor Schmidt stützen. Nach dessen Ansicht ist diese "Kampagne" gegen ihn die Folge von "Neid und Konkurrenzdenken". "Ich bin denen einfach ein bißchen zuviel herumgereist", lautet seine Erkenntnis. Hinzu kommt, daß Professor Schmidt sehr "unbequeme" Vorstellungen von Forschung und Lehre hat. So sollten etwa Forschungsgelder seiner Meinung nach von der Tauglichkeit der Projekte abhängig gemacht werden. Diese solle, wie es bei der DFG, für die der der Professor 14 Jahre lang tätig war, üblich ist, durch unabhängige Gutachter überprüft werden.
Wie sich die Angelegenheit weiter entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Als einen "für alle Seiten befriedigenden Ausweg" aus dem Rechtsdilemma sieht das Stuttgarter Wissenschaftsministerium die vorzeitige Pensionierung des zweiundsechzigjährigen Professors. "Damit bin ich natürlich nicht einverstanden", sagt der streitbare Professors, der vorhat, auch in den ihm verbleibenden Jahren seiner Dienstzeit für seine Rechte auf die Barrikaden zu gehen.
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Wir erinnern uns: Ohne Vorwarnung kündigte der Verkehrsbund Rhein-Neckar (VRN) im Dezember 1998 seinen Semesterticket-Vertrag mit sämtlichen Universitäten im VRN-Tarifgebiet. Dazu gehören auch die Hochschulen Heidelberg und Mannheim. Dem Schreiben lag ein neuer Vertrag bei, mit der Bitte um Gegenzeichnung. Dieses Papier sah nicht nur die Erhöhung des Grundbeitrags, den jeder Student mit der Rückmeldung zahlt, von 19 Mark auf 22 Mark vor, sondern auch die Aufstockung des Ticketpreises auf 116 Mark. Langfristig plante der VRN die Angleichung des Semestertickets an die Schülerfahrkarte "MAXX", die zur Zeit 480 Mark im Jahr kostet. Die Antwort der Heidelberger Uni-Verwaltung und der Studentenvertreter: Nicht mit uns! Die universitären Gremien wollten erst verhandeln, bevor man demVRN auch nur eine Mark zahlte. Die letzten Gespräche fanden am 29. April statt. Als Vertreter der Uni Heidelberg nahmen daran Eckhard Behrens und Wolf-Eckhard Wormser von der zentralen Universitätsverwaltung, Studentenwerksleiter Dieter Gutenkunst und Referenten der FSK teil. Hauptsprecher des VRN war Geschäftsführer Horst Kummerow. FSK-Referent Hans Bohle nannte die Diskussion "hitzig" - die Ergebnisse jedoch waren mager. Zwar sicherte der VRN zu, ab dem 30. Mai die Straßenbahnlinien 1 und 4 auf der Berliner Straße im fünf-Minutentakt fahren zu lassen. Geplant seien auch Straßenbahnen nach Kirchheim und in die Altstadt, womit der VRN die bereits 1995 versprochenen Angebotsverbesserungen als erfüllt sieht. Zu einer Einigung über die Zukunft des Semestertickets kam es allerdings nicht.
Ist also noch alles offen? Mitnichten. Denn Ulrike Remischewski von der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit des VRN bestätigte gegenüber dem ruprecht, was vorher nur gerüchteweise bekannt war: "In Mannheim existiert eine neue Verhandlungsbasis". Das kann nur heißen, daß die Uni-Verwaltung Mannheim nicht weiter mit dem Verkehrsverbund um die Beibehaltung der bisherigen Vertragskonditionen ringen will und einen neuen Vertragsvorschlag gemacht hat. Die Rede ist von einer Erhöhung des Ticketpreises auf 120 Mark schon im kommenden Semester. Erst danach soll der Grundbeitrag für jeden Studenten auf 22 Mark angehoben werden. Damit würde der vorgesehene Preissteigerungs-Automatismus aufgehoben, bis 2002 sollen die neuen Preise gelten. Eine Aufrundung erfolgt bis dahin nur durch die Euro-Einführung 2001.
Als den "größten Hammer" aber bezeichnete Bohle eine Behauptung des VRN-Geschäftsführers Kummerow, nach der das Unternehmen eine folgenreiche Zusicherung vom Bildungsministerium erhalten habe. Bohle: "Trifft das zu, bleiben die zur Zeit an den VRN gezahlten Landeszuschüsse für den Ausbildungsverkehr auf jeden Fall erhalten - egal, ob das Semesterticket in der augenblicklichen Form weiterbesteht oder nicht."
Damit wird der Uni Heidelberg die Pistole auf die Brust gesetzt. Gelingt der Mannheimer Hochschule der Vertragsabschluß - zahlreiche kleinere FHs und Unis im VRN-Gebiet sollen, so die FSK, schon unterschrieben haben -, steht Heidelberg allein da. Aufgrund der Zusagen vom Land fehlt den Heidelbergern zudem jegliches Druckmittel. "Der Vertrag muß unterschrieben werden", erklärte Remischewski, und stellt damit klar: Entweder gibt es ein Semesterticket mit höherem Verkaufspreis und höherem Grundbeitrag - oder die Heidelberger Studis müssen im Wintersemester auf Fahrrad und Auto umsteigen. Das will sich die FSK nicht bieten lassen. Um es dem VRN und der Stadt, die bis jetzt eher Position für das Verkehrsunternehmen bezogen hat, zu zeigen, möchte man einen Autotag veranstalten: Dann soll jeder Student mit seinem Wagen zur Uni fahren - Verkehrschaos vorprogrammiert. "Vielleicht", hofft Bohle, "merken Stadt und VRN dann, daß es ohne Semesterticket nicht geht." (sk)
Die Folgen des lautstarken Aufruhrs waren kaum feststellbar - von einem Einlenken der Politiker keine Spur. Doch neben dem jüngsten höchstrichterlichen Rückruf der als "Bearbeitungsgebühr" getarnten Studiengebühren von 100 Mark im Semester trägt der Streik nun noch an anderer Stelle Früchte: am germanistischen Seminar. Dort fand Anfang Dezember 1997 eine Podiumsdiskussion zwischen Studenten und Dozenten der Germanistik statt.
Alarmiert durch projektierte 26prozentige Etatkürzungen in der Germanistik bis zum 2006 war damals auch die Professorenschaft fast vollzählig bei der Veranstaltung zugegen. Zumindest eine der damals wesentlich umfassenderen studentischen Forderungen konnte nun realisiert werden, nachdem die Seminarleitung seinerzeit in diesem Punkt Bereitschaft zur Kooperation signalisiert hatte.
Seit Beginn des Sommersemesters steht den Heidelberger Germanistikstudenten endlich ein ernstzunehmender Aufenthaltsraum im Palais Boisserè zur Verfügung. Schon seit mehreren Jahren hatte die Fachschaft sich immer wieder für die Einrichtung eines solchen Treffpunktes am Seminar stark gemacht - bis zum Dezember 1997 erfolglos. Nachdem im vergangenen Jahr ein geeigneter Raum gefunden war, konnten sich die agilen Raumdesigner der Fachschaft in der gerade beendeten vorlesungsfreien Zeit der produktiven Mitgestaltung ihres Instituts annehmen. Sie schafften gemütliche Sofas, Sessel, einen Kühlschrank, eine Kaffeemaschine und Schränke herbei. Damit richteten sie den "Common Room" am PB wohnlich ein.
Von diesem Semester an können es sich die über zweitausend Heidelberger Studenten der Germanistik zwischen ihren Veranstaltungen am eigenen Seminar gemütlich machen, ohne länger auf Marstall und Co. angewiesen zu sein.
Erstmals genutzt werden konnte der Raum schon vor Semesterbeginn im April, nämlich zur Erstsemstereinführung der Fachschaft. Zu finden ist der Gemeinschaftsraum (Raum 024) im Erdgeschoß des linken Seitenflügels des Palais. Seine Öffnungszeiten entsprechen natürlich denen des Seminars. Für seinen hoffentlich dauerhaft einladenden Zustand sind die Benutzer selbst verantwortlich. Deshalb sollte ein pfleglicher Umgang mit der Einrichtung selbstverständlich sein. Die ideell gestärkte Fachschaft beschloß denn auch sogleich, ihren Erfolg am ersten Maiwochenende mit einer Fahrt in die europäische Kulturstadt 1999, nach Weimar, zu feiern. Dort sollen unter anderem Richtungsentscheidungen für die als nächstes anzusteuernden Fernziele getroffen werden.
Nach Ansicht der aktiven Germanisten hat sich der Kampf um studentische Freiräume einmal mehr nicht nur als zäh, sondern vielmehr auch als notwendig und sinnvoll erwiesen. (kwa)
Vieles an Behrens' Arbeit entwickelt sich im Projektstil, denn das Amt als Behindertenbeauftragter rangiert neben seiner Arbeit als Dezernent für Studium und Lehre nur als eine Art Nebenjob. "Leider habe ich zu wenig Zeit. Das hat zur Folge, daß ich in der Vergangenheit dem ein oder anderen Behinderten sicherlich auch einmal nicht gerecht werden konnte, daß ich etwas versprochen habe, was sich dann nicht umsetzen ließ", so Behrens. Da fällt ihm zum Beispiel der Computerplatz mit Diktierprogramm ein, der im Moment installiert wird. "Das Traurige an der Geschichte ist, daß sie sich über zwei Jahre hinzog", bedauert er.
Beim nächsten Gedanken erhellt sich die Miene des Behindertenbeauftragten jedoch wieder: "Wir brauchen eine ehrenamtliche Truppe", erzählt er und erwartet sichtlich begeisterte Reaktionbei seinem Gegenüber. Zu diesem Projekt wurde er von einer Stipendiatin inspiriert, die ihren Geldgebern ehrenamtliches Engagement nachweisen muß. Die "Truppe" könnte den Behinderten zu Studienbeginn beispielsweise das Einleben erleichtern. "Viele Behinderte werden zu Hause überbetreut", so Behrens. Plötzlich alles selbständig und alleine erledigen zu müssen, fällt dann natürlich um so schwerer.
Die Integration in der Semestergruppe ist daher ein wichtiger Punkt für behinderte Studenten. Das kann jedoch nach Behrens nur dann erreicht werden, wenn der Behinderte bereit ist, über seine Behinderung zu reden. "Es entsteht erst dann ein kreatives Verhältnis, wenn man als Nicht-Behinderter weiß, wann ein Handgriff eine Hilfe ist, und wann er bloß stört."
Zu unterscheiden, wo es angebracht ist, über die eigene Behinderung aufzuklären und wo nicht, muß ohnehin jeder Betroffenen selbst lernen. Von den Behinderten an der Universität Heidelberg, die etwa acht Prozent der Studentenschaft ausmachen, gibt nur ein verschwindend kleiner Anteil bei der Immatrikulation ihre Behinderung an.
Bei konkreten Problemen ist Behrens auf die Behinderten selbst angewiesen. Er ist überzeugt, daß er, sobald er über einen Mißstand informiert ist, mit offiziellen Briefen als Behindertenbeauftragter das ein oder andere Verfahren beschleunigen und Veränderungen gezielter in Gang setzen kann.
Trotzdem gibt es natürlich alte Gebäude, die rein bautechnisch nicht mehr rollstuhlgerecht umgebaut werden können, beispielsweise das zentrale Sprachlabor. Dort werden behinderte Studenten teilweise im Rollstuhl die Treppen hochgetragen. Was es aber wirklich bedeutet, als Gehbehinderter auf solcherlei Hilfen angewiesen zu sein, können sich die meisten Nicht-Behinderten wiederum nicht vorstellen. (bak)
Seit Januar ist der Behindertenbeauftragte auch im Internet präsent:
www.zuv.uni-heidelberg.de/handicap
Ich sehe nur etwa zu 25 Prozent, dadurch gibt es im Studienalltag natürlich einige Schwierigkeiten.
Bei der Auswahl meiner Seminare muß ich mich danach richten, daß ich für das Lesen mehr Zeit brauche als andere. Zum Glück habe ich bisher nur positive Reaktionen erlebt, wenn ich mich deswegen oder wegen größer gedruckten Kopien bei Klausuren an Dozenten gewandt habe. Um diese Dinge muß man sich als behinderter Student einfach selbst kümmern.
In meinem zweiten Semester habe ich mit einigen Kommilitonen die "Interessengemeinschaft blinder und sehbehinderter Studierender" (IBSS) mitbegründet. Wir wollten eigeninitiativ etwas organisieren.
Ich denke, daß bei Behinderten zwei Extrempositionen festzustellen sind: die einen meinen, sie seien furchtbar arm, und die Gesellschaft muß jetzt als Ausgleich etwas für sie tun, und das andere Extrem sind Behinderte, die meinen, sie müßten alles ganz alleine schaffen - als gäbe es die Behinderung nicht. Ich finde, beide Positionen falsch. Es ist schon wichtig zu artikulieren, wo ich eingeschränkt bin und wo nicht.
Claudia, 5. Semester Erziehungswissenschaft, Psychologie, Soziologie
Seit einem Verkehrsunfall kann ich meinen rechten Arm nicht mehr benutzen. Da ich nun alles mit dem linken mache, ist dieser überlastet und fast permanent entzündet. Ich kann also keine Mitschriebe anfertigen und Hausarbeiten tippen.
Als ich zu studieren anfing habe ich versucht, mir mit einem Diktiergerät zu helfen. Das ist aber daran gescheitert, daß manche Dozenten nicht bereit waren, ihre Vorlesungen aufzeichnen zu lassen.
Als die ersten Diktierprogramme auftauchten, wandte ich mich mit der Bitte, ein solches auf einem Computer innerhalb der Universität zu installieren, an Herrn Behrens, dem Behindertenbeauftragten der Universität, gegangen. Die Problematik war ihm wohl neu, aber er ist gleich darauf eingegangen. Leider folgte ein wochenlanges hin und her. Herr Behrens war wohl ziemlich überlastet. Er hat schlicht keine Zeit, nehme ich an, um manche individuellen Probleme, wie sie bei Behinderten nun einmal oft auftauchen, zu lösen. Nach über einem halben Jahr gab ich dann auf. Das verlief ganz leise im Sande.
Über einen Professor am Erziehungswissenschaftlichen Seminar wurde wenig später mit Hilfe von Herrn Behrens ein Computer im PC-Pool für mich als Zwischenlösung aufgerüstet. Der Geräuschpegel dort ist zwar etwas problematisch, aber es ist mir eine Hilfe.
Trotz allem muß ich noch viel handschriftlich machen, dadurch studiere ich im Prinzip auf Kosten meiner Gesundheit, aber ich möchte mein Studium möglichst genauso durchziehen wie andere auch. Bevor ich mir allerdings auch noch meinen linken Arm ruiniere, nehme ich es in Kauf, länger als die Regelzeit zu studieren.
Alex, 14. Semester, Psychologie
Als ich anfing zu studieren gab es keinen Fahrstuhl im Psycho-Institut, so daß es anstrengend für mich war, in manche Räume zu kommen. Mittlerweile sind die Bedingungen für Gehbehinderte am Institut fast optimal. Im Neuenheimer Feld dagegen ist es eine Katastrophe.
In der Triplex-Mensa gibt es zwar einen Aufgang, aber der ist so steil, daß man es als Rollstuhlfahrer kaum alleine schafft, dort hochzukommen.
Ich bin mittlerweile im 14. Semester und muß daher Studiengebühren zahlen, was eigentlich ein richtiger Hammer ist. Daß ich länger als die Regelstudienzeit brauche, liegt zweifellos unter anderem an meiner Behinderung. Der Studienalltag ist für einen Behinderten oft aufwendiger und anstrengender als für einen Nicht-Behinderten. Ich habe mich zwar an den Behindertenbeauftragten Behrens gewandt, aber die Behinderung allein reicht rechtlich einfach nicht für eine Härtefallregelung aus. Es ist doch absurd, Arbeitsverlängerungen etwa bei Hausarbeiten einzuräumen, andererseits aber nicht zu berücksichtigen, daß damit auch die Studiendauer verlängert wird. (bak)
Die vielgeschmähte Thüringer Kleinstadt, die vor allem als Wahlheimat des Frankfurter Juristen Goethe nach 1775 zu Weltruf gelangte, wartet dieser Tage mit einem Programm auf, wie man es sonst eher von Megahappenings á la Documenta, Kirchentag oder Expo gewohnt ist. Das Hochglanz-Programm von der Dicke eines Versandhaus-Kataloges listet die dicht aneinandergereihten Veranstaltungen des ganzen Festjahres auf: Theater, Ballett, Kino, Konzerte, Diskussionsrunden und Modern-Art-Installationen, sogar Weimar-Clips wurden gedreht.
Weimar heute ist ein herausgeputztes, in sechs Jahren kostspielig renoviertes Nest, das es mit der allzu vertrauten "Heidelberger Idylle" mühelos aufzunehmen vermag. Zudem gehört es seit einigen Monaten zum Unesco-Welterbe. Eine Stadt der pastellfarben getünchten alten Baudenkmäler, Cafés und der zahllosen Parks. An jeder Ecke hat der Stadtführer, ein philologischer Überzeugungstäter, eine Anekdote von den verblichenen Meistern zu erzählen, und jedes dritte Haus scheint in irgendeiner bedeutungsgeladenen Verbindung zu Herder, Schiller, Goethe, Liszt und Nietzsche zu stehen.
So nimmt auch kaum wunder, daß einem in Goethes in klassischem Bombast eingerichtetem Wohnhaus niemand geringerer als des Kanzlers Kulturadvokat Michael Naumann höchstselbst aufwartet. Bei seiner Rede zur Eröffnung des neuen Goethe-Nationalmuseums spricht Naumann von einer "kopernikanischen Wende"; gemeint ist das Museumskonzept. Das modern gestaltete Ausstellungsgebäude neben Goethes Wohnhaus stellt Goethes Epoche vom Amtsantritt der Herzogin Anna Amalia 1759 bis zu Goethes Tod 1832 dar. Fast 700 Exponate vom Theaterrequisit über Büsten, Kompendien, exotische Naturalia und Möbel sollen die Aura der Epoche reproduzieren und Goethe dabei als zentral in sie eingebettete Gestalt präsentieren. Die Ausstellung setzt auf den mündigen Besucher, der sich seinen Weg durch den Kulturdschungel selbst zu bahnen versteht und auf lehrmeisterliche Ambitionen lieber verzichtet. Darüber hinaus erlaubten sich die Berliner Architekten einige geistvolle Spitzen, so etwa die Installation eines wandernden Spiegels auf dem Dach, der durch ein Prisma ein kräftiges Farbenspektrum an die Wand des Museumsfoyers wirft. Dem in den Fragen der Farbenlehre strikt bekämpften Newton wird so posthum im Haus seines Antipoden die Ehre gegeben.
Nach Besuch von Nationaltheater, Goethehaus, Bibliotheken, einer makabren Schlachthof-Party und selbst eines PDS-Chors im FDJ-Dreß zum Tag der Arbeit endet die Weimar-Exkursion mit einer Fahrt zum Ettersberg und zur nahe gelegenen Gedenkstätte Buchenwald. Ausgerechnet auf Buchenwald lenkt die freie Wirtschaft gerne mit bedrückendem Gespür für Fettnäpfchen ihr Augenmerk, wenn es wieder einmal der Ideen für "neue" Werbekampagnen ermangelt; so kürzlich erst die Imbißkette Burger King, die mit dem Buchenwald-Spruch "Jedem das Seine" für ein thüringisches Kneipenfestival warb.
Auch die Organisatoren des Kulturstadt-Jahres akzentuieren in der Ausrichtung des Weimar-Programms die unübersehbare Nähe zwischen alteingesessenem Kulturzentrum und der modernen massenhaften Menschenvernichtung. Vor der Gedenkstätte steht der noch für den KZ-Kommandanten errichtete Privat-Zoo; in Buchenwald passiert man die "Goethe-Eiche", derweil der Blick über das talwärts gelegene idyllische Weimar schweift. Erst hier stellt sich schließlich ein - beklemmender - Eindruck des Irrealen ein, dem mit keinem Gespräch mehr beizukommen zu sein scheint. (kwa)