<< >> Title Contents


Heidelberg


Bier und Bric-à-Brac

Folge fünf der ruprecht-Kneipenserie: o'reilly's

Eigentlich eine merkwürdige Idee, sein Bier mitten im Hochsommer anstatt auf der Neckarwiese ausgerechnet in einem der zahlreichen Heidelberger Irish Pubs zu genießen. Wir haben's trotzdem getan, haben das o'reilly's in der Neuenheimer Landstraße 5 besucht und konnten dabei nicht nur über Whiskeysorten etwas lernen, sondern auch einiges über die kleinen Unterschiede zwischen Mann und Frau.

Die weibliche Sichtweise:

War ja klar, daß er wieder zu spät kommt. Drinnen ist er auch noch nicht; da sitzen nur ein paar englische Jungs, die sich zu langweilen scheinen - jedenfalls sind sie sehr kontaktfreudig. Ich warte wohl lieber draußen, wo auch noch ein paar lange Tische mit Bänken stehen, die alle voll besetzt sind. Schade, denn eigentlich sieht es hier ganz nett aus: Die Sonne scheint, gegenüber ist ein französisches Café, und durch eine Gasse kann man den Neckar sehen.

Da kommt er ja. Wir gehen rein, und ich komme mir etwas verloren vor: Als ich das letzte Mal hier war, war Winter; jetzt im Sommer ist die Atmosphäre anders, und der Raum wirkt groß und leer.

Wir setzen uns an einen langen Holztisch, an dessen anderem Ende drei Mädels sitzen, die so irisch aussehen wie die Kinder in der Kerrygold-Werbung. Überhaupt: Das Grün der irischen Wiesen scheint den Raum zu dominieren - selbst die Kerze in der Flasche vor uns, die sofort anfängt, auf den Tisch zu tropfen, hat diese Farbe. Es sieht hier so aus, als hätte man alles, was irgendwie ins Irlandklischee paßt, zusammengetragen. Anne, die Kellnerin, erklärt uns, daß man den Trödel "bric à brac" nennt und alles wirklich original von der Insel kommt - Anne selbst übrigens auch. Die Transportkosten haben sie aber scheinbar noch nicht wieder raus: Die Preise hier sind nichts für Schotten. Schade, daß er mich nicht einlädt.

Das o'reilly's, das es seit vier Jahren in Heidelberg gibt, gehört übrigens zu einer Kette, und Anne erzählt uns, andere Filialen befänden sich in Brüssel, Amsterdam und Dublin. Das erklärt auch die Merchandising-Tassen und die Internet-Adresse auf der Speisekarte.

Wir haben unser Bier ausgetrunken. Die Tische um uns herum sind mittlerweile gut besetzt, und ein paar Leute stehen auf und gehen durch einen steinernen Torbogen made in Ireland ins Hinterzimmer, das viel schöner ist als der vordere Raum. Es ist Dienstag abend, und da spielt wie jede Woche Billy Goodman seinen Blues. Die Stimmung ist gut; ein Typ zwei Meter vor der Bühne wippt so sehr auf seinem Barhocker mit, daß ich mich frage, wie lange er sich da oben wohl noch halten kann. Bleiben wir noch ein bißchen... (stw)

Was sagt der Mann:

Irish Pubs gibt es in Heidelberg so viele wie Klee auf Irlands Wiesen. Warum schleppt sie mich ausgerechnet in diesen hier? Vor dem Lokal wartet sie auf mich in der Sonne: Eigentlich mehr ein Abend für einen Biergarten. Die Tische zwischen Eingang und Straße sind dementsprechend besetzt. Macht nichts, das Guinness-im-Grünen-Gefühl kann sich neben beschleunigenden Motorrädern sowieso nicht richtig entwickeln. Also rein.

Drinnen sieht es gemütlich aus: Der Schankraum ist groß, wirkt aber durch seinen winkligen Grundriß und ein paar Säulen fast wohnlich. Da stört es nicht, daß es bis auf ein paar Amis in der Ecke fast leer ist. Nette Jungs.

Auf den Tischen stehen Baileys-Flaschen, die von dutzenden grünen Kerzen mit dicken Wachsmänteln vollgetropft worden sind. Im Raum wechseln Dunkelgrün, tiefes Rot und helles Holz einander ab, dazwischen die für einen Irish Pub unerläßlichen Bierplakate und alten Brauereiphotos - alles in allem der richtige Ort, das eine oder die anderen Bier zu trinken.

Vielleicht nicht zuviel davon: Bei 7,50 Mark für den halben Liter Guinness ist das BAföG bald aufgebraucht - und wer im o'reilly's satt werden will, muß über 20 Mark investieren. Gut, daß die Frauen heutzutage emanzipiert sind - sonst müßte ich sie jetzt noch einladen.

Auf ihre Kosten kommen die Whiskeyfreunde: Nicht weniger als 33 Sorten stehen auf der Karte, ähnlich viele wie zum Beispiel auch im Napper Tandy's. Die Konkurrenz unter den Pubs in Heidelberg ist groß, und kleinere Pubs wie das urig-winzige Scruphy Murphys in der Ingrimstraße, das letzthin schließen mußte, können da nicht mithalten.

Der Abend wird gekrönt durch den Live-Act im Hinterzimmer. Dieser Raum ist einen Besuch wert: Eine prächtige hölzerne Theke grenzt ihn nach hinten ab, die Tische sind durch niedrige Trennwände voneinander abgeteilt, und vor den Fenstern hängen schwere Samtvorhänge. Es gibt auch eine winzige Bühne, auf der sich Billy Goodman und seine Band zu schaffen machen: Die Drei passen mit ihrer Musik so gut hierhin wie ein Zentimeter Schaum auf einem Pint Kilkenny - was wir uns sofort bestellen. (gan)

o'reilly's

Guinness/Kilkenny (0,5 l): 7,50

Coffee: 3,20

Cola (0,2 l): 3,50

Oban Single Malt (4 cl): 10.-

Macallan 25 yrs (4 cl): 35.-

Irish Coffee: 9,50

Fish & Chips: 18,50

Irish Stew: 17,50


<< >> Title Contents