Dr. Barbara Greven-Aschoff
GAL - Abgeordnete im Heidelberger Gemeinderat
Zur Erinnerung: l991 hat die Oberbürgermeisterin dem Trägerverein des Autonomen Zentrums unbürokratisch geholfen und die mittlerweile abgerissenen Räumlichkeiten in der Bergheimerstraße zur Verfügung gestellt. Darüberhinaus flossen dem AZ keine Subventionen zu. Durch Selbstorganisation und Kreativität der Jugendlichen ist ein Angebot entstanden, das sehr viel Zuspruch fand. Es ging darum, eine Alternative zu den herkömmlichen Formen der Jugendkultur zu schaffen, ohne die üblichen bürokratischen Hierarchien und mit einer Vielfalt von Aktivitäten. An den nicht profitorientierten Musik-Veranstaltungen konnten Jugendliche zu günstigen Preisen teilnehmen.
Das Autonome Zentrum wurde damit ein Treffpunkt für das jüngere Publikum mit oft mehr als 1000 BesucherInnen im Monat. Das Info-Cafe bot äußerst günstige Preise für nichtalkoholische Getränke, es entstand eine Fahrradwerkstatt mit Werkzeug und Hilfen zum Selbstreparieren, ein Fotolabor und andere Werkräume. Es gab Platz für Frauenveranstaltungen, Theateraufführungen, für politische Initiativen und es wurden Hilfen für diskriminierte und bedrohte ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger organisiert. Es ist fatal, wenn jetzt , weil Räume nicht zur Verfügung gestellt werden, eine derartige Einrichtung in Heidelberg keinen Platz mehr finden sollte.
Man muß nicht mit allem einverstanden sein, was das Autonome Zentrum macht, aber die Liberalität einer Stadt erweist sich gerade darin, daß sie unkonventionellen Gruppen ihren Raum läßt und sie nicht - wie es von Seiten der CDU nur zu gerne getan wird kriminalisiert.
Im Unterschied zu reglementierten Jugendeinrichtungen der Stadt oder anderer Träger können junge Leute im AZ lernen, ihre Interessen selbstbestimmt zu organisieren,Verantwortung zu übernehmen, demokratisches Verhalten einzuüben. Das sollten wir unterstützen als Beispiel für eine Kultur, die weitverbreitetem passiven Verhalten von Jugendlichen entgegentritt. Wenn das AZ für seinen Bestand und für Ersatzräume demonstrierte, hat es nur ein Bürgerrecht wahrgenommen und es hat oft genug bewiesen, daß es dieses Recht friedlich wahrnimmt. Für unschöne Erscheinungen, die am Rande der letzten Demo passierten, können nicht die Veranstalter verantwortlich gemacht werden.
Es war davon auszugehen, daß bis zum Zeitpunkt der Räumung der Bergheimerstraße - wegen der Bebauung des Glockengießereigeländes - auch neue Räume gefunden werden könnten. So schien sich Anfang l999 eine Lösung anzubahnen, als die Bahn-Immoblilien GmbH Bereitschaft signalisierte, das Bahnausbesserungswerk in Wieblingen/Ochsenkopf zu vermieten. Es wäre das ideale Gebäude für das Autonome Zentrum gewesen, vor allem unter der Perspektive einer Entwicklung des gesamten Areals zu einer Kulturfabrik mit Probebühnen für Theater, Kleinkunstgruppen. Zudem ist das Bahnausbesserungswerk als Industriedenkmal erhaltenswert. Leider hat eine Mehrheit dieses Projekt abgelehnt. Die SPD aus Kostengründen und der Furcht vor dem Wiederstand aus dem Stadtteil in Zeiten des Wahlkampfes, die CDU, weil sie einer autonomen Einrichtung zutiefst mißtraut, die sich nicht dem gesellschaftlichen mainstream anpaßt.
Heidelberg ist in den letzten Jahren sehr gut mit dem AZ gefahren. Das sollte meiner Meinung nach so bleiben. Ich hoffe, daß im neuen Gemeinderat trotz erschwerter Mehrheitsfindung genung einsichtige Ratsmitglieder bereit sein werden, eine Lösung des Raumproblems zu finden.
Contra
Werner Pfisterer
MdL und stellv. Vorsitzender der CDU-Gemeinderatsfraktion
Seit Ende Januar 1999 das
autonome Zentrum (AZ)
geräumt und
abgerissen wurde, hat Heidelberg einen sozialen Brennpunkt weniger.
Befürworter des AZ sprechen gerne verharmlosend von einem Jugendzentrum.
Durch diesen Euphemismus halten sie die Geisterdiskussion um ein neues AZ am
Leben und beleidigen gleichzeitig die jungen Menschen unserer Stadt.
Die Leidenschaft, mit der sich die Befürworter des Projekts öffentlich engagieren, ersetzt doch keine Argumente. Die Fakten sprechen eine deutliche Sprache: Das AZ hat doch nicht durch Jugendarbeit, sondern durch immer neue Straftaten und Gewalt in dessen Umfeld landesweite Bekanntheit erlangt.
Nur weil die Stadt und die Deutsche Bahn AG auf Strafanzeigen verzichteten, blieben die Besetzungen des Gebäudes Plöck 23 im Oktober 1998, des Alten Hallenbades im November 1998 und des DB-Betriebswerkes am Ochsenkopf im Januar 1999 straffrei.
Zur Anzeige gebrachte Straftaten, zumeist Sachbeschädigungen, blieben deshalb ungeahndet, weil die Täter nicht zu ermitteln waren. Zu den registrierten Sachschäden fielen auch noch Kosten in Höhe von knapp 1,5 Millionen Mark für die jeweiligen Polizeieinsätze im Zusammenhang mit dem AZ an.
In diesem Licht wirkt es doppelt unverständlich, daß die Oberbürgermeisterin den autonomen Jugendlichen neue Räumlichkeiten in Aussicht stellte. Denn dieses Versprechen war vom ersten Tag an unhaltbar. Die Mehrheit der Heidelberger Bürger und Bürgerinnen lehnen ein AZ ab und laufen gegen jeden neuen Standortvorschlag Sturm.
Alles Schönreden nützt doch nichts: Der harte Kern der AZ-Bewohner lehnt diese Gesellschaft und ihre Ordnung ab, fordert aber von eben dieser Gesellschaft Geld, um sein autonomes Weltbild zu pflegen. Das ist ja schon in sich widersprüchlich.
Im April dieses Jahres kamen die Zahlen auf den Tisch: In einer Vorlage mit dem Titel >>Räumlichkeiten für die offene Jugendarbeit im Bahnausbesserungswerk Ochsenkopf: Anmietung, Renovierungsarbeiten<< wurden erstmals konkrete Zahlen genannt, die für ein neues AZ zu veranschlagen wären. Kosten von über 14.000 Mark monatlich sollte die Stadt für die Anmietung, Renovierung und Unterhalt übernehmen, damit das AZ am Ochsenkopf wieder aufleben kann. Insgesamt 867.300 Mark sollten in fünf Jahren in einem neuen AZ verschwinden - ohne jedes Konzept zur Jugendarbeit.
Es ist völlig unmöglich, das einem vernünftigen Menschen plausibel zu machen, denn diese 800.000 Mark würden bei der Instandhaltung von Schulen fehlen. Und wer sich in den Heidelberger Schulen regelmäßig umschaut, weiß um die Dringlichkeit so mancher Maßnahme, die aus Geldmangel bisher schon aufgeschoben wurde.
Wenn die Wortführer des AZ dem Gemeinderat in öffentlicher Sitzung auch noch mit weiteren Rechtsbrüchen drohen, um ihre Forderungen zu untermauern, dann schießen sie sich doch selbst ins Abseits. Selbst die Befürworter des AZ können vor diesen Tatsachen die Augen nicht länger verschließen.
Für eine konstruktive Jugendarbeit mit Konzept stellt die CDU auch weiterhin gerne Geld bereit, soweit das der Haushalt her gibt. Für die CDU Gemeinderatsfraktion und mich kann es hinsichtlich des AZ aber nur heißen: Kein Raum und keine Mark!