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ruprecht on the records


Mike Ness: Cheating at Solitaire

Der Name Mike Ness ist Punkfreunden seit Ende der 70er Jahre ein Begriff. Damals gründete er in L.A. unter dem Einfluß von Bands wie "the Clash", den "Ramones" oder den "Sex Pistols" "Social Distortion", deren harten Sound er selbst einmal mit den Worten "staubtrockener Wüstenpunk am besten serviert mit einem Glas eiskalten Whisky" treffend umschrieben hat. In seinem Soloalbum besinnt Ness sich mehr auf eine andere Tradition, die sich an Namen wie Johnny Cash, Elvis Presley, Hank Williams oder Bob Dylan festmachen läßt. Die harte Gitarre tritt in den Hintergrund und anstatt dessen eröffnet sich ein weites Spektrum von musikalischen Einflüssen. Im besonderen sind es die düster-schwülen Country- und Blues-Balladen ("Rest Of Our Lives", "You Win Again", "No Man's Friend", "Ballad Of A Lonely Man"), die dieses Album prägen, ohne es für einen cowboybestiefelten Mittleren-Westen Farmer attraktiv zu machen. Dafür sorgt erstens eine klassische Rock-Grundbesetzung, zweitens Folk-, Punk- und starke Rockabilly- Einflüsse unter denen besonders das Dylan-Cover "Don't Think Twice" als gelungen hervorgehoben werden kann und drittens Mike Ness selbst, dessen dichte und leidende Stimme ein ziemliches Maß an Pessimismus und Ernüchterung in sich trägt und sich insofern schon vom Countrygesabbel eines Garth Brooks abhebt. Anzumerken bleibt, daß die Zusammenarbeit mit Bruce Springsteen in "Misery Loves Company" nicht unbedingt als Bereicherung zu sehen ist. Das Stück klingt fad und altbacken. Jeder Ausdruck fehlt.

Die Texte könnte man als traditionell bezeichnen in dem Sinne, als daß sie eben die Worte enthalten, die bei Ness eigentlich noch nie fehlten; police, highway, fool, luck, baby, jail und insofern das alte Bild des einsamen Marlboro Mannes vertonen, der trotz aller durchlebter Härten noch immer nichts von der Welt gelernt hat und das eigentlich auch gar nicht will.

Für Mike-Ness-Fans ist die Platte alleine schon deswegen ein Muß, weil man der reptilienähnlich anmutenden, wandelnden Tätowierung Ness, die live schwitzend und rotzend über die Bühne prescht, wohl kaum so einfühlsame Songs zugetraut hätte. Da sollte man sich auch nicht davon abhalten lassen, daß einige Läden "Cheating at Solitaire" wirklich unter Country einordnen, was formal vielleicht stimmt, im Grunde aber Blödsinn ist, weil die Platte eher einen Abriß über weite Teile amerikanischer Musikkultur zieht. Für alle anderen sei das "Reinhören" auf jeden Fall empfohlen. (wro)

Pia Lund: Lundaland

13 lange Jahre stand sie unter der künstlerischen Aufsicht ihres Ehemanns und Bandchefs. Bei Live-Gigs des "Voodooclubs" saß sie brav an ihren Keyboards und sang artig ihre Refrains. Und auch abseits der Bühne war sie eher das unnahbare Geschöpf an der Seite des großen Meisters Phillip Boa.

Boa hat bereits vor über einem Jahr sein Solo-Debüt veröffentlicht. Auf der angeknüpften Tour ohne den "Voodooclub" mußte er sich dafür "Pia"-Rufe aus dem Publikum gefallen lassen, denn die Fans schienen eindeutig jemanden zu vermissen.

Pia Lund ihrerseits scheint das Kapitel "Voodooclub" ebenfalls abgeschlossen zu haben, denn sie hat nun endlich den Weg in die private und musikalische Selbständigkeit betreten. Den Beweis liefert sie mit "Lundaland". Die meisten Songs und Texte für das Album stammen aus ihrer eigenen Feder, von ein paar Stücken abgesehen, die doch eindeutig die Handschrift ihres Ex-Mannes tragen. Merkmal für Voodooclub-Songs wie "Container Love" oder "Love on Sale" waren stets die von Boa gemurmelten Texte, die sich mit den von Pia gesungenen melodiösen Refrains abwechselten. Auf Boas Gebrummel müssen wir auf "Lundaland" verzichten - Pech oder Segen - wir hören Frau Lund pur. Die eingängigen Refrains sind geblieben. "How a Flower Grows" ist zum Beispiel so ein Stück, das auch die typische Stimmung des Albums widerspiegelt. Verträumtheit mischt sich mit Melancholie. Die Melodie wird dabei wieder ganz von Pias engelsgleicher, fast kalter und emotionsloser Stimme getragen.

Das Eröffnungsstück "Charlamane" mit seinen elektronischen Streichersequenzen und die erste Single "Uh Uh Yeah" mit Pias sirenenhaftem Gesang enttarnen sich als Ohrwürmer. Aber auch die von Frau Lund in vollständiger Eigenregie komponierten Songs "Dear Mary" und "Forever" gehen sofort ins Gehör. Ohrwürmer sind also massenhaft vorhanden auf diesem elektronisch gehaltenem Pop-Album, das nun in seiner Gesamtheit auf das auch oft belächelte Stimmchen der Frau Lund zugeschnitten ist. Man will die Songs unter der Dusche weiterträllern. Oder man träumt. Das Solo-Debüt des zarten blonden Stimmphänomens zeugt von ihrer neugewonnenen persönlichen Stilorientierung. Tripop-Beats schleppen sich dahin, Dance und House-Elemente ("The Illusion") unterbrechen die träumerische Atmosphäre. Und wovon träumt Pia Lund? Sie singt über die Liebe, und über ihr Seelenleben, und über die Suche nach dem Traumprinzen. Prinzessinnen können so was. (bede)

Jim Hail & Pat Metheny

Der Jazz lebt vom Zusammentreffen großer Solisten. Nicht selten wird dabei Jazzgeschichte geschrieben. Die erste gemeinsame CD von Jim Hall und Pat Metheny ist sicher kein Meilenstein des Jazz, aber dennoch eine besondere Platte. Treffen doch hier zwei stilprägende Gitarristen aufeinander, die sich und ihrem Publikum nichts mehr beweisen müssen. Die entspannte Stimmung, die beim Einspielen der Platte im letzten Sommer geherrscht haben muß, ist beim Anhören der 17 Stücke deutlich zu spüren. Auch die Aufnahmen, die live gemacht wurden, verströmen eine Gelassenheit, wie man sie aber bei Jim Hall auch nicht anders erwartet hätte, liegen Jim Halls Wurzeln doch im Cool Jazz der Fünfziger Jahre. Richtig bekannt wurde er durch sein Spiel im Jimmy Giuffre-Trio. Seitdem sind seine wunderbar melodiösen, gesangvollen Improvisationen aus dem Jazz nicht mehr wegzudenken. In all den Jahren ist er dem Cool Jazz nie ganz untreu geworden und längst ist er zu dem zeitlosen Jazz-Gitarristen par excellence geworden. Sein Einfluß auf die nächste Generation von Jazz-Gitarristen, zu der auch Pat Metheny gehört, kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Auch schon aus diesem Grund ist das gemeinsame Album der beiden etwas Besonderes, denn wem ist es schon vergönnt, mit seinem Jugend-Idol zusammen in die Saiten greifen zu dürfen. Zwei verwandte Seelen treffen aufeinander und heraus kommen meist stimmungsvolle, wärmende Gitarrenduette, technisch einwandfrei, aber letzten Endes fehlt manchmal die künstlerische Brillianz. Bei Gershwins "Summertime" blitzt dann kurz das gestalterische Talent der beiden auf, davon hätte man gerne mehr gehört. Doch auch so ist die Platte ein Hochgenuß, denn immer wieder verstehen es Hall und Metheny, mit subtilen Mitteln eine solche Spannung zu erzeugen, daß man zu hören glaubt, wie das Publikum den Atem anhält. Fast andächtige Stille, beglücktes Schweigen. Das Magazin "Melody Maker" nannte Jim Hall nicht umsonst "The Quiet American". Aber auch Metheny ist ein Zauberer der Melodie. Was er seiner selbstgebauten 42saitigen Gitarre an Tönen entlockt, grenzt manchmal an ein Wunder ("Into the dream"). Auch kleine witzige Anspielungen Halls sind auf der Platte zu entdecken. So zitiert er in seinem Stück "Cold spring" den Kanon "Hejo spann den Wagen an". Wer Musik für einen lauen Sommerabend sucht, dem empfehle ich nur: Hejo, zieh die Schuhe an, und nichts wie in den nächsten Plattenladen, um diesen Jazz-Edelstein zu erwerben. (Col)


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